Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 78. Augsburg, 18. März 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

ob sie ihnen keine Manufacturwaaren dafür in Tausch zu geben hätten? Oder sollte es wohl nicht klüger seyn, wenn die Deutschen allererst suchten ihre Manufacturen zu heben, und wenn sie mit ihren Manufacturwaaren nach Neu-Orleans, Rio-Janeiro, Veracruz und nach der Havannah gingen, um dort zu fragen, ob man nicht Baumwolle, Zucker und Kaffee dafür auszutauschen habe? Lassen wir immerhin dem Morning Chronicle seine Unabhängigkeit von Amerika und Westindien, und suchen wir unsere Unabhängigkeit von England durch das zu begründen, was es verschmäht. Ohne Mühe und Arbeit wird es freilich nicht abgehen. Statt die Hände in den Schooß zu legen, werden wir uns ans Baumwollenspinnen machen müssen; denn um Manufacturwaaren nach jenen Ländern zu verkaufen, müssen wir ihnen Baumwolle abnehmen, und ihre Baumwolle können wir nicht brauchen, wenn wir nicht allererst Maschinen und Spinner besitzen, um sie zu verarbeiten. Der Lohn für diese Mühe und Arbeit kann aber nicht ausbleiben. Für die 70 Millionen Thaler, die jetzt Deutschland für englische Manufacturwaaren bezahlt, werden die Deutschen gegen 400 Millionen Pfund Baumwolle kaufen können, und wenn sie auch davon selbst 150 Millionen Pfund consumiren, so werden die Waaren, die sie aus den übrigen 250 Millionen Pfund Baumwolle verfertigen, und die übrigen deutschen Manufactur- und Kunstproducte zureichen, Deutschland eben so reichlich, als es jetzt England ist, mit den Producten der heißen Zone zu versehen. Der Wohlstand des Inlands, der Handel und die Rhederei der Seestädte wird sich dadurch verdoppeln und verdreifachen. Und dieß alles darum, weil Deutschland statt Baumwollenwaaren rohe Baumwolle importiren, weil es statt roher Wolle, Holz und Getreide Manufacturwaaren exportiren wird. Wenn man überdieß noch bedenkt, daß nordamerikanische Abenteurer jetzt eben im Begriff stehen, an der Stelle, wo bisher das fanatische, faule und obscure Mexico stand, ein Reich zu gründen, das an allen Colonialproducten Ueberfluß darbieten, und so lange es denselben gegen Manufacturwaaren vertauschen kann, nie dazu kommen wird, selbst zu fabriciren, daß Brasilien auf gutem Wege ist, seine Production mehr und mehr zu heben, daß nach und nach Ordnung und Gesetz in allen südamerikanischen Staaten Platz greifen und auf die Production dieser Länder einen günstigen Einfluß haben müssen, so kann man nicht zweifeln, daß den Deutschen im Lauf der nächsten zwanzig Jahre sich Märkte eröffnen werden, auf welchen England nicht mit ihnen wird concurriren können, weil derjenige, welcher Manufacturwaaren dorthin absetzen will, auch die Rohstoffe jener Länder in Tausch nehmen muß, weil England seine Colonialwaaren künftig vorzugsweise aus Australien, Ostindien und aus seinen westindischen Colonien importiren wird, und weil endlich England um so weniger Rohstoffe und Colonialwaaren bedarf, je mehr Deutschland in der Fabrication voranschreitet und diese Artikel aus der ersten Hand beziehen wird.

Wir haben oben bemerkt, Deutschland beziehe jährlich 70 Millionen Thaler an Importen aus England. Diese Angabe ist der Hamburger Börsenhalle-Liste vom 20 Februar entnommen, wo die Ausfuhr Deutschlands nach England nicht höher als zu 2,126,000 Thalern angegeben ist. Man traut kaum seinen Augen. Das Morning Chronicle vom 28 Februar gibt die Gesammtexporten von England nach Ostindien nicht höher als zu 2,445,000 Pfd. St. an, und thut sich mit dieser Summe noch recht breit. Demnach wäre Deutschland, wie es zur Zeit ist, für England ein vierfaches Ostindien. - - - -

Spanien.

