Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 75. Augsburg, 15. März 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Aufhebung des Patronats verlangende Classe sey hinsichtlich der Wahl der Geistlichen nicht für allgemeines Stimmrecht, sondern für Beschränkung desselben auf die Familienhäupter, die in voller Kirchengemeinschaft stehen. Es sey dieß aber eine willkürliche Beschränkung; er sehe keinen Grund ein, warum nicht alle Communicanten zur Wahl zugelassen werden sollen. Hierbei glaubte der edle Graf noch bemerken zu müssen, daß in Schottland über die Ertheilung des heil. Abendmahls andere Grundsätze herrschen als in England: in Schottland werde nicht Jeder ohne Unterschied zum Abendmahl zugelassen, sondern bloß diejenigen, die als der Theilnahme würdig erkannt werden, was mittelst einer Prüfung durch den Geistlichen und die Aeltesten ausgemittelt werde. Schließlich forderte Lord Aberdeen die Regierung auf bei Entwerfung einer Bill über diesen Gegenstand möglichst überlegt und vorsichtig zu Werke zu gehen.

Frankreich.

Die Pairskammer fuhr am 7 März in Erörterung des Entwurfs, die Arbeiten der Kinder in den Fabriken betreffend, fort. Die Commission hatte vorgeschlagen, daß die Kinder, bevor sie in den Werkstätten zugelassen werden könnten, wenigstens zwei Jahre lang die Elementarschulen besucht haben müßten. Man wollte dadurch die Nachlässigkeit und Sorglosigkeit armer Familien anspornen, ihre Kinder in die Schule zu schicken, und andrerseits dadurch geschicktere, über ihre Pflichten besser belehrte, gegen schlechtes Beispiel in den Fabriken besser bewahrte Arbeiter bilden. Hr. Cousin entgegnete, daß dieser Antrag eine in der Theorie noch unentschiedene und sehr bestrittene Frage, nämlich die des Zwangsystems im Unterricht, durchhaue. Hr. Villemain antwortete ihm, daß das Zwangssystem bei dieser Frage gar nicht in Betracht komme. Es handle sich nur davon, den Elementarunterricht zu einer Verpflichtung in Bezug auf junge Arbeiter zu machen, nicht aber einen absoluten Zwang aufzulegen; man wolle nur von den jungen Arbeitern eine Garantie der Intelligenz und der Moralität fordern, wie man von einem Professor, von einem Advocaten ein Diplom fordere, bevor man ihn auf dem Lehrstuhl oder in dem Barreau zulasse. Die HH. Portalis und Mounier brachten nun den ernstern und praktischern Einwurf vor, daß die Kinder die Opfer der vorgeschlagenen Maaßregel werden würden, da es armen Eltern nicht immer leicht, und manchmal sogar unmöglich werden würde, sich dieser Vorschrift zu fügen. Diese Erwägungen vermochten die Kammer, trotz aller dagegen angewandten Bemühungen des Hrn. Karl Dupin, den Antrag, dessen Discussion die ganze Sitzung über gedauert hatte, zu verwerfen.

[irrelevantes Material] Die Pairskammer kam am 10 März mit der Erörterung des Entwurfs, die Arbeiten der Kinder in den Fabriken betreffend, zu Ende, und nahm ihn mit 91 weißen gegen 35 schwarze Kugeln an. (Wir werden darauf zurückkommen.) Hierauf ward eine Reihe von Entwürfen zu neuer Gränzbestimmung mehrerer Wahlbezirke kurz verhandelt und angenommen. Sodann ging die Kammer zur Erörterung des Entwurfs zu einer Pension für die Wittwe des Obristen Combes über. Hr. Boissy spricht gegen die Annahme, weil dadurch ein gefährlicher und dem Schatz schädlicher Vorgang gegeben und allen Forderungen von Wittwen von im Dienst umgekommenen Officieren die Thüre geöffnet würde. Er erklärt sich gegen jede Ausnahmsbelohnung und meint, die bestehenden Gesetze, welche die Nationalbelohnungen festsetzen, seyen hinreichend, und man brauche kein neues zu machen. Hr. v. Dreux-Breze ist ganz entgegengesetzter Ansicht, und glaubt, die Kammer werde den betreffenden Entwurf einstimmig annehmen. Bei diesem Anlaß zollte er auch den Tapfern von Masagran einen gerechten Tribut. Marschall Soult widersprach mit besonderer Wärme den Aeußerungen des Hrn. Boissy, die er als beleidigend für die französische Armee ansieht. (Einstimmige Bravos.) Der Marschall sprach noch bei Abgang der Post.

