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Allgemeine Zeitung. Nr. 64. Augsburg, 4. März 1840.

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Ausrufungen, vermischt mit Mißtönen aller Art, füllten den Saal einige Minuten lang. Als die Schreier endlich außer Athem kamen, faßte Turney neuen Muth: "Hr. Vorsitzer! Mitbürger! so kann es nicht lange fortgehen. Wir müssen Ordnung haben, oder es gibt hier auf dem Capitol eine Schlägerei. Soll die Frage durch ein Gefecht entschieden werden, je eher desto besser." Da sprang Hr. Stanley aus Süd-Carolina von seinem Sitz auf, rannte auf Turney los, hielt ihm die geballte Faust vors Gesicht und schrie: "Verdammt seyen Eure Augen (Damn your eyes)! Wenn das Euer Spiel ist, so habt Ihr's mit mir aufzunehmen." Hr. Duncan versuchte zu sprechen, aber das Schreien und Brüllen übertönte seine Stimme: "Stopft dem betrunkenen Narren das Maul! Verdammt sey der Troßjunge, werft ihn hinaus!" Duncan ließ sich nicht vertreiben, aber Rice Garland brüllte: "Wer zum T - l mag Eure Anmaßung dulden, Ihr feiger Schurke, Ihr miserabler Lügner, setzt euch, Ihr Sohn einer -." Da erhob sich Bell, und äußerte zu seinen Nachbarn: "Das ist zu toll und zu teuflisch. Duncan ist ein armer Bursche, Garland sollte ihn nicht so angreifen. Will der Bursche fechten? Hr. Vorsitzer, so darf es nicht fortgehen. Wenn wir keine Achtung haben vor uns selbst oder vor einander, so laßt uns doch so viel Achtung vor unsern Wählern zeigen, daß wir Scenen, wie diese vermeiden. Ich rufe zur Ordnung, Sir!" Neue Verwirrung, und es schien sich Alles in einen allgemeinen Tumult auflösen zu wollen, bis es endlich einigen Mitgliedern gelang, den Sturm in etwas zu beschwören! - Der englische Standard macht zu dieser Schilderung die Nutzanwendung, wenn allgemeines Stimmrecht und einjährige Parlamente in England eingeführt würden, so würde dieses bald eine ähnliche Sorte von Repräsentanten haben, wie Amerika. Indeß, obgleich der Standard beifügt, dieser Bericht sey nicht etwa den Amerika feindseligen Schriften eines Marryatt oder einer Mistreß Trollope, sondern einer amerikanischen Zeitung entnommen, so darf man das allzu grelle Colorit der Schilderung doch wohl als eine der Parteiübertreibungen betrachten, welche die amerikanische Presse sich nur allzu häufig erlaubt.

Der amerikanische Correspondent der Times, der sich ein "Genfer Reisender" unterzeichnet, bemerkt, man spreche so viel von der Corruption europäischer Staaten, und führe als einen Beweis davon deren große Pensionenlisten an. Indeß sey die amerikanische Union auf dem besten Wege, dieses europäische Beispiel nachzuahmen; denn obgleich die Pensionäre aus dem Unabhängigkeitskrieg her fast alle ausgestorben seyen, und Amerika in den seitdem verflossenen 57 Jahren kaum drei Kriegsjahre gehabt habe, so habe doch in den letzten sechs Jahren die Zahl der Staatspensionäre um 10 Proc. zugenommen, und im letzten Jahr nicht weniger als drei Millionen Dollars, d. h. gegen 17 Proc. des ganzen Einkommens der Vereinigten Staaten gekostet.

Spanien.

