Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 57. Augsburg, 26. Februar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

königlichen Hauses, die ausgezeichnetsten Personen des Parlaments, viele Tories, unter ihnen der Herzog v. Wellington und Sir Robert Peel, die hohe Geistlichkeit mit zwei Erzbischöfen, das diplomatische Corps und sehr viele, die nicht beim Bankett gewesen waren, sah man hier. Man wandelte auf und nieder auf den Treppen, der Galerie, in den Gemächern und zwischen den goldenen Fauteuils in der Halle, die unter Orangenbäumen standen. Es war eines jener eigenthümlichen Routs der englischen Gesellschaft. Die Herzogin von Sutherland ist eine der liebenswürdigsten und schönsten Damen Londons, was in der That viel sagen will. Gegen 3 Uhr ging die Gesellschaft auseinander, die Illumination der Stadt aber dauerte bis zum andern Tage, und um 9 Uhr Morgens brannte an einem Palast in Pall-Mall noch hell und strahlend eine Sonne von Gaslampen, heller wahrhaftig als die hinter Steinkohlendampf, Wolken und der Ausdünstung von zwei Millionen dicht aneinander gedrängter Menschen nur matt scheinende Sonne des Tages. - Diesen Abend 5 Uhr sind die Königin und der Prinz von Windsor zurückgekehrt.

Frankreich.

Der sonderbare Proceß, den ein gewisser Gros gegen den Grafen Montalivet als Intendanten der Civilliste erhoben hat, ist vor wenigen Tagen vor dem Civilgerichte erster Instanz in Paris verhandelt worden. Da wir ehestens einer Entscheidung entgegensehen können, so will ich in zwei Worten den Thatbestand hier wiederholen. Gros, der Kläger, erzählt: eines Tages, indem ich einem schönen Schmetterling im Tuileriegarten nachjagte, stieß ich auf ein Eisenblech, das an mehreren Bäumen angebracht war und den Buchstaben T trug. Daraus schloß ich, daß unter diesen Bäumen der Schatz (tresor) vergraben liegen müsse, den Ludwig XVI in der Revolution vergraben ließ und von welchem so häufig schon in öffentlichen Blättern die Rede war; ich benachrichtigte den Intendanten der Civilliste von meinem Funde mit dem Vorbehalt, daß mir nach dem Civilcodex die Hälfte des Schatzes zukomme, und daß die Nachgrabungen nur in meiner Gegenwart und unter meiner Aufsicht statt finden sollten. Meine Angabe schien dem Intendanten der Civilliste um so gewichtiger, als er im Besitz eines Actenstückes war, das man in frühern Jahren bei einem politischen Gefangenen unter der Restauration gefunden hatte, und das jenes Schatzes ausdrücklich Erwähnung that. Nichtsdestoweniger wurde die mit mir förmlich abgeschlossene Uebereinkunft nicht gehalten, sondern Herr v. Montalivet ließ heimlich Nachgrabungen machen, und hat fortwährend verweigert, mir deren Resultat zu eröffnen. Darum begehre ich, daß er verurtheilt werde, Rechnung zu stellen, falls er nicht vorzieht, mir meinen in Abgang näherer Bestimmtheit also geschätzten Antheil von 300,000 Fr. zu bezahlen. Hr. v. Montalivet, der gar nicht Lust zu haben scheint, auch nur einen Sou zu bezahlen, erwiedert, daß der Kläger wahrscheinlich einen sehr lebhaften Traum gehabt habe, und daß er wegen mangelnden Beweises des Klagegrundes auf Abweisung des gestellten Begehrens antrage. Das Gericht hat die Sache zum Gutachten der Staatsbehörde und zum Urtheilsspruch auf acht Tage vertagt. So wie dermalen die Umstände vorliegen, ist nicht wohl abzusehen, wie ein andres als abweisendes Erkenntniß erfolgen könne. Dieß ist einer der Processe, die unsre Aufmerksamkeit in diesem Augenblick in Anspruch nehmen. Der zweite ist die entsetzliche Vergiftungsgeschichte von Glandier, über welche ich Ihnen vor einigen Tagen geschrieben. Ich ergänze jenen ersten Bericht durch folgenden Nachtrag: nach neuern Angaben scheint der materielle Thatbestand der Vergiftung Laffarge's durch ärztliche Untersuchung festgestellt, auch soll Laffarge in den letzten Augenblicken seines Lebens zu seinem Arzte gesagt haben: ich sterbe vergiftet, an Ihnen ist es, meinen Tod zu rächen. Die Nachforschung wegen der vergifteten Kuchen hat bis jetzt zu keinem wesentlichen Resultate geführt; wir zweifeln daran, daß fernere Bemühungen einen bessern Erfolg haben werden. Dagegen besteht die Anklage sehr auf dem Umstande, daß die Angeklagte Gift gekauft und unmittelbar vor dem ersten gerichtlichen Besuche Arsenik in ihrem Garten verborgen habe, wo man ihn auch wirklich gefunden, was stets auf einen lang vorher gefaßten Entschluß, ihren Mann zu ermorden, hinweise und mit dem vielbesprochenen Brief zusammenhänge, in welchem sie ihrem Mann ihre unüberwindliche Abneigung gegen ihn und ihre Leidenschaft für einen andern bekannt habe. Hierauf nun antwortet die Angeklagte, daß sie weder Gift gekauft, noch Arsenik in dem Garten versteckt habe, und daß beide Thatsachen ihr durchaus fremd und nicht zur Last seyen; im Uebrigen bewahrt sie im Gefängniß dieselbe Ruhe und Unbefangenheit, die sie während der Krankheit ihres Mannes stets bewiesen hat, und die von der Art ist daß einer der Zeugen, der sie beobachtet, aussagt: nur einer teuflischen Verstellungskunst, oder aber der reinen Unschuld ist es gegeben, sich so zu verhalten ..

