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Allgemeine Zeitung. Nr. 56. Augsburg, 25. Februar 1840.

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Individuen. Im Jahr 1839 lebten im Königreich beider Sicilien 830 Evangelische und 2000 Juden; letztern ist bis auf den heutigen Tag verboten, sich als Gemeinde zu constituiren. Das Edict, welches Karl III im Jahr 1740 zu ihren Gunsten erließ, hatte nur sieben Jahre Bestand; durch Unduldsamkeit der Bevölkerung ward es außer Kraft gesetzt. (Ein zweiter Artikel folgt.)

Spanien.

Zur auswärtigen Beurtheilung der spanischen Zustände ist es nöthig, sich über eine Vorfrage zu verständigen, die ich kurz erläutern will, ehe ich die Zustände selbst prüfe. Die neuern Politiker leiten das Wohl und Wehe der Staaten von den Regierungsformen ab; brechen in einer absoluten Monarchie Unruhen aus, sogleich behaupten die demokratischen Publicisten, daran sey der Absolutismus Schuld; wird ein Staat mit freierer Verfassung von Stürmen bewegt, so ermangeln die monarchischen Staatslehrer nicht, darin den verderblichen Einfluß des Liberalismus zu beklagen; in den Augen jener ist die Revolution die nothwendige Folge des Absolutismus, in den Augen dieser führt der Liberalismus unvermeidlich zur Anarchie. Jede Schule folgt in der Regel ihrer angenommenen Meinung, ohne der Sache auf den Grund zu sehen, und so werden sich auch in Bezug auf Spanien die liberalen Publicisten für Isabelle II erklären, selbst wenn ihre Regierung ohne Unterlaß Aergerniß gäbe, und die absoluten Politiker werden zu Don Carlos halten, selbst wenn seine Regierung ein Verbrechen auf das andere häufen würde. Sehe man also ab von den Namen und Formen der Regierung, denn sie haben die Wichtigkeit nicht, die man ihnen beilegt. In Deutschland sollte man vorzugsweise von dieser Wahrheit überzeugt seyn, dort, wo es liberale und absolute Regierungen gibt, und wo unter beiden Formen die Völker glücklich leben können, ohne daß zum Wohl derselben eine einzige Regierungsform ausschließlich nothwendig ist. Was die Erfahrung in Deutschland lehrt, lasse man auch Spanien bei der Beurtheilung seiner Zustände zu gut kommen. Die Form der Verfassung ist es nicht, wodurch man sich für oder gegen die Regierung Isabella's II erklären soll, sondern der Geist, der sich im Gebrauch der Form zu erkennen gibt. Das monarchische, aristokratische und religiöse Princip einer Verfassung kann sie vor politischen Stürmen schützen, aber der Schutz hängt wesentlich von der festen Handhabung dieser Principien ab, das Wort macht es nicht aus, sondern die That. Ich möchte die europäischen Vorurtheile gegen die spanische Regierung zerstreuen, sie haben ihren Grund in der Abneigung einiger Großmächte gegen freiere Staatseinrichtungen, und doch liegt in diesen Institutionen der spanischen Verfassung nicht nothwendig eine zerstörende Tendenz, ein Umsturz der Ordnung und des europäischen Friedens. Würde in der Regierung Isabella II das demokratische Princip vorwalten, so könnten die europäischen Großmächte unmöglich eine solche Regierung unterstützen. Auf der andern Seite ist es aber wünschenswerth, daß man sich die Mühe nehme, zu untersuchen, ob die Regierung Isabella's II nicht Elemente besitze, welche eine feierliche Protestation gegen umstürzende Principien sind. Sehe man einmal der Carlistischen Regierung auf den Grund, und verschließe die Augen nicht, wenn man gewahrt, daß sie nichts Anderes war, als ein blindes Werkzeug der Leidenschaften und der aufrührerischen Massen.

