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Allgemeine Zeitung. Nr. 80. Augsburg, 20. März 1840.

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wie hier. Die Fahne der französischen Revolution machte die Reise um die Welt, wie die gallische Hyperbel zu sagen beliebt; die Thorheiten der französischen Revolution machen sie noch. Für das Alberne und Abgeschmackte hat der Mensch ein bewundernswerthes Talent der Nachahmung. Unbestreitbar ist es immerhin, daß die Feinde des Hrn. Thiers zahlreich sind; die unbesonnenen Aeußerungen seines Uebermuths wurden nicht so leicht vergessen als gethan. Vielen gewährt sein Charakter als Staatsmann wie als Bürger keine zureichende Bürgschaft, und die Zweifel, die gegen seine Rechtlichkeit, so lang er am Ruder war, sich in so beleidigender Weise erhoben, später jedoch, als der flüchtige aber kampfvertraute Guerillero in das Lager der andern Partei ging, nach und nach verstummten, und endlich in ungemessene Verherrlichung übergingen, sie werden jetzt, da Thiers die Zügel der Gewalt wieder ergriffen, von neuem gehört, und finden, wie jede Nachrede und Verkleinerung, allenthalben Beschuldigungen auch Gehör. Doch nicht bloß das Charivari, das jeden, der einmal auf die Schmerzensbank sich setzt, seinen Teufeleien verfallen glaubt, und zur Verwunderung keines Vernünftigen jetzt die Waffe, die ihm früher so gut gegen das Haus Dosne und Thiers gedient, ohne Rost und Scharte wieder hervornimmt; auch Manche, die mit Ernst und ohne Groll darüber reden, bringen dahergehörige Beschuldigungen vor, und halten sie gegen jeden Einspruch aufrecht. Daraus folgt eben nichts Sicheres, und selbst die unparteiische Ruhe derer, welche diese Behauptungen aufstellen oder wiederholen, beweist weniger die Wahrheit derselben, als vielmehr die Leichtigkeit, womit die Franzosen überhaupt Anklagen gegen hochgestellte Personen als gegründet hinnehmen. Man hat dieses Volk häufig mit den alten Athenern verglichen; wie weit seine geistige Aehnlichkeit mit den Landsleuten von Aeschylus und Phidias sich nachweisen lasse, möge hier unentschieden bleiben; aber in der eifersüchtigen, ungerechten Bewachung ihrer hervorragenden Männer zeigen sie beide eine gleiche Stärke. Bei den untern Classen hat dieser blinde Glaube an alles Böse, das man von Mächtigen und Reichen der Erde sagt, etwas Erschreckendes; und wenn man mit Beharrlichkeit darthun hört, Louis Philipp lasse das Getreide aus dem Lande führen, um es zu vertheuern, und seine Mutter, die tugendhafte Tochter des Herzogs von Penthievre, sey für die Dirnen des Palais royal eine gefährliche Mitbewerberin gewesen, so weiß man nicht, worüber man mehr erstaunen soll, über die Verworfenheit des Lügners oder über den Blödsinn des Belogenen; keinesfalls mag man gerne daran denken, was ein Volk, von solchem Wahn erfaßt, zu begehen fähig ist.