Kaum waren in Folge des hier ausgebrochenen Tumultes die Truppen von Guadalaxara hierher gerufen, als auch die Carlisten von Beteta diesen Umstand benutzten, und am 28 mit 400 Reitern die Stadt Brihuega, zwei Meilen von Guadalaxara, ausplünderten, und das dortige Fort in Brand steckten. Auf diese Weise muß das unglückliche Landvolk für die Verirrungen der "Patrioten" büßen! Da sich die Carlisten der nach Saragossa führenden Landstraße genähert hatten, so war unsere Verbindung mit dort abermals vier Tage hindurch unterbrochen, und erst gestern Abend kam uns die amtliche Nachricht von der Einnahme Segura's zu. Die Depesche Espartero's ist in Maicas den 27 v. M. ausgestellt. Er berichtet, daß er den Platz mit fünf Batterien (Isabelle II, Königin Regentin, Constitution, Cortes und Victoria) beschloß, und die Besatzung, welche den Gouverneur und zwei andere Officiere ermordet hatte, zu capituliren verlangte. Er gestand jedoch nur Erhaltung des Lebens und des der Besatzung zugehörigen Gepäkes zu, und nahm darauf von dem Castell Besitz, wo er 6 Kanonen, 80,000 Patronen, 25 Centner Pulver und einen großen Vorrath von Lebensmitteln vorfand. Die gefangene carlistische Besatzung bestand aus 13 Officieren und 274 Soldaten. Cabrera's Truppen waren bei Cabra zusammengezogen, wagten aber nicht, Erspartero's Linien anzugreifen. Dieser hat also in vier Tagen einen Platz genommen, vor dem Vanhalen mit einer ganzen Armee schmählich abziehen mußte. Erspartero verkündigt seinen Truppen in einer Proclamation, er werde diesen Feldzug in Aragonien, Valencia und Catalonien eben so glücklich beendigen, wie den vorjährigen in den Nordprovinzen. In der gestrigen Sitzung des Congresses trug ein Deputirter der Majorität darauf an, dem Herzog de la Victoria eine Danksagung zu votiren, allein der Graf v. Toreno erinnerte daran, daß der Congreß noch nicht constituirt sey, und demnach bereits entschieden habe, keine Anträge zur Abstimmung zuzulassen. Die Danksagung unterblieb also. Die Regierung soll die Absicht haben, den Belagerungszustand von Madrid nicht eher aufzuheben, als bis der Congreß förmlich constituirt seyn und man die Gewißheit haben wird, daß die hiesigen Vorfälle in den Provinzen keine Nachahmung gefunden haben. Indessen empfinden die Bewohner der Hauptstadt jene Maaßregel auf keine drückende Weise. Tausende von Masken, zum Theil in förmlichen Aufzügen, zogen gestern, als am letzten Tage des Carnevals, ungestört durch die Straßen, ohne daß bei den zahlreichen Scherzen die geringste politische Anspielung zum Vorschein gekommen wäre. Mehr als 20 verschiedene Maskenbälle fanden statt, deren einer, in den prachtvollen Salons des Theaters del Oriente, von mehr als 5000 Personen besucht wurde. - Der Generalcapitän ließ der Redaction des Eco del Comercio anzeigen, daß er die aufrührerische Sprache dieses Blattes nicht länger dulden werde, und in der That stimmt es seit einigen Tagen seinen Ton etwas herunter, unterläßt jedoch nicht, sich über Unterdrückung zu beklagen. Aus einigen Provinzen sind bereits Adressen angelangt, um das größte Mißfallen über die hiesigen Excesse am 23 und 24 v. M. zu erkennen zu geben. - In Galicien hat der Generalcapitän einen Schlag ausgeführt, der an die Verweisung der Jesuiten aus Spanien erinnert. Da er erfuhr, daß man daran arbeitete, einen neuen Carlistischen Aufstand zu bewerkstelligen, so ließ er alle indultirten Carlisten seines Bezirks, 700 an der Zahl, in einer und derselben Stunde verhaften, um sie sämmtlich nach der Havana einschiffen zu lassen! Ein Theil derselben ist bereits dorthin abgegangen. - Wir erfahren,

