Allgemeine Zeitung. Nr. 67. Augsburg, 7. März 1840.Schreiben des Herzogs Paul Wilhelm von Würtemberg aus Nubien. (Beschluß.) In keiner Hinsicht fand ich mich in meinen Erwartungen getäuscht, als ich das ewig denkwürdige Land der Pharaonen besuchte. Für den Naturforscher ist und bleibt jeder Theil von Afrika eine Goldgrube; denn so öde und arm sein von ungeheuern Wüsten bedeckter Erdstrich auch scheinen mag, so freigebig war die Natur in Erschaffung vielfältiger Thier- und Pflanzenformen da, wo nur einige Alimentationskraft dem Boden zu entziehen war. Ist der Boden Afrika's auch ganz unfruchtbar im Bereich seiner Sandwüsten, so ist es auch wieder unüberschwänglich erzeugungsfähig da, wo durch Feuchtigkeit das immer wärmende Klima culturfähig wird. Kein Continent unseres Planeten ist so übervölkert mit Vögeln und Säugethieren von allen Körperdimensionen, kein Tropenland, selbst das tropische Amerika und Indien nicht ausgenommen, so reich selbst an kolossalen Pflanzenformen, als das dem Einfluß der tropischen Regen unterworfene äquinoctiale Afrika. Aegypten kann freilich wegen seines engbegränzten, fruchterzeugenden Raumes keine Wälder beherbergen, doch zeigen uralte, riesige Sykomoren und die vielen eingebürgerten, schnellwachsenden tropischen Bäume von Schubra und Ruoda deutlich, daß ihr Wachsthum zu gigantischen Dimensionen im Nilthal nicht gehindert ist. Wenn die Zahl großer Säugethiere in Aegypten, die zahmen, den Menschen begleitenden ausgenommen, durch die Bevölkerung des Nilthals von demselben ausgeschlossen, sich nur auf einige Raubthiere und Antilopen beschränkt, so ist sie desto größer hier in Nubien, wo schon von Korosko an der Hippopotamus (letzterer zwar nur als große Seltenheit, häufiger um Ambukol) und die Giraffe erscheinen, der Löwe die Karawane begleitet und die Hyänen sich alle Nächte hören lassen, während scheue Antilopen in flüchtigem Lauf die Wüste durchfliehen. Aegypten, besonders aber Unter-Aegypten, ist desto reicher an Vögeln, namentlich Raub- und Wasservögeln. Scheint es doch, als hätten sich Afrika's und Europa's zahlreiche Arten im Lande des Ibis ein Stelldichein gegeben; meine Leute konnten im Anfang mit Präpariren ihrer sterblichen Hüllen kein Ende finden, und von Stund zu Stunde mehrte sich meine Sammlung befiederter Luftbewohner, die erst da abzunehmen anfingen, wo der begränzte Raum des fruchttragenden Landes ihnen keine Nahrung gewährt. Das Krokodil, jener schreckenbringende, riesige Bewohner des Nils, ist noch wie zur Pharaonenzeit von demjenigen, den sein Geschäft an das Wasser entbietet, mit allem Recht gefürchtet. Diese Saurier erstrecken sich jetzt nicht über den 27sten Breitegrad nördlich, erscheinen aber sehr häufig, ja in großer Menge, auf den Sandbänken lagernd, bei Tentyra und Theben. Ich sah deren von 25 Fuß Länge, doch was ich über die Naturgeschichte und Lebensweise der Gattung von Amerika aus berichtete, gilt auch wörtlich für den gefräßigen Nilbewohner, da alle Krokodile eine nahe verwandte Sippe bilden. An Fischen ist der Nil auch unendlich reich; schon war ich so glücklich, alle mir bekannten Arten, namentlich die im Nil so reiche Familie der Siluriden zu erhalten, selbst die von Dr. Rüppell entdeckten seltenern Arten, wie Hypophthalmus niloticus und Pimelodus laticeps. Der Sudis niloticus ist nicht selten, und die Sinodonten-Arten noch weniger. Sehr bemerkenswerth ist der Radth Malapterus electricus mit seinen galvanischen Organen, und niedliche Fische enthält die Familie der Mormyrus, von denen ich 5 bis 6 Arten