Das Dampfboot aus Algier ist eingetroffen und bringt von dort Nachrichten bis zum 7, aus Oran bis zum 2 März. Die Truppen des Bey's von Miliana stehen fortwährend auf dem Gebirge, welches die Stadt Belida und die Lager dominirt. Einige arabische Deserteure, welche nach Belida gekommen, versichern, im Lager des Bey's herrsche Zwietracht, alle Lebensmittel seyen aufgezehrt, und man erwarte schon lange vergeblich eine Karawane des Emirs mit Proviant. Die irregulären Soldaten verließen den Emir haufenweise, um in ihre Stämme zurückzukehren. Die Stadt Belida ist für die europäischen Colonisten fortwährend verschlossen. Ihre muselmännische Bevölkerung ist sehr unglücklich und sieht sich genöthigt, ihre Pferde und Maulthiere, die sie nicht mehr nähren kann, zu verkaufen, um sich Lebensmittel zu verschaffen. Die schönen Orangenhaine, welche den Schmuck der dortigen Gegend bildeten, sind unter der Art der Ingenieure, welche an ihrer Stelle Schanzen errichteten, fast ganz verschwunden. Marschall Valee bleibt in fortwährender Unthätigkeit. - Die Berichte aus Oran sagen, daß Buhamedi mit seinen Truppen noch immer in dortiger Gegend spukt und bald am Rio Salado, bald in Bridia lagert. Der große Angriff, den Abd-El-Kader in Person mit all' seinen Streitkräften beabsichtigt haben soll, hat nicht stattgefunden, und man erzählt in Oran, der Emir habe im Augenblick, wo er von Tekedemt aufgebrochen, mit den Truppen des Marabuts Tidschini zu kämpfen gehabt, und sey dort für lange Zeit beschäftigt. Die arabischen Verbündeten der Franzosen, die Duairs und Zmelas, sind sehr unzufrieden mit dem gegenwärtigen Zustand und wünschten, daß es lieber vorwärts ginge, um den Feind zurückzutreiben und die verlassenen Weideplätze wieder zu gewinnen. Diese Stämme lagern gegenwärtig, aus Furcht vor einem Ueberfall, unter den Mauern von Oran und Mers-el-Kebir, wo ihre Heerden beinahe Hungers sterben. Buhamedi macht alle möglichen Versuche, sie zum Abfall von den Franzosen zu bewegen, und einer seiner Agenten wurde vor wenigen Tagen mit einem Pack Briefen, an Duairs gerichtet, aufgegriffen, und erlitt die verdiente Strafe. General Mustapha-ben-Ismael hat viel Mühe, Desertionen zu verhindern, wozu seine Araber nur durch das Elend getrieben werden.

Niederlande.

Die von dem König niedergesetzte Commission zur Abfassung der neuen Gesetzesentwürfe soll ihre Aufgabe beendigt haben, und ein vorgestern abgehaltener Staats- und Ministerrath mit dieser Sache beschäftigt gewesen seyn. Indessen ist man immer noch der Ansicht, daß die Kammer bei ihrem Wiederzusammentritt zuerst mit den anhängig gebliebenen Gesetzesentwürfen und dann mit den financiellen Angelegenheiten sich beschäftigen soll. Es sollen, wie es scheint, vorläufige Unterhandlungen zwischen der Regierung und den Generalstaaten, so wie unter den Mitgliedern dieser letztern selbst, in Gang kommen, ehe man sich direct und öffentlich mit den Veränderungen des Grundgesetzes beschäftigt. Die Hauptfragen bei diesem letztern bleiben immerhin die Existenz der ersten Kammer und die directe oder indirecte Wahlart. Daß die Regierung hinsichtlich der financiellen Lage nachgeben wird, betrachtet man als unvermeidlich. - Seit einigen Tagen spricht man von Anlegung einer Eisenbahn zwischen hier und Rotterdam, welche dann mit der von Haarlem nach Amsterdam führenden in Verbindung gesetzt werden soll.

Deutschland.

In der Sitzung der mathematisch-physikalischen Classe der k. Akademie vom 14 d. legte Conservator Steinheil einige von ihm erzeugte Lichtbilder vor, die sich darin wesentlich von den Daguerre'schen unterscheiden, daß sie ganz aus Kupfer bestehen und nicht bloß, wie die von Himmly, leise Berührung, sondern selbst starke Reibung und starken Druck ertragen, ohne Schaden zu leiden. An Deutlichkeit stehen diese Bilder den Daguerre'schen nicht nach. Die Lichter sind durch matte, die Schatten durch glänzende Kupferoberfläche gebildet. Er hat dieses Ergebniß dadurch erzielt, daß er Daguerre'sche Bilder in gesättigte Auflösung von reinem Kupfervitriol brachte, und nach Art der Jakobi'schen galvanischen Kupferbildungen, durch galvanischen Strom, mit einer sehr dünnen Kupferplatte überziehen ließ. Dieses Kupferplättchen ist so vollkommen Aequidistante der Metallunterlage, daß sich Glanz und Mattigkeit des Daguerre'schen Bildes in Kupfer reproducirt, als wäre letzteres durchsichtig geworden. Bei einer gewissen Dicke der Schicht ist der Effect ein bester. Die Operation fordert aber besondere Sorgfalt und Reinheit der Stoffe. Durch Umtauschen der Electroden kann übrigens das Kupferbild wieder hinweggenommen werden und so die Platte aufs neue dienen.

