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Allgemeine Zeitung. Nr. 75. Augsburg, 15. März 1840.

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in der festen Ueberzeugung, daß dadurch mittelbar das religiöse und sittliche Wohl des Volkes gefördert werde. Zertrümmert dem Volke die alte Form, und die nackt liegende, wenn auch heilige Wahrheit wird in seinem Verstande gleichfalls tödtlich berührt; verunglimpft und verachtet die Sprache des Landmanns, in der ihm und seinen Urvätern das Evangelium gepredigt wurde, so habt ihr bei ihm mit verbrecherischer Hand die Heiligkeit des Evangeliums selbst angetastet. Von dieser Wahrheit durch bittere Erfahrungen überzeugt, ist nun die Geistlichkeit bemüht, durch Achtung und Pflege des Organs, durch welches ihre Rufe an das Herz des Volks tönen, die Religiosität und die Sittlichkeit selbst zu beschützen; daher ist das Vaterland hohen Dank den Biedermännern schuldig, die an ihrem wichtigen Posten eine Stütze der gesunkenen theueren Muttersprache und eben dadurch eine Schutzwehr der religiösen Volksbildung geworden sind.

Höchst bedauernswerth ist das Urtheil des Czechengegners, das er über die wahren Zierden der slavischen Litteratur, Jungmanns böhmisches Wörterbuch und Schafariks Alterthümer fällt. Er meint, diese Werke hätten viel besser in lateinischer Sprache geschrieben werden können! Wie erfreulich wäre es für die Deutschen, wenn Adelung sein großes Wörterbuch, Johannes v. Müller seine Geschichte der Schweiz und Schiller die Geschichte des dreißigjährigen Krieges in lateinischer Sprache geschrieben hätten, damit ja diese linguistischen und historischen Werke auch den nichtdeutschen Gelehrten zugänglich wären! Es wäre durchaus nicht unbillig, wenn man von dem Vertreter der übrigen Westslaven verlangte, daß er wenigstens eine oberflächliche Kenntniß der Hauptzweige des großen slavischen Sprachenbaumes besäße, damit er im Stande sey, z. B. das große polnische Wörterbuch von Linde, das man vor 20 Jahren in Polen die Zierde des 19ten Jahrhunderts genannt, mit Jungmanns gewiß gründlicherer und vielseitigerer Arbeit zu vergleichen. *) Ueber Schafariks großartiges Werk will ich bloß die Schlußworte des Historikers Palacky aus dessen Beurtheilung der slavischen Alterthümer anführen: "Wir scheuen uns nicht öffentlich zu verkünden, daß schon seit langer Zeit, in keinem Lande, bei keinem Volke in Europa eine ähnliche Erscheinung ans Tageslicht trat, wie diese, mit der gegenwärtig unsere böhmische Litteratur prangt. Der edle Verfasser, der mit Aufopferung jedes Gewinnes seinem Volke dieses theuere Opfer gebracht, kann den gebührenden Lohn allein im Bewußtseyn solch einer Handlung finden. Wer so uninteressirt, so aufrichtig und ganz nur der Wissenschaft und seinem Volke lebt, der wird auch nach dem Tode nicht aufhören im Volke zu leben, und die späten Enkel werden das Maaß der Dankbarkeit füllen, wenn dieses den Zeitgenossen nicht gelungen war. Und wahrlich, wenn auch in künftigen Jahrhunderten das Schicksal die Vernichtung der böhmischen Sprache und somit auch die Vernichtung des böhmischen Volkes verhängen sollte - was Gott abwenden wolle - so wird sein Werk doch nicht untergehen, sondern es wird fortfahren reichen Segen zu bringen, so lange ein Slaventhum und eine Geschichtsforschung bestehen wird!" - Und dieses Werk Schafariks hätte nach dem Urtheile des Opponenten füglicher lateinisch geschrieben werden sollen! Man schließe daraus auf die Kenntniß der westslavischen Sprache und Litteratur, mit welcher der Opponent, der ein Urtheil über dieselben in Anspruch nimmt, ausgerüstet seyn muß.

