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Allgemeine Zeitung. Nr. 81. Augsburg, 21. März 1840.

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Gemälde mit dem gehörigen Schatten und Licht. Die Zahl der Angreifenden scheint nach dieser Darstellung mindestens 12,000 gewesen zu seyn; die Araber hatten 2 Kanonen und eine bedeutende Zahl regelmäßiger Infanterie, sie pflanzten ihre Kanonen auf einer Anhöhe auf, die den Aufenthalt der Franzosen gewissermaßen beherrschte; die arabische Infanterie endlich richtete ihr Feuer auf die Franzosen aus Häusern, die mit Schießlöchern versehen waren. Aller dieser Vortheile ungeachtet, zu denen man in nicht geringem Anschlage den Muth, den Fanatismus und die gereizte Wuth der Araber hinzurechnen muß, scheiterte der Versuch der Angreifenden vor der kaltblütigen, todverachtenden Entschlossenheit der Belagerten. Von tiefem Eindruck auf jedes kriegerische Gemüth muß insbesondere der Auftritt seyn, wo die Belagerten, nach eröffneter Bresche in der List ihr Heil suchend, sich verbergen und die Araber bis in das Innere der Wälle dringen lassen, und dann plötzlich wie gereizte Tiger in ihrer Höhle sich auf die feindlichen Gäste werfen, und sie, mit der Fahne des Propheten, die bereits auf dem eroberten Boden flatterte, in Tod und Schande stürzen. Es weht um diesen Kampf etwas mittelalterlich Poetisches, das wie ein Anklang an unsere Heldengedichte oder die Kämpfe der französischen Republik erinnert. Drei furchtbare Angriffe, in denen Belagerer und Belagerte zweimal handgemein wurden, Ausdauer dieser Vertheidigung während fünf Tagen und endlich vollständiger Sieg über einen Feind, dessen Macht eine Armee war, das ist der Ruhm einer kleinen Heldenschaar, die in der Kriegsgeschichte leben wird, auch wenn die schwülstige und bombastische Prosa des Hrn. Chapuis längst vergessen ist. Einfachheit ziemt der Erzählung vor Allem da, wo die That selbst die schönste Poesie ist. - Die Verhandlung über die geheimen Gelder in den Bureaux liefert Ihnen eine erste Scene des Kampfes, der unverzüglich in der Kammer statthaben wird. Die ungewöhnliche Leidenschaft, mit welcher Thiers von den beiden Organen der Ultra-Conservativen, Debats und Presse, angegriffen wird, muß seine Erhaltung sichern, und würde jedenfalls vor dem Richterstuhl des Landes den Erfolg vernichten, den die 221 von ihrer Opposition hoffen, ja vielleicht Resultate herbeiführen, die sie mehr noch als alle andern fürchten. Wir glauben, daß die Verhandlung in der Kammer und eine warme Rede von Thiers, einige Hinweisung auf das politische Interregnum das auf eine neue Kammerauflösung folgen würde, dem neuen Ministerium die geheimen Gelder und seinen Bestand sichern werden.

Belgien.