wie hier. Die Fahne der französischen Revolution machte die Reise um die Welt, wie die gallische Hyperbel zu sagen beliebt; die Thorheiten der französischen Revolution machen sie noch. Für das Alberne und Abgeschmackte hat der Mensch ein bewundernswerthes Talent der Nachahmung. Unbestreitbar ist es immerhin, daß die Feinde des Hrn. Thiers zahlreich sind; die unbesonnenen Aeußerungen seines Uebermuths wurden nicht so leicht vergessen als gethan. Vielen gewährt sein Charakter als Staatsmann wie als Bürger keine zureichende Bürgschaft, und die Zweifel, die gegen seine Rechtlichkeit, so lang er am Ruder war, sich in so beleidigender Weise erhoben, später jedoch, als der flüchtige aber kampfvertraute Guerillero in das Lager der andern Partei ging, nach und nach verstummten, und endlich in ungemessene Verherrlichung übergingen, sie werden jetzt, da Thiers die Zügel der Gewalt wieder ergriffen, von neuem gehört, und finden, wie jede Nachrede und Verkleinerung, allenthalben Beschuldigungen auch Gehör. Doch nicht bloß das Charivari, das jeden, der einmal auf die Schmerzensbank sich setzt, seinen Teufeleien verfallen glaubt, und zur Verwunderung keines Vernünftigen jetzt die Waffe, die ihm früher so gut gegen das Haus Dosne und Thiers gedient, ohne Rost und Scharte wieder hervornimmt; auch Manche, die mit Ernst und ohne Groll darüber reden, bringen dahergehörige Beschuldigungen vor, und halten sie gegen jeden Einspruch aufrecht. Daraus folgt eben nichts Sicheres, und selbst die unparteiische Ruhe derer, welche diese Behauptungen aufstellen oder wiederholen, beweist weniger die Wahrheit derselben, als vielmehr die Leichtigkeit, womit die Franzosen überhaupt Anklagen gegen hochgestellte Personen als gegründet hinnehmen. Man hat dieses Volk häufig mit den alten Athenern verglichen; wie weit seine geistige Aehnlichkeit mit den Landsleuten von Aeschylus und Phidias sich nachweisen lasse, möge hier unentschieden bleiben; aber in der eifersüchtigen, ungerechten Bewachung ihrer hervorragenden Männer zeigen sie beide eine gleiche Stärke. Bei den untern Classen hat dieser blinde Glaube an alles Böse, das man von Mächtigen und Reichen der Erde sagt, etwas Erschreckendes; und wenn man mit Beharrlichkeit darthun hört, Louis Philipp lasse das Getreide aus dem Lande führen, um es zu vertheuern, und seine Mutter, die tugendhafte Tochter des Herzogs von Penthievre, sey für die Dirnen des Palais royal eine gefährliche Mitbewerberin gewesen, so weiß man nicht, worüber man mehr erstaunen soll, über die Verworfenheit des Lügners oder über den Blödsinn des Belogenen; keinesfalls mag man gerne daran denken, was ein Volk, von solchem Wahn erfaßt, zu begehen fähig ist.