ob sie ihnen keine Manufacturwaaren dafür in Tausch zu geben hätten? Oder sollte es wohl nicht klüger seyn, wenn die Deutschen allererst suchten ihre Manufacturen zu heben, und wenn sie mit ihren Manufacturwaaren nach Neu-Orleans, Rio-Janeiro, Veracruz und nach der Havannah gingen, um dort zu fragen, ob man nicht Baumwolle, Zucker und Kaffee dafür auszutauschen habe? Lassen wir immerhin dem Morning Chronicle seine Unabhängigkeit von Amerika und Westindien, und suchen wir unsere Unabhängigkeit von England durch das zu begründen, was es verschmäht. Ohne Mühe und Arbeit wird es freilich nicht abgehen. Statt die Hände in den Schooß zu legen, werden wir uns ans Baumwollenspinnen machen müssen; denn um Manufacturwaaren nach jenen Ländern zu verkaufen, müssen wir ihnen Baumwolle abnehmen, und ihre Baumwolle können wir nicht brauchen, wenn wir nicht allererst Maschinen und Spinner besitzen, um sie zu verarbeiten. Der Lohn für diese Mühe und Arbeit kann aber nicht ausbleiben. Für die 70 Millionen Thaler, die jetzt Deutschland für englische Manufacturwaaren bezahlt, werden die Deutschen gegen 400 Millionen Pfund Baumwolle kaufen können, und wenn sie auch davon selbst 150 Millionen Pfund consumiren, so werden die Waaren, die sie aus den übrigen 250 Millionen Pfund Baumwolle verfertigen, und die übrigen deutschen Manufactur- und Kunstproducte zureichen, Deutschland eben so reichlich, als es jetzt England ist, mit den Producten der heißen Zone zu versehen. Der Wohlstand des Inlands, der Handel und die Rhederei der Seestädte wird sich dadurch verdoppeln und verdreifachen. Und dieß alles darum, weil Deutschland statt Baumwollenwaaren rohe Baumwolle importiren, weil es statt roher Wolle, Holz und Getreide Manufacturwaaren exportiren wird. Wenn man überdieß noch bedenkt, daß nordamerikanische Abenteurer jetzt eben im Begriff stehen, an der Stelle, wo bisher das fanatische, faule und obscure Mexico stand, ein Reich zu gründen, das an allen Colonialproducten Ueberfluß darbieten, und so lange es denselben gegen Manufacturwaaren vertauschen kann, nie dazu kommen wird, selbst zu fabriciren, daß Brasilien auf gutem Wege ist, seine Production mehr und mehr zu heben, daß nach und nach Ordnung und Gesetz in allen südamerikanischen Staaten Platz greifen und auf die Production dieser Länder einen günstigen Einfluß haben müssen, so kann man nicht zweifeln, daß den Deutschen im Lauf der nächsten zwanzig Jahre sich Märkte eröffnen werden, auf welchen England nicht mit ihnen wird concurriren können, weil derjenige, welcher Manufacturwaaren dorthin absetzen will, auch die Rohstoffe jener Länder in Tausch nehmen muß, weil England seine Colonialwaaren künftig vorzugsweise aus Australien, Ostindien und aus seinen westindischen Colonien importiren wird, und weil endlich England um so weniger Rohstoffe und Colonialwaaren bedarf, je mehr Deutschland in der Fabrication voranschreitet und diese Artikel aus der ersten Hand beziehen wird.

Wir haben oben bemerkt, Deutschland beziehe jährlich 70 Millionen Thaler an Importen aus England. Diese Angabe ist der Hamburger Börsenhalle-Liste vom 20 Februar entnommen, wo die Ausfuhr Deutschlands nach England nicht höher als zu 2,126,000 Thalern angegeben ist. Man traut kaum seinen Augen. Das Morning Chronicle vom 28 Februar gibt die Gesammtexporten von England nach Ostindien nicht höher als zu 2,445,000 Pfd. St. an, und thut sich mit dieser Summe noch recht breit. Demnach wäre Deutschland, wie es zur Zeit ist, für England ein vierfaches Ostindien. – – – –

Spanien.

