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Allgemeine Zeitung. Nr. 78. Augsburg, 18. März 1840.

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Ein Besuch beim Vladika von Montenegro.

In wenig Tagen schon sollt' ich Albanien verlassen, und die Ausführung meines Vorsatzes, den Hofstaat des seltsamsten europäischen Herrschers kennen zu lernen, durfte nun nicht mehr verschoben werden. Trotz des heftigen Regens bestieg ich also gegen zehn Uhr Morgens meinen Mulo und schlug von Freund C.** begleitet, die Richtung (von einem Wege zu sprechen, wäre Mißbrauch des Worts) nach Miraz ein. Dieses montenegrinische Dorf, das wir nach einer und einer halben Stunde erreicht hatten, war bis zur Hochebene von Czetinje (dem Ziele unserer Excursion) der einzige bewohnte Flecken, dem wir begegneten, doch versicherte der Sbiro Martinovich, des Vladiken Postbote und unser Führer über die nackten Felsen, wir würden mehrere Dörfer sehen, wenn Regen und Nebel uns nicht daran hinderten. So wenig wir diese Entbehrung beklagten, so sehr bedauerten wir, der herrlichen Aussicht in die Bocche und in das große Thal der Xuppa theilweise beraubt zu seyn. Nicht ohne Anstrengung und Beschwerde übersteigt man die riesigen Felsenmassen, welche Montenegro als natürliche Schutzwehr umschließen, und selbst da, wo man sich der Maulthiere bedienen kann, darf man oft nicht rechts oder links schauen, wenn man dem Schwindel unterworfen ist. Man schätzt die Höhe des Monte Sella (Lovczin) auf 6000 Fuß über der Meeresfläche, doch scheint mir diese Angabe übertrieben; der Bergkamm, den wir überstiegen, dürfte zwischen 4000 und 5000 Fuß hoch seyn. Gegen Abend erreichten wir die Hochebene von Czetinje und das in derselben gelegene Dorf Baiza, welches gegen 200 Häuser zählt, und uns vom wackern Sbiro nicht ohne Stolz als sein Wohnsitz bezeichnet wurde. Der Einladung dieses Ehrenmannes, in sein Haus zu treten, mußten wir Folge leisten, da der Montenegriner das Ablehnen seiner gastlichen Vorschläge sehr übel zu nehmen pflegt, und die Beschreibung des Comforts, den wir in des montenegrinischen Postboten Hütte fanden, dürfte hier an ihrem Platze seyn. Links vom Eingange brannte am Boden ein stattliches Feuer, dessen Rauch dieselbe Pforte hinausging, durch welche wir eben eingetreten waren, und die Unnöthigkeit der Kamine und Rauchfänge beweisen zu wollen schien. Die Familie des Hausherrn, aus dessen Frau, zwei Söhnen und einer Schwiegertochter bestehend, war um das Feuer gruppirt und auch einer braunen Kuh ward ihr Antheil an der Wärme nicht vorenthalten. Ueber dem Feuer hing ein beruhigender Vorrath von Castra (Hammelskeulen), welcher die obere Hälfte des Zimmers als Rauchkammer bezeichnete, während die der Thüre gegenüber liegende Wand, von türkischem Weizen halb bedeckt, sich als Fruchtkammer ankündigte. Mehrere Gewehre und zwei Säbel, deren einer früher einem Türken, der andere einem österreichischen Deserteur angehört hatte, machten die Wand neben der Thüre zur Waffenkammer, und da an der rechten Wand zwei Betten, in der Mitte des Gemaches aber eine Handmühle und ein Webstuhl angebracht waren, so sieht man wohl, daß es der Familie des ehrlichen Sbiro an nichts fehlte, was die irdischen Tage versüßen kann. Alle Glieder der Familie setzten sich in Bewegung, um uns zu bedienen; wir wurden mit Branntwein bewirthet, und die Gesundheit der Hausfrau, welche wir ausbrachten, ward sehr gut aufgenommen. So wenig der Montenegriner mit einem einzelnen Fremden, der sein Gebiet betritt, Umstände zu machen pflegt (gewöhnlich nimmt er ihm sein Geld ab und zieht ihn aus), so sicher ist der Reisende, der sich der Führung eines Montenegriners anvertraut hat, so heilig wird er gehalten, wenn er einmal als Gast in einer Hütte aufgenommen worden ist. Ein merkwürdiger Umstand, der nicht unerwähnt bleiben darf, ist der, daß die ganze Bevölkerung von Baiza den Namen Martinovich führt, und daß alle Bewohner dieses zweihundert Häuser zählenden Dorfes Blutsverwandte sind.