Der neue Versuch, die Fahne des Aufruhrs in Biscaya aufzupflanzen, ist auf das vollständigste mißlungen, und ist, weit entfernt bei der Bevölkerung Anklang zu finden, von dieser selbst unterdrückt worden. Castor de Andechaga, früherhin einer der ausgezeichnetsten Vertheidiger des Don Carlos, zog, seinem neuen Eide treu, zur Verfolgung der Rebellen aus, und die Mehrzahl derselben lieferte sich freiwillig in seine Hände, nachdem er ihnen die Erhaltung ihres Lebens zugesagt hatte. Einer der Anführer der Rebellen, Don Bonifacio Gomez, soll auf dem Wege hierher seyn, um sich der Königin zu Füßen zu werfen. - Der Herzog de la Victoria wollte am 11 oder 12 sein Hauptquartier von Mas de las Matas nach Alcorisa verlegen; am 9 gingen bereits einige Truppen dorthin ab, um die Avantgarde, welche nach Muniesa marschiren soll, zu verstärken. Der General O'Donnell verließ am 7 mit seinem Generalstabe Teruel, um Llangostera zu beobachten, der bei Rubielos de Mora einen Convoi abwartete. Der General Aspiraz war 8 mit seiner Division in Chelva; die Hauptstärke der Carlisten befand sich aber bei Cannete. Arnau scheint Beteta erreicht zu haben, und die Nachricht von seiner Niederlage sich nicht zu bestätigen. Der General Hoyos hatte am 11 sein Hauptquartier in Huete, und war durch vier Compagnien und 200 Pferde von Cuenca aus verstärkt worden. Briefe aus Vinaroz behaupten, Cabrera befinde sich seit dem 3 in San Mateo, einem in der Ebene gelegenen Punkt, den ihm die Aerzte angewiesen hätten, um durch häufiges Fahren seine Gesundheit wieder herzustellen.

Großbritannien.

Die Königin hielt am 25 Febr. im Buckinghampalast einen "Hof," um mehrere Deputationen mit Adressen zu empfangen. Es erschienen: eine Deputation der Londoner hochkirchlichen Geistlichkeit, den Bischof Dr. Bloomfield an ihrer Spitze; die früher erwähnte, aus mehr als hundert Personen bestehende Deputation der Universität Cambridge, welcher der Herzog von Sussex, als Universitätscommissär, sich angeschlossen. Sämmtliche Herren: der Vicekanzler, die Commissarien, Masters der verschiedenen Collegien, Professoren, Scrutatoren, Proctors, Taxors, Baccalaureen und magistri artium trugen ihre akademischen Roben. Endlich eine Deputation der religiösen Gesellschaft der Freunde, d.h. der Quaker. Da diese bekanntlich den Hut nicht abnehmen, so wurde dieser Etikettepunkt bei ihrem Eintritt in den Thronsaal, nach altem Herkommen, durch einen Yeoman der Leibgarde besorgt. Ihre Maj., welcher Prinz Albert, die Herzogin v. Bedford als Mistreß of the Robes, der Lord-Oberkämmerer und der Oberstallmeister zur Seite standen, ertheilte sehr huldvolle Antworten. - Der M. Herald berechnet, daß die Salarien der Hofhaltung des Prinzen Albert 4200 Pf. St., d. h. nur halb so viel kosten, als Lord J. Russell in den Debatten über die Apanage des Prinzen sie veranschlagt.

Im weitern Verlauf der Unterhaussitzung vom 25 Febr. stellte Sir R. Jenkins den Antrag auf Niedersetzung einer besondern Committee, um die Einfuhrzölle, die jetzt auf ostindische Producte in England gezahlt werden müssen, mit Hinsicht auf ihre Ermäßigung in Betracht zu ziehen, und überhaupt den Handel zwischen England und Ostindien von so manchen ihn jetzt beschwerenden Fesseln zu befreien. Es entspann sich über diese Verhältnisse eine längere, nicht uninteressante Verhandlung (auf die wir zurückkommen werden). Der Handelsminister, Hr. Labouchere, und der Präsident des Controlamtes der indischen Angelegenheiten erklärten sich mit dem Antrag in seinen Hauptpunkten einverstanden, und die Verweisung der beantragten Resolutionen an eine besondere Committee wurde beschlossen. Lord Stanley entwickelte dann einen Plan zur Verbesserung des jetzigen Systems parlamentarischer Stimmenregistrirung in Irland, in welchem, nach seiner Darstellung, mancherlei Mißbräuche obwalten, und schloß mit dem Antrag, zur Einbringung einer darauf gegründeten Bill ermächtigt zu werden. Lord Morpeth, der Generalsecretär für Irland, und Hr. O'Connell äußerten ihren Verdacht, daß eine weitere Beschränkung des ohnehin so beschränkten irischen Wahlrechtes der eigentliche Zweck dieser Bill seyn