sammelte. Die besten Nilfische sind der Bynnih, Lepidotes niloticus, unsern fossilen nahe verwandt, der Bolti, Chromys bolti, und der Docmak, Pimelodus membranaceus. Auch an Schlangen und Eidechsen ist meine Sammlung sehr reich, Naja Haje besitze ich mehreremale sehr groß, ebenso Vipera Cerastes, Arietans etc., Uromastix spinipes, groß und selten; von Konchylien ein Aspergillum, sehr groß, und Magilus antiquus, fossil und lebend. Ehe ich zu einem ganz gedrängten Bericht meiner Reise selbst übergehe, erlaube ich mir noch, Sie auf einige Werke, welche über Aegypten und Nubien handeln, aufmerksam zu machen, und Ihnen deßfalls meine unmaßgebliche Meinung mitzutheilen. Seit Bruce's vortrefflichem Reisebericht, der nur in astronomischen Berechnungen oftmals mangelhaft oder incorrect ist, haben mehrere Reisende oder Gelehrte diese Länder scientifisch bearbeitet. Die große französische Expedition, welche, außer einem militärischen, zugleich einen wissenschaftlichen Zweck verfolgte, übergab ein großes Prachtwerk der Publicität, dessen phantasiereicher Styl leider nicht immer fühlbare Lücken und Unrichtigkeiten decken konnte. Ein in zwanzig Tagen bis Philoe (eine Strecke wie von Paris nach Warschau, wenn man den Weg der französischen Armee unter Desaix berechnet) zurückgelegter Marsch war nicht geeignet, im Angesicht eines leicht berittenen, aufs Aeußerste getriebenen Feindes, Ober-Aegyptens zahlreiche Alterthümer genau aufzunehmen und treu zu beschreiben. Denon's Werk verdient übrigens, besonders was Unter-Aegyten anbetrifft, eine aufmerksame Berücksichtigung. In historischer und archäologischer Hinsicht besitzen wir sehr gediegene Werke von Reisenden und gelehrten Compilatoren. Ich erwähne nur Niebuhr, Burckhardt, Belzoni, Norden, Sir Fr. Henniker, Salt, Legh (genau und sehr correct), ferner das British Museum, Egypt. Ant. VII, vortrefflich, und Modern trav. Egypt. Nubia etc. vol. II. London 1827, brauchbar; selbst Russel ist nicht zu verachten; nicht zu vergessen Ritters Afrika und die Arbeiten von Berghaus mit der vortrefflichen, von Dr. Mädel gestochenen, 1835 bei Perthes erschienenen Karte. Als Karte des rothen Meeres ist die von den Officieren des englischen Schiffs Palinurus aufgenommene ganz vorzüglich. Caillauds und Letorzeks Reise, in vier Theilen, beweist eine seltene Ausdauer in Verfolgung eines gefaßten Planes, aber die archäologischen Arbeiten sind oberflächlich, die naturhistorischen (einige neue Käfer und Süßwasser-Konchylien und wenige mineralogische Bemerkungen ausgenommen) unbedeutend, die astronomischen Berechnungen oft auf Suppositionen, und die physikalischen, behaupte ich, ebenfalls oft nur auf Muthmaßungen und nicht auf gehörige Beobachtung durch Instrumente gegründet. Es kann indessen unter den Umständen, in welchen der Reisende im tropischen Afrika sich befindet, derselbe nicht 5 bis 6mal des Tages seine Instrumente prüfen, auch wenn eine eigens dazu bestellte Person damit beauftragt ist; selbst auf der Nilbarke wurden mir drei Barometerröhren, trotz aller schützenden Maaßregeln, unbrauchbar gemacht. Das gediegenste, gründlichste und sorgfältigst bearbeitete Werk über Nubien und Arabien ist aber das unseres hochverdienten, fleißigen deutschen Landsmanns, Hrn. Dr. Rüppell, dem meine Stimme mit Freuden auf dem Schauplatz seines rastlosen Wirkens das Lob nachruft, das er verdient. Dieser ganz der Wissenschaft lebende Gelehrte hat alle Aufgaben, die er übernommen, meisterlich ausgeführt, Schreiben des Herzogs Paul Wilhelm von Würtemberg aus Nubien. (Beschluß.) In