Nachdem das Ministerium die Budgets aller andern Verwaltungsdepartemente mit großer Stimmenmehrheit von beiden Kammern erlangt, droht eine Nebenfrage, die sich an das Budget des Kriegsdepartements knüpft, ein bedenklicher Stein des Anstoßes für sein Fortbestehen zu werden. Schon zwei Tage dauern die Debatten, und werden vielleicht heute noch nicht zum Schlusse kommen. Es handelt sich nämlich von jener Maaßregel, durch welche die Regierung im verflossenen Jahre den im Jahr 1831 als Mitschuldigen einer orangistischen Verschwörung verbannt gewordenen General Vandersmissen wieder in seinen früheren Militärgrad aufgenommen hat. Die Sache verhält sich wie folgt. Im März 1831, nach der verunglückten Wahl des Herzogs von Nemours zum Könige des neuen Staates, und ehe sich noch eine Aussicht auf die Wahl des gegenwärtigen Königs eröffnet hatte, befand sich die neue politische Ordnung in einem so kläglichen Zustande, daß alle Parteien, die ihren Untergang wünschten, kühn ihr Haupt erheben zu dürfen glaubten. Dieß war natürlich auch mit den Anhängern der vertriebenen Dynastie der Fall, und da der Prinz von Oranien wegen seiner kriegerischen Eigenschaften und Verdienste beim Militär immer noch viele Anhänger zählte, so bildete sich im Schooße der Armee eine Verschwörung in der Absicht ihn zum König von Belgien auszurufen. Der zum Regenten des Landes erwählte Baron Surlet de Chockier hielt die Zügel der Regierung zu schlaff, als daß die Anstifter dieses Unternehmens von ihm viel zu befürchten gehabt hätten. Es ist sogar eine Frage, ob er auch nur den Willen gehabt, ihnen Hindernisse in den Weg zu legen, denn auch er gehörte zu den rathlosen Köpfen jener kritischen Zeit, die nicht wußten, welchen Heiligen sie anrufen sollten. Eine Zeit lang galt sogar Lord Ponsonby, der damals hier residirende englische Gesandte, für einen Begünstiger des Projects. Eines der Häupter dieses letztern war General Vandersmissen, derselbe, der zu Anfang der Revolution mit großem Enthusiasmus (ob wahrem, ob geheucheltem, wollen wir nicht entscheiden) die Sache des Aufruhrs ergriffen hatte, und eben deßhalb vom Major zum General befördert worden war. Die Verschwörung wurde indessen kurz vor ihrem Ausbruche, durch die Unvorsichtigkeit einiger Theilnehmer, ruchtbar, es entstand ein Volksauflauf, ein paar Individuen wurden verhaftet, die Chefs aber, und unter ihnen General Vandersmissen, flohen. Letzterer wurde hierauf in contumaciam zum Verluste seines Ranges und zur Verbannung verurtheilt, und hielt sich seitdem im Auslande auf. Kaum war indessen der Friede geschlossen, und der Vertrag vom 19 April 1838 von allen contrahirenden Theilen ratificirt, so erschien er wieder in Belgien, und forderte, indem er sich auf den 20sten Artikel des Friedenstractats berief, seinen vorigen Rang wieder. Dieser Artikel nämlich stipulirt, daß "in den Ländern, die ihren Herrn wechseln," Niemand wegen irgend einer Theilnahme an irgend einer politischen Handlung beunruhigt werden dürfe. *) Durch das bloße Wiederauftreten des Generals in Belgien fiel das früher gegen ihn gefällte Urtheil von selbst weg, und eine neue Procedur wurde nöthig, wenn überhaupt eine solche noch mit jenem 20sten Artikel verträglich war. Schon die Politik rieth, es zu einer zweiten Procetur nicht kommen zu lassen. Sie hätte zu endlosen Recriminationen, zu gehässigem Aufwühlen der Vergangenheit, zu großem Skandal Anlaß gegeben; der Eintritt des Friedens wäre gerade das Signal zu neu auflebendem Hasse der Parteien geworden. Eine noch höhere Rücksicht gebot, die Bewohner der an Holland abgetretenen Gebietstheile keinem Vorwande zu Reactionen auszusetzen, und gewiß hatte diese einen bedeutenden Antheil an den Bestimmungsgründen, die bei der Regierung den Ausschlag gegeben. Endlich schien es auch mit dem Rechte vollkommen übereinstimmend, den erwähnten Artikel im weitesten Sinne zu verstehen und selbst auf den Fall des Hrn. Vandersmissen auszudehnen; und so kam es denn, daß die Regierung, anstatt sich der Unannehmlichkeit auszusetzen, hiezu durch einen richterlichen Spruch genöthigt zu werden, lieber freiwillig, obwohl ungern, dem General seinen frühern Rang wieder einräumte, ihn jedoch zugleich, um ihn von jedem Contact mit der Armee ferne zu halten, in Ruhestand versetzte. Diese Maaßregel erregte, gleich nachdem sie genommen worden, die Reclamationen der Opposition; indessen waren damals die Kammern nicht versammelt. Das Kriegsbudget sollte nun der Anlaß zu neuen Angriffen dieserhalb gegen das Cabinet werden. Schon die Centralsection drückte in ihrem

*) Personne dans les pays qui changent de domination, ne pourra etre recherche ni inquiete en aucune maniere, par cause quelconque de participation directe ou indirecte aux evenements politiques.