Die Hochebene von Czetinje (etwa zwei Meilen lang und eine Viertelmeile breit) dürfte nebst der Hochebene von Njegusz die schönste und bevölkertste in Montenegro seyn. Sechs bis sieben Dörfer, am Bergrücken lehnend, scheinen dem Wanderer die Nähe der Residenz Czetinje verkünden zu wollen. Es war schon dunkel, als wir, von Regen und Kälte erstarrt, beim Kloster anlangten. Dennoch konnten wir unterscheiden, daß das Gebäude, welches uns aufnahm, ziemlich stattlich aussah; einige Diener, die sogleich mit Licht herbeieilten, uns von den Maulthieren zu helfen und unser kleines Gepäck in Empfang zu nehmen, schienen eine gute Aufnahme zu prognosticiren, ja die reinliche Küche, in die man uns fürs erste eintreten ließ, nachdem wir einen langen Gang durchschritten hatten, versetzte uns in jene Behaglichkeit, der sich jeder Reisende nach beschwerlichem Tagemarsch Abends in der Herberge so gern überläßt. Diese günstige Stimmung ward durch das stattliche Feuer, welches des Vladiken Leibkoch uns zu Ehren anschürte, nicht wenig genährt, und bald waren wir mit diesem Ehrenmann in traulichem Geschräche, während der Dampf, den die Wärme unsern gründlich durchnäßten Kleidern entlockte, uns in dichten Nebel hüllte. Signor Toni, wie wir später erfuhren, ein österreichischer Deserteur, verstand es, in der Küche des Beherrschers von Montenegro die Honneurs mit so viel Ungezwungenheit und Routine zu machen, daß man nicht lange brauchte, um sich ganz heimisch zu fühlen. Durch ihn wurden wir über den Umstand, ob Monsignore (der Vladika) das uns empfehlende Schreiben auch erhalten habe, beruhigt, und mit den Gebräuchen an diesem Hofe sehr bald bekannt gemacht. "Monsignore ist jetzt im Senate" versicherte Signor Toni, mit einer kleinen Beimischung von Wichtigkeit, die jedoch in des Koches Munde, bei dessen sonstiger Liebenswürdigkeit, nicht unschmackhaft war: "Er kann jedoch nicht lange mehr säumen" (hier blickte er nach der Uhr); "richtig, es ist schon die Stunde des Billardsaales." Nun ward uns vom montenegrinischen Vatel bekannt gegeben, daß Monsignore ein leidenschaftlicher Billardspieler sey, daß er jeden Abend, aus dem Senate rückgekehrt, einige Stunden diesem Vergnügen widme, um sich dann von 9 Uhr bis Mitternacht hier am Herde, den wir nun besetzt hielten, mit seinen Senatoren beim Tszay der Conversation oder dem Gesange zu überlassen. Die Gespräche, die an diesem Herde geführt werden, sind, wie ich später von einem Ohrenzeugen erfahren habe, sehr merkwürdig, und mit den Begriffen, die wir feinerer Gesittung verdanken, in so grellem Widerspruche, daß man geneigt ist, die Erzählung einer solchen Unterredung für Fabel zu halten. In diesen veillees du chateau de Czetinje erzählen die Senatoren, die aus den geachtetsten und tapfersten des Volkes gewählt sind, abwechselnd ihre Kriegsthaten, und wer mit der auswärtigen Politik Montenegro's bekannt ist, wird es begreiflich finden, daß dabei fast nur von Raubzügen die Rede seyn kann. Mein Gewährsmann, der einer dieser Abendunterhaltungen am Herde beigewohnt hat und der illyrischen Sprache mächtig ist, hatte das Glück, die ausführliche Beschreibung eines Raubzuges in das Paschalik

Ein Besuch beim Vladika von Montenegro.