keiner Hinsicht fand ich mich in meinen Erwartungen getäuscht, als ich das ewig denkwürdige Land der Pharaonen besuchte. Für den Naturforscher ist und bleibt jeder Theil von Afrika eine Goldgrube; denn so öde und arm sein von ungeheuern Wüsten bedeckter Erdstrich auch scheinen mag, so freigebig war die Natur in Erschaffung vielfältiger Thier- und Pflanzenformen da, wo nur einige Alimentationskraft dem Boden zu entziehen war. Ist der Boden Afrika's auch ganz unfruchtbar im Bereich seiner Sandwüsten, so ist es auch wieder unüberschwänglich erzeugungsfähig da, wo durch Feuchtigkeit das immer wärmende Klima culturfähig wird. Kein Continent unseres Planeten ist so übervölkert mit Vögeln und Säugethieren von allen Körperdimensionen, kein Tropenland, selbst das tropische Amerika und Indien nicht ausgenommen, so reich selbst an kolossalen Pflanzenformen, als das dem Einfluß der tropischen Regen unterworfene äquinoctiale Afrika. Aegypten kann freilich wegen seines engbegränzten, fruchterzeugenden Raumes keine Wälder beherbergen, doch zeigen uralte, riesige Sykomoren und die vielen eingebürgerten, schnellwachsenden tropischen Bäume von Schubra und Ruoda deutlich, daß ihr Wachsthum zu gigantischen Dimensionen im Nilthal nicht gehindert ist. Wenn die Zahl großer Säugethiere in Aegypten, die zahmen, den Menschen begleitenden ausgenommen, durch die Bevölkerung des Nilthals von demselben ausgeschlossen, sich nur auf einige Raubthiere und Antilopen beschränkt, so ist sie desto größer hier in Nubien, wo schon von Korosko an der Hippopotamus (letzterer zwar nur als große Seltenheit, häufiger um Ambukol) und die Giraffe erscheinen, der Löwe die Karawane begleitet und die Hyänen sich alle Nächte hören lassen, während scheue Antilopen in flüchtigem Lauf die Wüste durchfliehen. Aegypten, besonders aber Unter-Aegypten, ist desto reicher an Vögeln, namentlich Raub- und Wasservögeln. Scheint es doch, als hätten sich Afrika's und Europa's zahlreiche Arten im Lande des Ibis ein Stelldichein gegeben; meine Leute konnten im Anfang mit Präpariren ihrer sterblichen Hüllen kein Ende finden, und von Stund zu Stunde mehrte sich meine Sammlung befiederter Luftbewohner, die erst da abzunehmen anfingen, wo der begränzte Raum des fruchttragenden Landes ihnen keine Nahrung gewährt. Das Krokodil, jener schreckenbringende, riesige Bewohner des Nils, ist noch wie zur Pharaonenzeit von demjenigen, den sein Geschäft an das Wasser entbietet, mit allem Recht gefürchtet. Diese Saurier erstrecken sich jetzt nicht über den 27sten Breitegrad nördlich, erscheinen aber sehr häufig, ja in großer Menge, auf den Sandbänken lagernd, bei Téntyra und Theben. Ich sah deren von 25 Fuß Länge, doch was ich über die Naturgeschichte und Lebensweise der Gattung von Amerika aus berichtete, gilt auch wörtlich für den gefräßigen Nilbewohner, da alle Krokodile eine nahe verwandte Sippe bilden. An Fischen ist der Nil auch unendlich reich; schon war ich so glücklich, alle mir bekannten Arten, namentlich die im Nil so reiche Familie der Siluriden zu erhalten, selbst die von Dr. Rüppell entdeckten seltenern Arten, wie Hypophthalmus niloticus und Pimelodus laticeps. Der Sudis niloticus ist nicht selten, und die Sinodonten-Arten noch weniger. Sehr bemerkenswerth ist der Radth Malapterus electricus mit seinen galvanischen Organen, und niedliche Fische enthält die Familie der Mormyrus, von denen ich 5 bis 6 Arten sammelte. Die besten Nilfische sind der Bynnih, Lepidotes niloticus, unsern fossilen nahe verwandt, der Bolti, Chromys bolti, und