Gemälde mit dem gehörigen Schatten und Licht. Die Zahl der Angreifenden scheint nach dieser Darstellung mindestens 12,000 gewesen zu seyn; die Araber hatten 2 Kanonen und eine bedeutende Zahl regelmäßiger Infanterie, sie pflanzten ihre Kanonen auf einer Anhöhe auf, die den Aufenthalt der Franzosen gewissermaßen beherrschte; die arabische Infanterie endlich richtete ihr Feuer auf die Franzosen aus Häusern, die mit Schießlöchern versehen waren. Aller dieser Vortheile ungeachtet, zu denen man in nicht geringem Anschlage den Muth, den Fanatismus und die gereizte Wuth der Araber hinzurechnen muß, scheiterte der Versuch der Angreifenden vor der kaltblütigen, todverachtenden Entschlossenheit der Belagerten. Von tiefem Eindruck auf jedes kriegerische Gemüth muß insbesondere der Auftritt seyn, wo die Belagerten, nach eröffneter Bresche in der List ihr Heil suchend, sich verbergen und die Araber bis in das Innere der Wälle dringen lassen, und dann plötzlich wie gereizte Tiger in ihrer Höhle sich auf die feindlichen Gäste werfen, und sie, mit der Fahne des Propheten, die bereits auf dem eroberten Boden flatterte, in Tod und Schande stürzen. Es weht um diesen Kampf etwas mittelalterlich Poetisches, das wie ein Anklang an unsere Heldengedichte oder die Kämpfe der französischen Republik erinnert. Drei furchtbare Angriffe, in denen Belagerer und Belagerte zweimal handgemein wurden, Ausdauer dieser Vertheidigung während fünf Tagen und endlich vollständiger Sieg über einen Feind, dessen Macht eine Armee war, das ist der Ruhm einer kleinen Heldenschaar, die in der Kriegsgeschichte leben wird, auch wenn die schwülstige und bombastische Prosa des Hrn. Chapuis längst vergessen ist. Einfachheit ziemt der Erzählung vor Allem da, wo die That selbst die schönste Poesie ist. – Die Verhandlung über die geheimen Gelder in den Bureaux liefert Ihnen eine erste Scene des Kampfes, der unverzüglich in der Kammer statthaben wird. Die ungewöhnliche Leidenschaft, mit welcher Thiers von den beiden Organen der Ultra-Conservativen, Débats und Presse, angegriffen wird, muß seine Erhaltung sichern, und würde jedenfalls vor dem Richterstuhl des Landes den Erfolg vernichten, den die 221 von ihrer Opposition hoffen, ja vielleicht Resultate herbeiführen, die sie mehr noch als alle andern fürchten. Wir glauben, daß die Verhandlung in der Kammer und eine warme Rede von Thiers, einige Hinweisung auf das politische Interregnum das auf eine neue Kammerauflösung folgen würde, dem neuen Ministerium die geheimen Gelder und seinen Bestand sichern werden.

Belgien.

