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Allgemeine Zeitung. Nr. 81. Augsburg, 21. März 1840.

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König war großmüthig genug, dem Minister Teixeiro, dem Bischof von Leon, dem Cura Echevarria, dem Padre Larraga die Todesstrafe zu schenken und sie bloß nach Frankreich zu verweisen. Mit ihnen wurden die Mitglieder der Junta Consultativa und mehrere andere, die hauptsächlich gewirkt hatten, exilirt.

Im Heere wurden große Veränderungen vorgenommen. Die Stunde der Freiheit für die Eingekerten und Verbannten hatte geschlagen. Elio wurde Generalcapitän in Navarra, Villareal kehrte zu der Person des Königs zurück, Urbiztondo, Latorre bekamen Commandos im Operationsheere, die Veteranen Cabannas und Eguia wurden in den Staatsrath berufen, Montenegro bekam das Kriegsministerium, Iturriaga ward Capitängeneral von Guipuscoa und General Goiry von Vizcaya. Alle Chefs und Officiere, die während der Schreckensregierung Teixeiro's verbannt und in Unthätigkeit gesetzt waren, kehrten zum Heer zurück, die Kerker öffneten sich, die Processe wurden vernichtet, Jedermann versprach sich neues Leben, das Volk der Provinzen athmete auf, man schöpfte Hoffnung und erwartete, daß endlich Ruhe, Ordnung, Eintracht zu uns zurückkehrten. Ach, wäre der König standhaft geblieben und hätte dem General Maroto volles unbedingtes Zutrauen geschenkt! Gewiß, nie hätte dann der Krieg für ihn so traurig geendet, nie würde das Heer den Schritt von Bergara gethan haben!

(Beschluß folgt.)

Schweiz.

Die Walliser Angelegenheit rückt keinen Schritt vorwärts. Die factische Regierung des Unterwallis hat die Vermittlungsvorschläge des Vororts verworfen. Sie glaubt, seit die List nicht mehr hilft, von der Tagsatzung die Anerkennung der Verfassung vom 3 Aug. 1839 ertrotzen zu können. Sie wird sich darin täuschen aus doppeltem Grunde: einmal weil die Tagsatzung nie die Mittel gewähren wird, um dem Oberwallis eine Verfassung, die es nicht will, aufzuzwingen, und sich niemals zum gehorsamen Diener einer Partei erniedrigen wird; überdieß weil es nun gewiß ist, daß die große Mehrheit der lebenden Gesammtbevölkerung des Wallis diese Verfassung verworfen hat. Das Schreiben dieser factischen - zur Zeit noch von Niemand anerkannten - Regierung ist auch in solcher Form abgefaßt, daß denen, welche auch wieder eine Trennung in zwei Halbkantone zugeben möchten, die Augen darüber aufgehen sollten, was das für einen halben Stand gäbe. Käme heute die Trennungsfrage von Basel neuerdings zur Sprache, die Eidgenossenschaft dürfte nach den Erfahrungen, die sie mit Basellandschaft gemacht hat, kaum die Creation eines solchen Staates gutheißen. An Unterwallis erhielten wir, nach dem ganzen Benehmen gegen die Repräsentanten und dem erwähnten Schreiben zu urtheilen, eine ähnliche Schöpfung, und mit ihr Stoff zu unendlichen Klagen und Verwickelungen aller Art. Wie das Oberwallis die Vermittlungsvorschläge des Vororts aufgenommen hat, ist noch nicht bekannt, und darin mag auch der Grund liegen, aus welchem einstweilen den Ständen noch keine amtlichen Mittheilungen gemacht worden sind. Soll nun eine außerordentliche Tagsatzung einberufen werden? Wir zweifeln. Es scheint unter den Ständen keine große Lust dafür zu seyn. Viele unter diesen haben genug zu schaffen mit ihren innern Angelegenheiten. Und auch bei den übrigen sind außerordentliche Tagsatzungen nicht beliebt, theils wegen der Kosten, theils wegen der gewöhnlich damit verbundenen Aufregung. In drei Monaten muß verfassungsgemäß die ordentliche Tagsatzung einberufen werden. Es ist sehr zu wünschen, aber kaum zu hoffen, daß bis dahin sich einige Kantone von ihren Erschütterungen erholen, voraus Aargau und Luzern. Im Aargau hat sich die Heftigkeit, mit der sich die Parteien oder vielmehr, da der Streit vorzugsweise auch confessioneller Natur ist, die Confessionen bekämpften, wenigstens nicht vermehrt. Aber gehoben sind deßhalb die Anstände keineswegs. In Luzern hat der große Rath das Begehren der großen Volkspetition auf unverzügliche Einleitung einer Verfassungsrevision mit einer Mehrheit von 62 gegen 27 Stimmen abgewiesen, aber zum voraus versprochen, sobald die bisherige Verfassung es gestatte, d. h. unmittelbar nach dem 30 Jan. 1841, vor das Volk zu bringen. Wäre es nicht der gleiche große Rath, und wären es nicht die gleichen Männer, die zu wiederholtenmalen das Princip einer unbeschränkten Volkssouveränetät praktisch vertheidigt und bestehende Verfassungen, bestehendes Recht und bestehende andere wichtige Lebensverhältnisse z. B. die Kirche jenem Princip der herrschenden Demokratie gegenüber für nichts geachtet und rücksichtslos beseitigt haben, so wäre gegen jenen Beschluß nicht viel zu sagen. Aber so wird nur der Widerspruch, in den sie mit ihrer eigenen Theorie gerathen sind, um so deutlicher, die Spannung aber zwischen dem demokratisch gesinnten Volke und der Regierung nicht geringer.

