Allgemeine Zeitung. Nr. 66. Augsburg, 6. März 1840. Osnabrück, 28 Febr. Das aus 27 Mitgliedern (9 Rathsmitgliedern, 4 Alterleuten und 14 Wahlmännern) bestehende Wahlcollegium der Stadt Osnabrück hat heute einstimmig beschlossen: einen Deputirten zu der auf den 19 März einberufenen Ständeversammlung nicht zu wählen - vielmehr falls diese Versammlung zusammenträte, derselben einen Protest gegen alle ihre Beschlüsse einzureichen - deßgleichen auch dem durchl. deutschen Bunde einen Protest gegen die Beschlüsse dieser Versammlung zukommen zu lassen. Preußen. Berlin, 1 März. Nachrichten aus St. Petersburg zufolge wird Hr. v. Brunnow vorerst London nicht verlassen. Andrerseits wird Graf Pahlen nicht nach Paris zurückkehren, sondern erst abwarten, bis die zwischen dem St. Petersburger und dem Pariser Hofe eingetretenen Differenzen völlig aufgeklärt und erläutert sind. Sollte das jetzige französische Ministerium abtreten, wozu viel Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, so dürfte es nicht schwer halten, den üblen Eindruck zu verwischen, den der letzte Notenwechsel verursacht hat. Da derselbe hervorgerufen wurde durch die Aeußerungen des Marschalls Soult in Betreff des Paragraphs über Polen, so wären nach dem Austritte Soults aus dem Ministerium die Mißhelligkeiten wohl leichter zu beseitigen. - Nach Briefen aus St. Petersburg zu urtheilen, scheint das russische Heer, welches nach Khiwa beordert ist, auf viele Hindernisse zu stoßen, die das Klima und überhaupt die Natur der dortigen Länder bereitet. Die große Kälte, welche die Truppen und die Saumthiere zu erdulden hatten, veranlaßte viele Krankheiten und großen Mangel an Subsistenzmitteln. Man hatte jedoch Bedacht darauf genommen, diesem Uebel schnell abzuhelfen, und sobald dieß geschehen, werden die Operationen mit gedoppelter Kraft wieder beginnen. Aegypten und Persien. Die Londoner Blätter haben Correspondenzen aus Konstantinopel und Alexandria bis zum 6 Febr. "Erstere," sagt das M. Chronicle, "sprechen von dem Eigensinn des Schah von Persien und seinem hartnäckigen Vorsatz, sich mit Khiwa und Bokhara, mit Dost Mohammed und dem Sultan Kamran gegen die Engländer zu verbünden. Rußland soll ihn zu diesem Bündniß angespornt haben, aber wenn dieß der Fall wäre, dann würde Rußland durch seinen Marsch gegen Khiwa sein eigenes Werk wieder verderben. Es ist eine unnütze Mühe, die Gründe aufsuchen zu wollen, warum morgenländische Fürsten gerade diese oder jene Politik befolgen. Thorheit, Laune oder das Wort eines Wahrsagers haben dabei oft mehr Einfluß, als Voraussicht und Berechnung. Der junge Schah von Persien scheint ein unruhiger, leidenschaftlicher, händelsüchtiger Charakter zu seyn - ein Charakter, der, an der Spitze eines schwachen Reiches stehend, wahrscheinlich sich selbst oder dieses ins Verderben stürzen wird. Ein solcher Fürst hat keine russischen Rathschläge vonnöthen, um ihn auf seiner Bahn der Thorheit vorwärts zu treiben. Ein Abgesandter von ihm ist, wie wir sehen, mit prächtigen Geschenken in Alexandria angekommen. Was Mehemed Ali betrifft, so muß er aus den letzten französischen Depeschen klärlich ersehen haben, daß es Wahnsinn von ihm seyn würde, wenn er sich gegen den festen Beschluß der Mehrheit der europäischen Mächte auflehnen wollte. Frankreich macht zwar den Beschützer des Pascha, wird ihn aber schwerlich in einem unsinnigen Kreuzzug unterstützen. Wir hegen die Hoffnung, daß eine gesunde und billige Gesinnung endlich durchdringen und eine befriedigende Ausgleichung zu Stande bringen werde." Der Alexandrinische Correspondent des M. Chronicle spricht von der Ankunft wichtiger Depeschen aus Toulon, über deren Inhalt aber nichts Näheres verlaute, und über die große