In wenig Tagen schon sollt' ich Albanien verlassen, und die Ausführung meines Vorsatzes, den Hofstaat des seltsamsten europäischen Herrschers kennen zu lernen, durfte nun nicht mehr verschoben werden. Trotz des heftigen Regens bestieg ich also gegen zehn Uhr Morgens meinen Mulo und schlug von Freund C.** begleitet, die Richtung (von einem Wege zu sprechen, wäre Mißbrauch des Worts) nach Miraz ein. Dieses montenegrinische Dorf, das wir nach einer und einer halben Stunde erreicht hatten, war bis zur Hochebene von Czetinje (dem Ziele unserer Excursion) der einzige bewohnte Flecken, dem wir begegneten, doch versicherte der Sbiro Martinovich, des Vladiken Postbote und unser Führer über die nackten Felsen, wir würden mehrere Dörfer sehen, wenn Regen und Nebel uns nicht daran hinderten. So wenig wir diese Entbehrung beklagten, so sehr bedauerten wir, der herrlichen Aussicht in die Bocche und in das große Thal der Xuppa theilweise beraubt zu seyn. Nicht ohne Anstrengung und Beschwerde übersteigt man die riesigen Felsenmassen, welche Montenegro als natürliche Schutzwehr umschließen, und selbst da, wo man sich der Maulthiere bedienen kann, darf man oft nicht rechts oder links schauen, wenn man dem Schwindel unterworfen ist. Man schätzt die Höhe des Monte Sella (Lovczin) auf 6000 Fuß über der Meeresfläche, doch scheint mir diese Angabe übertrieben; der Bergkamm, den wir überstiegen, dürfte zwischen 4000 und 5000 Fuß hoch seyn. Gegen Abend erreichten wir die Hochebene von Czetinje und das in derselben gelegene Dorf Baiza, welches gegen 200 Häuser zählt, und uns vom wackern Sbiro nicht ohne Stolz als sein Wohnsitz bezeichnet wurde. Der Einladung dieses Ehrenmannes, in sein Haus zu treten, mußten wir Folge leisten, da der Montenegriner das Ablehnen seiner gastlichen Vorschläge sehr übel zu nehmen pflegt, und die Beschreibung des Comforts, den wir in des montenegrinischen Postboten Hütte fanden, dürfte hier an ihrem Platze seyn. Links vom Eingange brannte am Boden ein stattliches Feuer, dessen Rauch dieselbe Pforte hinausging, durch welche wir eben eingetreten waren, und die Unnöthigkeit der Kamine und Rauchfänge beweisen zu wollen schien. Die Familie des Hausherrn, aus dessen Frau, zwei Söhnen und einer Schwiegertochter bestehend, war um das Feuer gruppirt und auch einer braunen Kuh ward ihr Antheil an der Wärme nicht vorenthalten. Ueber dem Feuer hing ein beruhigender Vorrath von Castrà (Hammelskeulen), welcher die obere Hälfte des Zimmers als Rauchkammer bezeichnete, während die der Thüre gegenüber liegende Wand, von türkischem Weizen halb bedeckt, sich als Fruchtkammer ankündigte. Mehrere Gewehre und zwei Säbel, deren einer früher einem Türken, der andere einem österreichischen Deserteur angehört hatte, machten die Wand neben der Thüre zur Waffenkammer, und da an der rechten Wand zwei Betten, in der Mitte des Gemaches aber eine Handmühle und ein Webstuhl angebracht waren, so sieht man wohl, daß es der Familie des ehrlichen Sbiro an nichts fehlte, was die irdischen Tage versüßen kann. Alle Glieder der Familie setzten sich in Bewegung, um uns zu bedienen; wir wurden mit Branntwein bewirthet, und die Gesundheit der Hausfrau, welche wir ausbrachten, ward sehr gut aufgenommen. So wenig der Montenegriner mit einem einzelnen Fremden, der sein Gebiet betritt, Umstände zu machen pflegt (gewöhnlich nimmt er ihm sein Geld ab und zieht ihn aus), so sicher ist der Reisende, der sich der Führung eines Montenegriners anvertraut hat, so heilig wird er gehalten, wenn er einmal als Gast in einer Hütte aufgenommen worden ist. Ein merkwürdiger Umstand, der nicht unerwähnt bleiben darf, ist der, daß die ganze Bevölkerung von Baiza den Namen Martinovich führt, und daß alle Bewohner dieses zweihundert Häuser zählenden Dorfes Blutsverwandte sind.