Die Gesetzlichkeit hat einen Sieg errungen, zu dem sich alle Freunde der Ordnung Glück wünschen können, in Luzern. Daß der Große Rath Recht hatte, scheint nun thatsächlich auch durch den Umstand bewiesen, daß die Ruhe des Landes seit seinem Bescheide nicht im mindesten gelitten hat; aber wäre es auch geschehen, so hätte er für seinen Beschluß gleichwohl nur Lob verdient. Es gibt eine Schranke, an welcher angekommen der Mann von Ehre und Pflichtgefühl dem Volke zurufen muß: "bis hieher und nicht weiter," komme was da wolle. Was nun das kommende Jahr bringen wird, untersuche ich vor der Hand noch nicht; Jesuiten schwerlich, wohl aber eine Verfassung, in welcher die Volksrechte abermals eine bedeutende Ausdehnung erhalten werden. Auch Bern genießt, trotz mancher schwierigen Erörterungspunkte, ununterbrochener Ruhe, und es ist dieß Ergebniß immerhin ein Verdienst der Regierung und des Volks, die, Hand in Hand, durch keinerlei Umtriebe sich aus der Fassung bringen lassen. Daß die Amnestie für Alle verworfen worden, die nicht mit Bittschriften dafür einkamen, ist dermalen die einzige trübe Seite des Bildes. Mehrere Männer, die vor Jahren in den höchsten Aemtern standen, sitzen nun im Gefängniß, und leben, ohne Zweifel grollend, formell legale gerichtliche Strafen ab. Hatte die Regierung die Kraft bewiesen, im Jahr 1832 den Reactionsversuch mit Erfolg niederzuhalten, so würde sie es kaum zu bereuen gehabt haben, im Jahr 1840einen Beweis von Macht durch die mittelbare Erklärung zu geben, daß sie das Heil des Landes nicht von der isolirten und reactionären Stellung einiger Männer abhängig machte. Unter den Gefangenen befindet sich der Schultheiß Fischer, im Jahr 1830 Präsident der Tagsatzung. Republiken sind wandelbar und beweglich. Mir träumt, daß die dereinstige Rückkehr gerade dieses Mannes zur Regierung nicht unter die Unmöglichkeiten gehöre, und Ereignisse der gerügten Art sind nicht selten schon die Förderer solchen Wechsels gewesen. Nur Eines halte ich mit dem Gange der Zeit und der Volksentwicklung für unvereinbar, nämlich die Rückkehr des Patriciats in Bern wie in Luzern. - Erfreulicher ist die Meldung, daß die Brückenbauten von Bern an der Schwelle der Ausführung angelangt sind. Der Bau der großen steinernen Brücke am untern Eingang der Stadt ist nicht nur nicht aufgegeben,

König war großmüthig genug, dem Minister Teixeiro, dem Bischof von Leon, dem Cura Echevarria, dem Padre Larraga die Todesstrafe zu schenken und sie bloß nach Frankreich zu verweisen. Mit ihnen wurden die Mitglieder der Junta Consultativa und mehrere andere, die hauptsächlich gewirkt hatten, exilirt.