[irrelevantes Material] Im Conferenzsaale der Deputirtenkammer waren am 10 März nur wenige Deputirte zu sehen. Ein Theil der Deputirten war bei dem Conseilpräsidenten, der an diesem Tage zum erstenmal im Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten empfing. Am 11 März werden sich um 1 Uhr die Bureaux versammeln, und um 2 Uhr wird öffentliche Sitzung seyn, worin der Minister den Gesetzesentwurf der geheimen Fonds vorlegen wird.

(Constitutionnel.) Wir haben vor einigen Tagen gesagt, daß Graf Mole durch sein kluges und gemäßigtes Benehmen die Theilnahme desavouire, die man ihm bei den Umtrieben zuzuschreiben schien, welche den Zweck hatten, uns nach acht Tagen wieder in eine ministerielle Krise zu werfen, der dann bald eine fünfte folgen dürfte. Wir schmeichelten uns, gut unterrichtet zu seyn. Es war uns angenehm, einem Staatsmann, dessen Politik wir getadelt, dessen Gesinnungen wir aber niemals angegriffen hatten, eine ehrenvolle Stellung zuzuschreiben. Inzwischen widersprechen die Presse und das Journal des Debats in deren Gefolge dem weisen Benehmen, das wir bei Hrn. v. Mole vorausgesetzt hatten. Diese beiden gemäßigten und conservativen Journale sehen in den wenigen von uns bekannt gemachten Zeilen ein abscheuliches Manöuvre. Sie wollen uns beinahe eine Zurücknahme auflegen. Was haben wir denn aber gesagt? Daß Hr. v. Mole sich nicht von einer Coterie ins Schleppthau nehmen, und nicht an die Spitze einer Intrigue stellen lasse. Wir glauben noch immer, daß wenn Hr. v. Mole von Jemand verleumdet worden, dieß sicher nicht von dem Constitutionnel geschehen ist.

(Siecle.) In gefährlichen Lagen zeigt sich die wahre Größe, wenn man sich nicht von ihnen niederdrücken läßt. Das neue Cabinet wird nach der Richtung, die es einschlagen wird, nach dem offenen oder zweideutigen Charakter seiner Handlungen ein Recht erlangen auf die öffentliche Erkenntlichkeit, oder in ungeheuern Mißcredit gerathen. Die Gefahr, die es zu fürchten hat, besteht darin, wenn es, wie das letzte Ministerium, von Mitleid und Duldsamkeit leben muß, wenn es seinen Ursprung verläugnet, wenn es seinen Zweck nicht auszusprechen oder keinen Zweck zu haben wagt, wenn es durch seine ungewisse Stellung seine Freunde glauben läßt, es fehle ihm an Redlichkeit, und seine Feinde, es fürchte sie. Die in der Kammer gegebene Erklärung des Hrn. Ministerpräsidenten und der Entschluß, den er gefaßt hat, nächstens ein entschiedenes Votum und vollständige Erklärungen von Seite der Kammer u veranlassen, beweisen, daß er die Schwierigkeiten, die ferner warten, einsieht, daß er aber auch ein Gefühl von der Kraft und dem guten Rechte hat, mit deren Hülfe er sie überwinden wird. Diese Zuversicht gefällt uns. Wir wünschen, sie möge nicht verschwinden, und das Ministerium möge, welche Richtung es auch annehmen mag, dieselbe ohne Bedenken eingestehen und mit Festigkeit verfolgen.