Der Gegner ist darüber indignirt, daß er in dem Aufsatze des Philoczechen kein Wort der Theilnahme für die übrigen Westslaven (die Polen) fand, und vermuthet deßwegen, der Verfasser jenes Artikels sey ein nordischer Emissär. Was das Politische in dieser Insinuation betrifft, so ist oben bereits darauf geantwortet. Indessen kann man, wenn man reiflich über die geographischen, politischen und linguistischen Verhältnisse der slavischen Völkerschaften nachdenkt, Polen unmöglich zu den Westslaven rechnen. Wenn auch die polnische Sprache an deutsche Provinzen des Königreichs Preußen streift, so zieht sich doch dieselbe Sprache, breit und mächtig, tief in das Herz des russischen Reichs hinein, so daß man die Polen mit vollem Recht die Centralslaven, die Russen die Nord- und Ostslaven, die Serben, Illyrier, Slavonier, Bulgaren, Montenegriner u. s. w. die Südslaven nennen muß, während den durch dieselbe Sprache und Litteratur verbundenen Böhmen, Mähren, Slowaken und Schlesiern der Name der Westslaven zukommt.

Und nun, nachdem einige der hervorragendsten Irrthümer und Mißverständnisse jenes polemischen Aufsatzes aufgeklärt und berichtet worden, reiche ich dem Gegner die versöhnende Rechte, die Schlußworte seines Artikels beherzigend, in denen sich die Wünsche und Gefühle nicht nur der West- und Südslaven, sondern aller hell in die Zukunft blickenden Staatsmänner Europa's concentriren: "Ich lebe der festen Hoffnung, daß sich unter Oesterreichs Schutz ein großer Theil der Westslaven näher an einander schließen, sich zu einer intelligenten Masse entwickeln und zu einem Nationalbewußtseyn gelangen werde, das kräftig genug ist, jedes zerstörend einwirkende Element von sich abzuhalten." - Kein Gebildeter, in dessen Brust ein Gefühl für das Wohl und Weh eines ganzen Volkes lebt, wird das Streben der Süd- und Westslaven, durch die Cultur der Muttersprache eine höhere Stufe der moralischen und intellectuellen Bildung zu ersteigen und sich eine bedeutendere Geltung unter den gebildeten Nationen Europa's zu erringen, seinen vollen Beifall versagen. Es wird sich gewiß nach wenig Decennien, wenn die Regierung Oesterreichs dieses Streben durch zweckmäßige Unterrichtsanstalten aufmunternd unterstützt, der Ruf von den fleißigen, gewerbthätigen, intelligenten Slaven des österreichischen Kaiserstaates verbreiten, statt daß man jetzt von den faulen, leichtsinnigen, dem Trunk ergebenen Slaven spricht. *) Nur möge man sich von der moralischen und politischen Wichtigkeit dieses Gegenstandes durch gründliche Verständigung überzeugen, und kleinlichen Befürchtungen nicht Raum geben. Die neue, czechisch-slavische Litteratur, durch die Resultate deutscher Denkkraft, deutscher Kunst und Philosophie geläutert, wird eine neue, glänzende Aera feiern, ohne deßhalb ihren historischen, nationalen Charakter aufzugeben. Möge altes Unrecht und alter Groll vergessen seyn auf immer; möge die neuere, von innigerem Geiste durchwehte Humanität des westlichen Europa's vertrauensvoll die Westslaven in ihren Schutz nehmen, die einst ihre Schuld getreulich abzahlen werden, wenn die im Osten dumpf grollende Gewitterwolke sich verderbendrohend entladen sollte! **)

Die Operationen der Engländer gegen China.

