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Allgemeine Zeitung. Nr. 86. Augsburg, 26. März 1840.

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und Zolldirectoren. In der Diplomatie ist nur ein einziger Unadeliger angestellt, und dieser soll seine Ernennung ganz und gar dem Zufall zu verdanken haben, daß man im Cabinet keinen adeligen Candidaten hatte, der Italienisch verstand.

Unter sonst gleichen Verhältnissen mag die höhere Geburt gern einige Rücksicht verdienen, wenn sie von den Eigenschaften begleitet ist, welche eine höhere gesellschaftliche Stellung begründen und als ihr zukommend betrachtet werden. Allein daß die bloße Adelschaft auch den Mangel an Einsichten und Erfahrung ersetzen könne, und ohne Rücksicht auf diese Erfordernisse zu den höchsten Staatsämtern bevorzugt zu werden verdiene, ist eine Beförderungsmaxime, die schwerlich anderswo in ganz Europa jetzt noch eine so ausgedehnte Anwendung fände wie hier. Einzelne Ausnahmen würden zwar in einer mehr ins Detail gehenden Schilderung eine ehrenhafte Erwähnung verdienen, allein sie sind nicht bedeutend oder zahlreich genug, um in einem allgemeinen Gemälde besonders hervorgehoben werden zu können.

Ich habe schon in einem frühern Artikel über die Beamtenbildung in Schweden des fast gänzlichen Mangels an Staatsprüfungen, besonders im civilistischen Fach, erwähnt. Daß solche nicht eingeführt worden sind, kommt dem Familienadel sehr zu Statten, denn die strengeren Prüfungen müßten doch für Alle gleich nothwendig seyn, und die jetzt für die Adeligen so gerade und unverkümmerte Bahn zu den höchsten und einträglichsten Ehrenstellen im Staatsdienst würde ihnen auf diese Weise mit Dornen besäet werden. Nach dem jetzt gewöhnlichen Gang, um zu den höheren Administrativstellen zu gelangen, wird der junge Edelmann, nachdem er als Cadett etwas Französisch gelernt und in einigen Elementarstudien abgerichtet worden ist, in seinem sechzehnten Jahre Fähndrich, macht sein Officierexamen und avancirt zum Lieutenant, Capitän, vielleicht zum Major, unternimmt unterdessen eine Reise nach Paris, kehrt zurück, und flugs wird er jetzt ohne weiteres zum Staatsrath, Präsidenten oder Landesgouverneur gemacht, oft ohne im mindesten die Gesetze, die er handhaben, oder die Provinz, die er regieren soll, zu kennen. Es ist mehr zu verwundern, wenn unter den so Beförderten doch einige gute Beamte sich befinden, als daß die meisten schlecht sind. Denn begreiflicherweise kann man ein sehr guter Rittmeister bei der königlichen Leibgarde zu Pferde gewesen seyn, gut französisch sprechen und ein einnehmendes Wesen im gesellschaftlichen Umgang entwickeln, und doch ein sehr schlechter Staatsmann oder verwaltender Beamter seyn. Man könnte fast sagen, es bestehe jetzt in Schweden ein adeliges Militärregiment, denn es gibt kaum ein höheres Amt - die Bischöfe und die Justizstellen etwa ausgenommen - welches nicht von adeligen Officieren besetzt wäre.

Einige adelige Jünglinge gehen zwar auch auf die Universität, allein sie kommen in der Regel weniger vorbereitet hin und gehen weniger unterrichtet fort, als die unadeligen Studirenden. Sie kommen weniger vorbereitet hin, denn man hat nicht erlauben können, daß der vornehme Sohn mit plebejischen Kindern in den öffentlichen Gymnasien sich gemein mache, man hat ihn also zu Hause von einer Gouvernante und einem als Privatlehrer angenommenen Studenten in aller Gemächlichkeit unterrichten lassen. Sie gehen weniger unterrichtet fort, eben weil sie weniger vorbereitet kommen, dann, weil sie eine kürzere Zeit bleiben und diese schätzbare Zeit (von etwa drei Semestern) mehr den Vorlesungen des Stall- und Fechtmeisters und eines französischen Sprachmeisters, als denen der Professoren gewidmet ist. Ausnahmen gibt's, wie immer, aber sie sind - Ausnahmen.