Im Heere wurden große Veränderungen vorgenommen. Die Stunde der Freiheit für die Eingekerten und Verbannten hatte geschlagen. Elio wurde Generalcapitän in Navarra, Villareal kehrte zu der Person des Königs zurück, Urbiztondo, Latorre bekamen Commandos im Operationsheere, die Veteranen Cabañas und Eguia wurden in den Staatsrath berufen, Montenegro bekam das Kriegsministerium, Iturriaga ward Capitängeneral von Guipuscoa und General Goiry von Vizcaya. Alle Chefs und Officiere, die während der Schreckensregierung Teixeiro's verbannt und in Unthätigkeit gesetzt waren, kehrten zum Heer zurück, die Kerker öffneten sich, die Processe wurden vernichtet, Jedermann versprach sich neues Leben, das Volk der Provinzen athmete auf, man schöpfte Hoffnung und erwartete, daß endlich Ruhe, Ordnung, Eintracht zu uns zurückkehrten. Ach, wäre der König standhaft geblieben und hätte dem General Maroto volles unbedingtes Zutrauen geschenkt! Gewiß, nie hätte dann der Krieg für ihn so traurig geendet, nie würde das Heer den Schritt von Bergara gethan haben!

(Beschluß folgt.)

Schweiz.

Die Walliser Angelegenheit rückt keinen Schritt vorwärts. Die factische Regierung des Unterwallis hat die Vermittlungsvorschläge des Vororts verworfen. Sie glaubt, seit die List nicht mehr hilft, von der Tagsatzung die Anerkennung der Verfassung vom 3 Aug. 1839 ertrotzen zu können. Sie wird sich darin täuschen aus doppeltem Grunde: einmal weil die Tagsatzung nie die Mittel gewähren wird, um dem Oberwallis eine Verfassung, die es nicht will, aufzuzwingen, und sich niemals zum gehorsamen Diener einer Partei erniedrigen wird; überdieß weil es nun gewiß ist, daß die große Mehrheit der lebenden Gesammtbevölkerung des Wallis diese Verfassung verworfen hat. Das Schreiben dieser factischen – zur Zeit noch von Niemand anerkannten – Regierung ist auch in solcher Form abgefaßt, daß denen, welche auch wieder eine Trennung in zwei Halbkantone zugeben möchten, die Augen darüber aufgehen sollten, was das für einen halben Stand gäbe. Käme heute die Trennungsfrage von Basel neuerdings zur Sprache, die Eidgenossenschaft dürfte nach den Erfahrungen, die sie mit Basellandschaft gemacht hat, kaum die Creation eines solchen Staates gutheißen. An Unterwallis erhielten wir, nach dem ganzen Benehmen gegen die Repräsentanten und dem erwähnten Schreiben zu urtheilen, eine ähnliche Schöpfung, und mit ihr Stoff zu unendlichen Klagen und Verwickelungen aller Art. Wie das Oberwallis die Vermittlungsvorschläge des Vororts aufgenommen hat, ist noch nicht bekannt, und darin mag auch der Grund liegen, aus welchem einstweilen den Ständen noch keine amtlichen Mittheilungen gemacht worden sind. Soll nun eine außerordentliche Tagsatzung einberufen werden? Wir zweifeln. Es scheint unter den Ständen keine große Lust dafür zu seyn. Viele unter diesen haben genug zu schaffen mit ihren innern Angelegenheiten. Und auch bei den übrigen sind außerordentliche Tagsatzungen nicht beliebt, theils wegen der Kosten, theils wegen der gewöhnlich damit verbundenen Aufregung. In drei Monaten muß verfassungsgemäß die ordentliche Tagsatzung einberufen werden. Es ist sehr zu wünschen, aber kaum zu hoffen, daß bis dahin sich einige Kantone von ihren Erschütterungen erholen, voraus Aargau und Luzern. Im Aargau hat sich die Heftigkeit, mit der sich die Parteien oder vielmehr, da der Streit vorzugsweise auch confessioneller Natur ist, die Confessionen bekämpften, wenigstens nicht vermehrt. Aber gehoben sind deßhalb die Anstände keineswegs. In Luzern hat der große Rath das Begehren der großen Volkspetition auf unverzügliche Einleitung einer Verfassungsrevision mit einer Mehrheit von 62 gegen 27 Stimmen abgewiesen, aber zum voraus versprochen, sobald die bisherige Verfassung es gestatte, d. h. unmittelbar nach dem 30 Jan. 1841, vor das Volk zu bringen. Wäre es nicht der gleiche große Rath, und wären es nicht die gleichen Männer, die zu wiederholtenmalen das Princip einer unbeschränkten Volkssouveränetät praktisch vertheidigt und bestehende Verfassungen, bestehendes Recht und bestehende andere wichtige Lebensverhältnisse z. B. die Kirche jenem Princip der herrschenden Demokratie gegenüber für nichts geachtet und rücksichtslos beseitigt haben, so wäre gegen jenen Beschluß nicht viel zu sagen. Aber so wird nur der Widerspruch, in den sie mit ihrer eigenen Theorie gerathen sind, um so deutlicher, die Spannung aber zwischen dem demokratisch gesinnten Volke und der Regierung nicht geringer.