Ausrufungen, vermischt mit Mißtönen aller Art, füllten den Saal einige Minuten lang. Als die Schreier endlich außer Athem kamen, faßte Turney neuen Muth: „Hr. Vorsitzer! Mitbürger! so kann es nicht lange fortgehen. Wir müssen Ordnung haben, oder es gibt hier auf dem Capitol eine Schlägerei. Soll die Frage durch ein Gefecht entschieden werden, je eher desto besser.“ Da sprang Hr. Stanley aus Süd-Carolina von seinem Sitz auf, rannte auf Turney los, hielt ihm die geballte Faust vors Gesicht und schrie: „Verdammt seyen Eure Augen (Damn your eyes)! Wenn das Euer Spiel ist, so habt Ihr's mit mir aufzunehmen.“ Hr. Duncan versuchte zu sprechen, aber das Schreien und Brüllen übertönte seine Stimme: „Stopft dem betrunkenen Narren das Maul! Verdammt sey der Troßjunge, werft ihn hinaus!“ Duncan ließ sich nicht vertreiben, aber Rice Garland brüllte: „Wer zum T – l mag Eure Anmaßung dulden, Ihr feiger Schurke, Ihr miserabler Lügner, setzt euch, Ihr Sohn einer –.“ Da erhob sich Bell, und äußerte zu seinen Nachbarn: „Das ist zu toll und zu teuflisch. Duncan ist ein armer Bursche, Garland sollte ihn nicht so angreifen. Will der Bursche fechten? Hr. Vorsitzer, so darf es nicht fortgehen. Wenn wir keine Achtung haben vor uns selbst oder vor einander, so laßt uns doch so viel Achtung vor unsern Wählern zeigen, daß wir Scenen, wie diese vermeiden. Ich rufe zur Ordnung, Sir!“ Neue Verwirrung, und es schien sich Alles in einen allgemeinen Tumult auflösen zu wollen, bis es endlich einigen Mitgliedern gelang, den Sturm in etwas zu beschwören! – Der englische Standard macht zu dieser Schilderung die Nutzanwendung, wenn allgemeines Stimmrecht und einjährige Parlamente in England eingeführt würden, so würde dieses bald eine ähnliche Sorte von Repräsentanten haben, wie Amerika. Indeß, obgleich der Standard beifügt, dieser Bericht sey nicht etwa den Amerika feindseligen Schriften eines Marryatt oder einer Mistreß Trollope, sondern einer amerikanischen Zeitung entnommen, so darf man das allzu grelle Colorit der Schilderung doch wohl als eine der Parteiübertreibungen betrachten, welche die amerikanische Presse sich nur allzu häufig erlaubt.

Der amerikanische Correspondent der Times, der sich ein „Genfer Reisender“ unterzeichnet, bemerkt, man spreche so viel von der Corruption europäischer Staaten, und führe als einen Beweis davon deren große Pensionenlisten an. Indeß sey die amerikanische Union auf dem besten Wege, dieses europäische Beispiel nachzuahmen; denn obgleich die Pensionäre aus dem Unabhängigkeitskrieg her fast alle ausgestorben seyen, und Amerika in den seitdem verflossenen 57 Jahren kaum drei Kriegsjahre gehabt habe, so habe doch in den letzten sechs Jahren die Zahl der Staatspensionäre um 10 Proc. zugenommen, und im letzten Jahr nicht weniger als drei Millionen Dollars, d. h. gegen 17 Proc. des ganzen Einkommens der Vereinigten Staaten gekostet.

Spanien.