Wer war in Spanien demokratisch, die Regierung Isabella's II oder die Partei Don Carlos'? Darauf antworten die Befangenen, versteht sich, die erste. Ein solches Urtheil ist hier unbegreiflich. Die Freunde des monarchischen Princips wissen ja recht gut, daß Isabella in aller Form Rechtens die von der ganzen Nation anerkannte legitime Königin ist; sie können nicht läugnen, daß diese Anerkennung ohne Widerspruch stattgefunden und Anfangs von Niemand bestritten wurde. Ist denn an dieser Legitimität später ein Fehler entdeckt worden? Keineswegs. Warum aber wandten sich außerhalb Spanien die monarchisch-Gesinnten auf die Seite des Don Carlos? Weil sie sich irre leiten ließen durch das einfältige Benehmen der spanischen Liberalen. Diese hofften unter der Regierung Isabella's alle ihre Absichten zu erreichen, alle ihre Plane durchzusetzen, und gaben sich so wenig Mühe, die Entwicklung der Zeit abzuwarten, daß sie in der Ueberzeugung ihres Sieges von vorn weg Allen vor den Kopf stießen, die nicht mit ihnen hielten. Diese Beleidigten konnten dadurch den Liberalen nicht hold werden, und mußten das Vertrauen zu einer Regierung verlieren, von der man sie glauben machte, daß die Liberalen die Herrschaft hätten. Unter diesen Umständen fingen die Unruhen der nördlichen Provinzen an; es leidet keinen Zweifel, daß sie durchaus revolutionär waren, und der Erfolg bewies, daß sie auch nur durch demagogische Mittel erhalten wurden, was ja stets im Charakter der Revolution liegt. Die Elemente, welche den Aufruhr bildeten, waren folgende: 1) die oben genannten, von den herrschsüchtigen Liberalen gekränkten Leute, welche den liberalen Despotismus stürzen wollten; 2) die Guerilleros, ein historischer Name von gutem Klang aus anderer Zeit, wo diese Leute gegen den fremden Zwingherrn kämpften, jetzt aber waren sie Freibeuter, welche die Schranken der arbeitsvollen Genügsamkeit niederrissen und sich ihren Verdienst mit der Faust suchten; 3) Glücksritter und Unzufriedene, Feinde des Adels und der Grandezza, welche sich den Carlisten anschlossen in der Meinung, man brauche nur zu kämpfen, um adelig zu werden, und nur zu siegen, um Grande zu seyn; 4) die freiwilligen Royalisten, d. i. die bewaffnete Demokratie; 5) die Einwohner der nördlichen Provinzen, einmal aus Furcht, ihre Vorrechte ganz zu verlieren, deren sie schon einige eingebüßt hatten, sodann, als der Aufruhr mit fremdem Gelde geführt wurde, aus Interesse; 6) einige Wenige aus religiösem Fanatismus; ihre Zahl war aber bei weitem nicht so groß, als man den Lesern der Gazette de France so oft vorgestellt hat. Denn in Spanien haben weder die Secten noch die Philosophie den gemeinsamen Glauben zerstört. An der Spitze dieser Elemente stand Don Carlos, sein ganzes Fundament war revolutionär, er war dem wilden Treiben der Demagogie preisgegeben, und wäre gewiß ihr Opfer geworden, wenn er gesiegt hätte, denn diese Elemente bilden die schlechteste Demokratie, mit der es nicht möglich ist, Ruhe und Ordnung herzustellen, geschweige zu erhalten. Einem solchen Ursprung soll die ächte Monarchie doch wahrlich nichts zu danken haben, und selbst wenn man darüber ein Auge zudrücken wollte, so hätte man doch von einer so verworrenen Menge keinerlei Stabilität einer geordneten Regierung erwarten dürfen.

Ostindien.