Sie sehen, wir haben keinen Schritt vorwärts gethan, und diese Ungewißheit trägt nicht wenig dazu bei, die peinliche Neugierde des Publicums bis zum höchsten Grade zu steigern.

Erklärung.

Die Allg. Zeitung von Augsburg hat seit kurzem aus einem hiesigen Sonntagsblatte, dem Satyrist, Artikel entlehnt, die den Herrn Herzog von Braunschweig betreffen. - Bei den englischen Blättern, welche einen ähnlichen Standpunkt als Ihre Zeitung einnehmen, ist die niedrige Verleumdungssucht des Satyristen dergestalt verachtet und sein Discredit so sehr begründet, daß keines jener löblichen Blätter irgend etwas von demselben herrührend wiederholt. *)*)- Da dieß Ihnen, Hr. Redacteur, nicht bekannt zu seyn scheint, so erlaube ich mir, Sie um die erforderliche Berichtigung Ihrer Zeitung hiedurch höflichst zu ersuchen, und lege Ihnen hier beispielweise und zu mehrerer Bekräftigung der Wahrheit ein paar Antwortsschreiben von Behörden vor Augen, welche die verächtliche Diatribe des Satyristen hinlänglich erweisen dürften.

Indem ich also im Namen der betheiligten Person Sr. Durchlaucht des Herzogs von Braunschweig den Satyrist ein für allemal hiedurch öffentlich Lügen strafe, bedaure ich nur, was den in der Allg. Zeitung unterm 6 Januar erschienenen Artikel anlangt, eine ähnliche Beweisführung nicht liefern zu können, weil die darin bezeichnete Person, gegen welche der Herzog angeblich "die umfassendsten Defensiv-Anstalten" in seinem Hause getroffen haben soll, gar nicht existirt. - Was von einem feilen Scribenten wie dem Satyristen zu halten, bedarf diesem zufolge wohl weiter keiner Erläuterung.

Von der bekannten Unparteilichkeit Ihrer Zeitung und zur Steuer der Wahrheit darf ich erwarten, daß Sie, Hr. Redacteur, dies er Erklärung einen Platz in Ihren Colonnen nicht verweigern werden.

Mit vollkommenster Hochachtung nenne ich mich
Euer Wohlgeboren
ganz ergebenster Baron v. Andlau, Kammerherr Sr. Durchl. des Herzogs von Braunschweig.

London, den 8 Februar 1840. 38 Bryanston Square.