Es ist bemerkenswerth und für Jeden, der die Namen im schwedischen Staatskalender ansieht, auffallend, daß, während der Adel in beinahe ausschließlichem Besitz derjeniger Aemter ist, die entweder fast als Sinecuren zu betrachten oder doch von der Art sind, daß man, wenigstens nach dem hier befolgten System, keine höhere wissenschaftliche Bildung bedarf, um sie leidlich versehen zu können, dagegen die adeligen Namen immer seltener unter den Inhabern solcher Aemter werden, welche ganz unumgänglich tiefere Studien erfordern, oder zu deren Erlangung doch ernstere Prüfungen zu bestehen sind. In der Armee sind von sämmtlichen Generaladjutanten dreißig vom Adel und nur zwei unadelig; unter den Officieren des Generalstabs findet man unter vierzehn Obristen nur einen, unter vierundzwanzig Obristlieutenants und Majors nur drei, die nicht adelig sind. Ebenso sieht man unter den Adjutanten des Königs, neben fünfundzwanzig adeligen, nur drei nichtadelige, und unter den 25 Ordonnanzofficieren nur einen, der nicht vom Adel ist. Dagegen sind die Officiere des Artilleriestabs, mit einziger Ausnahme des Chefs, sämmtlich unadelig; bei dem Ingenieurcorps sind nur zwei adelige gegen sieben unadelige, und bei dem sogenannten topographischen Corps ist dieses Verhältniß wie drei zu sechs zum Nachtheil des Adels. *) Aehnliches könnte auch in mehreren Zweigen der Civilverwaltung nachgewiesen werden. In dem ganzen geistlichen Stande findet man kaum drei oder vier Edelleute, obwohl es kaum ein anderes protestantisches Land gibt, wo die Geistlichkeit in so hohem Ansehen stände, oder wo diese Bahn den Talenten solche Aussichten auf verhältnißmäßig gute Einkünfte und sogar politische Bedeutung eröffnete. Wie kommt das? Ist der Adel so reich, daß er keine Pfründen nöthig hat? Keineswegs; wenn einige Familien reich sind, so ist doch die Mehrzahl arm. Oder fehlt es ihm an Ehrgeiz? Keineswegs; sein Bewerben um Aemter und Hoftitel deutet auf Anderes hin. Aber die Geistlichen haben einige Prüfungen zu bestehen, welche, wenn sie auch nicht eben zu hoch gespannt, doch hinlänglich sind, die adelige Jugend Schwedens zu verscheuchen. Diese müßte ja sonst Lateinisch und Griechisch, ja sogar etwas Hebräisch lernen!

Dieß von dem eigentlichen Staatsdienste. Was den Hofdienst betrifft, so ist der Adel ganz ausschließlich dazu berufen. Nicht ein einziger Unadeliger, die Hofprediger etwa ausgenommen, bekleidet irgend ein Hofamt, man müßte denn die ganz untergeordneten Dienstleistungen als solche betrachten. Auch um einen für nöthig erachteten norwegischen Theil des Hofstaats zu bilden, hat man sorgfälig die wenigen Edelleute, die sich noch in Norwegen vorfanden, zusammengesucht. Dieß mag natürlich und ganz in der Ordnung gewesen seyn. Ich erwähne dieses Verhältnisses nur darum, weil es daran erinnert, daß der Adel schon dadurch, daß er allein zu der unmittelbaren Umgebung des Königs berufen ward, einen Einfluß gewinnen mußte, welcher durch die Unbekanntschaft des Königs mit der schwedischen Sprache nur gesteigert werden konnte. Mancher, der sich sonst unmittelbar an den König gewendet haben würde, scheute einen Weg, der ihm nur durch die Vermittelung des Hofadels möglich ward, und manche Stimme, welche die Ohren des Königs hätte erreichen sollen, blieb jetzt