Das Dampfboot aus Algier ist eingetroffen und bringt von dort Nachrichten bis zum 7, aus Oran bis zum 2 März. Die Truppen des Bey's von Miliana stehen fortwährend auf dem Gebirge, welches die Stadt Belida und die Lager dominirt. Einige arabische Deserteure, welche nach Belida gekommen, versichern, im Lager des Bey's herrsche Zwietracht, alle Lebensmittel seyen aufgezehrt, und man erwarte schon lange vergeblich eine Karawane des Emirs mit Proviant. Die irregulären Soldaten verließen den Emir haufenweise, um in ihre Stämme zurückzukehren. Die Stadt Belida ist für die europäischen Colonisten fortwährend verschlossen. Ihre muselmännische Bevölkerung ist sehr unglücklich und sieht sich genöthigt, ihre Pferde und Maulthiere, die sie nicht mehr nähren kann, zu verkaufen, um sich Lebensmittel zu verschaffen. Die schönen Orangenhaine, welche den Schmuck der dortigen Gegend bildeten, sind unter der Art der Ingenieure, welche an ihrer Stelle Schanzen errichteten, fast ganz verschwunden. Marschall Valée bleibt in fortwährender Unthätigkeit. – Die Berichte aus Oran sagen, daß Buhamedi mit seinen Truppen noch immer in dortiger Gegend spukt und bald am Rio Salado, bald in Bridia lagert. Der große Angriff, den Abd-El-Kader in Person mit all' seinen Streitkräften beabsichtigt haben soll, hat nicht stattgefunden, und man erzählt in Oran, der Emir habe im Augenblick, wo er von Tekedemt aufgebrochen, mit den Truppen des Marabuts Tidschini zu kämpfen gehabt, und sey dort für lange Zeit beschäftigt. Die arabischen Verbündeten der Franzosen, die Duairs und Zmelas, sind sehr unzufrieden mit dem gegenwärtigen Zustand und wünschten, daß es lieber vorwärts ginge, um den Feind zurückzutreiben und die verlassenen Weideplätze wieder zu gewinnen. Diese Stämme lagern gegenwärtig, aus Furcht vor einem Ueberfall, unter den Mauern von Oran und Mers-el-Kebir, wo ihre Heerden beinahe Hungers sterben. Buhamedi macht alle möglichen Versuche, sie zum Abfall von den Franzosen zu bewegen, und einer seiner Agenten wurde vor wenigen Tagen mit einem Pack Briefen, an Duairs gerichtet, aufgegriffen, und erlitt die verdiente Strafe. General Mustapha-ben-Ismael hat viel Mühe, Desertionen zu verhindern, wozu seine Araber nur durch das Elend getrieben werden.

Niederlande.

Die von dem König niedergesetzte Commission zur Abfassung der neuen Gesetzesentwürfe soll ihre Aufgabe beendigt haben, und ein vorgestern abgehaltener Staats- und Ministerrath mit dieser Sache beschäftigt gewesen seyn. Indessen ist man immer noch der Ansicht, daß die Kammer bei ihrem Wiederzusammentritt zuerst mit den anhängig gebliebenen Gesetzesentwürfen und dann mit den financiellen Angelegenheiten sich beschäftigen soll. Es sollen, wie es scheint, vorläufige Unterhandlungen zwischen der Regierung und den Generalstaaten, so wie unter den Mitgliedern dieser letztern selbst, in Gang kommen, ehe man sich direct und öffentlich mit den Veränderungen des Grundgesetzes beschäftigt. Die Hauptfragen bei diesem letztern bleiben immerhin die Existenz der ersten Kammer und die directe oder indirecte Wahlart. Daß die Regierung hinsichtlich der financiellen Lage nachgeben wird, betrachtet man als unvermeidlich. – Seit einigen Tagen spricht man von Anlegung einer Eisenbahn zwischen hier und Rotterdam, welche dann mit der von Haarlem nach Amsterdam führenden in Verbindung gesetzt werden soll.

Deutschland.

In der Sitzung der mathematisch-physikalischen Classe der k. Akademie vom 14 d. legte Conservator Steinheil einige von ihm erzeugte Lichtbilder vor, die sich darin wesentlich von den Daguerre'schen unterscheiden, daß sie ganz aus Kupfer bestehen und nicht bloß, wie die von Himmly, leise Berührung, sondern selbst starke Reibung und starken Druck ertragen, ohne Schaden zu leiden. An Deutlichkeit stehen diese Bilder den Daguerre'schen nicht nach. Die Lichter sind durch matte, die Schatten durch glänzende Kupferoberfläche gebildet. Er hat dieses Ergebniß dadurch erzielt, daß er Daguerre'sche Bilder in gesättigte Auflösung von reinem Kupfervitriol brachte, und nach Art der Jakobi'schen galvanischen Kupferbildungen, durch galvanischen Strom, mit einer sehr dünnen Kupferplatte überziehen ließ. Dieses Kupferplättchen ist so vollkommen Aequidistante der Metallunterlage, daß sich Glanz und Mattigkeit des Daguerre'schen Bildes in Kupfer reproducirt, als wäre letzteres durchsichtig geworden. Bei einer gewissen Dicke der Schicht ist der Effect ein bester. Die Operation fordert aber besondere Sorgfalt und Reinheit der Stoffe. Durch Umtauschen der Electroden kann übrigens das Kupferbild wieder hinweggenommen werden und so die Platte aufs neue dienen.