*) In der heutigen Zeitung finden sich unter der Rubrik Großbritannien einige Notizen über dieses Blatt, die uns zugleich mit obiger Erklärung zukamen.
A. d. R.

königlichen Hauses, die ausgezeichnetsten Personen des Parlaments, viele Tories, unter ihnen der Herzog v. Wellington und Sir Robert Peel, die hohe Geistlichkeit mit zwei Erzbischöfen, das diplomatische Corps und sehr viele, die nicht beim Bankett gewesen waren, sah man hier. Man wandelte auf und nieder auf den Treppen, der Galerie, in den Gemächern und zwischen den goldenen Fauteuils in der Halle, die unter Orangenbäumen standen. Es war eines jener eigenthümlichen Routs der englischen Gesellschaft. Die Herzogin von Sutherland ist eine der liebenswürdigsten und schönsten Damen Londons, was in der That viel sagen will. Gegen 3 Uhr ging die Gesellschaft auseinander, die Illumination der Stadt aber dauerte bis zum andern Tage, und um 9 Uhr Morgens brannte an einem Palast in Pall-Mall noch hell und strahlend eine Sonne von Gaslampen, heller wahrhaftig als die hinter Steinkohlendampf, Wolken und der Ausdünstung von zwei Millionen dicht aneinander gedrängter Menschen nur matt scheinende Sonne des Tages. – Diesen Abend 5 Uhr sind die Königin und der Prinz von Windsor zurückgekehrt.

Frankreich.

Der sonderbare Proceß, den ein gewisser Gros gegen den Grafen Montalivet als Intendanten der Civilliste erhoben hat, ist vor wenigen Tagen vor dem Civilgerichte erster Instanz in Paris verhandelt worden. Da wir ehestens einer Entscheidung entgegensehen können, so will ich in zwei Worten den Thatbestand hier wiederholen. Gros, der Kläger, erzählt: eines Tages, indem ich einem schönen Schmetterling im Tuileriegarten nachjagte, stieß ich auf ein Eisenblech, das an mehreren Bäumen angebracht war und den Buchstaben T trug. Daraus schloß ich, daß unter diesen Bäumen der Schatz (trésor) vergraben liegen müsse, den Ludwig XVI in der Revolution vergraben ließ und von welchem so häufig schon in öffentlichen Blättern die Rede war; ich benachrichtigte den Intendanten der Civilliste von meinem Funde mit dem Vorbehalt, daß mir nach dem Civilcodex die Hälfte des Schatzes zukomme, und daß die Nachgrabungen nur in meiner Gegenwart und unter meiner Aufsicht statt finden sollten. Meine Angabe schien dem Intendanten der Civilliste um so gewichtiger, als er im Besitz eines Actenstückes war, das man in frühern Jahren bei einem politischen Gefangenen unter der Restauration gefunden hatte, und das jenes Schatzes ausdrücklich Erwähnung that. Nichtsdestoweniger wurde die mit mir förmlich abgeschlossene Uebereinkunft nicht gehalten, sondern Herr v. Montalivet ließ heimlich Nachgrabungen machen, und hat fortwährend verweigert, mir deren Resultat zu eröffnen. Darum begehre ich, daß er verurtheilt werde, Rechnung zu stellen, falls er nicht vorzieht, mir meinen in Abgang näherer Bestimmtheit also geschätzten Antheil von 300,000 Fr. zu bezahlen. Hr. v. Montalivet, der gar nicht Lust zu haben scheint, auch nur einen Sou zu bezahlen, erwiedert, daß der Kläger wahrscheinlich einen sehr lebhaften Traum gehabt habe, und daß er wegen mangelnden Beweises des Klagegrundes auf Abweisung des gestellten Begehrens antrage. Das Gericht hat die Sache zum Gutachten der Staatsbehörde und zum Urtheilsspruch auf acht Tage vertagt. So wie dermalen die Umstände vorliegen, ist nicht wohl abzusehen, wie ein andres als abweisendes Erkenntniß erfolgen könne. Dieß ist einer der Processe, die unsre Aufmerksamkeit in diesem Augenblick in Anspruch nehmen. Der zweite ist die entsetzliche Vergiftungsgeschichte von Glandier, über welche ich Ihnen vor einigen Tagen geschrieben. Ich ergänze jenen ersten Bericht durch folgenden Nachtrag: nach neuern Angaben scheint der materielle Thatbestand der Vergiftung Laffarge's durch ärztliche Untersuchung festgestellt, auch soll Laffarge in den letzten Augenblicken seines Lebens zu seinem Arzte gesagt haben: ich sterbe vergiftet, an Ihnen ist es, meinen Tod zu rächen. Die Nachforschung wegen der vergifteten Kuchen hat bis jetzt zu keinem wesentlichen Resultate geführt; wir zweifeln daran, daß fernere Bemühungen einen bessern Erfolg haben werden. Dagegen besteht die Anklage sehr auf dem Umstande, daß die Angeklagte Gift gekauft und unmittelbar vor dem ersten gerichtlichen Besuche Arsenik in ihrem Garten verborgen habe, wo man ihn auch wirklich gefunden, was stets auf einen lang vorher gefaßten Entschluß, ihren Mann zu ermorden, hinweise und mit dem vielbesprochenen Brief zusammenhänge, in welchem sie ihrem Mann ihre unüberwindliche Abneigung gegen ihn und ihre Leidenschaft für einen andern bekannt habe. Hierauf nun antwortet die Angeklagte, daß sie weder Gift gekauft, noch Arsenik in dem Garten versteckt habe, und daß beide Thatsachen ihr durchaus fremd und nicht zur Last seyen; im Uebrigen bewahrt sie im Gefängniß dieselbe Ruhe und Unbefangenheit, die sie während der Krankheit ihres Mannes stets bewiesen hat, und die von der Art ist daß einer der Zeugen, der sie beobachtet, aussagt: nur einer teuflischen Verstellungskunst, oder aber der reinen Unschuld ist es gegeben, sich so zu verhalten ..