der Docmak, Pimelodus membranaceus. Auch an Schlangen und Eidechsen ist meine Sammlung sehr reich, Naja Haje besitze ich mehreremale sehr groß, ebenso Vipera Cerastes, Arietans etc., Uromastix spinipes, groß und selten; von Konchylien ein Aspergillum, sehr groß, und Magilus antiquus, fossil und lebend. Ehe ich zu einem ganz gedrängten Bericht meiner Reise selbst übergehe, erlaube ich mir noch, Sie auf einige Werke, welche über Aegypten und Nubien handeln, aufmerksam zu machen, und Ihnen deßfalls meine unmaßgebliche Meinung mitzutheilen. Seit Bruce's vortrefflichem Reisebericht, der nur in astronomischen Berechnungen oftmals mangelhaft oder incorrect ist, haben mehrere Reisende oder Gelehrte diese Länder scientifisch bearbeitet. Die große französische Expedition, welche, außer einem militärischen, zugleich einen wissenschaftlichen Zweck verfolgte, übergab ein großes Prachtwerk der Publicität, dessen phantasiereicher Styl leider nicht immer fühlbare Lücken und Unrichtigkeiten decken konnte. Ein in zwanzig Tagen bis Philoe (eine Strecke wie von Paris nach Warschau, wenn man den Weg der französischen Armee unter Desaix berechnet) zurückgelegter Marsch war nicht geeignet, im Angesicht eines leicht berittenen, aufs Aeußerste getriebenen Feindes, Ober-Aegyptens zahlreiche Alterthümer genau aufzunehmen und treu zu beschreiben. Denon's Werk verdient übrigens, besonders was Unter-Aegyten anbetrifft, eine aufmerksame Berücksichtigung. In historischer und archäologischer Hinsicht besitzen wir sehr gediegene Werke von Reisenden und gelehrten Compilatoren. Ich erwähne nur Niebuhr, Burckhardt, Belzoni, Norden, Sir Fr. Henniker, Salt, Legh (genau und sehr correct), ferner das British Museum, Egypt. Ant. VII, vortrefflich, und Modern trav. Egypt. Nubia etc. vol. II. London 1827, brauchbar; selbst Russel ist nicht zu verachten; nicht zu vergessen Ritters Afrika und die Arbeiten von Berghaus mit der vortrefflichen, von Dr. Mädel gestochenen, 1835 bei Perthes erschienenen Karte. Als Karte des rothen Meeres ist die von den Officieren des englischen Schiffs Palinurus aufgenommene ganz vorzüglich. Caillauds und Letorzeks Reise, in vier Theilen, beweist eine seltene Ausdauer in Verfolgung eines gefaßten Planes, aber die archäologischen Arbeiten sind oberflächlich, die naturhistorischen (einige neue Käfer und Süßwasser-Konchylien und wenige mineralogische Bemerkungen ausgenommen) unbedeutend, die astronomischen Berechnungen oft auf Suppositionen, und die physikalischen, behaupte ich, ebenfalls oft nur auf Muthmaßungen und nicht auf gehörige Beobachtung durch Instrumente gegründet. Es kann indessen unter den Umständen, in welchen der Reisende im tropischen Afrika sich befindet, derselbe nicht 5 bis 6mal des Tages seine Instrumente prüfen, auch wenn eine eigens dazu bestellte Person damit beauftragt ist; selbst auf der Nilbarke wurden mir drei Barometerröhren, trotz aller schützenden Maaßregeln, unbrauchbar gemacht. Das gediegenste, gründlichste und sorgfältigst bearbeitete Werk über Nubien und Arabien ist aber das unseres hochverdienten, fleißigen deutschen Landsmanns, Hrn. Dr. Rüppell, dem meine Stimme mit Freuden auf dem Schauplatz seines rastlosen Wirkens das Lob nachruft, das er verdient. Dieser ganz der Wissenschaft lebende Gelehrte hat alle Aufgaben, die er übernommen, meisterlich ausgeführt, <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <pb facs="#f0009" n="0529"/> </div> </div> <div type="jArticle" n="1"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Schreiben des Herzogs Paul Wilhelm von Würtemberg aus Nubien</hi>.