Der neue Versuch, die Fahne des Aufruhrs in Biscaya aufzupflanzen, ist auf das vollständigste mißlungen, und ist, weit entfernt bei der Bevölkerung Anklang zu finden, von dieser selbst unterdrückt worden. Castor de Andechaga, früherhin einer der ausgezeichnetsten Vertheidiger des Don Carlos, zog, seinem neuen Eide treu, zur Verfolgung der Rebellen aus, und die Mehrzahl derselben lieferte sich freiwillig in seine Hände, nachdem er ihnen die Erhaltung ihres Lebens zugesagt hatte. Einer der Anführer der Rebellen, Don Bonifacio Gomez, soll auf dem Wege hierher seyn, um sich der Königin zu Füßen zu werfen. – Der Herzog de la Victoria wollte am 11 oder 12 sein Hauptquartier von Mas de las Matas nach Alcorisa verlegen; am 9 gingen bereits einige Truppen dorthin ab, um die Avantgarde, welche nach Muniesa marschiren soll, zu verstärken. Der General O'Donnell verließ am 7 mit seinem Generalstabe Teruel, um Llangostera zu beobachten, der bei Rubielos de Mora einen Convoi abwartete. Der General Aspiraz war 8 mit seiner Division in Chelva; die Hauptstärke der Carlisten befand sich aber bei Cañete. Arnau scheint Beteta erreicht zu haben, und die Nachricht von seiner Niederlage sich nicht zu bestätigen. Der General Hoyos hatte am 11 sein Hauptquartier in Huete, und war durch vier Compagnien und 200 Pferde von Cuenca aus verstärkt worden. Briefe aus Vinaroz behaupten, Cabrera befinde sich seit dem 3 in San Mateo, einem in der Ebene gelegenen Punkt, den ihm die Aerzte angewiesen hätten, um durch häufiges Fahren seine Gesundheit wieder herzustellen.

Großbritannien.

Die Königin hielt am 25 Febr. im Buckinghampalast einen „Hof,“ um mehrere Deputationen mit Adressen zu empfangen. Es erschienen: eine Deputation der Londoner hochkirchlichen Geistlichkeit, den Bischof Dr. Bloomfield an ihrer Spitze; die früher erwähnte, aus mehr als hundert Personen bestehende Deputation der Universität Cambridge, welcher der Herzog von Sussex, als Universitätscommissär, sich angeschlossen. Sämmtliche Herren: der Vicekanzler, die Commissarien, Masters der verschiedenen Collegien, Professoren, Scrutatoren, Proctors, Taxors, Baccalaureen und magistri artium trugen ihre akademischen Roben. Endlich eine Deputation der religiösen Gesellschaft der Freunde, d.h. der Quaker. Da diese bekanntlich den Hut nicht abnehmen, so wurde dieser Etikettepunkt bei ihrem Eintritt in den Thronsaal, nach altem Herkommen, durch einen Yeoman der Leibgarde besorgt. Ihre Maj., welcher Prinz Albert, die Herzogin v. Bedford als Mistreß of the Robes, der Lord-Oberkämmerer und der Oberstallmeister zur Seite standen, ertheilte sehr huldvolle Antworten. – Der M. Herald berechnet, daß die Salarien der Hofhaltung des Prinzen Albert 4200 Pf. St., d. h. nur halb so viel kosten, als Lord J. Russell in den Debatten über die Apanage des Prinzen sie veranschlagt.

Im weitern Verlauf der Unterhaussitzung vom 25 Febr. stellte Sir R. Jenkins den Antrag auf Niedersetzung einer besondern Committee, um die Einfuhrzölle, die jetzt auf ostindische Producte in England gezahlt werden müssen, mit Hinsicht auf ihre Ermäßigung in Betracht zu ziehen, und überhaupt den Handel zwischen England und Ostindien von so manchen ihn jetzt beschwerenden Fesseln zu befreien. Es entspann sich über diese Verhältnisse eine längere, nicht uninteressante Verhandlung (auf die wir zurückkommen werden). Der Handelsminister, Hr. Labouchere, und der Präsident des Controlamtes der indischen Angelegenheiten erklärten sich mit dem Antrag in seinen Hauptpunkten einverstanden, und die Verweisung der beantragten Resolutionen an eine besondere Committee wurde beschlossen. Lord Stanley entwickelte dann einen Plan zur Verbesserung des jetzigen Systems parlamentarischer Stimmenregistrirung in Irland, in welchem, nach seiner Darstellung, mancherlei Mißbräuche obwalten, und schloß mit dem Antrag, zur Einbringung einer darauf gegründeten Bill ermächtigt zu werden. Lord Morpeth, der Generalsecretär für Irland, und Hr. O'Connell äußerten ihren Verdacht, daß eine weitere Beschränkung des ohnehin so beschränkten irischen Wahlrechtes der eigentliche Zweck dieser Bill seyn