Sie sehen, wir haben keinen Schritt vorwärts gethan, und diese Ungewißheit trägt nicht wenig dazu bei, die peinliche Neugierde des Publicums bis zum höchsten Grade zu steigern.

Erklärung.

Die Allg. Zeitung von Augsburg hat seit kurzem aus einem hiesigen Sonntagsblatte, dem Satyrist, Artikel entlehnt, die den Herrn Herzog von Braunschweig betreffen. – Bei den englischen Blättern, welche einen ähnlichen Standpunkt als Ihre Zeitung einnehmen, ist die niedrige Verleumdungssucht des Satyristen dergestalt verachtet und sein Discredit so sehr begründet, daß keines jener löblichen Blätter irgend etwas von demselben herrührend wiederholt. *)*)– Da dieß Ihnen, Hr. Redacteur, nicht bekannt zu seyn scheint, so erlaube ich mir, Sie um die erforderliche Berichtigung Ihrer Zeitung hiedurch höflichst zu ersuchen, und lege Ihnen hier beispielweise und zu mehrerer Bekräftigung der Wahrheit ein paar Antwortsschreiben von Behörden vor Augen, welche die verächtliche Diatribe des Satyristen hinlänglich erweisen dürften.

Indem ich also im Namen der betheiligten Person Sr. Durchlaucht des Herzogs von Braunschweig den Satyrist ein für allemal hiedurch öffentlich Lügen strafe, bedaure ich nur, was den in der Allg. Zeitung unterm 6 Januar erschienenen Artikel anlangt, eine ähnliche Beweisführung nicht liefern zu können, weil die darin bezeichnete Person, gegen welche der Herzog angeblich „die umfassendsten Defensiv-Anstalten“ in seinem Hause getroffen haben soll, gar nicht existirt. – Was von einem feilen Scribenten wie dem Satyristen zu halten, bedarf diesem zufolge wohl weiter keiner Erläuterung.

Von der bekannten Unparteilichkeit Ihrer Zeitung und zur Steuer der Wahrheit darf ich erwarten, daß Sie, Hr. Redacteur, dies er Erklärung einen Platz in Ihren Colonnen nicht verweigern werden.

Mit vollkommenster Hochachtung nenne ich mich
Euer Wohlgeboren
ganz ergebenster Baron v. Andlau, Kammerherr Sr. Durchl. des Herzogs von Braunschweig.

London, den 8 Februar 1840. 38 Bryanston Square.