Die Gesetzlichkeit hat einen Sieg errungen, zu dem sich alle Freunde der Ordnung Glück wünschen können, in Luzern. Daß der Große Rath Recht hatte, scheint nun thatsächlich auch durch den Umstand bewiesen, daß die Ruhe des Landes seit seinem Bescheide nicht im mindesten gelitten hat; aber wäre es auch geschehen, so hätte er für seinen Beschluß gleichwohl nur Lob verdient. Es gibt eine Schranke, an welcher angekommen der Mann von Ehre und Pflichtgefühl dem Volke zurufen muß: „bis hieher und nicht weiter,“ komme was da wolle. Was nun das kommende Jahr bringen wird, untersuche ich vor der Hand noch nicht; Jesuiten schwerlich, wohl aber eine Verfassung, in welcher die Volksrechte abermals eine bedeutende Ausdehnung erhalten werden. Auch Bern genießt, trotz mancher schwierigen Erörterungspunkte, ununterbrochener Ruhe, und es ist dieß Ergebniß immerhin ein Verdienst der Regierung und des Volks, die, Hand in Hand, durch keinerlei Umtriebe sich aus der Fassung bringen lassen. Daß die Amnestie für Alle verworfen worden, die nicht mit Bittschriften dafür einkamen, ist dermalen die einzige trübe Seite des Bildes. Mehrere Männer, die vor Jahren in den höchsten Aemtern standen, sitzen nun im Gefängniß, und leben, ohne Zweifel grollend, formell legale gerichtliche Strafen ab. Hatte die Regierung die Kraft bewiesen, im Jahr 1832 den Reactionsversuch mit Erfolg niederzuhalten, so würde sie es kaum zu bereuen gehabt haben, im Jahr 1840einen Beweis von Macht durch die mittelbare Erklärung zu geben, daß sie das Heil des Landes nicht von der isolirten und reactionären Stellung einiger Männer abhängig machte. Unter den Gefangenen befindet sich der Schultheiß Fischer, im Jahr 1830 Präsident der Tagsatzung. Republiken sind wandelbar und beweglich. Mir träumt, daß die dereinstige Rückkehr gerade dieses Mannes zur Regierung nicht unter die Unmöglichkeiten gehöre, und Ereignisse der gerügten Art sind nicht selten schon die Förderer solchen Wechsels gewesen. Nur Eines halte ich mit dem Gange der Zeit und der Volksentwicklung für unvereinbar, nämlich die Rückkehr des Patriciats in Bern wie in Luzern. – Erfreulicher ist die Meldung, daß die Brückenbauten von Bern an der Schwelle der Ausführung angelangt sind. Der Bau der großen steinernen Brücke am untern Eingang der Stadt ist nicht nur nicht aufgegeben,