Nachdem das Ministerium die Budgets aller andern Verwaltungsdepartemente mit großer Stimmenmehrheit von beiden Kammern erlangt, droht eine Nebenfrage, die sich an das Budget des Kriegsdepartements knüpft, ein bedenklicher Stein des Anstoßes für sein Fortbestehen zu werden. Schon zwei Tage dauern die Debatten, und werden vielleicht heute noch nicht zum Schlusse kommen. Es handelt sich nämlich von jener Maaßregel, durch welche die Regierung im verflossenen Jahre den im Jahr 1831 als Mitschuldigen einer orangistischen Verschwörung verbannt gewordenen General Vandersmissen wieder in seinen früheren Militärgrad aufgenommen hat. Die Sache verhält sich wie folgt. Im März 1831, nach der verunglückten Wahl des Herzogs von Nemours zum Könige des neuen Staates, und ehe sich noch eine Aussicht auf die Wahl des gegenwärtigen Königs eröffnet hatte, befand sich die neue politische Ordnung in einem so kläglichen Zustande, daß alle Parteien, die ihren Untergang wünschten, kühn ihr Haupt erheben zu dürfen glaubten. Dieß war natürlich auch mit den Anhängern der vertriebenen Dynastie der Fall, und da der Prinz von Oranien wegen seiner kriegerischen Eigenschaften und Verdienste beim Militär immer noch viele Anhänger zählte, so bildete sich im Schooße der Armee eine Verschwörung in der Absicht ihn zum König von Belgien auszurufen. Der zum Regenten des Landes erwählte Baron Surlet de Chockier hielt die Zügel der Regierung zu schlaff, als daß die Anstifter dieses Unternehmens von ihm viel zu befürchten gehabt hätten. Es ist sogar eine Frage, ob er auch nur den Willen gehabt, ihnen Hindernisse in den Weg zu legen, denn auch er gehörte zu den rathlosen Köpfen jener kritischen Zeit, die nicht wußten, welchen Heiligen sie anrufen sollten. Eine Zeit lang galt sogar Lord Ponsonby, der damals hier residirende englische Gesandte, für einen Begünstiger des Projects. Eines der Häupter dieses letztern war General Vandersmissen, derselbe, der zu Anfang der Revolution mit großem Enthusiasmus (ob wahrem, ob geheucheltem, wollen wir nicht entscheiden) die Sache des Aufruhrs ergriffen hatte, und eben deßhalb vom Major zum General befördert worden war. Die Verschwörung wurde indessen kurz vor ihrem Ausbruche, durch die Unvorsichtigkeit einiger Theilnehmer, ruchtbar, es entstand ein Volksauflauf, ein paar Individuen wurden verhaftet, die Chefs aber, und unter ihnen General Vandersmissen, flohen. Letzterer wurde hierauf in contumaciam zum Verluste seines Ranges und zur Verbannung verurtheilt, und hielt sich seitdem im Auslande auf. Kaum war indessen der Friede geschlossen, und der Vertrag vom 19 April 1838 von allen contrahirenden Theilen ratificirt, so erschien er wieder in Belgien, und forderte, indem er sich auf den 20sten Artikel des Friedenstractats berief, seinen vorigen Rang wieder. Dieser Artikel nämlich stipulirt, daß „in den Ländern, die ihren Herrn wechseln,“ Niemand wegen irgend einer Theilnahme an irgend einer politischen Handlung beunruhigt werden dürfe. *) Durch das bloße Wiederauftreten des Generals in Belgien fiel das früher gegen ihn gefällte Urtheil von selbst weg, und eine neue Procedur wurde nöthig, wenn überhaupt eine solche noch mit jenem 20sten Artikel verträglich war. Schon die Politik rieth, es zu einer zweiten Procetur nicht kommen zu lassen. Sie hätte zu endlosen Recriminationen, zu gehässigem Aufwühlen der Vergangenheit, zu großem Skandal Anlaß gegeben; der Eintritt des Friedens wäre gerade das Signal zu neu auflebendem Hasse der Parteien geworden. Eine noch höhere Rücksicht gebot, die Bewohner der an Holland abgetretenen Gebietstheile keinem Vorwande zu Reactionen auszusetzen, und gewiß hatte diese einen bedeutenden Antheil an den Bestimmungsgründen, die bei der Regierung den Ausschlag gegeben. Endlich schien es auch mit dem Rechte vollkommen übereinstimmend, den erwähnten Artikel im weitesten Sinne zu verstehen und selbst auf den Fall des Hrn. Vandersmissen auszudehnen; und so kam es denn, daß die Regierung, anstatt sich der Unannehmlichkeit auszusetzen, hiezu durch einen richterlichen Spruch genöthigt zu werden, lieber freiwillig, obwohl ungern, dem General seinen frühern Rang wieder einräumte, ihn jedoch zugleich, um ihn von jedem Contact mit der Armee ferne zu halten, in Ruhestand versetzte. Diese Maaßregel erregte, gleich nachdem sie genommen worden, die Reclamationen der Opposition; indessen waren damals die Kammern nicht versammelt. Das Kriegsbudget sollte nun der Anlaß zu neuen Angriffen dieserhalb gegen das Cabinet werden. Schon die Centralsection drückte in ihrem

*) Personne dans les pays qui changent de domination, ne pourra être recherché ni inquiété en aucune manière, par cause quelconque de participation directe ou indirecte aux évènements politiques.