*) In der heutigen Zeitung finden sich unter der Rubrik Großbritannien einige Notizen über dieses Blatt, die uns zugleich mit obiger Erklärung zukamen.
A. d. R.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0013" n="0453"/>
königlichen Hauses, die ausgezeichnetsten Personen des Parlaments, viele Tories, unter ihnen der Herzog v. Wellington und Sir Robert Peel, die hohe Geistlichkeit mit zwei Erzbischöfen, das diplomatische Corps und sehr viele, die nicht beim Bankett gewesen waren, sah man hier. Man wandelte auf und nieder auf den Treppen, der Galerie, in den Gemächern und zwischen den goldenen Fauteuils in der Halle, die unter Orangenbäumen standen. Es war eines jener eigenthümlichen Routs der englischen Gesellschaft. Die Herzogin von Sutherland ist eine der liebenswürdigsten und schönsten Damen Londons, was in der That viel sagen will. Gegen 3 Uhr ging die Gesellschaft auseinander, die Illumination der Stadt aber dauerte bis zum andern Tage, und um 9 Uhr Morgens brannte an einem Palast in Pall-Mall noch hell und strahlend eine Sonne von Gaslampen, heller wahrhaftig als die hinter Steinkohlendampf, Wolken und der Ausdünstung von zwei Millionen dicht aneinander gedrängter Menschen nur matt scheinende Sonne des Tages. &#x2013; Diesen Abend 5 Uhr sind die Königin und der Prinz von Windsor zurückgekehrt.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Frankreich.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 20 Februar.</dateline>
          <p> Der sonderbare Proceß, den ein gewisser Gros gegen den Grafen Montalivet als Intendanten der Civilliste erhoben hat, ist vor wenigen Tagen vor dem Civilgerichte erster Instanz in Paris verhandelt worden. Da wir ehestens einer Entscheidung entgegensehen können, so will ich in zwei Worten den Thatbestand hier wiederholen. Gros, der Kläger, erzählt: eines Tages, indem ich einem schönen Schmetterling im Tuileriegarten nachjagte, stieß ich auf ein Eisenblech, das an mehreren Bäumen angebracht war und den Buchstaben T trug. Daraus schloß ich, daß unter diesen Bäumen der Schatz (trésor) vergraben liegen müsse, den Ludwig XVI in der Revolution vergraben ließ und von welchem so häufig schon in öffentlichen Blättern die Rede war; ich benachrichtigte den Intendanten der Civilliste von meinem Funde mit dem Vorbehalt, daß mir nach dem Civilcodex die Hälfte des Schatzes zukomme, und daß die Nachgrabungen nur in meiner Gegenwart und unter meiner Aufsicht statt finden sollten. Meine Angabe schien dem Intendanten der Civilliste um so gewichtiger, als er im Besitz eines Actenstückes war, das man in frühern Jahren bei einem politischen Gefangenen unter der Restauration gefunden hatte, und das jenes Schatzes ausdrücklich Erwähnung that. Nichtsdestoweniger wurde die mit mir förmlich abgeschlossene Uebereinkunft nicht gehalten, sondern Herr v. Montalivet ließ heimlich Nachgrabungen machen, und hat fortwährend verweigert, mir deren Resultat zu eröffnen. Darum begehre ich, daß er verurtheilt werde, Rechnung zu stellen, falls er nicht vorzieht, mir meinen in Abgang näherer Bestimmtheit also geschätzten Antheil von 300,000 Fr. zu bezahlen. Hr. v. Montalivet, der gar nicht Lust zu haben scheint, auch nur einen Sou zu bezahlen, erwiedert, daß der Kläger wahrscheinlich einen sehr lebhaften Traum gehabt habe, und daß er wegen mangelnden Beweises des Klagegrundes auf Abweisung des gestellten Begehrens antrage. Das Gericht hat die Sache zum Gutachten der Staatsbehörde und zum Urtheilsspruch auf acht Tage vertagt. So wie dermalen die Umstände vorliegen, ist nicht wohl abzusehen, wie ein andres als abweisendes Erkenntniß erfolgen könne. Dieß ist einer der Processe, die unsre Aufmerksamkeit in diesem Augenblick in Anspruch nehmen. Der zweite ist die entsetzliche Vergiftungsgeschichte von Glandier, über welche ich Ihnen vor einigen Tagen