</hi> </head><lb/> <p>(Beschluß.)</p><lb/> <p>In keiner Hinsicht fand ich mich in meinen Erwartungen getäuscht, als ich das ewig denkwürdige Land der Pharaonen besuchte. Für den Naturforscher ist und bleibt jeder Theil von Afrika eine Goldgrube; denn so öde und arm sein von ungeheuern Wüsten bedeckter Erdstrich auch scheinen mag, so freigebig war die Natur in Erschaffung vielfältiger Thier- und Pflanzenformen da, wo nur einige Alimentationskraft dem Boden zu entziehen war. Ist der Boden Afrika's auch ganz unfruchtbar im Bereich seiner Sandwüsten, so ist es auch wieder unüberschwänglich erzeugungsfähig da, wo durch Feuchtigkeit das immer wärmende Klima culturfähig wird. Kein Continent unseres Planeten ist so übervölkert mit Vögeln und Säugethieren von allen Körperdimensionen, kein Tropenland, selbst das tropische Amerika und Indien nicht ausgenommen, so reich selbst an kolossalen Pflanzenformen, als das dem Einfluß der tropischen Regen unterworfene äquinoctiale Afrika.</p><lb/> <p>Aegypten kann freilich wegen seines engbegränzten, fruchterzeugenden Raumes keine Wälder beherbergen, doch zeigen uralte, riesige Sykomoren und die vielen eingebürgerten, schnellwachsenden tropischen Bäume von Schubra und Ruoda deutlich, daß ihr Wachsthum zu gigantischen Dimensionen im Nilthal nicht gehindert ist. Wenn die Zahl großer Säugethiere in Aegypten, die zahmen, den Menschen begleitenden ausgenommen, durch die Bevölkerung des Nilthals von demselben ausgeschlossen, sich nur auf einige Raubthiere und Antilopen beschränkt, so ist sie desto größer hier in Nubien, wo schon von Korosko an der Hippopotamus (letzterer zwar nur als große Seltenheit, häufiger um Ambukol) und die Giraffe erscheinen, der Löwe die Karawane begleitet und die Hyänen sich alle Nächte hören lassen, während scheue Antilopen in flüchtigem Lauf die Wüste durchfliehen. Aegypten, besonders aber Unter-Aegypten, ist desto reicher an Vögeln, namentlich Raub- und Wasservögeln. Scheint es doch, als hätten sich Afrika's und Europa's zahlreiche Arten im Lande des Ibis ein Stelldichein gegeben; meine Leute konnten im Anfang mit Präpariren ihrer sterblichen Hüllen kein Ende finden, und von Stund zu Stunde mehrte sich meine Sammlung befiederter Luftbewohner, die erst da abzunehmen anfingen, wo der begränzte Raum des fruchttragenden Landes ihnen keine Nahrung gewährt. Das Krokodil, jener schreckenbringende, riesige Bewohner des Nils, ist noch wie zur Pharaonenzeit von demjenigen, den sein Geschäft an das Wasser entbietet, mit allem Recht gefürchtet. Diese Saurier erstrecken sich jetzt nicht über den 27sten Breitegrad nördlich, erscheinen aber sehr häufig, ja in großer Menge, auf den Sandbänken lagernd, bei Téntyra und Theben. Ich sah deren von 25 Fuß Länge, doch was ich über die Naturgeschichte und Lebensweise der Gattung von Amerika aus berichtete, gilt auch wörtlich für den gefräßigen Nilbewohner, da alle Krokodile eine nahe verwandte Sippe bilden. An Fischen ist der Nil auch unendlich reich; schon war ich so glücklich, alle mir bekannten Arten, namentlich die im Nil so reiche Familie der Siluriden zu erhalten, selbst die von Dr. Rüppell entdeckten seltenern Arten, wie <hi rendition="#i">Hypophthalmus niloticus</hi> und <hi rendition="#i">Pimelodus laticeps</hi>. Der Sudis niloticus ist nicht selten, und die <hi rendition="#g">Sinodonten</hi>-Arten noch weniger. Sehr bemerkenswerth ist der Radth Malapterus electricus mit seinen galvanischen Organen, und niedliche Fische enthält die Familie der Mormyrus, von denen ich 5 bis 6 Arten sammelte. Die besten Nilfische sind der Bynnih, Lepidotes niloticus, unsern fossilen nahe verwandt, der Bolti, Chromys bolti, und der Docmak, Pimelodus membranaceus. Auch an Schlangen und Eidechsen ist meine Sammlung sehr reich, Naja Haje besitze ich mehreremale sehr groß, ebenso Vipera Cerastes, Arietans etc., Uromastix spinipes, groß und selten; von Konchylien ein Aspergillum, sehr groß, und Magilus antiquus, fossil und lebend.