Sensation, welche Hrn. Thiers' Rede an dem viceköniglichen Hofe erregt habe. "Mittlerweile," heißt es weiter, "setzt der Pascha seine Kriegsrüstungen fort. 2000 Falstaffische Recruten werden unter dem Namen der Alexandrinischen Nationalgarde jeden Morgen hinter dem Fort der Vorstadt Kemeldik exercirt. Bis jetzt haben sie weder Uniformen noch Flinten, sondern marschiren in ihren langen blauen Hemden herum, die erbarmungswürdigsten Vogelscheuchen, die ich je gesehen. Die Beduinen treffen allmählich ein, und nehmen ihre Stellungen längs der Küste. Sie behaupten, die von dem Pascha geforderten 180,000 Mann aufbringen zu können; indeß wird es schon viel seyn, wenn sie 60,000 Mann liefern, was dann immerhin eine ansehnliche Streitmacht ist. In Kahira steht jetzt ein beträchtliches Corps Arnauten, mit Flinten, Yatagen und Pistolen bewaffnet. Zudem soll die Stadt Kahira eine Nationalmiliz von 18,000 Mann aufstellen, die Amin Aga, ein arabischer Kaufmann, commandiren wird. 3000 türkische Gefangene von der Schlacht bei Nisib sind jetzt unterwegs nach dem Hedschas, wo Selim Pascha ein Gefangener in den Händen der zwischen Medina und Yambo hausenden Araber seyn soll." Osnabrück, 28 Febr. Das aus 27 Mitgliedern (9 Rathsmitgliedern, 4 Alterleuten und 14 Wahlmännern) bestehende Wahlcollegium der Stadt Osnabrück hat heute einstimmig beschlossen: einen Deputirten zu der auf den 19 März einberufenen Ständeversammlung nicht zu wählen – vielmehr falls diese Versammlung zusammenträte, derselben einen Protest gegen alle ihre Beschlüsse einzureichen – deßgleichen auch dem durchl. deutschen Bunde einen Protest gegen die Beschlüsse dieser Versammlung zukommen zu lassen. Preußen. Berlin, 1 März. Nachrichten aus St. Petersburg zufolge wird Hr. v. Brunnow vorerst London nicht verlassen. Andrerseits wird Graf Pahlen nicht nach Paris zurückkehren, sondern erst abwarten, bis die zwischen dem St. Petersburger und dem Pariser Hofe eingetretenen Differenzen völlig aufgeklärt und erläutert sind. Sollte das jetzige französische Ministerium abtreten, wozu viel Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, so dürfte es nicht schwer halten, den üblen Eindruck zu verwischen, den der letzte Notenwechsel verursacht hat. Da derselbe hervorgerufen wurde durch die Aeußerungen des Marschalls Soult in Betreff des Paragraphs über Polen, so wären nach dem Austritte Soults aus dem Ministerium die Mißhelligkeiten wohl leichter zu beseitigen. – Nach Briefen aus St. Petersburg zu urtheilen, scheint das russische Heer, welches nach Khiwa beordert ist, auf viele Hindernisse zu stoßen, die das Klima und überhaupt die Natur der dortigen Länder bereitet. Die große Kälte, welche die Truppen und die Saumthiere zu erdulden hatten, veranlaßte viele Krankheiten und großen Mangel an Subsistenzmitteln. Man hatte jedoch Bedacht darauf genommen, diesem Uebel schnell abzuhelfen, und sobald dieß geschehen, werden die Operationen mit gedoppelter Kraft wieder beginnen. Aegypten und Persien. Die Londoner Blätter haben Correspondenzen aus Konstantinopel und Alexandria bis zum 6 Febr. „Erstere,“ sagt das M. Chronicle, „sprechen von dem Eigensinn des Schah von Persien und seinem hartnäckigen Vorsatz, sich mit Khiwa und Bokhara, mit Dost Mohammed und dem Sultan Kamran gegen die Engländer zu verbünden. Rußland soll ihn zu diesem Bündniß angespornt haben, aber wenn dieß der Fall wäre, dann würde Rußland durch seinen Marsch gegen Khiwa sein eigenes Werk wieder verderben. Es ist eine unnütze Mühe, die Gründe aufsuchen zu wollen, warum morgenländische Fürsten gerade diese oder jene Politik befolgen. Thorheit, Laune oder das Wort eines Wahrsagers haben dabei oft mehr Einfluß, als Voraussicht und Berechnung. Der junge