Die Hochebene von Czetinje (etwa zwei Meilen lang und eine Viertelmeile breit) dürfte nebst der Hochebene von Njegusz die schönste und bevölkertste in Montenegro seyn. Sechs bis sieben Dörfer, am Bergrücken lehnend, scheinen dem Wanderer die Nähe der Residenz Czetinje verkünden zu wollen. Es war schon dunkel, als wir, von Regen und Kälte erstarrt, beim Kloster anlangten. Dennoch konnten wir unterscheiden, daß das Gebäude, welches uns aufnahm, ziemlich stattlich aussah; einige Diener, die sogleich mit Licht herbeieilten, uns von den Maulthieren zu helfen und unser kleines Gepäck in Empfang zu nehmen, schienen eine gute Aufnahme zu prognosticiren, ja die reinliche Küche, in die man uns fürs erste eintreten ließ, nachdem wir einen langen Gang durchschritten hatten, versetzte uns in jene Behaglichkeit, der sich jeder Reisende nach beschwerlichem Tagemarsch Abends in der Herberge so gern überläßt. Diese günstige Stimmung ward durch das stattliche Feuer, welches des Vladiken Leibkoch uns zu Ehren anschürte, nicht wenig genährt, und bald waren wir mit diesem Ehrenmann in traulichem Geschräche, während der Dampf, den die Wärme unsern gründlich durchnäßten Kleidern entlockte, uns in dichten Nebel hüllte. Signor Toni, wie wir später erfuhren, ein österreichischer Deserteur, verstand es, in der Küche des Beherrschers von Montenegro die Honneurs mit so viel Ungezwungenheit und Routine zu machen, daß man nicht lange brauchte, um sich ganz heimisch zu fühlen. Durch ihn wurden wir über den Umstand, ob Monsignore (der Vladika) das uns empfehlende Schreiben auch erhalten habe, beruhigt, und mit den Gebräuchen an diesem Hofe sehr bald bekannt gemacht. „Monsignore ist jetzt im Senate“ versicherte Signor Toni, mit einer kleinen Beimischung von Wichtigkeit, die jedoch in des Koches Munde, bei dessen sonstiger Liebenswürdigkeit, nicht unschmackhaft war: „Er kann jedoch nicht lange mehr säumen“ (hier blickte er nach der Uhr); „richtig, es ist schon die Stunde des Billardsaales.“ Nun ward uns vom montenegrinischen Vatel bekannt gegeben, daß Monsignore ein leidenschaftlicher Billardspieler sey, daß er jeden Abend, aus dem Senate rückgekehrt, einige Stunden diesem Vergnügen widme, um sich dann von 9 Uhr bis Mitternacht hier am Herde, den wir nun besetzt hielten, mit seinen Senatoren beim Tszay der Conversation oder dem Gesange zu überlassen. Die Gespräche, die an diesem Herde geführt werden, sind, wie ich später von einem Ohrenzeugen erfahren habe, sehr merkwürdig, und mit den Begriffen, die wir feinerer Gesittung verdanken, in so grellem Widerspruche, daß man geneigt ist, die Erzählung einer solchen Unterredung für Fabel zu halten. In diesen veillées du chateau de Czetinje erzählen die Senatoren, die aus den geachtetsten und tapfersten des Volkes gewählt sind, abwechselnd ihre Kriegsthaten, und wer mit der auswärtigen Politik Montenegro's bekannt ist, wird es begreiflich finden, daß dabei fast nur von Raubzügen die Rede seyn kann. Mein Gewährsmann, der einer dieser Abendunterhaltungen am Herde beigewohnt hat und der illyrischen Sprache mächtig ist, hatte das Glück, die ausführliche Beschreibung eines Raubzuges in das Paschalik