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wie hier. Die Fahne der französischen Revolution machte die Reise um die Welt, wie die gallische Hyperbel zu sagen beliebt; die Thorheiten der französischen Revolution machen sie noch. Für das Alberne und Abgeschmackte hat der Mensch ein bewundernswerthes Talent der Nachahmung. Unbestreitbar ist es immerhin, daß die Feinde des Hrn. Thiers zahlreich sind; die unbesonnenen Aeußerungen seines Uebermuths wurden nicht so leicht vergessen als gethan. Vielen gewährt sein Charakter als Staatsmann wie als Bürger keine zureichende Bürgschaft, und die Zweifel, die gegen seine Rechtlichkeit, so lang er am Ruder war, sich in so beleidigender Weise erhoben, später jedoch, als der flüchtige aber kampfvertraute Guerillero in das Lager der andern Partei ging, nach und nach verstummten, und endlich in ungemessene Verherrlichung übergingen, sie werden jetzt, da Thiers die Zügel der Gewalt wieder ergriffen, von neuem gehört, und finden, wie jede Nachrede und Verkleinerung, allenthalben Beschuldigungen auch Gehör. Doch nicht bloß das Charivari, das jeden, der einmal auf die Schmerzensbank sich setzt, seinen Teufeleien verfallen glaubt, und zur Verwunderung keines Vernünftigen jetzt die Waffe, die ihm früher so gut gegen das Haus Dosne und Thiers gedient, ohne Rost und Scharte wieder hervornimmt; auch Manche, die mit Ernst und ohne Groll darüber reden, bringen dahergehörige Beschuldigungen vor, und halten sie gegen jeden Einspruch aufrecht. Daraus folgt eben nichts Sicheres, und selbst die unparteiische Ruhe derer, welche diese Behauptungen aufstellen oder wiederholen, beweist weniger die Wahrheit derselben, als vielmehr die Leichtigkeit, womit die Franzosen überhaupt Anklagen gegen hochgestellte Personen als gegründet hinnehmen. Man hat dieses Volk häufig mit den alten Athenern verglichen; wie weit seine geistige Aehnlichkeit mit den Landsleuten von Aeschylus und Phidias sich nachweisen lasse, möge hier unentschieden bleiben; aber in der eifersüchtigen, ungerechten Bewachung ihrer hervorragenden Männer zeigen sie beide eine gleiche Stärke. Bei den untern Classen hat dieser blinde Glaube an alles Böse, das man von Mächtigen und Reichen der Erde sagt, etwas Erschreckendes; und wenn man mit Beharrlichkeit darthun hört, Louis Philipp lasse das Getreide aus dem Lande führen, um es zu vertheuern, und seine Mutter, die tugendhafte Tochter des Herzogs von Penthievre, sey für die Dirnen des Palais royal eine gefährliche Mitbewerberin gewesen, so weiß man nicht, worüber man mehr erstaunen soll, über die Verworfenheit des Lügners oder über den Blödsinn des Belogenen; keinesfalls mag man gerne daran denken, was ein Volk, von solchem Wahn erfaßt, zu begehen fähig ist.</p>
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[0637/0005] wie hier. Die Fahne der französischen Revolution machte die Reise um die Welt, wie die gallische Hyperbel zu sagen beliebt; die Thorheiten der französischen Revolution machen sie noch. Für das Alberne und Abgeschmackte hat der Mensch ein bewundernswerthes Talent der Nachahmung. Unbestreitbar ist es immerhin, daß die Feinde des Hrn. Thiers zahlreich sind; die unbesonnenen Aeußerungen seines Uebermuths wurden nicht so leicht vergessen als gethan. Vielen gewährt sein Charakter als Staatsmann wie als Bürger keine zureichende Bürgschaft, und die Zweifel, die gegen seine Rechtlichkeit, so lang er am Ruder war, sich in so beleidigender Weise