Schah von Persien scheint ein unruhiger, leidenschaftlicher, händelsüchtiger Charakter zu seyn – ein Charakter, der, an der Spitze eines schwachen Reiches stehend, wahrscheinlich sich selbst oder dieses ins Verderben stürzen wird. Ein solcher Fürst hat keine russischen Rathschläge vonnöthen, um ihn auf seiner Bahn der Thorheit vorwärts zu treiben. Ein Abgesandter von ihm ist, wie wir sehen, mit prächtigen Geschenken in Alexandria angekommen. Was Mehemed Ali betrifft, so muß er aus den letzten französischen Depeschen klärlich ersehen haben, daß es Wahnsinn von ihm seyn würde, wenn er sich gegen den festen Beschluß der Mehrheit der europäischen Mächte auflehnen wollte. Frankreich macht zwar den Beschützer des Pascha, wird ihn aber schwerlich in einem unsinnigen Kreuzzug unterstützen. Wir hegen die Hoffnung, daß eine gesunde und billige Gesinnung endlich durchdringen und eine befriedigende Ausgleichung zu Stande bringen werde.“ Der Alexandrinische Correspondent des M. Chronicle spricht von der Ankunft wichtiger Depeschen aus Toulon, über deren Inhalt aber nichts Näheres verlaute, und über die große Sensation, welche Hrn. Thiers' Rede an dem viceköniglichen Hofe erregt habe. „Mittlerweile,“ heißt es weiter, „setzt der Pascha seine Kriegsrüstungen fort. 2000 Falstaffische Recruten werden unter dem Namen der Alexandrinischen Nationalgarde jeden Morgen hinter dem Fort der Vorstadt Kemeldik exercirt. Bis jetzt haben sie weder Uniformen noch Flinten, sondern marschiren in ihren langen blauen Hemden herum, die erbarmungswürdigsten Vogelscheuchen, die ich je gesehen. Die Beduinen treffen allmählich ein, und nehmen ihre Stellungen längs der Küste. Sie behaupten, die von dem Pascha geforderten 180,000 Mann aufbringen zu können; indeß wird es schon viel seyn, wenn sie 60,000 Mann liefern, was dann immerhin eine ansehnliche Streitmacht ist. In Kahira steht jetzt ein beträchtliches Corps Arnauten, mit Flinten, Yatagen und Pistolen bewaffnet. Zudem soll die Stadt Kahira eine Nationalmiliz von 18,000 Mann aufstellen, die Amin Aga, ein arabischer Kaufmann, commandiren wird. 3000 türkische Gefangene von der Schlacht bei Nisib sind jetzt unterwegs nach dem Hedschas, wo Selim Pascha ein Gefangener in den Händen der zwischen Medina und Yambo hausenden Araber seyn soll.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0008" n="0528"/> <div n="2"> <byline> <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Osnabrück,</hi> 28 Febr.</dateline> <p> Das aus 27 Mitgliedern (9 Rathsmitgliedern, 4 Alterleuten und 14 Wahlmännern) bestehende Wahlcollegium der Stadt Osnabrück hat heute <hi rendition="#g">einstimmig</hi> beschlossen: einen Deputirten zu der auf den 19 März einberufenen Ständeversammlung nicht zu wählen – vielmehr falls diese Versammlung zusammenträte, derselben einen Protest gegen alle ihre Beschlüsse einzureichen – deßgleichen auch dem durchl. deutschen Bunde einen Protest gegen die Beschlüsse dieser Versammlung zukommen zu lassen.</p><lb/> </div> </div> <div type="jArticle" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Preußen.</hi> </head><lb/> <div n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Berlin,</hi> 1 März.</dateline> <p> Nachrichten aus St. Petersburg zufolge wird Hr. v. 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Die große Kälte, welche die Truppen und die Saumthiere zu erdulden hatten, veranlaßte viele Krankheiten und großen Mangel an Subsistenzmitteln. Man hatte jedoch Bedacht darauf genommen, diesem Uebel schnell abzuhelfen, und sobald dieß geschehen, werden die Operationen mit gedoppelter Kraft wieder beginnen.</p> </div> </div><lb/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Aegypten und Persien.