*) Eine Vergleichung der Zahl der Hauptleute und der Obristen in der schwedischen Armee, nach der Geburt, ergibt, wenn man sie einer Probabilitätsrechnung zu Grunde legt, als Resultat, daß die Wahrscheinlichkeit des adeligen Hauptmanns, zum Obristen befördert zu werden,sich zu der des unadeligen Hauptmanns wie hundert zu sechs verhält.

und Zolldirectoren. In der Diplomatie ist nur ein einziger Unadeliger angestellt, und dieser soll seine Ernennung ganz und gar dem Zufall zu verdanken haben, daß man im Cabinet keinen adeligen Candidaten hatte, der Italienisch verstand.

Unter sonst gleichen Verhältnissen mag die höhere Geburt gern einige Rücksicht verdienen, wenn sie von den Eigenschaften begleitet ist, welche eine höhere gesellschaftliche Stellung begründen und als ihr zukommend betrachtet werden. Allein daß die bloße Adelschaft auch den Mangel an Einsichten und Erfahrung ersetzen könne, und ohne Rücksicht auf diese Erfordernisse zu den höchsten Staatsämtern bevorzugt zu werden verdiene, ist eine Beförderungsmaxime, die schwerlich anderswo in ganz Europa jetzt noch eine so ausgedehnte Anwendung fände wie hier. Einzelne Ausnahmen würden zwar in einer mehr ins Detail gehenden Schilderung eine ehrenhafte Erwähnung verdienen, allein sie sind nicht bedeutend oder zahlreich genug, um in einem allgemeinen Gemälde besonders hervorgehoben werden zu können.

Ich habe schon in einem frühern Artikel über die Beamtenbildung in Schweden des fast gänzlichen Mangels an Staatsprüfungen, besonders im civilistischen Fach, erwähnt. Daß solche nicht eingeführt worden sind, kommt dem Familienadel sehr zu Statten, denn die strengeren Prüfungen müßten doch für Alle gleich nothwendig seyn, und die jetzt für die Adeligen so gerade und unverkümmerte Bahn zu den höchsten und einträglichsten Ehrenstellen im Staatsdienst würde ihnen auf diese Weise mit Dornen besäet werden. Nach dem jetzt gewöhnlichen Gang, um zu den höheren Administrativstellen zu gelangen, wird der junge Edelmann, nachdem er als Cadett etwas Französisch gelernt und in einigen Elementarstudien abgerichtet worden ist, in seinem sechzehnten Jahre Fähndrich, macht sein Officierexamen und avancirt zum Lieutenant, Capitän, vielleicht zum Major, unternimmt unterdessen eine Reise nach Paris, kehrt zurück, und flugs wird er jetzt ohne weiteres zum Staatsrath, Präsidenten oder Landesgouverneur gemacht, oft ohne im mindesten die Gesetze, die er handhaben, oder die Provinz, die er regieren soll, zu kennen. Es ist mehr zu verwundern, wenn unter den so Beförderten doch einige gute Beamte sich befinden, als daß die meisten schlecht sind. Denn begreiflicherweise kann man ein sehr guter Rittmeister bei der königlichen Leibgarde zu Pferde gewesen seyn, gut französisch sprechen und ein einnehmendes Wesen im gesellschaftlichen Umgang entwickeln, und doch ein sehr schlechter Staatsmann oder verwaltender Beamter seyn. Man könnte fast sagen, es bestehe jetzt in Schweden ein adeliges Militärregiment, denn es gibt kaum ein höheres Amt – die Bischöfe und die Justizstellen etwa ausgenommen – welches nicht von adeligen Officieren besetzt wäre.

Einige adelige Jünglinge gehen zwar auch auf die Universität, allein sie kommen in der Regel weniger vorbereitet hin und gehen weniger unterrichtet fort, als die unadeligen Studirenden. Sie kommen weniger vorbereitet hin, denn man hat nicht erlauben können, daß der vornehme Sohn mit plebejischen Kindern in den öffentlichen Gymnasien sich gemein mache, man hat ihn also zu Hause von einer Gouvernante und einem als Privatlehrer angenommenen Studenten in aller Gemächlichkeit unterrichten lassen. Sie gehen weniger unterrichtet fort, eben weil sie weniger vorbereitet kommen, dann, weil sie eine kürzere Zeit bleiben und diese schätzbare Zeit (von etwa drei Semestern) mehr den Vorlesungen des Stall- und Fechtmeisters und eines französischen Sprachmeisters, als denen der Professoren gewidmet ist. Ausnahmen gibt's, wie immer, aber sie sind – Ausnahmen.