(National.) Die Sprache der dynastischen Presse hatte uns von Seite derer, die sich ihrer, in Ermangelung der Tribune bedienen, auf traurige Zugeständnisse vorbereitet. Gewiß, man kann sich nichts Erbaulicheres vorstellen, als die so verschiedenen Parteien gepredigte Verschwörung, zu Gunsten eines so verdächtigen Ehrgeizes, wie der des Mannes vom 13 März,

Aufhebung des Patronats verlangende Classe sey hinsichtlich der Wahl der Geistlichen nicht für allgemeines Stimmrecht, sondern für Beschränkung desselben auf die Familienhäupter, die in voller Kirchengemeinschaft stehen. Es sey dieß aber eine willkürliche Beschränkung; er sehe keinen Grund ein, warum nicht alle Communicanten zur Wahl zugelassen werden sollen. Hierbei glaubte der edle Graf noch bemerken zu müssen, daß in Schottland über die Ertheilung des heil. Abendmahls andere Grundsätze herrschen als in England: in Schottland werde nicht Jeder ohne Unterschied zum Abendmahl zugelassen, sondern bloß diejenigen, die als der Theilnahme würdig erkannt werden, was mittelst einer Prüfung durch den Geistlichen und die Aeltesten ausgemittelt werde. Schließlich forderte Lord Aberdeen die Regierung auf bei Entwerfung einer Bill über diesen Gegenstand möglichst überlegt und vorsichtig zu Werke zu gehen.

Frankreich.

Die Pairskammer fuhr am 7 März in Erörterung des Entwurfs, die Arbeiten der Kinder in den Fabriken betreffend, fort. Die Commission hatte vorgeschlagen, daß die Kinder, bevor sie in den Werkstätten zugelassen werden könnten, wenigstens zwei Jahre lang die Elementarschulen besucht haben müßten. Man wollte dadurch die Nachlässigkeit und Sorglosigkeit armer Familien anspornen, ihre Kinder in die Schule zu schicken, und andrerseits dadurch geschicktere, über ihre Pflichten besser belehrte, gegen schlechtes Beispiel in den Fabriken besser bewahrte Arbeiter bilden. Hr. Cousin entgegnete, daß dieser Antrag eine in der Theorie noch unentschiedene und sehr bestrittene Frage, nämlich die des Zwangsystems im Unterricht, durchhaue. Hr. Villemain antwortete ihm, daß das Zwangssystem bei dieser Frage gar nicht in Betracht komme. Es handle sich nur davon, den Elementarunterricht zu einer Verpflichtung in Bezug auf junge Arbeiter zu machen, nicht aber einen absoluten Zwang aufzulegen; man wolle nur von den jungen Arbeitern eine Garantie der Intelligenz und der Moralität fordern, wie man von einem Professor, von einem Advocaten ein Diplom fordere, bevor man ihn auf dem Lehrstuhl oder in dem Barreau zulasse. Die HH. Portalis und Mounier brachten nun den ernstern und praktischern Einwurf vor, daß die Kinder die Opfer der vorgeschlagenen Maaßregel werden würden, da es armen Eltern nicht immer leicht, und manchmal sogar unmöglich werden würde, sich dieser Vorschrift zu fügen. Diese Erwägungen vermochten die Kammer, trotz aller dagegen angewandten Bemühungen des Hrn. Karl Dupin, den Antrag, dessen Discussion die ganze Sitzung über gedauert hatte, zu verwerfen.

[irrelevantes Material] Die Pairskammer kam am 10 März mit der Erörterung des Entwurfs, die Arbeiten der Kinder in den Fabriken betreffend, zu Ende, und nahm ihn mit 91 weißen gegen 35 schwarze Kugeln an. (Wir werden darauf zurückkommen.) Hierauf ward eine Reihe von Entwürfen zu neuer Gränzbestimmung mehrerer Wahlbezirke kurz verhandelt und angenommen. Sodann ging die Kammer zur Erörterung des Entwurfs zu einer Pension für die Wittwe des Obristen Combes über. Hr. Boissy spricht gegen die Annahme, weil dadurch ein gefährlicher und dem Schatz schädlicher Vorgang gegeben und allen Forderungen von Wittwen von im Dienst umgekommenen Officieren die Thüre geöffnet würde. Er erklärt sich gegen jede Ausnahmsbelohnung und meint, die bestehenden Gesetze, welche die Nationalbelohnungen festsetzen, seyen hinreichend, und man brauche kein neues zu machen. Hr. v. Dreux-Brézé ist ganz entgegengesetzter Ansicht, und glaubt, die Kammer werde den betreffenden Entwurf einstimmig annehmen. Bei diesem Anlaß zollte er auch den Tapfern von Masagran einen gerechten Tribut. Marschall Soult widersprach mit besonderer Wärme den Aeußerungen des Hrn. Boissy, die er als beleidigend für die französische Armee ansieht. (Einstimmige Bravos.) Der Marschall sprach noch bei Abgang der Post.