</hi> </head><lb/> <p>Die Londoner Blätter haben Correspondenzen aus <hi rendition="#b">Konstantinopel</hi> und <hi rendition="#b">Alexandria</hi> bis zum 6 Febr. „Erstere,“ sagt das M. <hi rendition="#g">Chronicle</hi>, „sprechen von dem Eigensinn des Schah von Persien und seinem hartnäckigen Vorsatz, sich mit Khiwa und Bokhara, mit Dost Mohammed und dem Sultan Kamran gegen die Engländer zu verbünden. Rußland soll ihn zu diesem Bündniß angespornt haben, aber wenn dieß der Fall wäre, dann würde Rußland durch seinen Marsch gegen Khiwa sein eigenes Werk wieder verderben. Es ist eine unnütze Mühe, die Gründe aufsuchen zu wollen, warum morgenländische Fürsten gerade diese oder jene Politik befolgen. Thorheit, Laune oder das Wort eines Wahrsagers haben dabei oft mehr Einfluß, als Voraussicht und Berechnung. Der junge Schah von Persien scheint ein unruhiger, leidenschaftlicher, händelsüchtiger Charakter zu seyn – ein Charakter, der, an der Spitze eines schwachen Reiches stehend, wahrscheinlich sich selbst oder dieses ins Verderben stürzen wird. Ein solcher Fürst hat keine russischen Rathschläge vonnöthen, um ihn auf seiner Bahn der Thorheit vorwärts zu treiben. Ein Abgesandter von ihm ist, wie wir sehen, mit prächtigen Geschenken in Alexandria angekommen. Was Mehemed Ali betrifft, so muß er aus den letzten französischen Depeschen klärlich ersehen haben, daß es Wahnsinn von ihm seyn würde, wenn er sich gegen den festen Beschluß der Mehrheit der europäischen Mächte auflehnen wollte. Frankreich macht zwar den Beschützer des Pascha, wird ihn aber schwerlich in einem unsinnigen Kreuzzug unterstützen. Wir hegen die Hoffnung, daß eine gesunde und billige Gesinnung endlich durchdringen und eine befriedigende Ausgleichung zu Stande bringen werde.“</p><lb/> <p>Der Alexandrinische Correspondent des M. <hi rendition="#g">Chronicle</hi> spricht von der Ankunft wichtiger Depeschen aus Toulon, über deren Inhalt aber nichts Näheres verlaute, und über die große Sensation, welche Hrn. Thiers' Rede an dem viceköniglichen Hofe erregt habe. „Mittlerweile,“ heißt es weiter, „setzt der Pascha seine Kriegsrüstungen fort. 2000 Falstaffische Recruten werden unter dem Namen der Alexandrinischen Nationalgarde jeden Morgen hinter dem Fort der Vorstadt Kemeldik exercirt. Bis jetzt haben sie weder Uniformen noch Flinten, sondern marschiren in ihren langen blauen Hemden herum, die erbarmungswürdigsten Vogelscheuchen, die ich je gesehen. Die Beduinen treffen allmählich ein, und nehmen ihre Stellungen längs der Küste. Sie behaupten, die von dem Pascha geforderten 180,000 Mann aufbringen zu können; indeß wird es schon viel seyn, wenn sie 60,000 Mann liefern, was dann immerhin eine ansehnliche Streitmacht ist. In Kahira steht jetzt ein beträchtliches Corps Arnauten, mit Flinten, Yatagen und Pistolen bewaffnet. Zudem soll die Stadt Kahira eine Nationalmiliz von 18,000 Mann aufstellen, die Amin Aga, ein arabischer Kaufmann, commandiren wird. 3000 türkische Gefangene von der Schlacht bei Nisib sind jetzt unterwegs nach dem Hedschas, wo Selim Pascha ein Gefangener in den Händen der zwischen Medina und Yambo hausenden Araber seyn soll.“</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0528/0008]
_ Osnabrück, 28 Febr. Das aus 27 Mitgliedern (9 Rathsmitgliedern, 4 Alterleuten und 14 Wahlmännern) bestehende Wahlcollegium der Stadt Osnabrück hat heute einstimmig beschlossen: einen Deputirten zu der auf den 19 März einberufenen Ständeversammlung nicht zu wählen – vielmehr falls diese Versammlung zusammenträte, derselben einen Protest gegen alle ihre Beschlüsse einzureichen – deßgleichen auch dem durchl. deutschen Bunde einen Protest gegen die Beschlüsse dieser Versammlung zukommen zu lassen.
Preußen.