Es ist bemerkenswerth und für Jeden, der die Namen im schwedischen Staatskalender ansieht, auffallend, daß, während der Adel in beinahe ausschließlichem Besitz derjeniger Aemter ist, die entweder fast als Sinecuren zu betrachten oder doch von der Art sind, daß man, wenigstens nach dem hier befolgten System, keine höhere wissenschaftliche Bildung bedarf, um sie leidlich versehen zu können, dagegen die adeligen Namen immer seltener unter den Inhabern solcher Aemter werden, welche ganz unumgänglich tiefere Studien erfordern, oder zu deren Erlangung doch ernstere Prüfungen zu bestehen sind. In der Armee sind von sämmtlichen Generaladjutanten dreißig vom Adel und nur zwei unadelig; unter den Officieren des Generalstabs findet man unter vierzehn Obristen nur einen, unter vierundzwanzig Obristlieutenants und Majors nur drei, die nicht adelig sind. Ebenso sieht man unter den Adjutanten des Königs, neben fünfundzwanzig adeligen, nur drei nichtadelige, und unter den 25 Ordonnanzofficieren nur einen, der nicht vom Adel ist. Dagegen sind die Officiere des Artilleriestabs, mit einziger Ausnahme des Chefs, sämmtlich unadelig; bei dem Ingenieurcorps sind nur zwei adelige gegen sieben unadelige, und bei dem sogenannten topographischen Corps ist dieses Verhältniß wie drei zu sechs zum Nachtheil des Adels. *) Aehnliches könnte auch in mehreren Zweigen der Civilverwaltung nachgewiesen werden. In dem ganzen geistlichen Stande findet man kaum drei oder vier Edelleute, obwohl es kaum ein anderes protestantisches Land gibt, wo die Geistlichkeit in so hohem Ansehen stände, oder wo diese Bahn den Talenten solche Aussichten auf verhältnißmäßig gute Einkünfte und sogar politische Bedeutung eröffnete. Wie kommt das? Ist der Adel so reich, daß er keine Pfründen nöthig hat? Keineswegs; wenn einige Familien reich sind, so ist doch die Mehrzahl arm. Oder fehlt es ihm an Ehrgeiz? Keineswegs; sein Bewerben um Aemter und Hoftitel deutet auf Anderes hin. Aber die Geistlichen haben einige Prüfungen zu bestehen, welche, wenn sie auch nicht eben zu hoch gespannt, doch hinlänglich sind, die adelige Jugend Schwedens zu verscheuchen. Diese müßte ja sonst Lateinisch und Griechisch, ja sogar etwas Hebräisch lernen!

Dieß von dem eigentlichen Staatsdienste. Was den Hofdienst betrifft, so ist der Adel ganz ausschließlich dazu berufen. Nicht ein einziger Unadeliger, die Hofprediger etwa ausgenommen, bekleidet irgend ein Hofamt, man müßte denn die ganz untergeordneten Dienstleistungen als solche betrachten. Auch um einen für nöthig erachteten norwegischen Theil des Hofstaats zu bilden, hat man sorgfälig die wenigen Edelleute, die sich noch in Norwegen vorfanden, zusammengesucht. Dieß mag natürlich und ganz in der Ordnung gewesen seyn. Ich erwähne dieses Verhältnisses nur darum, weil es daran erinnert, daß der Adel schon dadurch, daß er allein zu der unmittelbaren Umgebung des Königs berufen ward, einen Einfluß gewinnen mußte, welcher durch die Unbekanntschaft des Königs mit der schwedischen Sprache nur gesteigert werden konnte. Mancher, der sich sonst unmittelbar an den König gewendet haben würde, scheute einen Weg, der ihm nur durch die Vermittelung des Hofadels möglich ward, und manche Stimme, welche die Ohren des Königs hätte erreichen sollen, blieb jetzt