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[0643/0011] König war großmüthig genug, dem Minister Teixeiro, dem Bischof von Leon, dem Cura Echevarria, dem Padre Larraga die Todesstrafe zu schenken und sie bloß nach Frankreich zu verweisen. Mit ihnen wurden die Mitglieder der Junta Consultativa und mehrere andere, die hauptsächlich gewirkt hatten, exilirt. Im Heere wurden große Veränderungen vorgenommen. Die Stunde der Freiheit für die Eingekerten und Verbannten hatte geschlagen. Elio wurde Generalcapitän in Navarra, Villareal kehrte zu der Person des Königs zurück, Urbiztondo, Latorre bekamen Commandos im Operationsheere, die Veteranen Cabañas und Eguia wurden in den Staatsrath berufen, Montenegro bekam das Kriegsministerium, Iturriaga ward Capitängeneral von Guipuscoa und General Goiry von Vizcaya. Alle Chefs und Officiere, die während der Schreckensregierung Teixeiro's verbannt und in Unthätigkeit gesetzt waren, kehrten zum Heer zurück, die Kerker öffneten sich, die Processe wurden vernichtet, Jedermann versprach sich neues Leben, das Volk der Provinzen athmete auf, man schöpfte Hoffnung und erwartete, daß endlich Ruhe, Ordnung, Eintracht zu uns zurückkehrten. Ach, wäre der König standhaft geblieben und hätte dem General Maroto volles unbedingtes Zutrauen geschenkt! Gewiß, nie hätte dann der Krieg für ihn so traurig geendet, nie würde das Heer den Schritt von Bergara gethan haben! (Beschluß folgt.) Schweiz. _ Zürich, 15 März. Die Walliser Angelegenheit rückt keinen Schritt vorwärts. Die factische Regierung des Unterwallis hat die Vermittlungsvorschläge des Vororts verworfen. Sie glaubt, seit die List nicht mehr hilft, von der Tagsatzung die Anerkennung der Verfassung vom 3 Aug. 1839 ertrotzen zu können. Sie wird sich darin täuschen aus doppeltem Grunde: einmal weil die Tagsatzung nie die Mittel gewähren wird, um dem Oberwallis eine Verfassung, die es nicht will, aufzuzwingen, und sich niemals zum gehorsamen Diener einer Partei erniedrigen wird; überdieß weil es nun gewiß ist, daß die große Mehrheit der lebenden Gesammtbevölkerung des Wallis diese Verfassung verworfen hat. Das Schreiben dieser factischen – zur Zeit noch von Niemand anerkannten – Regierung ist auch in solcher Form abgefaßt, daß denen, welche auch wieder eine Trennung in zwei Halbkantone zugeben möchten, die Augen darüber aufgehen sollten, was das für einen halben Stand gäbe. Käme heute die Trennungsfrage von Basel neuerdings zur Sprache, die Eidgenossenschaft dürfte nach den Erfahrungen, die sie mit Basellandschaft gemacht hat, kaum die Creation eines solchen Staates gutheißen. An Unterwallis erhielten wir, nach dem ganzen Benehmen gegen die Repräsentanten und dem erwähnten Schreiben zu urtheilen, eine ähnliche Schöpfung, und mit ihr Stoff zu unendlichen Klagen und Verwickelungen aller Art. Wie das Oberwallis die Vermittlungsvorschläge des Vororts aufgenommen hat, ist noch nicht bekannt, und darin mag auch der Grund liegen, aus welchem einstweilen den Ständen noch keine amtlichen Mittheilungen gemacht worden sind. Soll nun eine außerordentliche Tagsatzung einberufen werden? Wir zweifeln. Es scheint unter den Ständen keine große Lust dafür zu seyn. Viele unter diesen haben genug zu schaffen mit ihren innern Angelegenheiten. Und auch bei den übrigen sind außerordentliche Tagsatzungen nicht beliebt, theils wegen der Kosten, theils wegen der gewöhnlich damit verbundenen Aufregung. In drei Monaten muß verfassungsgemäß die ordentliche Tagsatzung einberufen werden. Es ist sehr zu wünschen, aber kaum zu hoffen, daß bis dahin sich einige Kantone von ihren Erschütterungen erholen, voraus Aargau und Luzern. Im Aargau hat sich die Heftigkeit, mit der sich