geschrieben. Ich ergänze jenen ersten Bericht durch folgenden Nachtrag: nach neuern Angaben scheint der materielle Thatbestand der Vergiftung Laffarge's durch ärztliche Untersuchung festgestellt, auch soll Laffarge in den letzten Augenblicken seines Lebens zu seinem Arzte gesagt haben: ich sterbe vergiftet, an Ihnen ist es, meinen Tod zu rächen. Die Nachforschung wegen der vergifteten Kuchen hat bis jetzt zu keinem wesentlichen Resultate geführt; wir zweifeln daran, daß fernere Bemühungen einen bessern Erfolg haben werden. Dagegen besteht die Anklage sehr auf dem Umstande, daß die Angeklagte Gift gekauft und unmittelbar vor dem ersten gerichtlichen Besuche Arsenik in ihrem Garten verborgen habe, wo man ihn auch wirklich gefunden, was stets auf einen lang vorher gefaßten Entschluß, ihren Mann zu ermorden, hinweise und mit dem vielbesprochenen Brief zusammenhänge, in welchem sie ihrem Mann ihre unüberwindliche Abneigung gegen ihn und ihre Leidenschaft für einen andern bekannt habe. Hierauf nun antwortet die Angeklagte, daß sie weder Gift gekauft, noch Arsenik in dem Garten versteckt habe, und daß beide Thatsachen ihr durchaus fremd und nicht zur Last seyen; im Uebrigen bewahrt sie im Gefängniß dieselbe Ruhe und Unbefangenheit, die sie während der Krankheit ihres Mannes stets bewiesen hat, und die von der Art ist daß einer der Zeugen, der sie beobachtet, aussagt: nur einer teuflischen Verstellungskunst, oder aber der reinen Unschuld ist es gegeben, sich so zu verhalten .. </p><lb/>
          <p>Sie sehen, wir haben keinen Schritt vorwärts gethan, und diese Ungewißheit trägt nicht wenig dazu bei, die peinliche Neugierde des Publicums bis zum höchsten Grade zu steigern.</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <div type="jAn" n="2">
        <p>Erklärung.</p><lb/>
        <p>Die Allg. Zeitung von Augsburg hat seit kurzem aus einem hiesigen Sonntagsblatte, dem Satyrist, Artikel entlehnt, die den Herrn Herzog von Braunschweig betreffen. &#x2013; Bei den englischen Blättern, welche einen ähnlichen Standpunkt als Ihre Zeitung einnehmen, ist die niedrige Verleumdungssucht des Satyristen dergestalt verachtet und sein Discredit so sehr begründet, daß keines jener löblichen Blätter irgend etwas von demselben herrührend wiederholt. <hi rendition="#sup">*)</hi><note place="foot" n="*)"> In der heutigen Zeitung finden sich unter der Rubrik Großbritannien einige Notizen über dieses Blatt, die uns zugleich mit obiger Erklärung zukamen.<lb/><p>A. d. R.</p><lb/></note>&#x2013; Da dieß Ihnen, Hr. Redacteur, nicht bekannt zu seyn scheint, so erlaube ich mir, Sie um die erforderliche Berichtigung Ihrer Zeitung hiedurch höflichst zu ersuchen, und lege Ihnen hier beispielweise und zu mehrerer Bekräftigung der Wahrheit ein paar Antwortsschreiben von Behörden vor Augen, welche die verächtliche Diatribe des Satyristen hinlänglich erweisen dürften.</p><lb/>
        <p>Indem ich also im Namen der betheiligten Person Sr. Durchlaucht des Herzogs von Braunschweig den Satyrist ein für allemal hiedurch öffentlich Lügen strafe, bedaure ich nur, was den in der Allg. Zeitung unterm 6 Januar erschienenen Artikel anlangt, eine ähnliche Beweisführung nicht liefern zu können, weil die darin bezeichnete Person, gegen welche der Herzog angeblich &#x201E;die umfassendsten Defensiv-Anstalten&#x201C; in seinem Hause getroffen haben soll, gar nicht existirt. &#x2013; Was von einem feilen Scribenten wie dem Satyristen zu halten, bedarf diesem zufolge wohl weiter keiner Erläuterung.</p><lb/>
        <p>Von der bekannten Unparteilichkeit Ihrer Zeitung und zur Steuer der Wahrheit darf ich erwarten, daß Sie, Hr. Redacteur, dies er Erklärung einen Platz in Ihren Colonnen nicht verweigern werden.</p><lb/>
        <p>Mit vollkommenster Hochachtung nenne ich mich<lb/>
Euer Wohlgeboren<lb/>