*) Eine Vergleichung der Zahl der Hauptleute und der Obristen in der schwedischen Armee, nach der Geburt, ergibt, wenn man sie einer Probabilitätsrechnung zu Grunde legt, als Resultat, daß die Wahrscheinlichkeit des adeligen Hauptmanns, zum Obristen befördert zu werden,sich zu der des unadeligen Hauptmanns wie hundert zu sechs verhält.
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          <p>Unter sonst gleichen Verhältnissen mag die höhere Geburt gern einige Rücksicht verdienen, wenn sie von den Eigenschaften begleitet ist, welche eine höhere gesellschaftliche Stellung begründen und als ihr zukommend betrachtet werden. Allein daß die bloße Adelschaft auch den Mangel an Einsichten und Erfahrung ersetzen könne, und ohne Rücksicht auf diese Erfordernisse zu den höchsten Staatsämtern bevorzugt zu werden verdiene, ist eine Beförderungsmaxime, die schwerlich anderswo in ganz Europa jetzt noch eine so ausgedehnte Anwendung fände wie hier. Einzelne Ausnahmen würden zwar in einer mehr ins Detail gehenden Schilderung eine ehrenhafte Erwähnung verdienen, allein sie sind nicht bedeutend oder zahlreich genug, um in einem allgemeinen Gemälde besonders hervorgehoben werden zu können.</p><lb/>
          <p>Ich habe schon in einem frühern Artikel über die Beamtenbildung in Schweden des fast gänzlichen Mangels an Staatsprüfungen, besonders im civilistischen Fach, erwähnt. Daß solche nicht eingeführt worden sind, kommt dem Familienadel sehr zu Statten, denn die strengeren Prüfungen müßten doch für Alle gleich nothwendig seyn, und die jetzt für die Adeligen so gerade und unverkümmerte Bahn zu den höchsten und einträglichsten Ehrenstellen im Staatsdienst würde ihnen auf diese Weise mit Dornen besäet werden. Nach dem jetzt gewöhnlichen Gang, um zu den höheren Administrativstellen zu gelangen, wird der junge Edelmann, nachdem er als Cadett etwas Französisch gelernt und in einigen Elementarstudien abgerichtet worden ist, in seinem sechzehnten Jahre Fähndrich, macht sein Officierexamen und avancirt zum Lieutenant, Capitän, vielleicht zum Major, unternimmt unterdessen eine Reise nach Paris, kehrt zurück, und flugs wird er jetzt ohne weiteres zum Staatsrath, Präsidenten oder Landesgouverneur gemacht, oft ohne im mindesten die Gesetze, die er handhaben, oder die Provinz, die er regieren soll, zu kennen. Es ist mehr zu verwundern, wenn unter den so Beförderten doch einige gute Beamte sich befinden, als daß die meisten schlecht sind. Denn begreiflicherweise kann man ein sehr guter Rittmeister bei der königlichen Leibgarde zu Pferde gewesen seyn, gut französisch sprechen und ein einnehmendes Wesen im gesellschaftlichen Umgang entwickeln, und doch ein sehr schlechter Staatsmann oder verwaltender Beamter seyn. Man könnte fast sagen, es bestehe jetzt in Schweden ein adeliges Militärregiment, denn es gibt kaum ein höheres Amt &#x2013; die Bischöfe und die Justizstellen etwa ausgenommen &#x2013; welches nicht von adeligen Officieren besetzt wäre.</p><lb/>