Der im September v. J. auf Befehl Sir James Carnacs, des jetzigen Statthalters der Präsidentschaft Bombay, abgesetzte Radschah des kleinen, von der ostindischen Compagnie abhängigen Mahrattenstaats Satarah (eines Theils der Provinz Bejapoor) hat an Sir C. Forbes, einem der "Directoren der ostindischen Compagnie", einen warmen Fürsprecher gefunden. In zwei Specialsitzungen des Directoriums im India-House in London am 12 und 13 Febr. motivirte derselbe in ausführlicher Rede

Individuen. Im Jahr 1839 lebten im Königreich beider Sicilien 830 Evangelische und 2000 Juden; letztern ist bis auf den heutigen Tag verboten, sich als Gemeinde zu constituiren. Das Edict, welches Karl III im Jahr 1740 zu ihren Gunsten erließ, hatte nur sieben Jahre Bestand; durch Unduldsamkeit der Bevölkerung ward es außer Kraft gesetzt. (Ein zweiter Artikel folgt.)

Spanien.

Zur auswärtigen Beurtheilung der spanischen Zustände ist es nöthig, sich über eine Vorfrage zu verständigen, die ich kurz erläutern will, ehe ich die Zustände selbst prüfe. Die neuern Politiker leiten das Wohl und Wehe der Staaten von den Regierungsformen ab; brechen in einer absoluten Monarchie Unruhen aus, sogleich behaupten die demokratischen Publicisten, daran sey der Absolutismus Schuld; wird ein Staat mit freierer Verfassung von Stürmen bewegt, so ermangeln die monarchischen Staatslehrer nicht, darin den verderblichen Einfluß des Liberalismus zu beklagen; in den Augen jener ist die Revolution die nothwendige Folge des Absolutismus, in den Augen dieser führt der Liberalismus unvermeidlich zur Anarchie. Jede Schule folgt in der Regel ihrer angenommenen Meinung, ohne der Sache auf den Grund zu sehen, und so werden sich auch in Bezug auf Spanien die liberalen Publicisten für Isabelle II erklären, selbst wenn ihre Regierung ohne Unterlaß Aergerniß gäbe, und die absoluten Politiker werden zu Don Carlos halten, selbst wenn seine Regierung ein Verbrechen auf das andere häufen würde. Sehe man also ab von den Namen und Formen der Regierung, denn sie haben die Wichtigkeit nicht, die man ihnen beilegt. In Deutschland sollte man vorzugsweise von dieser Wahrheit überzeugt seyn, dort, wo es liberale und absolute Regierungen gibt, und wo unter beiden Formen die Völker glücklich leben können, ohne daß zum Wohl derselben eine einzige Regierungsform ausschließlich nothwendig ist. Was die Erfahrung in Deutschland lehrt, lasse man auch Spanien bei der Beurtheilung seiner Zustände zu gut kommen. Die Form der Verfassung ist es nicht, wodurch man sich für oder gegen die Regierung Isabella's II erklären soll, sondern der Geist, der sich im Gebrauch der Form zu erkennen gibt. Das monarchische, aristokratische und religiöse Princip einer Verfassung kann sie vor politischen Stürmen schützen, aber der Schutz hängt wesentlich von der festen Handhabung dieser Principien ab, das Wort macht es nicht aus, sondern die That. Ich möchte die europäischen Vorurtheile gegen die spanische Regierung zerstreuen, sie haben ihren Grund in der Abneigung einiger Großmächte gegen freiere Staatseinrichtungen, und doch liegt in diesen Institutionen der spanischen Verfassung nicht nothwendig eine zerstörende Tendenz, ein Umsturz der Ordnung und des europäischen Friedens. Würde in der Regierung Isabella II das demokratische Princip vorwalten, so könnten die europäischen Großmächte unmöglich eine solche Regierung unterstützen. Auf der andern Seite ist es aber wünschenswerth, daß man sich die Mühe nehme, zu untersuchen, ob die Regierung Isabella's II nicht Elemente besitze, welche eine feierliche Protestation gegen umstürzende Principien sind. Sehe man einmal der Carlistischen Regierung auf den Grund, und verschließe die Augen nicht, wenn man gewahrt, daß sie nichts Anderes war, als ein blindes Werkzeug der Leidenschaften und der aufrührerischen Massen.