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[0506/0002] Ausrufungen, vermischt mit Mißtönen aller Art, füllten den Saal einige Minuten lang. Als die Schreier endlich außer Athem kamen, faßte Turney neuen Muth: „Hr. Vorsitzer! Mitbürger! so kann es nicht lange fortgehen. Wir müssen Ordnung haben, oder es gibt hier auf dem Capitol eine Schlägerei. Soll die Frage durch ein Gefecht entschieden werden, je eher desto besser.“ Da sprang Hr. Stanley aus Süd-Carolina von seinem Sitz auf, rannte auf Turney los, hielt ihm die geballte Faust vors Gesicht und schrie: „Verdammt seyen Eure Augen (Damn your eyes)! Wenn das Euer Spiel ist, so habt Ihr's mit mir aufzunehmen.“ Hr. Duncan versuchte zu sprechen, aber das Schreien und Brüllen übertönte seine Stimme: „Stopft dem betrunkenen Narren das Maul! 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Ich rufe zur Ordnung, Sir!“ Neue Verwirrung, und es schien sich Alles in einen allgemeinen Tumult auflösen zu wollen, bis es endlich einigen Mitgliedern gelang, den Sturm in etwas zu beschwören! – Der englische Standard macht zu dieser Schilderung die Nutzanwendung, wenn allgemeines Stimmrecht und einjährige Parlamente in England eingeführt würden, so würde dieses bald eine ähnliche Sorte von Repräsentanten haben, wie Amerika. Indeß, obgleich der Standard beifügt, dieser Bericht sey nicht etwa den Amerika feindseligen Schriften eines Marryatt oder einer Mistreß Trollope, sondern einer amerikanischen Zeitung entnommen, so darf man das allzu grelle Colorit der Schilderung doch wohl als eine der Parteiübertreibungen betrachten, welche die amerikanische Presse sich nur allzu häufig erlaubt. Der amerikanische Correspondent der Times, der sich ein „Genfer Reisender“ unterzeichnet, bemerkt, man spreche so viel von der Corruption europäischer Staaten, und führe als einen Beweis davon deren große Pensionenlisten an. Indeß sey die amerikanische Union auf dem besten Wege, dieses europäische Beispiel nachzuahmen; denn obgleich die Pensionäre aus dem Unabhängigkeitskrieg her fast alle ausgestorben seyen, und Amerika in den seitdem verflossenen 57 Jahren kaum drei Kriegsjahre gehabt habe, so habe doch in den letzten sechs Jahren die Zahl der Staatspensionäre um 10 Proc. zugenommen, und im letzten Jahr nicht weniger als drei Millionen Dollars, d. h. gegen 17 Proc. des ganzen Einkommens der Vereinigten Staaten gekostet. Spanien. _ Madrid, 15 Febr. Der neue Versuch, die Fahne des Aufruhrs in Biscaya aufzupflanzen, ist auf das vollständigste mißlungen, und ist, weit entfernt bei der Bevölkerung Anklang zu finden, von dieser selbst unterdrückt worden. Castor de Andechaga, früherhin einer der ausgezeichnetsten Vertheidiger des Don Carlos, zog, seinem neuen Eide treu, zur Verfolgung der Rebellen aus, und die Mehrzahl derselben lieferte sich freiwillig in seine Hände, nachdem er ihnen die Erhaltung ihres Lebens zugesagt hatte. Einer der Anführer der Rebellen, Don Bonifacio Gomez, soll auf dem Wege hierher seyn, um sich der Königin zu Füßen zu werfen. – Der Herzog de la Victoria wollte am 11 oder 12 sein Hauptquartier von Mas de las Matas nach Alcorisa verlegen; am 9 gingen bereits einige Truppen dorthin ab, um die Avantgarde, welche nach Muniesa marschiren soll, zu verstärken. Der General O'Donnell verließ am 7 mit seinem Generalstabe Teruel, um Llangostera zu beobachten, der bei Rubielos