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Gemälde mit dem gehörigen Schatten und Licht. Die Zahl der Angreifenden scheint nach dieser Darstellung mindestens 12,000 gewesen zu seyn; die Araber hatten 2 Kanonen und eine bedeutende Zahl regelmäßiger Infanterie, sie pflanzten ihre Kanonen auf einer Anhöhe auf, die den Aufenthalt der Franzosen gewissermaßen beherrschte; die arabische Infanterie endlich richtete ihr Feuer auf die Franzosen aus Häusern, die mit Schießlöchern versehen waren. Aller dieser Vortheile ungeachtet, zu denen man in nicht geringem Anschlage den Muth, den Fanatismus und die gereizte Wuth der Araber hinzurechnen muß, scheiterte der Versuch der Angreifenden vor der kaltblütigen, todverachtenden Entschlossenheit der Belagerten. Von tiefem Eindruck auf jedes kriegerische Gemüth muß insbesondere der Auftritt seyn, wo die Belagerten, nach eröffneter Bresche in der List ihr Heil suchend, sich verbergen und die Araber bis in das Innere der Wälle dringen lassen, und dann plötzlich wie gereizte Tiger in ihrer Höhle sich auf die feindlichen Gäste werfen, und sie, mit der Fahne des Propheten, die bereits auf dem eroberten Boden flatterte, in Tod und Schande stürzen. Es weht um diesen Kampf etwas mittelalterlich Poetisches, das wie ein Anklang an unsere Heldengedichte oder die Kämpfe der französischen Republik erinnert. Drei furchtbare Angriffe, in denen Belagerer und Belagerte zweimal handgemein wurden, Ausdauer dieser Vertheidigung während fünf Tagen und endlich vollständiger Sieg über einen Feind, dessen Macht eine Armee war, das ist der Ruhm einer kleinen Heldenschaar, die in der Kriegsgeschichte leben wird, auch wenn die schwülstige und bombastische Prosa des Hrn. Chapuis längst vergessen ist. Einfachheit ziemt der Erzählung vor Allem da, wo die That selbst die schönste Poesie ist. &#x2013; Die Verhandlung über die geheimen Gelder in den Bureaux liefert Ihnen eine erste Scene des Kampfes, der unverzüglich in der Kammer statthaben wird. Die ungewöhnliche Leidenschaft, mit welcher Thiers von den beiden Organen der Ultra-Conservativen, <hi rendition="#g">Débats</hi> und <hi rendition="#g">Presse</hi>, angegriffen wird, muß seine Erhaltung sichern, und würde jedenfalls vor dem Richterstuhl des Landes den Erfolg vernichten, den die 221 von ihrer Opposition hoffen, ja vielleicht Resultate herbeiführen, die sie mehr noch als alle andern fürchten. Wir glauben, daß die Verhandlung in der Kammer und eine warme Rede von Thiers, einige Hinweisung auf das politische Interregnum das auf eine neue Kammerauflösung folgen würde, dem neuen Ministerium die geheimen Gelder und seinen Bestand sichern werden.</p><lb/>
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[0644/0004] Gemälde mit dem gehörigen Schatten und Licht. Die Zahl der Angreifenden scheint nach dieser Darstellung mindestens 12,000 gewesen zu seyn; die Araber hatten 2 Kanonen und eine bedeutende Zahl regelmäßiger Infanterie, sie pflanzten ihre Kanonen auf einer Anhöhe auf, die den Aufenthalt der Franzosen gewissermaßen beherrschte; die arabische Infanterie endlich richtete ihr Feuer auf die Franzosen aus Häusern, die mit Schießlöchern versehen waren. Aller dieser Vortheile ungeachtet, zu denen man in nicht geringem Anschlage den Muth, den Fanatismus und die gereizte Wuth der Araber hinzurechnen muß, scheiterte der Versuch der Angreifenden vor der kaltblütigen, todverachtenden