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[0683/0010] und Zolldirectoren. In der Diplomatie ist nur ein einziger Unadeliger angestellt, und dieser soll seine Ernennung ganz und gar dem Zufall zu verdanken haben, daß man im Cabinet keinen adeligen Candidaten hatte, der Italienisch verstand. Unter sonst gleichen Verhältnissen mag die höhere Geburt gern einige Rücksicht verdienen, wenn sie von den Eigenschaften begleitet ist, welche eine höhere gesellschaftliche Stellung begründen und als ihr zukommend betrachtet werden. Allein daß die bloße Adelschaft auch den Mangel an Einsichten und Erfahrung ersetzen könne, und ohne Rücksicht auf diese Erfordernisse zu den höchsten Staatsämtern bevorzugt zu werden verdiene, ist eine Beförderungsmaxime, die schwerlich anderswo in ganz Europa jetzt noch eine so ausgedehnte Anwendung fände wie hier. Einzelne Ausnahmen würden zwar in einer mehr ins Detail gehenden Schilderung eine ehrenhafte Erwähnung verdienen, allein sie sind nicht bedeutend oder zahlreich genug, um in einem allgemeinen Gemälde besonders hervorgehoben werden zu können. Ich habe schon in einem frühern Artikel über die Beamtenbildung in Schweden des fast gänzlichen Mangels an Staatsprüfungen, besonders im civilistischen Fach, erwähnt. Daß solche nicht eingeführt worden sind, kommt dem Familienadel sehr zu Statten, denn die strengeren Prüfungen müßten doch für Alle gleich nothwendig seyn, und die jetzt für die Adeligen so gerade und unverkümmerte Bahn zu den höchsten und einträglichsten Ehrenstellen im Staatsdienst würde ihnen auf diese Weise mit Dornen besäet werden. Nach dem jetzt gewöhnlichen Gang, um zu den höheren Administrativstellen zu gelangen, wird der junge Edelmann, nachdem er als Cadett etwas Französisch gelernt und in einigen Elementarstudien abgerichtet worden ist, in seinem sechzehnten Jahre Fähndrich, macht sein Officierexamen und avancirt zum Lieutenant, Capitän, vielleicht zum Major, unternimmt unterdessen eine Reise nach Paris, kehrt zurück, und flugs wird er jetzt ohne weiteres zum Staatsrath, Präsidenten oder Landesgouverneur gemacht, oft ohne im mindesten die Gesetze, die er handhaben, oder die Provinz, die er regieren soll, zu kennen. Es ist mehr zu verwundern, wenn unter den so Beförderten doch einige gute Beamte sich befinden, als daß die meisten schlecht sind. Denn begreiflicherweise kann man ein sehr guter Rittmeister bei der königlichen Leibgarde zu Pferde gewesen seyn, gut französisch sprechen und ein einnehmendes Wesen im gesellschaftlichen Umgang entwickeln, und doch ein sehr schlechter Staatsmann oder verwaltender Beamter seyn. Man könnte fast sagen, es bestehe jetzt in Schweden ein adeliges Militärregiment, denn es gibt kaum ein höheres Amt – die Bischöfe und die Justizstellen etwa ausgenommen – welches nicht von adeligen Officieren besetzt wäre. Einige adelige Jünglinge gehen zwar auch auf die Universität, allein sie kommen in der Regel weniger vorbereitet hin und gehen weniger unterrichtet fort, als die unadeligen Studirenden. Sie kommen weniger vorbereitet hin, denn man hat nicht erlauben können, daß der vornehme Sohn mit plebejischen Kindern in den öffentlichen Gymnasien sich gemein mache, man hat ihn also zu Hause von einer Gouvernante und einem als Privatlehrer angenommenen Studenten in aller Gemächlichkeit unterrichten lassen. Sie gehen weniger unterrichtet fort, eben weil sie weniger vorbereitet kommen, dann, weil sie eine kürzere Zeit bleiben und diese schätzbare Zeit (von etwa drei Semestern) mehr den Vorlesungen des Stall- und Fechtmeisters und eines französischen Sprachmeisters, als denen der Professoren gewidmet ist. Ausnahmen gibt's, wie immer, aber sie sind – Ausnahmen. Es ist bemerkenswerth und für Jeden, der die Namen im schwedischen Staatskalender ansieht, auffallend, daß, während der Adel in beinahe ausschließlichem Besitz derjeniger Aemter ist, die entweder fast als Sinecuren zu betrachten oder doch von der Art sind, daß man, wenigstens nach dem hier befolgten