</p><lb/> <p>Ehe ich zu einem ganz gedrängten Bericht meiner Reise selbst übergehe, erlaube ich mir noch, Sie auf einige Werke, welche über Aegypten und Nubien handeln, aufmerksam zu machen, und Ihnen deßfalls meine unmaßgebliche Meinung mitzutheilen.</p><lb/> <p>Seit Bruce's vortrefflichem Reisebericht, der nur in astronomischen Berechnungen oftmals mangelhaft oder incorrect ist, haben mehrere Reisende oder Gelehrte diese Länder scientifisch bearbeitet. Die große französische Expedition, welche, außer einem militärischen, zugleich einen wissenschaftlichen Zweck verfolgte, übergab ein großes Prachtwerk der Publicität, dessen phantasiereicher Styl leider nicht immer fühlbare Lücken und Unrichtigkeiten decken konnte. Ein in zwanzig Tagen bis Philoe (eine Strecke wie von Paris nach Warschau, wenn man den Weg der französischen Armee unter Desaix berechnet) zurückgelegter Marsch war nicht geeignet, im Angesicht eines leicht berittenen, aufs Aeußerste getriebenen Feindes, Ober-Aegyptens zahlreiche Alterthümer genau aufzunehmen und treu zu beschreiben. Denon's Werk verdient übrigens, besonders was Unter-Aegyten anbetrifft, eine aufmerksame Berücksichtigung. In historischer und archäologischer Hinsicht besitzen wir sehr gediegene Werke von Reisenden und gelehrten Compilatoren. Ich erwähne nur Niebuhr, Burckhardt, Belzoni, Norden, Sir Fr. Henniker, Salt, Legh (genau und sehr correct), ferner das British Museum, Egypt. Ant. VII, vortrefflich, und Modern trav. Egypt. Nubia etc. vol. II. London 1827, brauchbar; selbst Russel ist nicht zu verachten; nicht zu vergessen Ritters Afrika und die Arbeiten von Berghaus mit der vortrefflichen, von Dr. Mädel gestochenen, 1835 bei Perthes erschienenen Karte. Als Karte des rothen Meeres ist die von den Officieren des englischen Schiffs Palinurus aufgenommene ganz vorzüglich. Caillauds und Letorzeks Reise, in vier Theilen, beweist eine seltene Ausdauer in Verfolgung eines gefaßten Planes, aber die archäologischen Arbeiten sind oberflächlich, die naturhistorischen (einige neue Käfer und Süßwasser-Konchylien und wenige mineralogische Bemerkungen ausgenommen) unbedeutend, die astronomischen Berechnungen oft auf Suppositionen, und die physikalischen, behaupte ich, ebenfalls oft nur auf Muthmaßungen und nicht auf gehörige Beobachtung durch Instrumente gegründet. Es kann indessen unter den Umständen, in welchen der Reisende im tropischen Afrika sich befindet, derselbe nicht 5 bis 6mal des Tages seine Instrumente prüfen, auch wenn eine eigens dazu bestellte Person damit beauftragt ist; selbst auf der Nilbarke wurden mir drei Barometerröhren, trotz aller schützenden Maaßregeln, unbrauchbar gemacht. Das gediegenste, gründlichste und sorgfältigst bearbeitete Werk über Nubien und Arabien ist aber das unseres hochverdienten, fleißigen deutschen Landsmanns, Hrn. Dr. Rüppell, dem meine Stimme mit Freuden auf dem Schauplatz seines rastlosen Wirkens das Lob nachruft, das er verdient. Dieser ganz der Wissenschaft lebende Gelehrte hat alle Aufgaben, die er übernommen, meisterlich ausgeführt,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0529/0009]