Kaum waren in Folge des hier ausgebrochenen Tumultes die Truppen von Guadalaxara hierher gerufen, als auch die Carlisten von Beteta diesen Umstand benutzten, und am 28 mit 400 Reitern die Stadt Brihuega, zwei Meilen von Guadalaxara, ausplünderten, und das dortige Fort in Brand steckten. Auf diese Weise muß das unglückliche Landvolk für die Verirrungen der „Patrioten“ büßen! Da sich die Carlisten der nach Saragossa führenden Landstraße genähert hatten, so war unsere Verbindung mit dort abermals vier Tage hindurch unterbrochen, und erst gestern Abend kam uns die amtliche Nachricht von der Einnahme Segura's zu. Die Depesche Espartero's ist in Maicas den 27 v. M. ausgestellt. Er berichtet, daß er den Platz mit fünf Batterien (Isabelle II, Königin Regentin, Constitution, Cortes und Victoria) beschloß, und die Besatzung, welche den Gouverneur und zwei andere Officiere ermordet hatte, zu capituliren verlangte. Er gestand jedoch nur Erhaltung des Lebens und des der Besatzung zugehörigen Gepäkes zu, und nahm darauf von dem Castell Besitz, wo er 6 Kanonen, 80,000 Patronen, 25 Centner Pulver und einen großen Vorrath von Lebensmitteln vorfand. Die gefangene carlistische Besatzung bestand aus 13 Officieren und 274 Soldaten. Cabrera's Truppen waren bei Cabra zusammengezogen, wagten aber nicht, Erspartero's Linien anzugreifen. Dieser hat also in vier Tagen einen Platz genommen, vor dem Vanhalen mit einer ganzen Armee schmählich abziehen mußte. Erspartero verkündigt seinen Truppen in einer Proclamation, er werde diesen Feldzug in Aragonien, Valencia und Catalonien eben so glücklich beendigen, wie den vorjährigen in den Nordprovinzen. In der gestrigen Sitzung des Congresses trug ein Deputirter der Majorität darauf an, dem Herzog de la Victoria eine Danksagung zu votiren, allein der Graf v. Toreno erinnerte daran, daß der Congreß noch nicht constituirt sey, und demnach bereits entschieden habe, keine Anträge zur Abstimmung zuzulassen. Die Danksagung unterblieb also. Die Regierung soll die Absicht haben, den Belagerungszustand von Madrid nicht eher aufzuheben, als bis der Congreß förmlich constituirt seyn und man die Gewißheit haben wird, daß die hiesigen Vorfälle in den Provinzen keine Nachahmung gefunden haben. Indessen empfinden die Bewohner der Hauptstadt jene Maaßregel auf keine drückende Weise. Tausende von Masken, zum Theil in förmlichen Aufzügen, zogen gestern, als am letzten Tage des Carnevals, ungestört durch die Straßen, ohne daß bei den zahlreichen Scherzen die geringste politische Anspielung zum Vorschein gekommen wäre. Mehr als 20 verschiedene Maskenbälle fanden statt, deren einer, in den prachtvollen Salons des Theaters del Oriente, von mehr als 5000 Personen besucht wurde. – Der Generalcapitän ließ der Redaction des Eco del Comercio anzeigen, daß er die aufrührerische Sprache dieses Blattes nicht länger dulden werde, und in der That stimmt es seit einigen Tagen seinen Ton etwas herunter, unterläßt jedoch nicht, sich über Unterdrückung zu beklagen. Aus einigen Provinzen sind bereits Adressen angelangt, um das größte Mißfallen über die hiesigen Excesse am 23 und 24 v. M. zu erkennen zu geben. – In Galicien hat der Generalcapitän einen Schlag ausgeführt, der an die Verweisung der Jesuiten aus Spanien erinnert. Da er erfuhr, daß man daran arbeitete, einen neuen Carlistischen Aufstand zu bewerkstelligen, so ließ er alle indultirten Carlisten seines Bezirks, 700 an der Zahl, in einer und derselben Stunde verhaften, um sie sämmtlich nach der Havana einschiffen zu lassen! Ein Theil derselben ist bereits dorthin abgegangen. – Wir erfahren,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0013" n="0621"/>