System, keine höhere wissenschaftliche Bildung bedarf, um sie leidlich versehen zu können, dagegen die adeligen Namen immer seltener unter den Inhabern solcher Aemter werden, welche ganz unumgänglich tiefere Studien erfordern, oder zu deren Erlangung doch ernstere Prüfungen zu bestehen sind. In der Armee sind von sämmtlichen Generaladjutanten dreißig vom Adel und nur zwei unadelig; unter den Officieren des Generalstabs findet man unter vierzehn Obristen nur einen, unter vierundzwanzig Obristlieutenants und Majors nur drei, die nicht adelig sind. Ebenso sieht man unter den Adjutanten des Königs, neben fünfundzwanzig adeligen, nur drei nichtadelige, und unter den 25 Ordonnanzofficieren nur einen, der nicht vom Adel ist. Dagegen sind die Officiere des Artilleriestabs, mit einziger Ausnahme des Chefs, sämmtlich unadelig; bei dem Ingenieurcorps sind nur zwei adelige gegen sieben unadelige, und bei dem sogenannten topographischen Corps ist dieses Verhältniß wie drei zu sechs zum Nachtheil des Adels. *) Aehnliches könnte auch in mehreren Zweigen der Civilverwaltung nachgewiesen werden. In dem ganzen geistlichen Stande findet man kaum drei oder vier Edelleute, obwohl es kaum ein anderes protestantisches Land gibt, wo die Geistlichkeit in so hohem Ansehen stände, oder wo diese Bahn den Talenten solche Aussichten auf verhältnißmäßig gute Einkünfte und sogar politische Bedeutung eröffnete. Wie kommt das? Ist der Adel so reich, daß er keine Pfründen nöthig hat? Keineswegs; wenn einige Familien reich sind, so ist doch die Mehrzahl arm. Oder fehlt es ihm an Ehrgeiz? Keineswegs; sein Bewerben um Aemter und Hoftitel deutet auf Anderes hin. Aber die Geistlichen haben einige Prüfungen zu bestehen, welche, wenn sie auch nicht eben zu hoch gespannt, doch hinlänglich sind, die adelige Jugend Schwedens zu verscheuchen. Diese müßte ja sonst Lateinisch und Griechisch, ja sogar etwas Hebräisch lernen! Dieß von dem eigentlichen Staatsdienste. Was den Hofdienst betrifft, so ist der Adel ganz ausschließlich dazu berufen. Nicht ein einziger Unadeliger, die Hofprediger etwa ausgenommen, bekleidet irgend ein Hofamt, man müßte denn die ganz untergeordneten Dienstleistungen als solche betrachten. Auch um einen für nöthig erachteten norwegischen Theil des Hofstaats zu bilden, hat man sorgfälig die wenigen Edelleute, die sich noch in Norwegen vorfanden, zusammengesucht. Dieß mag natürlich und ganz in der Ordnung gewesen seyn. Ich erwähne dieses Verhältnisses nur darum, weil es daran erinnert, daß der Adel schon dadurch, daß er allein zu der unmittelbaren Umgebung des Königs berufen ward, einen Einfluß gewinnen mußte, welcher durch die Unbekanntschaft des Königs mit der schwedischen Sprache nur gesteigert werden konnte. Mancher, der sich sonst unmittelbar an den König gewendet haben würde, scheute einen Weg, der ihm nur durch die Vermittelung des Hofadels möglich ward, und manche Stimme, welche die Ohren des Königs hätte erreichen sollen, blieb jetzt *) Eine Vergleichung der Zahl der Hauptleute und der Obristen in der schwedischen Armee, nach der Geburt, ergibt, wenn man sie einer Probabilitätsrechnung zu Grunde legt, als Resultat, daß die Wahrscheinlichkeit des adeligen Hauptmanns, zum Obristen befördert zu werden,sich zu der des unadeligen Hauptmanns wie hundert zu sechs verhält.

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 86. Augsburg, 26. März 1840, S. 0683. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_086_18400326/10>, abgerufen am 21.11.2024.