Entschlossenheit der Belagerten. Von tiefem Eindruck auf jedes kriegerische Gemüth muß insbesondere der Auftritt seyn, wo die Belagerten, nach eröffneter Bresche in der List ihr Heil suchend, sich verbergen und die Araber bis in das Innere der Wälle dringen lassen, und dann plötzlich wie gereizte Tiger in ihrer Höhle sich auf die feindlichen Gäste werfen, und sie, mit der Fahne des Propheten, die bereits auf dem eroberten Boden flatterte, in Tod und Schande stürzen. Es weht um diesen Kampf etwas mittelalterlich Poetisches, das wie ein Anklang an unsere Heldengedichte oder die Kämpfe der französischen Republik erinnert. Drei furchtbare Angriffe, in denen Belagerer und Belagerte zweimal handgemein wurden, Ausdauer dieser Vertheidigung während fünf Tagen und endlich vollständiger Sieg über einen Feind, dessen Macht eine Armee war, das ist der Ruhm einer kleinen Heldenschaar, die in der Kriegsgeschichte leben wird, auch wenn die schwülstige und bombastische Prosa des Hrn. Chapuis längst vergessen ist. Einfachheit ziemt der Erzählung vor Allem da, wo die That selbst die schönste Poesie ist. – Die Verhandlung über die geheimen Gelder in den Bureaux liefert Ihnen eine erste Scene des Kampfes, der unverzüglich in der Kammer statthaben wird. Die ungewöhnliche Leidenschaft, mit welcher Thiers von den beiden Organen der Ultra-Conservativen, Débats und Presse, angegriffen wird, muß seine Erhaltung sichern, und würde jedenfalls vor dem Richterstuhl des Landes den Erfolg vernichten, den die 221 von ihrer Opposition hoffen, ja vielleicht Resultate herbeiführen, die sie mehr noch als alle andern fürchten. Wir glauben, daß die Verhandlung in der Kammer und eine warme Rede von Thiers, einige Hinweisung auf das politische Interregnum das auf eine neue Kammerauflösung folgen würde, dem neuen Ministerium die geheimen Gelder und seinen Bestand sichern werden. Belgien. _ Brüssel, 14 März. Nachdem das Ministerium die Budgets aller andern Verwaltungsdepartemente mit großer Stimmenmehrheit von beiden Kammern erlangt, droht eine Nebenfrage, die sich an das Budget des Kriegsdepartements knüpft, ein bedenklicher Stein des Anstoßes für sein Fortbestehen zu werden. Schon zwei Tage dauern die Debatten, und werden vielleicht heute noch nicht zum Schlusse kommen. Es handelt sich nämlich von jener Maaßregel, durch welche die Regierung im verflossenen Jahre den im Jahr 1831 als Mitschuldigen einer orangistischen Verschwörung verbannt gewordenen General Vandersmissen wieder in seinen früheren Militärgrad aufgenommen hat. Die Sache verhält sich wie folgt. Im März 1831, nach der verunglückten Wahl des Herzogs von Nemours zum Könige des neuen Staates, und ehe sich noch eine Aussicht auf die Wahl des gegenwärtigen Königs eröffnet hatte, befand sich die neue politische Ordnung in einem so kläglichen Zustande, daß alle Parteien, die ihren Untergang wünschten, kühn ihr Haupt erheben zu dürfen glaubten. Dieß war natürlich auch mit den Anhängern der vertriebenen Dynastie der Fall, und da der Prinz von Oranien wegen seiner kriegerischen Eigenschaften und Verdienste beim Militär immer noch viele Anhänger zählte, so bildete sich im Schooße der Armee eine Verschwörung in der Absicht ihn zum König von Belgien auszurufen. Der zum Regenten des Landes erwählte Baron Surlet de Chockier hielt die Zügel der Regierung zu schlaff, als daß die Anstifter dieses Unternehmens von ihm viel zu befürchten gehabt