de Mora einen Convoi abwartete. Der General Aspiraz war 8 mit seiner Division in Chelva; die Hauptstärke der Carlisten befand sich aber bei Cañete. Arnau scheint Beteta erreicht zu haben, und die Nachricht von seiner Niederlage sich nicht zu bestätigen. Der General Hoyos hatte am 11 sein Hauptquartier in Huete, und war durch vier Compagnien und 200 Pferde von Cuenca aus verstärkt worden. Briefe aus Vinaroz behaupten, Cabrera befinde sich seit dem 3 in San Mateo, einem in der Ebene gelegenen Punkt, den ihm die Aerzte angewiesen hätten, um durch häufiges Fahren seine Gesundheit wieder herzustellen. Großbritannien. _ London, 26 Febr. Die Königin hielt am 25 Febr. im Buckinghampalast einen „Hof,“ um mehrere Deputationen mit Adressen zu empfangen. Es erschienen: eine Deputation der Londoner hochkirchlichen Geistlichkeit, den Bischof Dr. Bloomfield an ihrer Spitze; die früher erwähnte, aus mehr als hundert Personen bestehende Deputation der Universität Cambridge, welcher der Herzog von Sussex, als Universitätscommissär, sich angeschlossen. Sämmtliche Herren: der Vicekanzler, die Commissarien, Masters der verschiedenen Collegien, Professoren, Scrutatoren, Proctors, Taxors, Baccalaureen und magistri artium trugen ihre akademischen Roben. Endlich eine Deputation der religiösen Gesellschaft der Freunde, d.h. der Quaker. Da diese bekanntlich den Hut nicht abnehmen, so wurde dieser Etikettepunkt bei ihrem Eintritt in den Thronsaal, nach altem Herkommen, durch einen Yeoman der Leibgarde besorgt. Ihre Maj., welcher Prinz Albert, die Herzogin v. Bedford als Mistreß of the Robes, der Lord-Oberkämmerer und der Oberstallmeister zur Seite standen, ertheilte sehr huldvolle Antworten. – Der M. Herald berechnet, daß die Salarien der Hofhaltung des Prinzen Albert 4200 Pf. St., d. h. nur halb so viel kosten, als Lord J. Russell in den Debatten über die Apanage des Prinzen sie veranschlagt. Im weitern Verlauf der Unterhaussitzung vom 25 Febr. stellte Sir R. Jenkins den Antrag auf Niedersetzung einer besondern Committee, um die Einfuhrzölle, die jetzt auf ostindische Producte in England gezahlt werden müssen, mit Hinsicht auf ihre Ermäßigung in Betracht zu ziehen, und überhaupt den Handel zwischen England und Ostindien von so manchen ihn jetzt beschwerenden Fesseln zu befreien. Es entspann sich über diese Verhältnisse eine längere, nicht uninteressante Verhandlung (auf die wir zurückkommen werden). Der Handelsminister, Hr. Labouchere, und der Präsident des Controlamtes der indischen Angelegenheiten erklärten sich mit dem Antrag in seinen Hauptpunkten einverstanden, und die Verweisung der beantragten Resolutionen an eine besondere Committee wurde beschlossen. Lord Stanley entwickelte dann einen Plan zur Verbesserung des jetzigen Systems parlamentarischer Stimmenregistrirung in Irland, in welchem, nach seiner Darstellung, mancherlei Mißbräuche obwalten, und schloß mit dem Antrag, zur Einbringung einer darauf gegründeten Bill ermächtigt zu werden. Lord Morpeth, der Generalsecretär für Irland, und Hr. O'Connell äußerten ihren Verdacht, daß eine weitere Beschränkung des ohnehin so beschränkten irischen Wahlrechtes der eigentliche Zweck dieser Bill seyn

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 64. Augsburg, 4. März 1840, S. 0506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_064_18400304/2>, abgerufen am 27.04.2024.