ob sie ihnen keine Manufacturwaaren dafür in Tausch zu geben hätten? Oder sollte es wohl nicht klüger seyn, wenn die Deutschen allererst suchten ihre Manufacturen zu heben, und wenn sie mit ihren Manufacturwaaren nach Neu-Orleans, Rio-Janeiro, Veracruz und nach der Havannah gingen, um dort zu fragen, ob man nicht Baumwolle, Zucker und Kaffee dafür auszutauschen habe? Lassen wir immerhin dem Morning Chronicle seine Unabhängigkeit von Amerika und Westindien, und suchen wir unsere Unabhängigkeit von England durch das zu begründen, was es verschmäht. Ohne Mühe und Arbeit wird es freilich nicht abgehen. Statt die Hände in den Schooß zu legen, werden wir uns ans Baumwollenspinnen machen müssen; denn um Manufacturwaaren nach jenen Ländern zu verkaufen, müssen wir ihnen Baumwolle abnehmen, und ihre Baumwolle können wir nicht brauchen, wenn wir nicht allererst Maschinen und Spinner besitzen, um sie zu verarbeiten. Der Lohn für diese Mühe und Arbeit kann aber nicht ausbleiben. Für die 70 Millionen Thaler, die jetzt Deutschland für englische Manufacturwaaren bezahlt, werden die Deutschen gegen 400 Millionen Pfund Baumwolle kaufen können, und wenn sie auch davon selbst 150 Millionen Pfund consumiren, so werden die Waaren, die sie aus den übrigen 250 Millionen Pfund Baumwolle verfertigen, und die übrigen deutschen Manufactur- und Kunstproducte zureichen, Deutschland eben so reichlich, als es jetzt England ist, mit den Producten der heißen Zone zu versehen. Der Wohlstand des Inlands, der Handel und die Rhederei der Seestädte wird sich dadurch verdoppeln und verdreifachen. Und dieß alles darum, weil Deutschland statt Baumwollenwaaren rohe Baumwolle importiren, weil es statt roher Wolle, Holz und Getreide Manufacturwaaren exportiren wird. Wenn man überdieß noch bedenkt, daß nordamerikanische Abenteurer jetzt eben im Begriff stehen, an der Stelle, wo bisher das fanatische, faule und obscure Mexico stand, ein Reich zu gründen, das an allen Colonialproducten Ueberfluß darbieten, und so lange es denselben gegen Manufacturwaaren vertauschen kann, nie dazu kommen wird, selbst zu fabriciren, daß Brasilien auf gutem Wege ist, seine Production mehr und mehr zu heben, daß nach und nach Ordnung und Gesetz in allen südamerikanischen Staaten Platz greifen und auf die Production dieser Länder einen günstigen Einfluß haben müssen, so kann man nicht zweifeln, daß den Deutschen im Lauf der nächsten zwanzig Jahre sich Märkte eröffnen werden, auf welchen England nicht mit ihnen wird concurriren können, weil derjenige, welcher Manufacturwaaren dorthin absetzen will, auch die Rohstoffe jener Länder in Tausch nehmen muß, weil England seine Colonialwaaren künftig vorzugsweise aus Australien, Ostindien und aus seinen westindischen Colonien importiren wird, und weil endlich England um so weniger Rohstoffe und Colonialwaaren bedarf, je mehr Deutschland in der Fabrication voranschreitet und diese Artikel aus der ersten Hand beziehen wird.</p><lb/>
          <p>Wir haben oben bemerkt, Deutschland beziehe jährlich 70 Millionen Thaler an Importen aus England. Diese Angabe ist der Hamburger Börsenhalle-Liste vom 20 Februar entnommen, wo die Ausfuhr Deutschlands nach England nicht höher als zu 2,126,000 Thalern angegeben ist. Man traut kaum seinen Augen. Das Morning Chronicle vom 28 Februar gibt die Gesammtexporten von England nach Ostindien nicht höher als zu 2,445,000 Pfd. St. an, und thut sich mit dieser Summe noch recht breit. Demnach wäre Deutschland, wie es zur Zeit ist, für England ein vierfaches Ostindien. &#x2013; &#x2013; &#x2013; &#x2013;</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Spanien.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Madrid,</hi> 4 März.</dateline>