Schreiben des Herzogs Paul Wilhelm von Würtemberg aus Nubien.
(Beschluß.)
In keiner Hinsicht fand ich mich in meinen Erwartungen getäuscht, als ich das ewig denkwürdige Land der Pharaonen besuchte. Für den Naturforscher ist und bleibt jeder Theil von Afrika eine Goldgrube; denn so öde und arm sein von ungeheuern Wüsten bedeckter Erdstrich auch scheinen mag, so freigebig war die Natur in Erschaffung vielfältiger Thier- und Pflanzenformen da, wo nur einige Alimentationskraft dem Boden zu entziehen war. Ist der Boden Afrika's auch ganz unfruchtbar im Bereich seiner Sandwüsten, so ist es auch wieder unüberschwänglich erzeugungsfähig da, wo durch Feuchtigkeit das immer wärmende Klima culturfähig wird. Kein Continent unseres Planeten ist so übervölkert mit Vögeln und Säugethieren von allen Körperdimensionen, kein Tropenland, selbst das tropische Amerika und Indien nicht ausgenommen, so reich selbst an kolossalen Pflanzenformen, als das dem Einfluß der tropischen Regen unterworfene äquinoctiale Afrika.
Aegypten kann freilich wegen seines engbegränzten, fruchterzeugenden Raumes keine Wälder beherbergen, doch zeigen uralte, riesige Sykomoren und die vielen eingebürgerten, schnellwachsenden tropischen Bäume von Schubra und Ruoda deutlich, daß ihr Wachsthum zu gigantischen Dimensionen im Nilthal nicht gehindert ist. Wenn die Zahl großer Säugethiere in Aegypten, die zahmen, den Menschen begleitenden ausgenommen, durch die Bevölkerung des Nilthals von demselben ausgeschlossen, sich nur auf einige Raubthiere und Antilopen beschränkt, so ist sie desto größer hier in Nubien, wo schon von Korosko an der Hippopotamus (letzterer zwar nur als große Seltenheit, häufiger um Ambukol) und die Giraffe erscheinen, der Löwe die Karawane begleitet und die Hyänen sich alle Nächte hören lassen, während scheue Antilopen in flüchtigem Lauf die Wüste durchfliehen. Aegypten, besonders aber Unter-Aegypten, ist desto reicher an Vögeln, namentlich Raub- und Wasservögeln. Scheint es doch, als hätten sich Afrika's und Europa's zahlreiche Arten im Lande des Ibis ein Stelldichein gegeben; meine Leute konnten im Anfang mit Präpariren ihrer sterblichen Hüllen kein Ende finden, und von Stund zu Stunde mehrte sich meine Sammlung befiederter Luftbewohner, die erst da abzunehmen anfingen, wo der begränzte Raum des fruchttragenden Landes ihnen keine Nahrung gewährt. Das Krokodil, jener schreckenbringende, riesige Bewohner des Nils, ist noch wie zur Pharaonenzeit von demjenigen, den sein Geschäft an das Wasser entbietet, mit allem Recht gefürchtet. Diese Saurier erstrecken sich jetzt nicht über den 27sten Breitegrad nördlich, erscheinen aber sehr häufig, ja in großer Menge, auf den Sandbänken lagernd, bei Téntyra und Theben. Ich sah deren von 25 Fuß Länge, doch was ich über die Naturgeschichte und Lebensweise der Gattung von Amerika aus berichtete, gilt auch wörtlich für den gefräßigen Nilbewohner, da alle Krokodile eine nahe verwandte Sippe bilden. An Fischen ist der Nil auch unendlich reich; schon war ich so glücklich, alle mir bekannten Arten, namentlich die im Nil so reiche Familie der Siluriden zu erhalten, selbst die von Dr. Rüppell entdeckten seltenern Arten, wie Hypophthalmus niloticus und Pimelodus laticeps. Der Sudis niloticus ist nicht selten, und die Sinodonten-Arten noch weniger. Sehr bemerkenswerth ist der Radth Malapterus electricus mit seinen galvanischen Organen, und niedliche Fische enthält die Familie der Mormyrus, von denen ich 5 bis 6 Arten sammelte. Die besten Nilfische sind der Bynnih, Lepidotes niloticus, unsern fossilen nahe verwandt, der Bolti, Chromys bolti, und der Docmak, Pimelodus membranaceus. Auch an Schlangen und Eidechsen ist meine Sammlung sehr reich, Naja Haje besitze ich mehreremale sehr groß, ebenso Vipera Cerastes, Arietans etc., Uromastix spinipes, groß und selten; von Konchylien ein Aspergillum, sehr groß, und Magilus antiquus, fossil und lebend.