Wer war in Spanien demokratisch, die Regierung Isabella's II oder die Partei Don Carlos'? Darauf antworten die Befangenen, versteht sich, die erste. Ein solches Urtheil ist hier unbegreiflich. Die Freunde des monarchischen Princips wissen ja recht gut, daß Isabella in aller Form Rechtens die von der ganzen Nation anerkannte legitime Königin ist; sie können nicht läugnen, daß diese Anerkennung ohne Widerspruch stattgefunden und Anfangs von Niemand bestritten wurde. Ist denn an dieser Legitimität später ein Fehler entdeckt worden? Keineswegs. Warum aber wandten sich außerhalb Spanien die monarchisch-Gesinnten auf die Seite des Don Carlos? Weil sie sich irre leiten ließen durch das einfältige Benehmen der spanischen Liberalen. Diese hofften unter der Regierung Isabella's alle ihre Absichten zu erreichen, alle ihre Plane durchzusetzen, und gaben sich so wenig Mühe, die Entwicklung der Zeit abzuwarten, daß sie in der Ueberzeugung ihres Sieges von vorn weg Allen vor den Kopf stießen, die nicht mit ihnen hielten. Diese Beleidigten konnten dadurch den Liberalen nicht hold werden, und mußten das Vertrauen zu einer Regierung verlieren, von der man sie glauben machte, daß die Liberalen die Herrschaft hätten. Unter diesen Umständen fingen die Unruhen der nördlichen Provinzen an; es leidet keinen Zweifel, daß sie durchaus revolutionär waren, und der Erfolg bewies, daß sie auch nur durch demagogische Mittel erhalten wurden, was ja stets im Charakter der Revolution liegt. Die Elemente, welche den Aufruhr bildeten, waren folgende: 1) die oben genannten, von den herrschsüchtigen Liberalen gekränkten Leute, welche den liberalen Despotismus stürzen wollten; 2) die Guerilleros, ein historischer Name von gutem Klang aus anderer Zeit, wo diese Leute gegen den fremden Zwingherrn kämpften, jetzt aber waren sie Freibeuter, welche die Schranken der arbeitsvollen Genügsamkeit niederrissen und sich ihren Verdienst mit der Faust suchten; 3) Glücksritter und Unzufriedene, Feinde des Adels und der Grandezza, welche sich den Carlisten anschlossen in der Meinung, man brauche nur zu kämpfen, um adelig zu werden, und nur zu siegen, um Grande zu seyn; 4) die freiwilligen Royalisten, d. i. die bewaffnete Demokratie; 5) die Einwohner der nördlichen Provinzen, einmal aus Furcht, ihre Vorrechte ganz zu verlieren, deren sie schon einige eingebüßt hatten, sodann, als der Aufruhr mit fremdem Gelde geführt wurde, aus Interesse; 6) einige Wenige aus religiösem Fanatismus; ihre Zahl war aber bei weitem nicht so groß, als man den Lesern der Gazette de France so oft vorgestellt hat. Denn in Spanien haben weder die Secten noch die Philosophie den gemeinsamen Glauben zerstört. An der Spitze dieser Elemente stand Don Carlos, sein ganzes Fundament war revolutionär, er war dem wilden Treiben der Demagogie preisgegeben, und wäre gewiß ihr Opfer geworden, wenn er gesiegt hätte, denn diese Elemente bilden die schlechteste Demokratie, mit der es nicht möglich ist, Ruhe und Ordnung herzustellen, geschweige zu erhalten. Einem solchen Ursprung soll die ächte Monarchie doch wahrlich nichts zu danken haben, und selbst wenn man darüber ein Auge zudrücken wollte, so hätte man doch von einer so verworrenen Menge keinerlei Stabilität einer geordneten Regierung erwarten dürfen.

Ostindien.