          <p> Kaum waren in Folge des hier ausgebrochenen Tumultes die Truppen von Guadalaxara hierher gerufen, als auch die Carlisten von Beteta diesen Umstand benutzten, und am 28 mit 400 Reitern die Stadt Brihuega, zwei Meilen von Guadalaxara, ausplünderten, und das dortige Fort in Brand steckten. Auf diese Weise muß das unglückliche Landvolk für die Verirrungen der &#x201E;Patrioten&#x201C; büßen! Da sich die Carlisten der nach Saragossa führenden Landstraße genähert hatten, so war unsere Verbindung mit dort abermals vier Tage hindurch unterbrochen, und erst gestern Abend kam uns die amtliche Nachricht von der Einnahme Segura's zu. Die Depesche Espartero's ist in Maicas den 27 v. M. ausgestellt. Er berichtet, daß er den Platz mit fünf Batterien (Isabelle II, Königin Regentin, Constitution, Cortes und Victoria) beschloß, und die Besatzung, welche den Gouverneur und zwei andere Officiere ermordet hatte, zu capituliren verlangte. Er gestand jedoch nur Erhaltung des Lebens und des der Besatzung zugehörigen Gepäkes zu, und nahm darauf von dem Castell Besitz, wo er 6 Kanonen, 80,000 Patronen, 25 Centner Pulver und einen großen Vorrath von Lebensmitteln vorfand. Die gefangene carlistische Besatzung bestand aus 13 Officieren und 274 Soldaten. Cabrera's Truppen waren bei Cabra zusammengezogen, wagten aber nicht, Erspartero's Linien anzugreifen. Dieser hat also in vier Tagen einen Platz genommen, vor dem Vanhalen mit einer ganzen Armee schmählich abziehen mußte. Erspartero verkündigt seinen Truppen in einer Proclamation, er werde diesen Feldzug in Aragonien, Valencia und Catalonien eben so glücklich beendigen, wie den vorjährigen in den Nordprovinzen. In der gestrigen Sitzung des Congresses trug ein Deputirter der Majorität darauf an, dem Herzog de la Victoria eine Danksagung zu votiren, allein der Graf v. Toreno erinnerte daran, daß der Congreß noch nicht constituirt sey, und demnach bereits entschieden habe, keine Anträge zur Abstimmung zuzulassen. Die Danksagung unterblieb also. Die Regierung soll die Absicht haben, den Belagerungszustand von Madrid nicht eher aufzuheben, als bis der Congreß förmlich constituirt seyn und man die Gewißheit haben wird, daß die hiesigen Vorfälle in den Provinzen keine Nachahmung gefunden haben. Indessen empfinden die Bewohner der Hauptstadt jene Maaßregel auf keine drückende Weise. Tausende von Masken, zum Theil in förmlichen Aufzügen, zogen gestern, als am letzten Tage des Carnevals, ungestört durch die Straßen, ohne daß bei den zahlreichen Scherzen die geringste politische Anspielung zum Vorschein gekommen wäre. Mehr als 20 verschiedene Maskenbälle fanden statt, deren einer, in den prachtvollen Salons des Theaters del Oriente, von mehr als 5000 Personen besucht wurde. &#x2013; Der Generalcapitän ließ der Redaction des Eco del Comercio anzeigen, daß er die aufrührerische Sprache dieses Blattes nicht länger dulden werde, und in der That stimmt es seit einigen Tagen seinen Ton etwas herunter, unterläßt jedoch nicht, sich über Unterdrückung zu beklagen. Aus einigen Provinzen sind bereits Adressen angelangt, um das größte Mißfallen über die hiesigen Excesse am 23 und 24 v. M. zu erkennen zu geben. &#x2013; In Galicien hat der Generalcapitän einen Schlag ausgeführt, der an die Verweisung der Jesuiten aus Spanien erinnert. Da er erfuhr, daß man daran arbeitete, einen neuen Carlistischen Aufstand zu bewerkstelligen, so ließ er alle indultirten Carlisten seines Bezirks, 700 an der Zahl, in einer und derselben Stunde verhaften, um sie sämmtlich nach der Havana einschiffen zu lassen! Ein Theil derselben ist bereits dorthin abgegangen. &#x2013; Wir erfahren,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0621/0013] ob sie ihnen keine Manufacturwaaren dafür