[irrelevantes Material] Im Conferenzsaale der Deputirtenkammer waren am 10 März nur wenige Deputirte zu sehen. Ein Theil der Deputirten war bei dem Conseilpräsidenten, der an diesem Tage zum erstenmal im Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten empfing. Am 11 März werden sich um 1 Uhr die Bureaux versammeln, und um 2 Uhr wird öffentliche Sitzung seyn, worin der Minister den Gesetzesentwurf der geheimen Fonds vorlegen wird.

(Constitutionnel.) Wir haben vor einigen Tagen gesagt, daß Graf Molé durch sein kluges und gemäßigtes Benehmen die Theilnahme desavouire, die man ihm bei den Umtrieben zuzuschreiben schien, welche den Zweck hatten, uns nach acht Tagen wieder in eine ministerielle Krise zu werfen, der dann bald eine fünfte folgen dürfte. Wir schmeichelten uns, gut unterrichtet zu seyn. Es war uns angenehm, einem Staatsmann, dessen Politik wir getadelt, dessen Gesinnungen wir aber niemals angegriffen hatten, eine ehrenvolle Stellung zuzuschreiben. Inzwischen widersprechen die Presse und das Journal des Débats in deren Gefolge dem weisen Benehmen, das wir bei Hrn. v. Molé vorausgesetzt hatten. Diese beiden gemäßigten und conservativen Journale sehen in den wenigen von uns bekannt gemachten Zeilen ein abscheuliches Manöuvre. Sie wollen uns beinahe eine Zurücknahme auflegen. Was haben wir denn aber gesagt? Daß Hr. v. Molé sich nicht von einer Coterie ins Schleppthau nehmen, und nicht an die Spitze einer Intrigue stellen lasse. Wir glauben noch immer, daß wenn Hr. v. Molé von Jemand verleumdet worden, dieß sicher nicht von dem Constitutionnel geschehen ist.

(Siècle.) In gefährlichen Lagen zeigt sich die wahre Größe, wenn man sich nicht von ihnen niederdrücken läßt. Das neue Cabinet wird nach der Richtung, die es einschlagen wird, nach dem offenen oder zweideutigen Charakter seiner Handlungen ein Recht erlangen auf die öffentliche Erkenntlichkeit, oder in ungeheuern Mißcredit gerathen. Die Gefahr, die es zu fürchten hat, besteht darin, wenn es, wie das letzte Ministerium, von Mitleid und Duldsamkeit leben muß, wenn es seinen Ursprung verläugnet, wenn es seinen Zweck nicht auszusprechen oder keinen Zweck zu haben wagt, wenn es durch seine ungewisse Stellung seine Freunde glauben läßt, es fehle ihm an Redlichkeit, und seine Feinde, es fürchte sie. Die in der Kammer gegebene Erklärung des Hrn. Ministerpräsidenten und der Entschluß, den er gefaßt hat, nächstens ein entschiedenes Votum und vollständige Erklärungen von Seite der Kammer u veranlassen, beweisen, daß er die Schwierigkeiten, die ferner warten, einsieht, daß er aber auch ein Gefühl von der Kraft und dem guten Rechte hat, mit deren Hülfe er sie überwinden wird. Diese Zuversicht gefällt uns. Wir wünschen, sie möge nicht verschwinden, und das Ministerium möge, welche Richtung es auch annehmen mag, dieselbe ohne Bedenken eingestehen und mit Festigkeit verfolgen.

(National.) Die Sprache der dynastischen Presse hatte uns von Seite derer, die sich ihrer, in Ermangelung der Tribune bedienen, auf traurige Zugeständnisse vorbereitet. Gewiß, man kann sich nichts Erbaulicheres vorstellen, als die so verschiedenen Parteien gepredigte Verschwörung, zu Gunsten eines so verdächtigen Ehrgeizes, wie der des Mannes vom 13 März,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0002" n="0594"/>
Aufhebung des Patronats verlangende Classe sey hinsichtlich der Wahl der Geistlichen nicht für allgemeines Stimmrecht, sondern für Beschränkung desselben auf die Familienhäupter, die in voller Kirchengemeinschaft stehen. Es sey dieß aber eine willkürliche Beschränkung; er sehe keinen Grund ein, warum nicht alle Communicanten zur Wahl zugelassen werden sollen. Hierbei glaubte der edle Graf noch bemerken zu müssen, daß in Schottland über die Ertheilung des heil. Abendmahls andere Grundsätze herrschen als in England: in Schottland werde nicht Jeder ohne Unterschied zum Abendmahl zugelassen, sondern bloß diejenigen, die als der Theilnahme würdig erkannt werden, was mittelst einer Prüfung durch den Geistlichen und die Aeltesten ausgemittelt werde. Schließlich forderte Lord Aberdeen die Regierung auf bei Entwerfung einer Bill über diesen Gegenstand möglichst überlegt und vorsichtig zu Werke zu gehen.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Frankreich.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 10 März.</dateline>
          <p/><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#g">Pairskammer</hi> fuhr am 7 März in Erörterung des Entwurfs, die Arbeiten der Kinder in den Fabriken betreffend, fort. Die Commission hatte vorgeschlagen, daß die Kinder, bevor sie in den Werkstätten zugelassen werden könnten, wenigstens zwei Jahre lang die Elementarschulen besucht haben müßten. Man wollte dadurch die Nachlässigkeit und Sorglosigkeit armer Familien anspornen, ihre Kinder in die Schule zu schicken, und andrerseits dadurch geschicktere, über ihre Pflichten besser belehrte, gegen schlechtes Beispiel in den Fabriken besser bewahrte Arbeiter bilden. Hr. Cousin entgegnete, daß dieser Antrag eine in der Theorie noch unentschiedene und sehr bestrittene Frage, nämlich die des Zwangsystems im Unterricht, durchhaue. Hr. Villemain antwortete ihm, daß das Zwangssystem bei dieser Frage gar nicht in Betracht komme. Es handle sich nur davon, den Elementarunterricht zu einer Verpflichtung in Bezug auf junge Arbeiter zu machen, nicht aber einen absoluten Zwang aufzulegen; man wolle nur von den jungen Arbeitern eine Garantie der Intelligenz und der Moralität fordern, wie man von einem Professor, von einem Advocaten ein Diplom fordere, bevor man ihn auf dem Lehrstuhl oder in dem Barreau zulasse. Die HH. Portalis und Mounier brachten nun den ernstern und praktischern Einwurf vor, daß die Kinder die Opfer der vorgeschlagenen Maaßregel werden würden, da es armen Eltern nicht immer leicht, und manchmal sogar unmöglich werden würde, sich dieser Vorschrift zu fügen. Diese Erwägungen vermochten die Kammer, trotz aller dagegen angewandten Bemühungen des Hrn. Karl Dupin, den Antrag, dessen Discussion die ganze Sitzung über gedauert hatte, zu verwerfen.</p><lb/>
          <p><bibl><gap reason="insignificant"/></bibl> Die <hi rendition="#g">Pairskammer</hi> kam am 10 März mit der Erörterung des Entwurfs, die Arbeiten der Kinder in den Fabriken betreffend, zu Ende, und nahm ihn mit 91 weißen gegen 35 schwarze Kugeln an. (Wir werden darauf zurückkommen.) Hierauf ward eine Reihe von Entwürfen zu neuer Gränzbestimmung mehrerer Wahlbezirke kurz verhandelt und angenommen. Sodann ging die Kammer zur Erörterung des Entwurfs zu einer Pension für die Wittwe des Obristen Combes über. Hr. Boissy spricht gegen die Annahme, weil dadurch ein gefährlicher und dem Schatz schädlicher Vorgang gegeben und allen Forderungen von Wittwen von im Dienst umgekommenen Officieren die Thüre geöffnet würde. Er erklärt sich gegen jede Ausnahmsbelohnung und meint, die bestehenden Gesetze, welche die Nationalbelohnungen festsetzen, seyen hinreichend, und man brauche kein neues zu machen. Hr. v. Dreux-Brézé ist ganz entgegengesetzter Ansicht, und glaubt, die Kammer werde den betreffenden Entwurf einstimmig annehmen. Bei diesem Anlaß zollte er auch den Tapfern von Masagran einen gerechten Tribut. Marschall Soult widersprach mit besonderer Wärme den Aeußerungen des Hrn. Boissy, die er als beleidigend für die französische Armee ansieht. (Einstimmige Bravos.) Der Marschall sprach noch bei Abgang der Post.</p><lb/>
          <p><bibl><gap reason="insignificant"/></bibl> Im Conferenzsaale der <hi rendition="#g">Deputirtenkammer</hi> waren am 10 März nur wenige Deputirte zu sehen. Ein Theil der Deputirten war bei dem Conseilpräsidenten, der an diesem Tage zum erstenmal im Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten empfing. Am 11 März werden sich um 1 Uhr die Bureaux versammeln, und um 2 Uhr wird öffentliche Sitzung seyn, worin der Minister den Gesetzesentwurf der geheimen Fonds vorlegen wird.</p><lb/>
          <p>(<hi rendition="#g">Constitutionnel</hi>.) Wir haben vor einigen Tagen gesagt, daß Graf Molé durch sein kluges und gemäßigtes Benehmen die Theilnahme desavouire, die man ihm bei den Umtrieben zuzuschreiben schien, welche den Zweck hatten, uns nach acht Tagen wieder in eine ministerielle Krise zu werfen, der dann bald eine fünfte folgen dürfte. Wir schmeichelten uns, gut unterrichtet zu seyn. Es war uns angenehm, einem Staatsmann, dessen Politik wir getadelt, dessen Gesinnungen wir aber niemals angegriffen hatten, eine ehrenvolle Stellung zuzuschreiben. Inzwischen widersprechen die <hi rendition="#g">Presse</hi> und das <hi rendition="#g">Journal des Débats</hi> in deren Gefolge dem weisen Benehmen, das wir bei Hrn. v. Molé vorausgesetzt hatten. Diese beiden <hi rendition="#g">gemäßigten</hi> und <hi rendition="#g">conservativen</hi> Journale sehen in den wenigen von uns bekannt gemachten Zeilen ein abscheuliches Manöuvre. Sie wollen uns beinahe eine Zurücknahme auflegen. Was haben wir denn aber gesagt? Daß Hr. v. Molé sich nicht von einer Coterie ins Schleppthau nehmen, und nicht an die Spitze einer Intrigue stellen lasse. Wir glauben noch immer, daß wenn Hr. v. Molé von Jemand verleumdet worden, dieß sicher nicht von dem <hi rendition="#g">Constitutionnel</hi> geschehen ist.</p><lb/>
          <p>(<hi rendition="#g">Siècle</hi>.) In gefährlichen Lagen zeigt sich die wahre Größe, wenn man sich nicht von ihnen niederdrücken läßt. Das neue Cabinet wird nach der Richtung, die es einschlagen wird, nach dem offenen oder zweideutigen Charakter seiner Handlungen ein Recht erlangen auf die öffentliche Erkenntlichkeit, oder in ungeheuern Mißcredit gerathen. Die Gefahr, die es zu fürchten hat, besteht darin, wenn es, wie das letzte Ministerium, von Mitleid und Duldsamkeit leben muß, wenn es seinen Ursprung verläugnet, wenn es seinen Zweck nicht auszusprechen oder keinen Zweck zu haben wagt, wenn es durch seine ungewisse Stellung seine Freunde glauben läßt, es fehle ihm an Redlichkeit, und seine Feinde, es fürchte sie. Die in der Kammer gegebene Erklärung des Hrn. Ministerpräsidenten und der Entschluß, den er gefaßt hat, nächstens ein entschiedenes Votum und vollständige Erklärungen von Seite der Kammer u veranlassen, beweisen, daß er die Schwierigkeiten, die ferner warten, einsieht, daß er aber auch ein Gefühl von der Kraft und dem guten Rechte hat, mit deren Hülfe er sie überwinden wird. Diese Zuversicht gefällt uns. Wir wünschen, sie möge nicht verschwinden, und das Ministerium möge, welche Richtung es auch annehmen mag, dieselbe ohne Bedenken eingestehen und mit Festigkeit verfolgen.</p><lb/>
          <p>(<hi rendition="#g">National</hi>.) Die Sprache der dynastischen Presse hatte uns von Seite derer, die sich ihrer, in Ermangelung der Tribune bedienen, auf traurige Zugeständnisse vorbereitet. Gewiß, man kann sich nichts Erbaulicheres vorstellen, als die so verschiedenen Parteien gepredigte Verschwörung, zu Gunsten eines so verdächtigen Ehrgeizes, wie der des Mannes vom 13 März,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0594/0002] Aufhebung des Patronats verlangende Classe sey hinsichtlich der Wahl der Geistlichen nicht für allgemeines Stimmrecht, sondern für Beschränkung desselben auf die Familienhäupter, die in voller Kirchengemeinschaft stehen. Es sey dieß aber eine willkürliche Beschränkung; er sehe keinen Grund ein, warum nicht alle Communicanten zur Wahl zugelassen werden sollen. Hierbei glaubte der edle Graf noch bemerken zu müssen, daß in Schottland über die Ertheilung des heil. Abendmahls andere Grundsätze herrschen als in England: in Schottland werde nicht Jeder ohne Unterschied zum Abendmahl zugelassen, sondern bloß diejenigen, die als der Theilnahme würdig erkannt werden, was mittelst einer Prüfung durch den Geistlichen und die Aeltesten ausgemittelt werde. Schließlich forderte Lord Aberdeen die Regierung auf bei Entwerfung einer Bill über diesen Gegenstand möglichst überlegt und vorsichtig zu Werke zu gehen. Frankreich. _ Paris, 10 März. Die Pairskammer fuhr am 7 März in Erörterung des Entwurfs, die Arbeiten der Kinder in den Fabriken betreffend, fort. Die Commission hatte vorgeschlagen, daß die Kinder, bevor sie in den Werkstätten zugelassen werden könnten, wenigstens zwei Jahre lang die Elementarschulen besucht haben müßten. Man wollte dadurch die Nachlässigkeit und Sorglosigkeit armer Familien anspornen, ihre Kinder in die Schule zu schicken, und andrerseits dadurch geschicktere, über ihre Pflichten besser belehrte, gegen schlechtes Beispiel in den Fabriken besser bewahrte Arbeiter bilden. Hr. Cousin entgegnete, daß dieser Antrag eine in der Theorie noch unentschiedene und sehr bestrittene Frage, nämlich die des Zwangsystems im Unterricht, durchhaue. Hr. Villemain antwortete ihm, daß das Zwangssystem bei dieser Frage gar nicht in Betracht komme. Es handle sich nur davon, den Elementarunterricht zu einer Verpflichtung in Bezug auf junge Arbeiter zu machen, nicht aber einen absoluten Zwang aufzulegen; man wolle nur von den jungen Arbeitern eine Garantie der Intelligenz und der Moralität fordern, wie man von einem Professor, von einem Advocaten ein Diplom fordere, bevor man ihn auf dem Lehrstuhl oder in dem Barreau zulasse. Die HH. Portalis und Mounier brachten nun den ernstern und praktischern Einwurf vor, daß die Kinder die Opfer der vorgeschlagenen Maaßregel werden würden, da es armen Eltern nicht immer leicht, und manchmal sogar unmöglich werden würde, sich dieser Vorschrift zu fügen. Diese Erwägungen vermochten die Kammer, trotz aller dagegen angewandten Bemühungen des Hrn. Karl Dupin, den Antrag, dessen Discussion die ganze Sitzung über gedauert hatte, zu verwerfen. _ Die Pairskammer kam am 10 März mit der Erörterung des Entwurfs, die Arbeiten der Kinder in den Fabriken betreffend, zu Ende, und nahm ihn mit 91 weißen gegen 35 schwarze Kugeln an. (Wir werden darauf zurückkommen.) Hierauf ward eine Reihe von Entwürfen zu neuer Gränzbestimmung mehrerer Wahlbezirke kurz verhandelt und angenommen. Sodann ging die Kammer zur Erörterung des Entwurfs zu einer Pension für die Wittwe des Obristen Combes über. Hr. Boissy spricht gegen die Annahme, weil dadurch ein gefährlicher und dem Schatz schädlicher Vorgang gegeben und allen Forderungen von Wittwen von im Dienst umgekommenen Officieren die Thüre geöffnet würde. Er erklärt sich gegen jede Ausnahmsbelohnung und meint, die bestehenden Gesetze, welche die Nationalbelohnungen festsetzen, seyen hinreichend, und man brauche kein neues zu machen. Hr. v. Dreux-Brézé ist ganz entgegengesetzter Ansicht, und