Der im September v. J. auf Befehl Sir James Carnacs, des jetzigen Statthalters der Präsidentschaft Bombay, abgesetzte Radschah des kleinen, von der ostindischen Compagnie abhängigen Mahrattenstaats Satarah (eines Theils der Provinz Bejapoor) hat an Sir C. Forbes, einem der „Directoren der ostindischen Compagnie“, einen warmen Fürsprecher gefunden. In zwei Specialsitzungen des Directoriums im India-House in London am 12 und 13 Febr. motivirte derselbe in ausführlicher Rede

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[0446/0014] Individuen. Im Jahr 1839 lebten im Königreich beider Sicilien 830 Evangelische und 2000 Juden; letztern ist bis auf den heutigen Tag verboten, sich als Gemeinde zu constituiren. Das Edict, welches Karl III im Jahr 1740 zu ihren Gunsten erließ, hatte nur sieben Jahre Bestand; durch Unduldsamkeit der Bevölkerung ward es außer Kraft gesetzt. (Ein zweiter Artikel folgt.) Spanien. _ Madrid, Febr. Zur auswärtigen Beurtheilung der spanischen Zustände ist es nöthig, sich über eine Vorfrage zu verständigen, die ich kurz erläutern will, ehe ich die Zustände selbst prüfe. Die neuern Politiker leiten das Wohl und Wehe der Staaten von den Regierungsformen ab; brechen in einer absoluten Monarchie Unruhen aus, sogleich behaupten die demokratischen Publicisten, daran sey der Absolutismus Schuld; wird ein Staat mit freierer Verfassung von Stürmen bewegt, so ermangeln die monarchischen Staatslehrer nicht, darin den verderblichen Einfluß des Liberalismus zu beklagen; in den Augen jener ist die Revolution die nothwendige Folge des Absolutismus, in den Augen dieser führt der Liberalismus unvermeidlich zur Anarchie. Jede Schule folgt in der Regel ihrer angenommenen Meinung, ohne der Sache auf den Grund zu sehen, und so werden sich auch in Bezug auf Spanien die liberalen Publicisten für Isabelle II erklären, selbst wenn ihre Regierung ohne Unterlaß Aergerniß gäbe, und die absoluten Politiker werden zu Don Carlos halten, selbst wenn seine Regierung ein Verbrechen auf das andere häufen würde. Sehe man also ab von den Namen und Formen der Regierung, denn sie haben die Wichtigkeit nicht, die man ihnen beilegt. In Deutschland sollte man vorzugsweise von dieser Wahrheit überzeugt seyn, dort, wo es liberale und absolute Regierungen gibt, und wo unter beiden Formen die Völker glücklich leben können, ohne daß zum Wohl derselben eine einzige Regierungsform ausschließlich nothwendig ist. Was die Erfahrung in Deutschland lehrt, lasse man auch Spanien bei der Beurtheilung seiner Zustände zu gut kommen. Die Form der Verfassung ist es nicht, wodurch man sich für oder gegen die Regierung Isabella's II erklären soll, sondern der Geist, der sich im Gebrauch der Form zu erkennen gibt. Das monarchische, aristokratische und religiöse Princip einer Verfassung kann sie vor politischen Stürmen schützen, aber der Schutz hängt wesentlich von der festen Handhabung dieser Principien ab, das Wort macht es nicht aus, sondern die That. Ich möchte die europäischen Vorurtheile gegen die spanische Regierung zerstreuen, sie haben ihren Grund in der Abneigung einiger Großmächte gegen freiere Staatseinrichtungen, und doch liegt in diesen Institutionen der spanischen Verfassung nicht nothwendig eine zerstörende Tendenz, ein Umsturz der Ordnung und des europäischen Friedens. Würde in der Regierung Isabella II das demokratische Princip vorwalten, so könnten die europäischen Großmächte unmöglich eine solche Regierung unterstützen. Auf der andern Seite ist es aber wünschenswerth, daß man sich die Mühe nehme, zu untersuchen, ob die Regierung Isabella's II nicht Elemente besitze, welche eine feierliche Protestation gegen umstürzende Principien sind. Sehe man einmal der Carlistischen Regierung auf den Grund, und verschließe die Augen nicht, wenn man gewahrt, daß sie nichts Anderes war, als ein blindes