ganz ergebenster Baron v. Andlau, Kammerherr Sr. Durchl. des Herzogs von Braunschweig.</p><lb/>
        <p>London, den 8 Februar 1840. 38 Bryanston Square.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0453/0013] königlichen Hauses, die ausgezeichnetsten Personen des Parlaments, viele Tories, unter ihnen der Herzog v. Wellington und Sir Robert Peel, die hohe Geistlichkeit mit zwei Erzbischöfen, das diplomatische Corps und sehr viele, die nicht beim Bankett gewesen waren, sah man hier. Man wandelte auf und nieder auf den Treppen, der Galerie, in den Gemächern und zwischen den goldenen Fauteuils in der Halle, die unter Orangenbäumen standen. Es war eines jener eigenthümlichen Routs der englischen Gesellschaft. Die Herzogin von Sutherland ist eine der liebenswürdigsten und schönsten Damen Londons, was in der That viel sagen will. Gegen 3 Uhr ging die Gesellschaft auseinander, die Illumination der Stadt aber dauerte bis zum andern Tage, und um 9 Uhr Morgens brannte an einem Palast in Pall-Mall noch hell und strahlend eine Sonne von Gaslampen, heller wahrhaftig als die hinter Steinkohlendampf, Wolken und der Ausdünstung von zwei Millionen dicht aneinander gedrängter Menschen nur matt scheinende Sonne des Tages. – Diesen Abend 5 Uhr sind die Königin und der Prinz von Windsor zurückgekehrt. Frankreich. _ Paris, 20 Februar. Der sonderbare Proceß, den ein gewisser Gros gegen den Grafen Montalivet als Intendanten der Civilliste erhoben hat, ist vor wenigen Tagen vor dem Civilgerichte erster Instanz in Paris verhandelt worden. Da wir ehestens einer Entscheidung entgegensehen können, so will ich in zwei Worten den Thatbestand hier wiederholen. Gros, der Kläger, erzählt: eines Tages, indem ich einem schönen Schmetterling im Tuileriegarten nachjagte, stieß ich auf ein Eisenblech, das an mehreren Bäumen angebracht war und den Buchstaben T trug. Daraus schloß ich, daß unter diesen Bäumen der Schatz (trésor) vergraben liegen müsse, den Ludwig XVI in der Revolution vergraben ließ und von welchem so häufig schon in öffentlichen Blättern die Rede war; ich benachrichtigte den Intendanten der Civilliste von meinem Funde mit dem Vorbehalt, daß mir nach dem Civilcodex die Hälfte des Schatzes zukomme, und daß die Nachgrabungen nur in meiner Gegenwart und unter meiner Aufsicht statt finden sollten. Meine Angabe schien dem Intendanten der Civilliste um so gewichtiger, als er im Besitz eines Actenstückes war, das man in frühern Jahren bei einem politischen Gefangenen unter der Restauration gefunden hatte, und das jenes Schatzes ausdrücklich Erwähnung that. Nichtsdestoweniger wurde die mit mir förmlich abgeschlossene Uebereinkunft nicht gehalten, sondern Herr v. Montalivet ließ heimlich Nachgrabungen machen, und hat fortwährend verweigert, mir deren Resultat zu eröffnen. Darum begehre ich, daß er verurtheilt werde, Rechnung zu stellen, falls er nicht vorzieht, mir meinen in Abgang näherer Bestimmtheit also geschätzten Antheil von 300,000 Fr. zu bezahlen. Hr. v. Montalivet, der gar nicht Lust zu haben scheint, auch nur einen Sou zu bezahlen, erwiedert, daß der Kläger wahrscheinlich einen sehr lebhaften Traum gehabt habe, und daß er wegen mangelnden Beweises des Klagegrundes auf Abweisung des gestellten Begehrens antrage. Das Gericht hat die Sache zum Gutachten der Staatsbehörde und zum Urtheilsspruch auf acht Tage vertagt. So wie dermalen die Umstände vorliegen, ist nicht wohl abzusehen, wie ein andres als abweisendes Erkenntniß erfolgen könne. Dieß ist einer der Processe, die unsre Aufmerksamkeit in diesem Augenblick in Anspruch nehmen. Der zweite ist die entsetzliche Vergiftungsgeschichte von Glandier, über welche ich Ihnen vor einigen Tagen geschrieben. Ich ergänze jenen ersten Bericht durch folgenden Nachtrag: nach neuern Angaben scheint der materielle Thatbestand der Vergiftung