Die Angaben und Sagen, welche die verschiedenen englischen Journale und Zeitungen vor kurzem über die Operationsplane gegen China mitgetheilt haben, sind keineswegs aus officieller

*) Se. Maj. der Kaiser von Oesterreich hat vor kurzem das hohe Verdienst des gelehrten Jungmann durch die Verleihung des Leopoldordens zu würdigen geruht.
*) Z. B. das weitverbreitete Handbuch von Hoffmann "die Erde und ihre Bewohner." S. 327.
**) Die Redaction der Allgem. Ztg. ersucht den geehrten Verfasser obiger Abhandlung freundlichst um gefällige bestimmtere Angabe seiner Adresse.

in der festen Ueberzeugung, daß dadurch mittelbar das religiöse und sittliche Wohl des Volkes gefördert werde. Zertrümmert dem Volke die alte Form, und die nackt liegende, wenn auch heilige Wahrheit wird in seinem Verstande gleichfalls tödtlich berührt; verunglimpft und verachtet die Sprache des Landmanns, in der ihm und seinen Urvätern das Evangelium gepredigt wurde, so habt ihr bei ihm mit verbrecherischer Hand die Heiligkeit des Evangeliums selbst angetastet. Von dieser Wahrheit durch bittere Erfahrungen überzeugt, ist nun die Geistlichkeit bemüht, durch Achtung und Pflege des Organs, durch welches ihre Rufe an das Herz des Volks tönen, die Religiosität und die Sittlichkeit selbst zu beschützen; daher ist das Vaterland hohen Dank den Biedermännern schuldig, die an ihrem wichtigen Posten eine Stütze der gesunkenen theueren Muttersprache und eben dadurch eine Schutzwehr der religiösen Volksbildung geworden sind.

Höchst bedauernswerth ist das Urtheil des Czechengegners, das er über die wahren Zierden der slavischen Litteratur, Jungmanns böhmisches Wörterbuch und Schafariks Alterthümer fällt. Er meint, diese Werke hätten viel besser in lateinischer Sprache geschrieben werden können! Wie erfreulich wäre es für die Deutschen, wenn Adelung sein großes Wörterbuch, Johannes v. Müller seine Geschichte der Schweiz und Schiller die Geschichte des dreißigjährigen Krieges in lateinischer Sprache geschrieben hätten, damit ja diese linguistischen und historischen Werke auch den nichtdeutschen Gelehrten zugänglich wären! Es wäre durchaus nicht unbillig, wenn man von dem Vertreter der übrigen Westslaven verlangte, daß er wenigstens eine oberflächliche Kenntniß der Hauptzweige des großen slavischen Sprachenbaumes besäße, damit er im Stande sey, z. B. das große polnische Wörterbuch von Linde, das man vor 20 Jahren in Polen die Zierde des 19ten Jahrhunderts genannt, mit Jungmanns gewiß gründlicherer und vielseitigerer Arbeit zu vergleichen. *) Ueber Schafariks großartiges Werk will ich bloß die Schlußworte des Historikers Palacky aus dessen Beurtheilung der slavischen Alterthümer anführen: „Wir scheuen uns nicht öffentlich zu verkünden, daß schon seit langer Zeit, in keinem Lande, bei keinem Volke in Europa eine ähnliche Erscheinung ans Tageslicht trat, wie diese, mit der gegenwärtig unsere böhmische Litteratur prangt. Der edle Verfasser, der mit Aufopferung jedes Gewinnes seinem Volke dieses theuere Opfer gebracht, kann den gebührenden Lohn allein im Bewußtseyn solch einer Handlung finden. Wer so uninteressirt, so aufrichtig und ganz nur der Wissenschaft und seinem Volke lebt, der wird auch nach dem Tode nicht aufhören im Volke zu leben, und die späten Enkel werden das Maaß der Dankbarkeit füllen, wenn dieses den Zeitgenossen nicht gelungen war. Und wahrlich, wenn auch in künftigen Jahrhunderten das Schicksal die Vernichtung der böhmischen Sprache und somit auch die Vernichtung des böhmischen Volkes verhängen sollte – was Gott abwenden wolle – so wird sein Werk doch nicht untergehen, sondern es wird fortfahren reichen Segen zu bringen, so lange ein Slaventhum und eine Geschichtsforschung bestehen wird!“ – Und dieses Werk Schafariks hätte nach dem Urtheile des Opponenten füglicher lateinisch geschrieben werden sollen! Man schließe daraus auf die Kenntniß der westslavischen Sprache und Litteratur, mit welcher der Opponent, der ein Urtheil über dieselben in Anspruch nimmt, ausgerüstet seyn muß.