hätten. Es ist sogar eine Frage, ob er auch nur den Willen gehabt, ihnen Hindernisse in den Weg zu legen, denn auch er gehörte zu den rathlosen Köpfen jener kritischen Zeit, die nicht wußten, welchen Heiligen sie anrufen sollten. Eine Zeit lang galt sogar Lord Ponsonby, der damals hier residirende englische Gesandte, für einen Begünstiger des Projects. Eines der Häupter dieses letztern war General Vandersmissen, derselbe, der zu Anfang der Revolution mit großem Enthusiasmus (ob wahrem, ob geheucheltem, wollen wir nicht entscheiden) die Sache des Aufruhrs ergriffen hatte, und eben deßhalb vom Major zum General befördert worden war. Die Verschwörung wurde indessen kurz vor ihrem Ausbruche, durch die Unvorsichtigkeit einiger Theilnehmer, ruchtbar, es entstand ein Volksauflauf, ein paar Individuen wurden verhaftet, die Chefs aber, und unter ihnen General Vandersmissen, flohen. Letzterer wurde hierauf in contumaciam zum Verluste seines Ranges und zur Verbannung verurtheilt, und hielt sich seitdem im Auslande auf. Kaum war indessen der Friede geschlossen, und der Vertrag vom 19 April 1838 von allen contrahirenden Theilen ratificirt, so erschien er wieder in Belgien, und forderte, indem er sich auf den 20sten Artikel des Friedenstractats berief, seinen vorigen Rang wieder. Dieser Artikel nämlich stipulirt, daß „in den Ländern, die ihren Herrn wechseln,“ Niemand wegen irgend einer Theilnahme an irgend einer politischen Handlung beunruhigt werden dürfe. *) Durch das bloße Wiederauftreten des Generals in Belgien fiel das früher gegen ihn gefällte Urtheil von selbst weg, und eine neue Procedur wurde nöthig, wenn überhaupt eine solche noch mit jenem 20sten Artikel verträglich war. Schon die Politik rieth, es zu einer zweiten Procetur nicht kommen zu lassen. Sie hätte zu endlosen Recriminationen, zu gehässigem Aufwühlen der Vergangenheit, zu großem Skandal Anlaß gegeben; der Eintritt des Friedens wäre gerade das Signal zu neu auflebendem Hasse der Parteien geworden. Eine noch höhere Rücksicht gebot, die Bewohner der an Holland abgetretenen Gebietstheile keinem Vorwande zu Reactionen auszusetzen, und gewiß hatte diese einen bedeutenden Antheil an den Bestimmungsgründen, die bei der Regierung den Ausschlag gegeben. Endlich schien es auch mit dem Rechte vollkommen übereinstimmend, den erwähnten Artikel im weitesten Sinne zu verstehen und selbst auf den Fall des Hrn. Vandersmissen auszudehnen; und so kam es denn, daß die Regierung, anstatt sich der Unannehmlichkeit auszusetzen, hiezu durch einen richterlichen Spruch genöthigt zu werden, lieber freiwillig, obwohl ungern, dem General seinen frühern Rang wieder einräumte, ihn jedoch zugleich, um ihn von jedem Contact mit der Armee ferne zu halten, in Ruhestand versetzte. Diese Maaßregel erregte, gleich nachdem sie genommen worden, die Reclamationen der Opposition; indessen waren damals die Kammern nicht versammelt. Das Kriegsbudget sollte nun der Anlaß zu neuen Angriffen dieserhalb gegen das Cabinet werden. Schon die Centralsection drückte in ihrem *) Personne dans les pays qui changent de domination, ne pourra être recherché ni inquiété en aucune manière, par cause quelconque de participation directe ou indirecte aux évènements politiques.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 81. Augsburg, 21. März 1840, S. 0644. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_081_18400321/4>, abgerufen am 24.11.2024.