Laffarge's durch ärztliche Untersuchung festgestellt, auch soll Laffarge in den letzten Augenblicken seines Lebens zu seinem Arzte gesagt haben: ich sterbe vergiftet, an Ihnen ist es, meinen Tod zu rächen. Die Nachforschung wegen der vergifteten Kuchen hat bis jetzt zu keinem wesentlichen Resultate geführt; wir zweifeln daran, daß fernere Bemühungen einen bessern Erfolg haben werden. Dagegen besteht die Anklage sehr auf dem Umstande, daß die Angeklagte Gift gekauft und unmittelbar vor dem ersten gerichtlichen Besuche Arsenik in ihrem Garten verborgen habe, wo man ihn auch wirklich gefunden, was stets auf einen lang vorher gefaßten Entschluß, ihren Mann zu ermorden, hinweise und mit dem vielbesprochenen Brief zusammenhänge, in welchem sie ihrem Mann ihre unüberwindliche Abneigung gegen ihn und ihre Leidenschaft für einen andern bekannt habe. Hierauf nun antwortet die Angeklagte, daß sie weder Gift gekauft, noch Arsenik in dem Garten versteckt habe, und daß beide Thatsachen ihr durchaus fremd und nicht zur Last seyen; im Uebrigen bewahrt sie im Gefängniß dieselbe Ruhe und Unbefangenheit, die sie während der Krankheit ihres Mannes stets bewiesen hat, und die von der Art ist daß einer der Zeugen, der sie beobachtet, aussagt: nur einer teuflischen Verstellungskunst, oder aber der reinen Unschuld ist es gegeben, sich so zu verhalten .. Sie sehen, wir haben keinen Schritt vorwärts gethan, und diese Ungewißheit trägt nicht wenig dazu bei, die peinliche Neugierde des Publicums bis zum höchsten Grade zu steigern. Erklärung. Die Allg. Zeitung von Augsburg hat seit kurzem aus einem hiesigen Sonntagsblatte, dem Satyrist, Artikel entlehnt, die den Herrn Herzog von Braunschweig betreffen. – Bei den englischen Blättern, welche einen ähnlichen Standpunkt als Ihre Zeitung einnehmen, ist die niedrige Verleumdungssucht des Satyristen dergestalt verachtet und sein Discredit so sehr begründet, daß keines jener löblichen Blätter irgend etwas von demselben herrührend wiederholt. *) *)– Da dieß Ihnen, Hr. Redacteur, nicht bekannt zu seyn scheint, so erlaube ich mir, Sie um die erforderliche Berichtigung Ihrer Zeitung hiedurch höflichst zu ersuchen, und lege Ihnen hier beispielweise und zu mehrerer Bekräftigung der Wahrheit ein paar Antwortsschreiben von Behörden vor Augen, welche die verächtliche Diatribe des Satyristen hinlänglich erweisen dürften. Indem ich also im Namen der betheiligten Person Sr. Durchlaucht des Herzogs von Braunschweig den Satyrist ein für allemal hiedurch öffentlich Lügen strafe, bedaure ich nur, was den in der Allg. Zeitung unterm 6 Januar erschienenen Artikel anlangt, eine ähnliche Beweisführung nicht liefern zu können, weil die darin bezeichnete Person, gegen welche der Herzog angeblich „die umfassendsten Defensiv-Anstalten“ in seinem Hause getroffen haben soll, gar nicht existirt. – Was von einem feilen Scribenten wie dem Satyristen zu halten, bedarf diesem zufolge wohl weiter keiner Erläuterung. Von der bekannten Unparteilichkeit Ihrer Zeitung und zur Steuer der Wahrheit darf ich erwarten, daß Sie, Hr. Redacteur, dies er Erklärung einen Platz in Ihren Colonnen nicht verweigern werden. Mit vollkommenster Hochachtung nenne ich mich Euer Wohlgeboren ganz ergebenster Baron v. Andlau, Kammerherr Sr. Durchl. des Herzogs von Braunschweig. London, den 8 Februar 1840. 38 Bryanston Square. *) In der heutigen Zeitung finden sich unter der Rubrik Großbritannien einige Notizen über dieses Blatt, die uns zugleich mit obiger Erklärung zukamen. A. d. R.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_057_18400226
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_057_18400226/13
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 57. Augsburg, 26. Februar 1840, S. 0453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_057_18400226/13>, abgerufen am 22.11.2024.