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[0617/0009] Ein Besuch beim Vladika von Montenegro. **In wenig Tagen schon sollt' ich Albanien verlassen, und die Ausführung meines Vorsatzes, den Hofstaat des seltsamsten europäischen Herrschers kennen zu lernen, durfte nun nicht mehr verschoben werden. Trotz des heftigen Regens bestieg ich also gegen zehn Uhr Morgens meinen Mulo und schlug von Freund C.** begleitet, die Richtung (von einem Wege zu sprechen, wäre Mißbrauch des Worts) nach Miraz ein. Dieses montenegrinische Dorf, das wir nach einer und einer halben Stunde erreicht hatten, war bis zur Hochebene von Czetinje (dem Ziele unserer Excursion) der einzige bewohnte Flecken, dem wir begegneten, doch versicherte der Sbiro Martinovich, des Vladiken Postbote und unser Führer über die nackten Felsen, wir würden mehrere Dörfer sehen, wenn Regen und Nebel uns nicht daran hinderten. So wenig wir diese Entbehrung beklagten, so sehr bedauerten wir, der herrlichen Aussicht in die Bocche und in das große Thal der Xuppa theilweise beraubt zu seyn. Nicht ohne Anstrengung und Beschwerde übersteigt man die riesigen Felsenmassen, welche Montenegro als natürliche Schutzwehr umschließen, und selbst da, wo man sich der Maulthiere bedienen kann, darf man oft nicht rechts oder links schauen, wenn man dem Schwindel unterworfen ist. Man schätzt die Höhe des Monte Sella (Lovczin) auf 6000 Fuß über der Meeresfläche, doch scheint mir diese Angabe übertrieben; der Bergkamm, den wir überstiegen, dürfte zwischen 4000 und 5000 Fuß hoch seyn. Gegen Abend erreichten wir die Hochebene von Czetinje und das in derselben gelegene Dorf Baiza, welches gegen 200 Häuser zählt, und uns vom wackern Sbiro nicht ohne Stolz als sein Wohnsitz bezeichnet wurde. Der Einladung dieses Ehrenmannes, in sein Haus zu treten, mußten wir Folge leisten, da der Montenegriner das Ablehnen seiner gastlichen Vorschläge sehr übel zu nehmen pflegt, und die Beschreibung des Comforts, den wir in des montenegrinischen Postboten Hütte fanden, dürfte hier an ihrem Platze seyn. Links vom Eingange brannte am Boden ein stattliches Feuer, dessen Rauch dieselbe Pforte hinausging, durch welche wir eben eingetreten waren, und die Unnöthigkeit der Kamine und Rauchfänge beweisen zu wollen schien. Die Familie des Hausherrn, aus dessen Frau, zwei Söhnen und einer Schwiegertochter bestehend, war um das Feuer gruppirt und auch einer braunen Kuh ward ihr Antheil an der Wärme nicht vorenthalten. Ueber dem Feuer hing ein beruhigender Vorrath von Castrà (Hammelskeulen), welcher die obere Hälfte des Zimmers als Rauchkammer bezeichnete, während die der Thüre gegenüber liegende Wand, von türkischem Weizen halb bedeckt, sich als Fruchtkammer ankündigte. Mehrere Gewehre und zwei Säbel, deren einer früher einem Türken, der andere einem österreichischen Deserteur angehört hatte, machten die Wand neben der Thüre zur Waffenkammer, und da an der rechten Wand zwei Betten, in der Mitte des Gemaches aber eine Handmühle und ein Webstuhl angebracht waren, so sieht man wohl, daß es der Familie des ehrlichen Sbiro an nichts fehlte, was die irdischen Tage versüßen kann. Alle Glieder der Familie setzten sich in Bewegung, um uns zu bedienen; wir wurden mit Branntwein bewirthet, und die Gesundheit der Hausfrau, welche wir ausbrachten, ward sehr gut aufgenommen. So wenig der Montenegriner mit einem einzelnen Fremden, der sein Gebiet betritt, Umstände zu machen pflegt (gewöhnlich nimmt er ihm sein Geld ab und zieht ihn aus), so sicher ist der Reisende, der sich der Führung eines Montenegriners anvertraut hat, so heilig wird er gehalten, wenn er einmal als Gast in einer Hütte aufgenommen worden ist. Ein merkwürdiger Umstand, der nicht unerwähnt bleiben darf, ist der, daß die ganze Bevölkerung von