Ehe ich zu einem ganz gedrängten Bericht meiner Reise selbst übergehe, erlaube ich mir noch, Sie auf einige Werke, welche über Aegypten und Nubien handeln, aufmerksam zu machen, und Ihnen deßfalls meine unmaßgebliche Meinung mitzutheilen.
Seit Bruce's vortrefflichem Reisebericht, der nur in astronomischen Berechnungen oftmals mangelhaft oder incorrect ist, haben mehrere Reisende oder Gelehrte diese Länder scientifisch bearbeitet. Die große französische Expedition, welche, außer einem militärischen, zugleich einen wissenschaftlichen Zweck verfolgte, übergab ein großes Prachtwerk der Publicität, dessen phantasiereicher Styl leider nicht immer fühlbare Lücken und Unrichtigkeiten decken konnte. Ein in zwanzig Tagen bis Philoe (eine Strecke wie von Paris nach Warschau, wenn man den Weg der französischen Armee unter Desaix berechnet) zurückgelegter Marsch war nicht geeignet, im Angesicht eines leicht berittenen, aufs Aeußerste getriebenen Feindes, Ober-Aegyptens zahlreiche Alterthümer genau aufzunehmen und treu zu beschreiben. Denon's Werk verdient übrigens, besonders was Unter-Aegyten anbetrifft, eine aufmerksame Berücksichtigung. In historischer und archäologischer Hinsicht besitzen wir sehr gediegene Werke von Reisenden und gelehrten Compilatoren. Ich erwähne nur Niebuhr, Burckhardt, Belzoni, Norden, Sir Fr. Henniker, Salt, Legh (genau und sehr correct), ferner das British Museum, Egypt. Ant. VII, vortrefflich, und Modern trav. Egypt. Nubia etc. vol. II. London 1827, brauchbar; selbst Russel ist nicht zu verachten; nicht zu vergessen Ritters Afrika und die Arbeiten von Berghaus mit der vortrefflichen, von Dr. Mädel gestochenen, 1835 bei Perthes erschienenen Karte. Als Karte des rothen Meeres ist die von den Officieren des englischen Schiffs Palinurus aufgenommene ganz vorzüglich. Caillauds und Letorzeks Reise, in vier Theilen, beweist eine seltene Ausdauer in Verfolgung eines gefaßten Planes, aber die archäologischen Arbeiten sind oberflächlich, die naturhistorischen (einige neue Käfer und Süßwasser-Konchylien und wenige mineralogische Bemerkungen ausgenommen) unbedeutend, die astronomischen Berechnungen oft auf Suppositionen, und die physikalischen, behaupte ich, ebenfalls oft nur auf Muthmaßungen und nicht auf gehörige Beobachtung durch Instrumente gegründet. Es kann indessen unter den Umständen, in welchen der Reisende im tropischen Afrika sich befindet, derselbe nicht 5 bis 6mal des Tages seine Instrumente prüfen, auch wenn eine eigens dazu bestellte Person damit beauftragt ist; selbst auf der Nilbarke wurden mir drei Barometerröhren, trotz aller schützenden Maaßregeln, unbrauchbar gemacht. Das gediegenste, gründlichste und sorgfältigst bearbeitete Werk über Nubien und Arabien ist aber das unseres hochverdienten, fleißigen deutschen Landsmanns, Hrn. Dr. Rüppell, dem meine Stimme mit Freuden auf dem Schauplatz seines rastlosen Wirkens das Lob nachruft, das er verdient. Dieser ganz der Wissenschaft lebende Gelehrte hat alle Aufgaben, die er übernommen, meisterlich ausgeführt,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |