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Allgemeine Zeitung. Nr. 66. Augsburg, 6. März 1840.

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Schreiben des Herzogs Paul Wilhelm von Würtemberg aus Nubien.

Nachdem schon mehrfach in der Allg. Zeitung von der Reise Sr. Hoheit des Herzogs Paul Wilhelm von Würtemberg in den Orient, welche der Herzog seit dem Herbst vorigen Jahres angetreten, und namentlich von dessen Aufenthalt in Aegypten, kurze Notizen gegeben worden, sind wir nun im Stande, genauere Nachrichten über die weitere Absicht des Herzogs, den Sennaar zu bereisen, und über den Antritt dieser Reise selbst zu geben. Bekanntlich hat der Herzog schon früher zweimal Amerika, und zwar Westindien, die Ländergebiete des Mississippi und des Missouri bis zu den Felsengebirgen und die Vereinigten Staaten bereist. Der Bericht, welchen derselbe im Jahr 1835 von seiner ersten Reise erstattete, *) ist seitdem rühmlich bekannt geworden. Das naturhistorische und ethnographische Cabinet des Herzogs zu Mergentheim, von seinem hohen Besitzer mit der gründlichen und ausgebreiteten Sachkenntniß des Mannes der Wissenschaft angelegt und geordnet, und mit dem Nachdruck, womit der Fürst sein edles Lieblingsstudium zu verfolgen im Stande ist, fortwährend vermehrt und vervollständigt, steht bereits auf erster Linie unter den Privatcabinetten Europa's, und hat zahlreiche und seltene Ausbeuten von dessen frühern Reisen aufzuweisen. Ein reicher Zuwachs steht ihm von der nunmehrigen bevor. Wir theilen hier einen Auszug aus einem Schreiben des Herzogs aus Nubien mit, dem ersten, welches seit dem Antritt der Weiterreise von Alexandria aus am 18 Febr. in Stuttgart eingelaufen ist.

Derr in Nubien (22° 44' 21'' nördl. Br. Rüpp.), 7 Jan. 1840.

.... "Sie werden mir zürnen, daß ich mein Versprechen, Ihnen von Alexandria aus zu schreiben, nicht hielt. Wenn ich aber überdachte, wie das ewige Einerlei aller Seereisen Sie nur ermüdet hätte, wollte ich Sie mit keinem kahlen Bericht über meine Persönlichkeit und minder interessante Gegenstände gleich nach meiner Ankunft in dem classischen Lande, das der Nil durchströmt, behelligen. Nun, da die Gränzen des eigentlichen Aegyptens schon hinter mir liegen, aus dem entfernten Nubien, welches schon unter dem Einfluß der tropischen Sonne steht, kann ich vielleicht über manches Interessantere ein gediegeneres Urtheil fällen und diese Zeilen mit einigen guten Beobachtungen ergänzen. Der erste Gegenstand, der Ihre Neugierde fesseln kann, ist vielleicht ein gedrängter Bericht über die meteorologischen Erscheinungen, welche das Gebiet des Nils von den ersten Katarakten an abwärts schon seit längerer Zeit den Physikern merkwürdig und rätselhaft erscheinen ließen. Es ist dieß der vielleicht einzige Einfluß eines ganz gleichförmigen Witterungs- und Temperaturverhältnisses durch eine Strecke von acht Breitegraden hindurch, in einem Landstrich, dessen Klima zunächst an das der Tropenzone gränzt, und welcher die organischen Producte der letzteren theilt. Bekanntlich regnet es von hier, dem Anfang der nubischen Wüste an, bis Kairo beinahe niemals, und die im Delta während der Wintermonate beobachteten kurzen Regenschauer sind erst Erscheinungen einer neuern Zeitperiode und von den Physikern noch lange nicht gehörig ergründet. Die Meinung, einige unbedeutende Baumpflanzungen des Vicekönigs in Schubra und anderswo als Ursache annehmen zu können, ist zu oberflächlich, um Eingang zu finden; auch die unter diesem großen Mann eingeführte bessere Bewirthschaftung des Bodens will nichts sagen, denn es gab Perioden in der Geschichte, wo das Nilthal viel bewohnter und angebauter war. Berechnen wir von Assuan, der Gränze Aegyptens an, bis nach den Nilmündungen die Fläche des angebauten Landes auf 10 bis 11 Millionen Morgen tragbaren Landes, welches den periodischen Ueberschwemmungen unterworfen ist, so ist dieß ein Nichts gegen die unermeßlichen Strecken wüsten Landes, welches den großen nordafrikanischen Continent charakteristisch bezeichnen.

Zwischen Assuan (24° 5' 23'' nördl. Br.) und Alexandria (31° 12') findet kein bemerkbarer Unterschied der klimatischen Beschaffenheit statt, denn die Producte von Assuan gedeihen in der Nähe der Nilmündungen gleich gut, und das Erscheinen der Doum (Cucifera thebaica) und des Krokodils geben keinen Beweis für ein milderes Klima, denn letzteres lebte sonst häufig in Unter-Aegypten, und erstere fand v. Schubert in der arabisch-peträischen Halbinsel des sinaitischen Gebirges, viel nördlicher, als wo sie jetzt, am Fuße des Dschebel-Abufoddeh unter 27° 25'' nördl. Br. (bei Scheich-Atieh) zuerst in Aegypten erscheint. Hier war übrigens von jeher die Gränze dieser merkwürdigen Fächerpalme.

Man kann annehmen, daß sowohl in Assuan als in Kairo ein ganz gleicher Mittelstand des Thermometers das ganze Jahr hindurch beobachtet werde. In Kairo (30° 4' oder Thurm der Janitscharen 30° 2' 4'' nördl. Br.) ist die Vegetation ganz die der Tropen, und alle in Schubra und Roda eingeführten Pflanzen von Ost- und Westindien gedeihen vollkommen, obgleich das Thermometer schon bis auf 2° + R. fiel. Assuan wird nicht 350' höher als Kairo liegen, wo die Spitzen des Mokatan sich 350 bis 450 Fuß über das Bett des Nils bei Kairo erheben, und im Gegentheil ist es auf diesen Spitzen Nachts nicht so kalt, als im Nilthal selbst. In Assuan nun fällt, wie zu Kairo, das Thermometer bis 1 1/2° und 2° + R., besonders bei Südostwind, welches merkwürdigerweise der kalteste Wind Ostafrika's ist, und selbst in der nubischen Wüste die nämlichen Erscheinungen verursacht. Ich habe nun die Monate November und December zwischen Alexandria und Assuan zugebracht und folgende Erscheinungen am Thermometer beobachtet, welche mit den jährlichen Beobachtungen aller Beobachter oder Reisenden übereinstimmen. Höchster Stand 26° + im Schatten den 13 und 25 December bei Deir-Adra und Esneh; niedrigster 5° + an mehreren Morgen zu Benisuef, Mimeh, Metagarrah.

Dieß gäbe den Beweis, daß die Entfernung nach Norden keinen Einfluß gewähren kann, denn beim Nordwind hebt sich die nächtliche Temperatur oft um 4 bis 5° gegen die der Nächte, wo der Südost weht. Für die Monate März, April, September und October nimmt man als den höchsten Wärmegrad 28° + R., den niedrigsten 7 bis 8° + an, die mittlere Temperatur ist daher 18° +. Für die Monate Mai bis August höchster Stand 32° + (bei Chamsin), niedrigster 12° + bei Ostwind mittlerer Stand 22° + R.; höchster Stand des ganzen Jahres 32° +, niedrigster 3° +, als Mittelzahlen von zehn Jahren; mittlerer Stand daher durch das ganze Jahr 15° + R. Dieß gilt nun durch ganz Aegypten vom Wendekreis bis zum 31° nördl. Br. nach den Ergebnissen 10jähriger Beobachtungen.

Mit dem Deluc'schen Hygrometer machte ich tägliche Beobachtungen, die recht genügend ausfielen, denn ich fand für die

*) Erste Reise nach dem nördlichen Amerika in den Jahren 1822 bis 1824 von Paul Wilhelm, Herzog von Würtemberg. Stuttgart und Tübingen, J. G. Cotta'sche Buchhandlung 1838. 8.
Schreiben des Herzogs Paul Wilhelm von Würtemberg aus Nubien.

Nachdem schon mehrfach in der Allg. Zeitung von der Reise Sr. Hoheit des Herzogs Paul Wilhelm von Würtemberg in den Orient, welche der Herzog seit dem Herbst vorigen Jahres angetreten, und namentlich von dessen Aufenthalt in Aegypten, kurze Notizen gegeben worden, sind wir nun im Stande, genauere Nachrichten über die weitere Absicht des Herzogs, den Sennaar zu bereisen, und über den Antritt dieser Reise selbst zu geben. Bekanntlich hat der Herzog schon früher zweimal Amerika, und zwar Westindien, die Ländergebiete des Mississippi und des Missouri bis zu den Felsengebirgen und die Vereinigten Staaten bereist. Der Bericht, welchen derselbe im Jahr 1835 von seiner ersten Reise erstattete, *) ist seitdem rühmlich bekannt geworden. Das naturhistorische und ethnographische Cabinet des Herzogs zu Mergentheim, von seinem hohen Besitzer mit der gründlichen und ausgebreiteten Sachkenntniß des Mannes der Wissenschaft angelegt und geordnet, und mit dem Nachdruck, womit der Fürst sein edles Lieblingsstudium zu verfolgen im Stande ist, fortwährend vermehrt und vervollständigt, steht bereits auf erster Linie unter den Privatcabinetten Europa's, und hat zahlreiche und seltene Ausbeuten von dessen frühern Reisen aufzuweisen. Ein reicher Zuwachs steht ihm von der nunmehrigen bevor. Wir theilen hier einen Auszug aus einem Schreiben des Herzogs aus Nubien mit, dem ersten, welches seit dem Antritt der Weiterreise von Alexandria aus am 18 Febr. in Stuttgart eingelaufen ist.

Derr in Nubien (22° 44' 21'' nördl. Br. Rüpp.), 7 Jan. 1840.

.... „Sie werden mir zürnen, daß ich mein Versprechen, Ihnen von Alexandria aus zu schreiben, nicht hielt. Wenn ich aber überdachte, wie das ewige Einerlei aller Seereisen Sie nur ermüdet hätte, wollte ich Sie mit keinem kahlen Bericht über meine Persönlichkeit und minder interessante Gegenstände gleich nach meiner Ankunft in dem classischen Lande, das der Nil durchströmt, behelligen. Nun, da die Gränzen des eigentlichen Aegyptens schon hinter mir liegen, aus dem entfernten Nubien, welches schon unter dem Einfluß der tropischen Sonne steht, kann ich vielleicht über manches Interessantere ein gediegeneres Urtheil fällen und diese Zeilen mit einigen guten Beobachtungen ergänzen. Der erste Gegenstand, der Ihre Neugierde fesseln kann, ist vielleicht ein gedrängter Bericht über die meteorologischen Erscheinungen, welche das Gebiet des Nils von den ersten Katarakten an abwärts schon seit längerer Zeit den Physikern merkwürdig und rätselhaft erscheinen ließen. Es ist dieß der vielleicht einzige Einfluß eines ganz gleichförmigen Witterungs- und Temperaturverhältnisses durch eine Strecke von acht Breitegraden hindurch, in einem Landstrich, dessen Klima zunächst an das der Tropenzone gränzt, und welcher die organischen Producte der letzteren theilt. Bekanntlich regnet es von hier, dem Anfang der nubischen Wüste an, bis Kairo beinahe niemals, und die im Delta während der Wintermonate beobachteten kurzen Regenschauer sind erst Erscheinungen einer neuern Zeitperiode und von den Physikern noch lange nicht gehörig ergründet. Die Meinung, einige unbedeutende Baumpflanzungen des Vicekönigs in Schubra und anderswo als Ursache annehmen zu können, ist zu oberflächlich, um Eingang zu finden; auch die unter diesem großen Mann eingeführte bessere Bewirthschaftung des Bodens will nichts sagen, denn es gab Perioden in der Geschichte, wo das Nilthal viel bewohnter und angebauter war. Berechnen wir von Assuan, der Gränze Aegyptens an, bis nach den Nilmündungen die Fläche des angebauten Landes auf 10 bis 11 Millionen Morgen tragbaren Landes, welches den periodischen Ueberschwemmungen unterworfen ist, so ist dieß ein Nichts gegen die unermeßlichen Strecken wüsten Landes, welches den großen nordafrikanischen Continent charakteristisch bezeichnen.

Zwischen Assuan (24° 5' 23'' nördl. Br.) und Alexandria (31° 12') findet kein bemerkbarer Unterschied der klimatischen Beschaffenheit statt, denn die Producte von Assuan gedeihen in der Nähe der Nilmündungen gleich gut, und das Erscheinen der Doum (Cucifera thebaica) und des Krokodils geben keinen Beweis für ein milderes Klima, denn letzteres lebte sonst häufig in Unter-Aegypten, und erstere fand v. Schubert in der arabisch-peträischen Halbinsel des sinaitischen Gebirges, viel nördlicher, als wo sie jetzt, am Fuße des Dschebel-Abufoddéh unter 27° 25'' nördl. Br. (bei Scheich-Atieh) zuerst in Aegypten erscheint. Hier war übrigens von jeher die Gränze dieser merkwürdigen Fächerpalme.

Man kann annehmen, daß sowohl in Assuan als in Kairo ein ganz gleicher Mittelstand des Thermometers das ganze Jahr hindurch beobachtet werde. In Kairo (30° 4' oder Thurm der Janitscharen 30° 2' 4'' nördl. Br.) ist die Vegetation ganz die der Tropen, und alle in Schubra und Roda eingeführten Pflanzen von Ost- und Westindien gedeihen vollkommen, obgleich das Thermometer schon bis auf 2° + R. fiel. Assuan wird nicht 350' höher als Kairo liegen, wo die Spitzen des Mokatan sich 350 bis 450 Fuß über das Bett des Nils bei Kairo erheben, und im Gegentheil ist es auf diesen Spitzen Nachts nicht so kalt, als im Nilthal selbst. In Assuan nun fällt, wie zu Kairo, das Thermometer bis 1 1/2° und 2° + R., besonders bei Südostwind, welches merkwürdigerweise der kalteste Wind Ostafrika's ist, und selbst in der nubischen Wüste die nämlichen Erscheinungen verursacht. Ich habe nun die Monate November und December zwischen Alexandria und Assuan zugebracht und folgende Erscheinungen am Thermometer beobachtet, welche mit den jährlichen Beobachtungen aller Beobachter oder Reisenden übereinstimmen. Höchster Stand 26° + im Schatten den 13 und 25 December bei Deir-Adra und Esnéh; niedrigster 5° + an mehreren Morgen zu Benisuef, Miméh, Metagarráh.

Dieß gäbe den Beweis, daß die Entfernung nach Norden keinen Einfluß gewähren kann, denn beim Nordwind hebt sich die nächtliche Temperatur oft um 4 bis 5° gegen die der Nächte, wo der Südost weht. Für die Monate März, April, September und October nimmt man als den höchsten Wärmegrad 28° + R., den niedrigsten 7 bis 8° + an, die mittlere Temperatur ist daher 18° +. Für die Monate Mai bis August höchster Stand 32° + (bei Chamsin), niedrigster 12° + bei Ostwind mittlerer Stand 22° + R.; höchster Stand des ganzen Jahres 32° +, niedrigster 3° +, als Mittelzahlen von zehn Jahren; mittlerer Stand daher durch das ganze Jahr 15° + R. Dieß gilt nun durch ganz Aegypten vom Wendekreis bis zum 31° nördl. Br. nach den Ergebnissen 10jähriger Beobachtungen.

Mit dem Deluc'schen Hygrometer machte ich tägliche Beobachtungen, die recht genügend ausfielen, denn ich fand für die

*) Erste Reise nach dem nördlichen Amerika in den Jahren 1822 bis 1824 von Paul Wilhelm, Herzog von Würtemberg. Stuttgart und Tübingen, J. G. Cotta'sche Buchhandlung 1838. 8.
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[0521/0009] Schreiben des Herzogs Paul Wilhelm von Würtemberg aus Nubien. Nachdem schon mehrfach in der Allg. Zeitung von der Reise Sr. Hoheit des Herzogs Paul Wilhelm von Würtemberg in den Orient, welche der Herzog seit dem Herbst vorigen Jahres angetreten, und namentlich von dessen Aufenthalt in Aegypten, kurze Notizen gegeben worden, sind wir nun im Stande, genauere Nachrichten über die weitere Absicht des Herzogs, den Sennaar zu bereisen, und über den Antritt dieser Reise selbst zu geben. Bekanntlich hat der Herzog schon früher zweimal Amerika, und zwar Westindien, die Ländergebiete des Mississippi und des Missouri bis zu den Felsengebirgen und die Vereinigten Staaten bereist. Der Bericht, welchen derselbe im Jahr 1835 von seiner ersten Reise erstattete, *) ist seitdem rühmlich bekannt geworden. Das naturhistorische und ethnographische Cabinet des Herzogs zu Mergentheim, von seinem hohen Besitzer mit der gründlichen und ausgebreiteten Sachkenntniß des Mannes der Wissenschaft angelegt und geordnet, und mit dem Nachdruck, womit der Fürst sein edles Lieblingsstudium zu verfolgen im Stande ist, fortwährend vermehrt und vervollständigt, steht bereits auf erster Linie unter den Privatcabinetten Europa's, und hat zahlreiche und seltene Ausbeuten von dessen frühern Reisen aufzuweisen. Ein reicher Zuwachs steht ihm von der nunmehrigen bevor. Wir theilen hier einen Auszug aus einem Schreiben des Herzogs aus Nubien mit, dem ersten, welches seit dem Antritt der Weiterreise von Alexandria aus am 18 Febr. in Stuttgart eingelaufen ist. Derr in Nubien (22° 44' 21'' nördl. Br. Rüpp.), 7 Jan. 1840. .... „Sie werden mir zürnen, daß ich mein Versprechen, Ihnen von Alexandria aus zu schreiben, nicht hielt. Wenn ich aber überdachte, wie das ewige Einerlei aller Seereisen Sie nur ermüdet hätte, wollte ich Sie mit keinem kahlen Bericht über meine Persönlichkeit und minder interessante Gegenstände gleich nach meiner Ankunft in dem classischen Lande, das der Nil durchströmt, behelligen. Nun, da die Gränzen des eigentlichen Aegyptens schon hinter mir liegen, aus dem entfernten Nubien, welches schon unter dem Einfluß der tropischen Sonne steht, kann ich vielleicht über manches Interessantere ein gediegeneres Urtheil fällen und diese Zeilen mit einigen guten Beobachtungen ergänzen. Der erste Gegenstand, der Ihre Neugierde fesseln kann, ist vielleicht ein gedrängter Bericht über die meteorologischen Erscheinungen, welche das Gebiet des Nils von den ersten Katarakten an abwärts schon seit längerer Zeit den Physikern merkwürdig und rätselhaft erscheinen ließen. Es ist dieß der vielleicht einzige Einfluß eines ganz gleichförmigen Witterungs- und Temperaturverhältnisses durch eine Strecke von acht Breitegraden hindurch, in einem Landstrich, dessen Klima zunächst an das der Tropenzone gränzt, und welcher die organischen Producte der letzteren theilt. Bekanntlich regnet es von hier, dem Anfang der nubischen Wüste an, bis Kairo beinahe niemals, und die im Delta während der Wintermonate beobachteten kurzen Regenschauer sind erst Erscheinungen einer neuern Zeitperiode und von den Physikern noch lange nicht gehörig ergründet. Die Meinung, einige unbedeutende Baumpflanzungen des Vicekönigs in Schubra und anderswo als Ursache annehmen zu können, ist zu oberflächlich, um Eingang zu finden; auch die unter diesem großen Mann eingeführte bessere Bewirthschaftung des Bodens will nichts sagen, denn es gab Perioden in der Geschichte, wo das Nilthal viel bewohnter und angebauter war. Berechnen wir von Assuan, der Gränze Aegyptens an, bis nach den Nilmündungen die Fläche des angebauten Landes auf 10 bis 11 Millionen Morgen tragbaren Landes, welches den periodischen Ueberschwemmungen unterworfen ist, so ist dieß ein Nichts gegen die unermeßlichen Strecken wüsten Landes, welches den großen nordafrikanischen Continent charakteristisch bezeichnen. Zwischen Assuan (24° 5' 23'' nördl. Br.) und Alexandria (31° 12') findet kein bemerkbarer Unterschied der klimatischen Beschaffenheit statt, denn die Producte von Assuan gedeihen in der Nähe der Nilmündungen gleich gut, und das Erscheinen der Doum (Cucifera thebaica) und des Krokodils geben keinen Beweis für ein milderes Klima, denn letzteres lebte sonst häufig in Unter-Aegypten, und erstere fand v. Schubert in der arabisch-peträischen Halbinsel des sinaitischen Gebirges, viel nördlicher, als wo sie jetzt, am Fuße des Dschebel-Abufoddéh unter 27° 25'' nördl. Br. (bei Scheich-Atieh) zuerst in Aegypten erscheint. Hier war übrigens von jeher die Gränze dieser merkwürdigen Fächerpalme. Man kann annehmen, daß sowohl in Assuan als in Kairo ein ganz gleicher Mittelstand des Thermometers das ganze Jahr hindurch beobachtet werde. In Kairo (30° 4' oder Thurm der Janitscharen 30° 2' 4'' nördl. Br.) ist die Vegetation ganz die der Tropen, und alle in Schubra und Roda eingeführten Pflanzen von Ost- und Westindien gedeihen vollkommen, obgleich das Thermometer schon bis auf 2° + R. fiel. Assuan wird nicht 350' höher als Kairo liegen, wo die Spitzen des Mokatan sich 350 bis 450 Fuß über das Bett des Nils bei Kairo erheben, und im Gegentheil ist es auf diesen Spitzen Nachts nicht so kalt, als im Nilthal selbst. In Assuan nun fällt, wie zu Kairo, das Thermometer bis 1 1/2° und 2° + R., besonders bei Südostwind, welches merkwürdigerweise der kalteste Wind Ostafrika's ist, und selbst in der nubischen Wüste die nämlichen Erscheinungen verursacht. Ich habe nun die Monate November und December zwischen Alexandria und Assuan zugebracht und folgende Erscheinungen am Thermometer beobachtet, welche mit den jährlichen Beobachtungen aller Beobachter oder Reisenden übereinstimmen. Höchster Stand 26° + im Schatten den 13 und 25 December bei Deir-Adra und Esnéh; niedrigster 5° + an mehreren Morgen zu Benisuef, Miméh, Metagarráh. Dieß gäbe den Beweis, daß die Entfernung nach Norden keinen Einfluß gewähren kann, denn beim Nordwind hebt sich die nächtliche Temperatur oft um 4 bis 5° gegen die der Nächte, wo der Südost weht. Für die Monate März, April, September und October nimmt man als den höchsten Wärmegrad 28° + R., den niedrigsten 7 bis 8° + an, die mittlere Temperatur ist daher 18° +. Für die Monate Mai bis August höchster Stand 32° + (bei Chamsin), niedrigster 12° + bei Ostwind mittlerer Stand 22° + R.; höchster Stand des ganzen Jahres 32° +, niedrigster 3° +, als Mittelzahlen von zehn Jahren; mittlerer Stand daher durch das ganze Jahr 15° + R. Dieß gilt nun durch ganz Aegypten vom Wendekreis bis zum 31° nördl. Br. nach den Ergebnissen 10jähriger Beobachtungen. Mit dem Deluc'schen Hygrometer machte ich tägliche Beobachtungen, die recht genügend ausfielen, denn ich fand für die *) Erste Reise nach dem nördlichen Amerika in den Jahren 1822 bis 1824 von Paul Wilhelm, Herzog von Würtemberg. Stuttgart und Tübingen, J. G. Cotta'sche Buchhandlung 1838. 8.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 66. Augsburg, 6. März 1840, S. 0521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_066_18400306/9>, abgerufen am 27.04.2024.