die Parteien oder vielmehr, da der Streit vorzugsweise auch confessioneller Natur ist, die Confessionen bekämpften, wenigstens nicht vermehrt. Aber gehoben sind deßhalb die Anstände keineswegs. In Luzern hat der große Rath das Begehren der großen Volkspetition auf unverzügliche Einleitung einer Verfassungsrevision mit einer Mehrheit von 62 gegen 27 Stimmen abgewiesen, aber zum voraus versprochen, sobald die bisherige Verfassung es gestatte, d. h. unmittelbar nach dem 30 Jan. 1841, vor das Volk zu bringen. Wäre es nicht der gleiche große Rath, und wären es nicht die gleichen Männer, die zu wiederholtenmalen das Princip einer unbeschränkten Volkssouveränetät praktisch vertheidigt und bestehende Verfassungen, bestehendes Recht und bestehende andere wichtige Lebensverhältnisse z. B. die Kirche jenem Princip der herrschenden Demokratie gegenüber für nichts geachtet und rücksichtslos beseitigt haben, so wäre gegen jenen Beschluß nicht viel zu sagen. Aber so wird nur der Widerspruch, in den sie mit ihrer eigenen Theorie gerathen sind, um so deutlicher, die Spannung aber zwischen dem demokratisch gesinnten Volke und der Regierung nicht geringer. _ St. Gallen, 15 März. Die Gesetzlichkeit hat einen Sieg errungen, zu dem sich alle Freunde der Ordnung Glück wünschen können, in Luzern. Daß der Große Rath Recht hatte, scheint nun thatsächlich auch durch den Umstand bewiesen, daß die Ruhe des Landes seit seinem Bescheide nicht im mindesten gelitten hat; aber wäre es auch geschehen, so hätte er für seinen Beschluß gleichwohl nur Lob verdient. Es gibt eine Schranke, an welcher angekommen der Mann von Ehre und Pflichtgefühl dem Volke zurufen muß: „bis hieher und nicht weiter,“ komme was da wolle. Was nun das kommende Jahr bringen wird, untersuche ich vor der Hand noch nicht; Jesuiten schwerlich, wohl aber eine Verfassung, in welcher die Volksrechte abermals eine bedeutende Ausdehnung erhalten werden. Auch Bern genießt, trotz mancher schwierigen Erörterungspunkte, ununterbrochener Ruhe, und es ist dieß Ergebniß immerhin ein Verdienst der Regierung und des Volks, die, Hand in Hand, durch keinerlei Umtriebe sich aus der Fassung bringen lassen. Daß die Amnestie für Alle verworfen worden, die nicht mit Bittschriften dafür einkamen, ist dermalen die einzige trübe Seite des Bildes. Mehrere Männer, die vor Jahren in den höchsten Aemtern standen, sitzen nun im Gefängniß, und leben, ohne Zweifel grollend, formell legale gerichtliche Strafen ab. Hatte die Regierung die Kraft bewiesen, im Jahr 1832 den Reactionsversuch mit Erfolg niederzuhalten, so würde sie es kaum zu bereuen gehabt haben, im Jahr 1840einen Beweis von Macht durch die mittelbare Erklärung zu geben, daß sie das Heil des Landes nicht von der isolirten und reactionären Stellung einiger Männer abhängig machte. Unter den Gefangenen befindet sich der Schultheiß Fischer, im Jahr 1830 Präsident der Tagsatzung. Republiken sind wandelbar und beweglich. Mir träumt, daß die dereinstige Rückkehr gerade dieses Mannes zur Regierung nicht unter die Unmöglichkeiten gehöre, und Ereignisse der gerügten Art sind nicht selten schon die Förderer solchen Wechsels gewesen. Nur Eines halte ich mit dem Gange der Zeit und der Volksentwicklung für unvereinbar, nämlich die Rückkehr des Patriciats in Bern wie in Luzern. – Erfreulicher ist die Meldung, daß die Brückenbauten von Bern an der Schwelle der Ausführung angelangt sind. Der Bau der großen steinernen Brücke am untern Eingang der Stadt ist nicht nur nicht aufgegeben,

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 81. Augsburg, 21. März 1840, S. 0643. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_081_18400321/11>, abgerufen am 02.05.2024.