Baiza den Namen Martinovich führt, und daß alle Bewohner dieses zweihundert Häuser zählenden Dorfes Blutsverwandte sind. Die Hochebene von Czetinje (etwa zwei Meilen lang und eine Viertelmeile breit) dürfte nebst der Hochebene von Njegusz die schönste und bevölkertste in Montenegro seyn. Sechs bis sieben Dörfer, am Bergrücken lehnend, scheinen dem Wanderer die Nähe der Residenz Czetinje verkünden zu wollen. Es war schon dunkel, als wir, von Regen und Kälte erstarrt, beim Kloster anlangten. Dennoch konnten wir unterscheiden, daß das Gebäude, welches uns aufnahm, ziemlich stattlich aussah; einige Diener, die sogleich mit Licht herbeieilten, uns von den Maulthieren zu helfen und unser kleines Gepäck in Empfang zu nehmen, schienen eine gute Aufnahme zu prognosticiren, ja die reinliche Küche, in die man uns fürs erste eintreten ließ, nachdem wir einen langen Gang durchschritten hatten, versetzte uns in jene Behaglichkeit, der sich jeder Reisende nach beschwerlichem Tagemarsch Abends in der Herberge so gern überläßt. Diese günstige Stimmung ward durch das stattliche Feuer, welches des Vladiken Leibkoch uns zu Ehren anschürte, nicht wenig genährt, und bald waren wir mit diesem Ehrenmann in traulichem Geschräche, während der Dampf, den die Wärme unsern gründlich durchnäßten Kleidern entlockte, uns in dichten Nebel hüllte. Signor Toni, wie wir später erfuhren, ein österreichischer Deserteur, verstand es, in der Küche des Beherrschers von Montenegro die Honneurs mit so viel Ungezwungenheit und Routine zu machen, daß man nicht lange brauchte, um sich ganz heimisch zu fühlen. Durch ihn wurden wir über den Umstand, ob Monsignore (der Vladika) das uns empfehlende Schreiben auch erhalten habe, beruhigt, und mit den Gebräuchen an diesem Hofe sehr bald bekannt gemacht. „Monsignore ist jetzt im Senate“ versicherte Signor Toni, mit einer kleinen Beimischung von Wichtigkeit, die jedoch in des Koches Munde, bei dessen sonstiger Liebenswürdigkeit, nicht unschmackhaft war: „Er kann jedoch nicht lange mehr säumen“ (hier blickte er nach der Uhr); „richtig, es ist schon die Stunde des Billardsaales.“ Nun ward uns vom montenegrinischen Vatel bekannt gegeben, daß Monsignore ein leidenschaftlicher Billardspieler sey, daß er jeden Abend, aus dem Senate rückgekehrt, einige Stunden diesem Vergnügen widme, um sich dann von 9 Uhr bis Mitternacht hier am Herde, den wir nun besetzt hielten, mit seinen Senatoren beim Tszay der Conversation oder dem Gesange zu überlassen. Die Gespräche, die an diesem Herde geführt werden, sind, wie ich später von einem Ohrenzeugen erfahren habe, sehr merkwürdig, und mit den Begriffen, die wir feinerer Gesittung verdanken, in so grellem Widerspruche, daß man geneigt ist, die Erzählung einer solchen Unterredung für Fabel zu halten. In diesen veillées du chateau de Czetinje erzählen die Senatoren, die aus den geachtetsten und tapfersten des Volkes gewählt sind, abwechselnd ihre Kriegsthaten, und wer mit der auswärtigen Politik Montenegro's bekannt ist, wird es begreiflich finden, daß dabei fast nur von Raubzügen die Rede seyn kann. Mein Gewährsmann, der einer dieser Abendunterhaltungen am Herde beigewohnt hat und der illyrischen Sprache mächtig ist, hatte das Glück, die ausführliche Beschreibung eines Raubzuges in das Paschalik

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 78. Augsburg, 18. März 1840, S. 0617. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_078_18400318/9>, abgerufen am 22.11.2024.