Der Gegner ist darüber indignirt, daß er in dem Aufsatze des Philoczechen kein Wort der Theilnahme für die übrigen Westslaven (die Polen) fand, und vermuthet deßwegen, der Verfasser jenes Artikels sey ein nordischer Emissär. Was das Politische in dieser Insinuation betrifft, so ist oben bereits darauf geantwortet. Indessen kann man, wenn man reiflich über die geographischen, politischen und linguistischen Verhältnisse der slavischen Völkerschaften nachdenkt, Polen unmöglich zu den Westslaven rechnen. Wenn auch die polnische Sprache an deutsche Provinzen des Königreichs Preußen streift, so zieht sich doch dieselbe Sprache, breit und mächtig, tief in das Herz des russischen Reichs hinein, so daß man die Polen mit vollem Recht die Centralslaven, die Russen die Nord- und Ostslaven, die Serben, Illyrier, Slavonier, Bulgaren, Montenegriner u. s. w. die Südslaven nennen muß, während den durch dieselbe Sprache und Litteratur verbundenen Böhmen, Mähren, Slowaken und Schlesiern der Name der Westslaven zukommt.

Und nun, nachdem einige der hervorragendsten Irrthümer und Mißverständnisse jenes polemischen Aufsatzes aufgeklärt und berichtet worden, reiche ich dem Gegner die versöhnende Rechte, die Schlußworte seines Artikels beherzigend, in denen sich die Wünsche und Gefühle nicht nur der West- und Südslaven, sondern aller hell in die Zukunft blickenden Staatsmänner Europa's concentriren: „Ich lebe der festen Hoffnung, daß sich unter Oesterreichs Schutz ein großer Theil der Westslaven näher an einander schließen, sich zu einer intelligenten Masse entwickeln und zu einem Nationalbewußtseyn gelangen werde, das kräftig genug ist, jedes zerstörend einwirkende Element von sich abzuhalten.“ – Kein Gebildeter, in dessen Brust ein Gefühl für das Wohl und Weh eines ganzen Volkes lebt, wird das Streben der Süd- und Westslaven, durch die Cultur der Muttersprache eine höhere Stufe der moralischen und intellectuellen Bildung zu ersteigen und sich eine bedeutendere Geltung unter den gebildeten Nationen Europa's zu erringen, seinen vollen Beifall versagen. Es wird sich gewiß nach wenig Decennien, wenn die Regierung Oesterreichs dieses Streben durch zweckmäßige Unterrichtsanstalten aufmunternd unterstützt, der Ruf von den fleißigen, gewerbthätigen, intelligenten Slaven des österreichischen Kaiserstaates verbreiten, statt daß man jetzt von den faulen, leichtsinnigen, dem Trunk ergebenen Slaven spricht. *) Nur möge man sich von der moralischen und politischen Wichtigkeit dieses Gegenstandes durch gründliche Verständigung überzeugen, und kleinlichen Befürchtungen nicht Raum geben. Die neue, czechisch-slavische Litteratur, durch die Resultate deutscher Denkkraft, deutscher Kunst und Philosophie geläutert, wird eine neue, glänzende Aera feiern, ohne deßhalb ihren historischen, nationalen Charakter aufzugeben. Möge altes Unrecht und alter Groll vergessen seyn auf immer; möge die neuere, von innigerem Geiste durchwehte Humanität des westlichen Europa's vertrauensvoll die Westslaven in ihren Schutz nehmen, die einst ihre Schuld getreulich abzahlen werden, wenn die im Osten dumpf grollende Gewitterwolke sich verderbendrohend entladen sollte! **)

Die Operationen der Engländer gegen China.

Die Angaben und Sagen, welche die verschiedenen englischen Journale und Zeitungen vor kurzem über die Operationsplane gegen China mitgetheilt haben, sind keineswegs aus officieller

*) Se. Maj. der Kaiser von Oesterreich hat vor kurzem das hohe Verdienst des gelehrten Jungmann durch die Verleihung des Leopoldordens zu würdigen geruht.
*) Z. B. das weitverbreitete Handbuch von Hoffmann „die Erde und ihre Bewohner.“ S. 327.
**) Die Redaction der Allgem. Ztg. ersucht den geehrten Verfasser obiger Abhandlung freundlichst um gefällige bestimmtere Angabe seiner Adresse.
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[0596/0012] in der festen Ueberzeugung, daß dadurch mittelbar das religiöse und sittliche Wohl des Volkes gefördert werde. Zertrümmert dem Volke die alte Form, und die nackt liegende, wenn auch heilige Wahrheit wird in seinem Verstande gleichfalls tödtlich berührt; verunglimpft und verachtet die Sprache des Landmanns, in der ihm und seinen Urvätern das Evangelium gepredigt wurde, so habt ihr bei ihm mit verbrecherischer Hand die Heiligkeit des Evangeliums selbst angetastet. Von dieser Wahrheit durch bittere Erfahrungen überzeugt, ist nun die Geistlichkeit bemüht, durch Achtung und Pflege des Organs, durch welches ihre Rufe an das Herz des Volks tönen, die Religiosität und die Sittlichkeit selbst zu beschützen; daher ist das Vaterland hohen Dank den Biedermännern schuldig, die an ihrem wichtigen Posten eine Stütze der gesunkenen theueren Muttersprache und eben dadurch eine Schutzwehr der religiösen Volksbildung geworden sind. Höchst bedauernswerth ist das Urtheil des Czechengegners, das er über die wahren Zierden der slavischen Litteratur, Jungmanns böhmisches Wörterbuch und Schafariks Alterthümer fällt. Er meint, diese Werke hätten viel besser in lateinischer Sprache geschrieben werden können! Wie erfreulich wäre es für die Deutschen, wenn Adelung sein großes Wörterbuch, Johannes v. Müller seine Geschichte der Schweiz und Schiller die Geschichte des dreißigjährigen Krieges in lateinischer Sprache geschrieben hätten, damit ja diese linguistischen und historischen Werke auch den nichtdeutschen Gelehrten zugänglich wären! Es wäre durchaus nicht unbillig, wenn man von dem Vertreter der übrigen Westslaven verlangte, daß er wenigstens eine oberflächliche Kenntniß der Hauptzweige des großen slavischen Sprachenbaumes besäße, damit er im Stande sey, z. B. das große polnische Wörterbuch von Linde, das man vor 20 Jahren in Polen die Zierde des 19ten Jahrhunderts genannt, mit Jungmanns gewiß gründlicherer und vielseitigerer Arbeit zu vergleichen. *) Ueber Schafariks großartiges Werk will ich bloß die Schlußworte des Historikers Palacky aus dessen Beurtheilung der slavischen Alterthümer anführen: „Wir scheuen uns nicht öffentlich zu verkünden, daß schon seit langer Zeit, in keinem Lande, bei keinem Volke in Europa eine ähnliche Erscheinung ans Tageslicht trat, wie diese, mit der gegenwärtig unsere böhmische Litteratur prangt. Der edle Verfasser, der mit Aufopferung jedes Gewinnes seinem Volke dieses theuere Opfer gebracht, kann den gebührenden Lohn allein im Bewußtseyn solch einer Handlung finden. 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Der Gegner ist darüber indignirt, daß er in dem Aufsatze des Philoczechen kein Wort der Theilnahme für die übrigen Westslaven (die Polen) fand, und vermuthet deßwegen, der Verfasser jenes Artikels sey ein nordischer Emissär. Was das Politische in dieser Insinuation betrifft, so ist oben bereits darauf geantwortet. Indessen kann man, wenn man reiflich über die geographischen, politischen und linguistischen Verhältnisse der slavischen Völkerschaften nachdenkt, Polen unmöglich zu den Westslaven rechnen. Wenn auch die polnische Sprache an deutsche Provinzen des Königreichs Preußen streift, so zieht sich doch dieselbe Sprache, breit und mächtig, tief in das Herz des russischen Reichs hinein, so daß man die Polen mit vollem Recht die Centralslaven, die Russen die Nord- und Ostslaven, die Serben, Illyrier, Slavonier, Bulgaren, Montenegriner u. s. w. die Südslaven nennen muß, während den durch dieselbe Sprache und Litteratur verbundenen Böhmen, Mähren, Slowaken und Schlesiern der Name der Westslaven zukommt. Und nun, nachdem einige der hervorragendsten Irrthümer und Mißverständnisse jenes polemischen Aufsatzes aufgeklärt und berichtet worden, reiche ich dem Gegner die versöhnende Rechte, die Schlußworte seines Artikels beherzigend, in denen sich die Wünsche und Gefühle nicht nur der West- und Südslaven, sondern aller hell in die Zukunft blickenden Staatsmänner Europa's concentriren: „Ich lebe der festen Hoffnung, daß sich unter Oesterreichs Schutz ein großer Theil der Westslaven näher an einander schließen, sich zu einer intelligenten Masse entwickeln und zu einem Nationalbewußtseyn gelangen werde, das kräftig genug ist, jedes zerstörend einwirkende Element von sich abzuhalten.“ – Kein Gebildeter, in dessen Brust ein Gefühl für das Wohl und Weh eines ganzen Volkes lebt, wird das Streben der Süd- und Westslaven, durch die Cultur der Muttersprache eine höhere Stufe der moralischen und intellectuellen Bildung zu ersteigen und sich eine bedeutendere Geltung unter den gebildeten Nationen Europa's zu erringen, seinen vollen Beifall versagen. Es wird sich gewiß nach wenig Decennien, wenn die Regierung Oesterreichs dieses Streben durch zweckmäßige Unterrichtsanstalten aufmunternd unterstützt, der Ruf von den fleißigen, gewerbthätigen, intelligenten Slaven des österreichischen Kaiserstaates verbreiten, statt daß man jetzt von den faulen, leichtsinnigen, dem Trunk ergebenen Slaven spricht. *) Nur möge man sich von der moralischen und politischen Wichtigkeit dieses Gegenstandes durch gründliche Verständigung überzeugen, und kleinlichen Befürchtungen nicht Raum geben. Die neue, czechisch-slavische Litteratur, durch die Resultate deutscher Denkkraft, deutscher Kunst und Philosophie geläutert, wird eine neue, glänzende Aera feiern, ohne deßhalb ihren historischen, nationalen Charakter aufzugeben. Möge altes Unrecht und alter Groll vergessen seyn auf immer; möge die neuere, von innigerem Geiste durchwehte Humanität des westlichen Europa's vertrauensvoll die Westslaven in ihren Schutz nehmen, die einst ihre Schuld getreulich abzahlen werden, wenn die im Osten dumpf grollende Gewitterwolke sich verderbendrohend entladen sollte! **) Die Operationen der Engländer gegen China. Die Angaben und Sagen, welche die verschiedenen englischen Journale und Zeitungen vor kurzem über die Operationsplane gegen China mitgetheilt haben, sind keineswegs aus officieller *) Se. Maj. der Kaiser von Oesterreich hat vor kurzem das hohe Verdienst des gelehrten Jungmann durch die Verleihung des Leopoldordens zu würdigen geruht. *) Z. B. das weitverbreitete Handbuch von Hoffmann „die Erde und ihre Bewohner.“ S. 327. **) Die Redaction der Allgem. Ztg. ersucht den geehrten Verfasser obiger Abhandlung freundlichst um gefällige bestimmtere Angabe seiner Adresse.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 75. Augsburg, 15. März 1840, S. 0596. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_075_18400315/12>, abgerufen am 24.04.2024.