_ Berlin, 1 März. Nachrichten aus St. Petersburg zufolge wird Hr. v. Brunnow vorerst London nicht verlassen. Andrerseits wird Graf Pahlen nicht nach Paris zurückkehren, sondern erst abwarten, bis die zwischen dem St. Petersburger und dem Pariser Hofe eingetretenen Differenzen völlig aufgeklärt und erläutert sind. Sollte das jetzige französische Ministerium abtreten, wozu viel Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, so dürfte es nicht schwer halten, den üblen Eindruck zu verwischen, den der letzte Notenwechsel verursacht hat. Da derselbe hervorgerufen wurde durch die Aeußerungen des Marschalls Soult in Betreff des Paragraphs über Polen, so wären nach dem Austritte Soults aus dem Ministerium die Mißhelligkeiten wohl leichter zu beseitigen. – Nach Briefen aus St. Petersburg zu urtheilen, scheint das russische Heer, welches nach Khiwa beordert ist, auf viele Hindernisse zu stoßen, die das Klima und überhaupt die Natur der dortigen Länder bereitet. Die große Kälte, welche die Truppen und die Saumthiere zu erdulden hatten, veranlaßte viele Krankheiten und großen Mangel an Subsistenzmitteln. Man hatte jedoch Bedacht darauf genommen, diesem Uebel schnell abzuhelfen, und sobald dieß geschehen, werden die Operationen mit gedoppelter Kraft wieder beginnen.
Aegypten und Persien.
Die Londoner Blätter haben Correspondenzen aus Konstantinopel und Alexandria bis zum 6 Febr. „Erstere,“ sagt das M. Chronicle, „sprechen von dem Eigensinn des Schah von Persien und seinem hartnäckigen Vorsatz, sich mit Khiwa und Bokhara, mit Dost Mohammed und dem Sultan Kamran gegen die Engländer zu verbünden. Rußland soll ihn zu diesem Bündniß angespornt haben, aber wenn dieß der Fall wäre, dann würde Rußland durch seinen Marsch gegen Khiwa sein eigenes Werk wieder verderben. Es ist eine unnütze Mühe, die Gründe aufsuchen zu wollen, warum morgenländische Fürsten gerade diese oder jene Politik befolgen. Thorheit, Laune oder das Wort eines Wahrsagers haben dabei oft mehr Einfluß, als Voraussicht und Berechnung. Der junge Schah von Persien scheint ein unruhiger, leidenschaftlicher, händelsüchtiger Charakter zu seyn – ein Charakter, der, an der Spitze eines schwachen Reiches stehend, wahrscheinlich sich selbst oder dieses ins Verderben stürzen wird. Ein solcher Fürst hat keine russischen Rathschläge vonnöthen, um ihn auf seiner Bahn der Thorheit vorwärts zu treiben. Ein Abgesandter von ihm ist, wie wir sehen, mit prächtigen Geschenken in Alexandria angekommen. Was Mehemed Ali betrifft, so muß er aus den letzten französischen Depeschen klärlich ersehen haben, daß es Wahnsinn von ihm seyn würde, wenn er sich gegen den festen Beschluß der Mehrheit der europäischen Mächte auflehnen wollte. Frankreich macht zwar den Beschützer des Pascha, wird ihn aber schwerlich in einem unsinnigen Kreuzzug unterstützen. Wir hegen die Hoffnung, daß eine gesunde und billige Gesinnung endlich durchdringen und eine befriedigende Ausgleichung zu Stande bringen werde.“
Der Alexandrinische Correspondent des M. Chronicle spricht von der Ankunft wichtiger Depeschen aus Toulon, über deren Inhalt aber nichts Näheres verlaute, und über die große Sensation, welche Hrn. Thiers' Rede an dem viceköniglichen Hofe erregt habe. „Mittlerweile,“ heißt es weiter, „setzt der Pascha seine Kriegsrüstungen fort. 2000 Falstaffische Recruten werden unter dem Namen der Alexandrinischen Nationalgarde jeden Morgen hinter dem Fort der Vorstadt Kemeldik exercirt. Bis jetzt haben sie weder Uniformen noch Flinten, sondern marschiren in ihren langen blauen Hemden herum, die erbarmungswürdigsten Vogelscheuchen, die ich je gesehen. Die Beduinen treffen allmählich ein, und nehmen ihre Stellungen längs der Küste. Sie behaupten, die von dem Pascha geforderten 180,000 Mann aufbringen zu können; indeß wird es schon viel seyn, wenn sie 60,000 Mann liefern, was dann immerhin eine ansehnliche Streitmacht ist. In Kahira steht jetzt ein beträchtliches Corps Arnauten, mit Flinten, Yatagen und Pistolen bewaffnet. Zudem soll die Stadt Kahira eine Nationalmiliz von 18,000 Mann aufstellen, die Amin Aga, ein arabischer Kaufmann, commandiren wird. 3000 türkische Gefangene von der Schlacht bei Nisib sind jetzt unterwegs nach dem Hedschas, wo Selim Pascha ein Gefangener in den Händen der zwischen Medina und Yambo hausenden Araber seyn soll.“
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