glaubt, die Kammer werde den betreffenden Entwurf einstimmig annehmen. Bei diesem Anlaß zollte er auch den Tapfern von Masagran einen gerechten Tribut. Marschall Soult widersprach mit besonderer Wärme den Aeußerungen des Hrn. Boissy, die er als beleidigend für die französische Armee ansieht. (Einstimmige Bravos.) Der Marschall sprach noch bei Abgang der Post. _ Im Conferenzsaale der Deputirtenkammer waren am 10 März nur wenige Deputirte zu sehen. Ein Theil der Deputirten war bei dem Conseilpräsidenten, der an diesem Tage zum erstenmal im Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten empfing. Am 11 März werden sich um 1 Uhr die Bureaux versammeln, und um 2 Uhr wird öffentliche Sitzung seyn, worin der Minister den Gesetzesentwurf der geheimen Fonds vorlegen wird. (Constitutionnel.) Wir haben vor einigen Tagen gesagt, daß Graf Molé durch sein kluges und gemäßigtes Benehmen die Theilnahme desavouire, die man ihm bei den Umtrieben zuzuschreiben schien, welche den Zweck hatten, uns nach acht Tagen wieder in eine ministerielle Krise zu werfen, der dann bald eine fünfte folgen dürfte. Wir schmeichelten uns, gut unterrichtet zu seyn. Es war uns angenehm, einem Staatsmann, dessen Politik wir getadelt, dessen Gesinnungen wir aber niemals angegriffen hatten, eine ehrenvolle Stellung zuzuschreiben. Inzwischen widersprechen die Presse und das Journal des Débats in deren Gefolge dem weisen Benehmen, das wir bei Hrn. v. Molé vorausgesetzt hatten. Diese beiden gemäßigten und conservativen Journale sehen in den wenigen von uns bekannt gemachten Zeilen ein abscheuliches Manöuvre. Sie wollen uns beinahe eine Zurücknahme auflegen. Was haben wir denn aber gesagt? Daß Hr. v. Molé sich nicht von einer Coterie ins Schleppthau nehmen, und nicht an die Spitze einer Intrigue stellen lasse. Wir glauben noch immer, daß wenn Hr. v. Molé von Jemand verleumdet worden, dieß sicher nicht von dem Constitutionnel geschehen ist. (Siècle.) In gefährlichen Lagen zeigt sich die wahre Größe, wenn man sich nicht von ihnen niederdrücken läßt. Das neue Cabinet wird nach der Richtung, die es einschlagen wird, nach dem offenen oder zweideutigen Charakter seiner Handlungen ein Recht erlangen auf die öffentliche Erkenntlichkeit, oder in ungeheuern Mißcredit gerathen. Die Gefahr, die es zu fürchten hat, besteht darin, wenn es, wie das letzte Ministerium, von Mitleid und Duldsamkeit leben muß, wenn es seinen Ursprung verläugnet, wenn es seinen Zweck nicht auszusprechen oder keinen Zweck zu haben wagt, wenn es durch seine ungewisse Stellung seine Freunde glauben läßt, es fehle ihm an Redlichkeit, und seine Feinde, es fürchte sie. Die in der Kammer gegebene Erklärung des Hrn. Ministerpräsidenten und der Entschluß, den er gefaßt hat, nächstens ein entschiedenes Votum und vollständige Erklärungen von Seite der Kammer u veranlassen, beweisen, daß er die Schwierigkeiten, die ferner warten, einsieht, daß er aber auch ein Gefühl von der Kraft und dem guten Rechte hat, mit deren Hülfe er sie überwinden wird. Diese Zuversicht gefällt uns. Wir wünschen, sie möge nicht verschwinden, und das Ministerium möge, welche Richtung es auch annehmen mag, dieselbe ohne Bedenken eingestehen und mit Festigkeit verfolgen. (National.) Die Sprache der dynastischen Presse hatte uns von Seite derer, die sich ihrer, in Ermangelung der Tribune bedienen, auf traurige Zugeständnisse vorbereitet. Gewiß, man kann sich nichts Erbaulicheres vorstellen, als die so verschiedenen Parteien gepredigte Verschwörung, zu Gunsten eines so verdächtigen Ehrgeizes, wie der des Mannes vom 13 März,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_075_18400315
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_075_18400315/2
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 75. Augsburg, 15. März 1840, S. 0594. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_075_18400315/2>, abgerufen am 15.10.2024.