in Tausch zu geben hätten? Oder sollte es wohl nicht klüger seyn, wenn die Deutschen allererst suchten ihre Manufacturen zu heben, und wenn sie mit ihren Manufacturwaaren nach Neu-Orleans, Rio-Janeiro, Veracruz und nach der Havannah gingen, um dort zu fragen, ob man nicht Baumwolle, Zucker und Kaffee dafür auszutauschen habe? Lassen wir immerhin dem Morning Chronicle seine Unabhängigkeit von Amerika und Westindien, und suchen wir unsere Unabhängigkeit von England durch das zu begründen, was es verschmäht. Ohne Mühe und Arbeit wird es freilich nicht abgehen. Statt die Hände in den Schooß zu legen, werden wir uns ans Baumwollenspinnen machen müssen; denn um Manufacturwaaren nach jenen Ländern zu verkaufen, müssen wir ihnen Baumwolle abnehmen, und ihre Baumwolle können wir nicht brauchen, wenn wir nicht allererst Maschinen und Spinner besitzen, um sie zu verarbeiten. Der Lohn für diese Mühe und Arbeit kann aber nicht ausbleiben. Für die 70 Millionen Thaler, die jetzt Deutschland für englische Manufacturwaaren bezahlt, werden die Deutschen gegen 400 Millionen Pfund Baumwolle kaufen können, und wenn sie auch davon selbst 150 Millionen Pfund consumiren, so werden die Waaren, die sie aus den übrigen 250 Millionen Pfund Baumwolle verfertigen, und die übrigen deutschen Manufactur- und Kunstproducte zureichen, Deutschland eben so reichlich, als es jetzt England ist, mit den Producten der heißen Zone zu versehen. Der Wohlstand des Inlands, der Handel und die Rhederei der Seestädte wird sich dadurch verdoppeln und verdreifachen. Und dieß alles darum, weil Deutschland statt Baumwollenwaaren rohe Baumwolle importiren, weil es statt roher Wolle, Holz und Getreide Manufacturwaaren exportiren wird. Wenn man überdieß noch bedenkt, daß nordamerikanische Abenteurer jetzt eben im Begriff stehen, an der Stelle, wo bisher das fanatische, faule und obscure Mexico stand, ein Reich zu gründen, das an allen Colonialproducten Ueberfluß darbieten, und so lange es denselben gegen Manufacturwaaren vertauschen kann, nie dazu kommen wird, selbst zu fabriciren, daß Brasilien auf gutem Wege ist, seine Production mehr und mehr zu heben, daß nach und nach Ordnung und Gesetz in allen südamerikanischen Staaten Platz greifen und auf die Production dieser Länder einen günstigen Einfluß haben müssen, so kann man nicht zweifeln, daß den Deutschen im Lauf der nächsten zwanzig Jahre sich Märkte eröffnen werden, auf welchen England nicht mit ihnen wird concurriren können, weil derjenige, welcher Manufacturwaaren dorthin absetzen will, auch die Rohstoffe jener Länder in Tausch nehmen muß, weil England seine Colonialwaaren künftig vorzugsweise aus Australien, Ostindien und aus seinen westindischen Colonien importiren wird, und weil endlich England um so weniger Rohstoffe und Colonialwaaren bedarf, je mehr Deutschland in der Fabrication voranschreitet und diese Artikel aus der ersten Hand beziehen wird. Wir haben oben bemerkt, Deutschland beziehe jährlich 70 Millionen Thaler an Importen aus England. Diese Angabe ist der Hamburger Börsenhalle-Liste vom 20 Februar entnommen, wo die Ausfuhr Deutschlands nach England nicht höher als zu 2,126,000 Thalern angegeben ist. Man traut kaum seinen Augen. Das Morning Chronicle vom 28 Februar gibt die Gesammtexporten von England nach Ostindien nicht höher als zu 2,445,000 Pfd. St. an, und thut sich mit dieser Summe noch recht breit. Demnach wäre Deutschland, wie es zur Zeit ist, für England ein vierfaches Ostindien. – – – – Spanien. _ Madrid, 4 März. Kaum waren in Folge des hier ausgebrochenen Tumultes die Truppen von Guadalaxara hierher gerufen, als auch die Carlisten von Beteta diesen Umstand benutzten, und am 28 mit 400 Reitern die Stadt Brihuega, zwei