erhoben, später jedoch, als der flüchtige aber kampfvertraute Guerillero in das Lager der andern Partei ging, nach und nach verstummten, und endlich in ungemessene Verherrlichung übergingen, sie werden jetzt, da Thiers die Zügel der Gewalt wieder ergriffen, von neuem gehört, und finden, wie jede Nachrede und Verkleinerung, allenthalben Beschuldigungen auch Gehör. Doch nicht bloß das Charivari, das jeden, der einmal auf die Schmerzensbank sich setzt, seinen Teufeleien verfallen glaubt, und zur Verwunderung keines Vernünftigen jetzt die Waffe, die ihm früher so gut gegen das Haus Dosne und Thiers gedient, ohne Rost und Scharte wieder hervornimmt; auch Manche, die mit Ernst und ohne Groll darüber reden, bringen dahergehörige Beschuldigungen vor, und halten sie gegen jeden Einspruch aufrecht. Daraus folgt eben nichts Sicheres, und selbst die unparteiische Ruhe derer, welche diese Behauptungen aufstellen oder wiederholen, beweist weniger die Wahrheit derselben, als vielmehr die Leichtigkeit, womit die Franzosen überhaupt Anklagen gegen hochgestellte Personen als gegründet hinnehmen. Man hat dieses Volk häufig mit den alten Athenern verglichen; wie weit seine geistige Aehnlichkeit mit den Landsleuten von Aeschylus und Phidias sich nachweisen lasse, möge hier unentschieden bleiben; aber in der eifersüchtigen, ungerechten Bewachung ihrer hervorragenden Männer zeigen sie beide eine gleiche Stärke. Bei den untern Classen hat dieser blinde Glaube an alles Böse, das man von Mächtigen und Reichen der Erde sagt, etwas Erschreckendes; und wenn man mit Beharrlichkeit darthun hört, Louis Philipp lasse das Getreide aus dem Lande führen, um es zu vertheuern, und seine Mutter, die tugendhafte Tochter des Herzogs von Penthievre, sey für die Dirnen des Palais royal eine gefährliche Mitbewerberin gewesen, so weiß man nicht, worüber man mehr erstaunen soll, über die Verworfenheit des Lügners oder über den Blödsinn des Belogenen; keinesfalls mag man gerne daran denken, was ein Volk, von solchem Wahn erfaßt, zu begehen fähig ist. _ Toulon, 11 März. Das Dampfboot aus Algier ist eingetroffen und bringt von dort Nachrichten bis zum 7, aus Oran bis zum 2 März. Die Truppen des Bey's von Miliana stehen fortwährend auf dem Gebirge, welches die Stadt Belida und die Lager dominirt. Einige arabische Deserteure, welche nach Belida gekommen, versichern, im Lager des Bey's herrsche Zwietracht, alle Lebensmittel seyen aufgezehrt, und man erwarte schon lange vergeblich eine Karawane des Emirs mit Proviant. Die irregulären Soldaten verließen den Emir haufenweise, um in ihre Stämme zurückzukehren. Die Stadt Belida ist für die europäischen Colonisten fortwährend verschlossen. Ihre muselmännische Bevölkerung ist sehr unglücklich und sieht sich genöthigt, ihre Pferde und Maulthiere, die sie nicht mehr nähren kann, zu verkaufen, um sich Lebensmittel zu verschaffen. Die schönen Orangenhaine, welche den Schmuck der dortigen Gegend bildeten, sind unter der Art der Ingenieure, welche an ihrer Stelle Schanzen errichteten, fast ganz verschwunden. Marschall Valée bleibt in fortwährender Unthätigkeit. – Die Berichte aus Oran sagen, daß Buhamedi mit seinen Truppen noch immer in dortiger Gegend spukt und bald am Rio Salado, bald in Bridia lagert. Der große Angriff, den Abd-El-Kader in Person mit all' seinen Streitkräften beabsichtigt haben soll, hat nicht stattgefunden, und man erzählt in Oran, der Emir habe im Augenblick, wo er von Tekedemt