Werkzeug der Leidenschaften und der aufrührerischen Massen. Wer war in Spanien demokratisch, die Regierung Isabella's II oder die Partei Don Carlos'? Darauf antworten die Befangenen, versteht sich, die erste. Ein solches Urtheil ist hier unbegreiflich. Die Freunde des monarchischen Princips wissen ja recht gut, daß Isabella in aller Form Rechtens die von der ganzen Nation anerkannte legitime Königin ist; sie können nicht läugnen, daß diese Anerkennung ohne Widerspruch stattgefunden und Anfangs von Niemand bestritten wurde. Ist denn an dieser Legitimität später ein Fehler entdeckt worden? Keineswegs. Warum aber wandten sich außerhalb Spanien die monarchisch-Gesinnten auf die Seite des Don Carlos? Weil sie sich irre leiten ließen durch das einfältige Benehmen der spanischen Liberalen. Diese hofften unter der Regierung Isabella's alle ihre Absichten zu erreichen, alle ihre Plane durchzusetzen, und gaben sich so wenig Mühe, die Entwicklung der Zeit abzuwarten, daß sie in der Ueberzeugung ihres Sieges von vorn weg Allen vor den Kopf stießen, die nicht mit ihnen hielten. Diese Beleidigten konnten dadurch den Liberalen nicht hold werden, und mußten das Vertrauen zu einer Regierung verlieren, von der man sie glauben machte, daß die Liberalen die Herrschaft hätten. Unter diesen Umständen fingen die Unruhen der nördlichen Provinzen an; es leidet keinen Zweifel, daß sie durchaus revolutionär waren, und der Erfolg bewies, daß sie auch nur durch demagogische Mittel erhalten wurden, was ja stets im Charakter der Revolution liegt. Die Elemente, welche den Aufruhr bildeten, waren folgende: 1) die oben genannten, von den herrschsüchtigen Liberalen gekränkten Leute, welche den liberalen Despotismus stürzen wollten; 2) die Guerilleros, ein historischer Name von gutem Klang aus anderer Zeit, wo diese Leute gegen den fremden Zwingherrn kämpften, jetzt aber waren sie Freibeuter, welche die Schranken der arbeitsvollen Genügsamkeit niederrissen und sich ihren Verdienst mit der Faust suchten; 3) Glücksritter und Unzufriedene, Feinde des Adels und der Grandezza, welche sich den Carlisten anschlossen in der Meinung, man brauche nur zu kämpfen, um adelig zu werden, und nur zu siegen, um Grande zu seyn; 4) die freiwilligen Royalisten, d. i. die bewaffnete Demokratie; 5) die Einwohner der nördlichen Provinzen, einmal aus Furcht, ihre Vorrechte ganz zu verlieren, deren sie schon einige eingebüßt hatten, sodann, als der Aufruhr mit fremdem Gelde geführt wurde, aus Interesse; 6) einige Wenige aus religiösem Fanatismus; ihre Zahl war aber bei weitem nicht so groß, als man den Lesern der Gazette de France so oft vorgestellt hat. Denn in Spanien haben weder die Secten noch die Philosophie den gemeinsamen Glauben zerstört. An der Spitze dieser Elemente stand Don Carlos, sein ganzes Fundament war revolutionär, er war dem wilden Treiben der Demagogie preisgegeben, und wäre gewiß ihr Opfer geworden, wenn er gesiegt hätte, denn diese Elemente bilden die schlechteste Demokratie, mit der es nicht möglich ist, Ruhe und Ordnung herzustellen, geschweige zu erhalten. Einem solchen Ursprung soll die ächte Monarchie doch wahrlich nichts zu danken haben, und selbst wenn man darüber ein Auge zudrücken wollte, so hätte man doch von einer so verworrenen Menge keinerlei Stabilität einer geordneten Regierung erwarten dürfen. Ostindien. Der im September v. J. auf Befehl Sir James Carnacs, des jetzigen Statthalters der Präsidentschaft Bombay, abgesetzte Radschah des kleinen, von der ostindischen Compagnie abhängigen Mahrattenstaats Satarah (eines Theils der Provinz Bejapoor) hat an Sir C. 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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 56. Augsburg, 25. Februar 1840, S. 0446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_056_18400225/14>, abgerufen am 27.04.2024.