Meilen von Guadalaxara, ausplünderten, und das dortige Fort in Brand steckten. Auf diese Weise muß das unglückliche Landvolk für die Verirrungen der „Patrioten“ büßen! Da sich die Carlisten der nach Saragossa führenden Landstraße genähert hatten, so war unsere Verbindung mit dort abermals vier Tage hindurch unterbrochen, und erst gestern Abend kam uns die amtliche Nachricht von der Einnahme Segura's zu. Die Depesche Espartero's ist in Maicas den 27 v. M. ausgestellt. Er berichtet, daß er den Platz mit fünf Batterien (Isabelle II, Königin Regentin, Constitution, Cortes und Victoria) beschloß, und die Besatzung, welche den Gouverneur und zwei andere Officiere ermordet hatte, zu capituliren verlangte. Er gestand jedoch nur Erhaltung des Lebens und des der Besatzung zugehörigen Gepäkes zu, und nahm darauf von dem Castell Besitz, wo er 6 Kanonen, 80,000 Patronen, 25 Centner Pulver und einen großen Vorrath von Lebensmitteln vorfand. Die gefangene carlistische Besatzung bestand aus 13 Officieren und 274 Soldaten. Cabrera's Truppen waren bei Cabra zusammengezogen, wagten aber nicht, Erspartero's Linien anzugreifen. Dieser hat also in vier Tagen einen Platz genommen, vor dem Vanhalen mit einer ganzen Armee schmählich abziehen mußte. Erspartero verkündigt seinen Truppen in einer Proclamation, er werde diesen Feldzug in Aragonien, Valencia und Catalonien eben so glücklich beendigen, wie den vorjährigen in den Nordprovinzen. In der gestrigen Sitzung des Congresses trug ein Deputirter der Majorität darauf an, dem Herzog de la Victoria eine Danksagung zu votiren, allein der Graf v. Toreno erinnerte daran, daß der Congreß noch nicht constituirt sey, und demnach bereits entschieden habe, keine Anträge zur Abstimmung zuzulassen. Die Danksagung unterblieb also. Die Regierung soll die Absicht haben, den Belagerungszustand von Madrid nicht eher aufzuheben, als bis der Congreß förmlich constituirt seyn und man die Gewißheit haben wird, daß die hiesigen Vorfälle in den Provinzen keine Nachahmung gefunden haben. Indessen empfinden die Bewohner der Hauptstadt jene Maaßregel auf keine drückende Weise. Tausende von Masken, zum Theil in förmlichen Aufzügen, zogen gestern, als am letzten Tage des Carnevals, ungestört durch die Straßen, ohne daß bei den zahlreichen Scherzen die geringste politische Anspielung zum Vorschein gekommen wäre. Mehr als 20 verschiedene Maskenbälle fanden statt, deren einer, in den prachtvollen Salons des Theaters del Oriente, von mehr als 5000 Personen besucht wurde. – Der Generalcapitän ließ der Redaction des Eco del Comercio anzeigen, daß er die aufrührerische Sprache dieses Blattes nicht länger dulden werde, und in der That stimmt es seit einigen Tagen seinen Ton etwas herunter, unterläßt jedoch nicht, sich über Unterdrückung zu beklagen. Aus einigen Provinzen sind bereits Adressen angelangt, um das größte Mißfallen über die hiesigen Excesse am 23 und 24 v. M. zu erkennen zu geben. – In Galicien hat der Generalcapitän einen Schlag ausgeführt, der an die Verweisung der Jesuiten aus Spanien erinnert. Da er erfuhr, daß man daran arbeitete, einen neuen Carlistischen Aufstand zu bewerkstelligen, so ließ er alle indultirten Carlisten seines Bezirks, 700 an der Zahl, in einer und derselben Stunde verhaften, um sie sämmtlich nach der Havana einschiffen zu lassen! Ein Theil derselben ist bereits dorthin abgegangen. – Wir erfahren,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_078_18400318
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_078_18400318/13
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 78. Augsburg, 18. März 1840, S. 0621. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_078_18400318/13>, abgerufen am 24.11.2024.