aufgebrochen, mit den Truppen des Marabuts Tidschini zu kämpfen gehabt, und sey dort für lange Zeit beschäftigt. Die arabischen Verbündeten der Franzosen, die Duairs und Zmelas, sind sehr unzufrieden mit dem gegenwärtigen Zustand und wünschten, daß es lieber vorwärts ginge, um den Feind zurückzutreiben und die verlassenen Weideplätze wieder zu gewinnen. Diese Stämme lagern gegenwärtig, aus Furcht vor einem Ueberfall, unter den Mauern von Oran und Mers-el-Kebir, wo ihre Heerden beinahe Hungers sterben. Buhamedi macht alle möglichen Versuche, sie zum Abfall von den Franzosen zu bewegen, und einer seiner Agenten wurde vor wenigen Tagen mit einem Pack Briefen, an Duairs gerichtet, aufgegriffen, und erlitt die verdiente Strafe. General Mustapha-ben-Ismael hat viel Mühe, Desertionen zu verhindern, wozu seine Araber nur durch das Elend getrieben werden. Niederlande. _ Haag, 13 März. Die von dem König niedergesetzte Commission zur Abfassung der neuen Gesetzesentwürfe soll ihre Aufgabe beendigt haben, und ein vorgestern abgehaltener Staats- und Ministerrath mit dieser Sache beschäftigt gewesen seyn. Indessen ist man immer noch der Ansicht, daß die Kammer bei ihrem Wiederzusammentritt zuerst mit den anhängig gebliebenen Gesetzesentwürfen und dann mit den financiellen Angelegenheiten sich beschäftigen soll. Es sollen, wie es scheint, vorläufige Unterhandlungen zwischen der Regierung und den Generalstaaten, so wie unter den Mitgliedern dieser letztern selbst, in Gang kommen, ehe man sich direct und öffentlich mit den Veränderungen des Grundgesetzes beschäftigt. Die Hauptfragen bei diesem letztern bleiben immerhin die Existenz der ersten Kammer und die directe oder indirecte Wahlart. Daß die Regierung hinsichtlich der financiellen Lage nachgeben wird, betrachtet man als unvermeidlich. – Seit einigen Tagen spricht man von Anlegung einer Eisenbahn zwischen hier und Rotterdam, welche dann mit der von Haarlem nach Amsterdam führenden in Verbindung gesetzt werden soll. Deutschland. _ München, 17 März. In der Sitzung der mathematisch-physikalischen Classe der k. Akademie vom 14 d. legte Conservator Steinheil einige von ihm erzeugte Lichtbilder vor, die sich darin wesentlich von den Daguerre'schen unterscheiden, daß sie ganz aus Kupfer bestehen und nicht bloß, wie die von Himmly, leise Berührung, sondern selbst starke Reibung und starken Druck ertragen, ohne Schaden zu leiden. An Deutlichkeit stehen diese Bilder den Daguerre'schen nicht nach. Die Lichter sind durch matte, die Schatten durch glänzende Kupferoberfläche gebildet. Er hat dieses Ergebniß dadurch erzielt, daß er Daguerre'sche Bilder in gesättigte Auflösung von reinem Kupfervitriol brachte, und nach Art der Jakobi'schen galvanischen Kupferbildungen, durch galvanischen Strom, mit einer sehr dünnen Kupferplatte überziehen ließ. Dieses Kupferplättchen ist so vollkommen Aequidistante der Metallunterlage, daß sich Glanz und Mattigkeit des Daguerre'schen Bildes in Kupfer reproducirt, als wäre letzteres durchsichtig geworden. Bei einer gewissen Dicke der Schicht ist der Effect ein bester. Die Operation fordert aber besondere Sorgfalt und Reinheit der Stoffe. Durch Umtauschen der Electroden kann übrigens das Kupferbild wieder hinweggenommen werden und so die Platte aufs neue dienen.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 80. Augsburg, 20. März 1840, S. 0637. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_080_18400320/5>, abgerufen am 23.04.2024.