Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 55. Augsburg, 24. Februar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Kaiserreichs werden wird. Diese Religion enthält genug des Aeußerlichen, um ein mäßig gebildetes Volk an die Kirche zu fesseln, während die Kirche in der unbedingt vom Staatsoberhaupt ressortirenden heiligen Synode ihr alleiniges Haupt erkennt. So bildet sich ein großer, einfach gegliederter Körper, dessen Thätigkeit durch die unsichtbaren Fäden eines einzigen Lenkers geregelt und mit den Tendenzen seiner Politik stets in möglichstem Einklang erhalten wird. Manche Zeitungen haben zwar wiederholt behauptet, daß die Regierung bei der Wiedervereinigung der unirten Griechen mit der alten orthodoxen Kirche auf große und vielfältige Hindernisse gestoßen, und daß namentlich eine beträchtliche Anzahl von Priestern die Flucht ergriffen habe, um in ihrer Abhängigkeit vom Papste zu beharren. Uns ist hier in der Nähe nichts davon bekannt geworden; jedenfalls kann ihre Zahl nicht groß seyn. An Widersetzlichkeit dürfte überhaupt kaum zu denken seyn, da die russische Regierung nicht leicht eine Maaßregel eher ausführt, als bis sie ihres vollständigen Erfolges gewiß ist, es auch nöthigenfalls an wirksamen Exemplificationen nicht fehlen läßt. Die Märtyrerrolle ist aber in allen dem russischen Scepter unterworfenen Ländern eine undankbare Rolle, die wohl Wenige zu übernehmen Lust haben, weil sie nicht einmal zu öffentlichem Rufe führt. Eine geräuschlose Ortsveränderung ist das einzige Resultat, das man durch seinen Eifer hervorrufen kann. - Daß Rußland sein Isolirungssystem, welches den Nachbarländern so verderblich wird, nicht aufzugeben gedenkt, beweisen die großartigen Unternehmungen im Innern. Seit Cockerills Anwesenheit in Warschau ist die große Süd-Eisenbahn kräftig in Angriff genommen, und von der Hauptstadt bis Czenstochau sind eine Menge Menschen mit den nöthigen Vorarbeiten beschäftigt. Eben so ist es keinem Zweifel unterworfen, daß eine Eisenbahn vom Niemen bis Libau zu Stande kommen wird, und daß bereits die dießfälligen Vermessungen vorgenommen werden. Die Gränzplackereien nehmen eher zu als ab; dieß ist jedoch kein Hinderniß, den demoralisirenden Schmuggelhandel in größter Ausdehnung zu treiben. - Wie es heißt, wird die Kaiserin, vom Großfürsten-Thronfolger begleitet, im Monat April oder spätestens im Mai ihre Reise über Berlin ins Emser Bad antreten.

Schweden und Norwegen.

Nach einer den Reichsständen vorgelegten officiellen Uebersicht sind in Schweden während der Jahre 1810-1840 18 neue Canäle gegraben oder verbessert, 16 kleinere Fahrwasser gereinigt, 3 Häfen umgebaut, mehrere Chausseen angelegt und 7 Befestigungen oder allgemeine Bauten, mit einem Kostenaufwande von beinahe 16 Millionen Rthlrn. Bco. zu Stande gebracht worden. Da das Reich während dieser Zeit seine ganze Staatsschuld liquidirt hat und Ersparungen von mehr als 5 Millionen Rthlrn. Bco. jetzt in der Reichsbank und dem Staatsschatze in baarem Gelde vorhanden seyn sollen, so ist wohl die financielle Lage des Staats eine der glücklichsten. In den Annalen des Reichs kann man kein ähnliches Beispiel wahrnehmen. Da man jetzt nur die Mühe hat, die Ersparungen, jetzige wie künftige, gut anzuwenden, so scheint ein wirklicher embarras de richesses eingetreten zu seyn. Man disputirt, ob die Regierung oder die Reichsstände Urheber unsrer glücklichen Lage gewesen; vielleicht wäre es am richtigsten, beiden, wenn auch der ersteren den größten Theil, zuzuschreiben. - Man ist sehr gespannt darauf, welche Reformen die jetzt versammelten Reichsstände und besonders die Opposition, welche wie immer zu Anfang eines Reichstages sehr beschäftigt ist, dem Könige vorlegen werden; daß viele dergleichen nothwendig sind, ist nicht zu bezweifeln. Die erste wird die schon längst vorbereitete Reform in der Zusammensetzung des Staatsraths seyn, wodurch man mehreren Mitgliedern der Opposition in demselben einen Platz zu verschaffen hofft. - Bei dem letzten großen Hofball waren beinahe alle Oppositionsführer zugegen. - Dagligt Allehanda, welches als Organ der Opposition betrachtet werden kann, erklärt bestimmt, daß die Opposition in keinem Falle gegen die Person des Königs gerichtet sey, sondern gegen diejenigen seiner Umgebung, welche den Reformen abgeneigt sind. (Hamb. C.)

Tripolis.

Touloner und Marseiller Blätter bringen Nachrichten aus Tripolis vom 31 Jan. Der famöse Hattischerif war von Konstantinopel dort eingetroffen und ohne Pomp in türkischer Sprache verlesen worden, so daß wenige der arabisch redenden Einwohner von Tripolis etwas davon verstanden. Als Gegengeschenk schickte der Pascha 11 Köpfe und 10 Ohren, welche man Arabern des Bey's von Fezzan Abd-El-Gelil abgeschnitten, nach Konstantinopel zurück, wohl um zu zeigen, wie gewissenhaft er sich an den humanen Hattischerif, der den türkischen Unterthanen die Sicherheit des Lebens und Eigenthums verspricht, zu halten beabsichtige. Fünf andere Araber wurden eingekerkert und so entsetzlich auf Befehl des Pascha's mißhandelt, daß man für ihr Leben fürchtet. Uebrigens steht es mit der türkischen Herrschaft in Tripolis besser, als die früheren Berichte meldeten. Abd-El-Gelil, Bey der Oase Fezzan, der die Türken bis in ihre Küstenstädte zurückgetrieben hatte, wurde überfallen und geschlagen. Die insurgirten Araber der Provinz Bengazi haben sich dem Pascha unterworfen und fast all' ihre Häuptlinge sind in den Händen der Türken.

Litterarischer Verein in Stuttgart
zur Herausgabe älterer Druck- u. Handschriften u. ausschließlicher Vertheilung derselben an die Vereinsmitglieder.

Unter dem Protectorat Sr. Majestät des Königs.

Die Unterzeichneten fordern hierdurch jeden Freund und Gönner der Litteratur zur Unterstützung des von ihnen eingeleiteten Unternehmens auf. Sie haben, nach dem beachtenswerthen Vorgange der Engländer, einen Verein zu begründen angefangen, dessen Zweck in der Ueberschrift bezeichnet ist. Se. Majestät der König von Würtemberg, jede gemeinnützige Thätigkeit väterlich beachtend und gnädig fördernd, hat den Verein huldvollst unter seinen erhabenen Schutz genommen.

Der Verein soll wenigstens 500 Mitglieder zählen. Der jährlich von jedem Mitgliede zu leistende Beitrag von 11 fl. rhn., also bei 500 Mitgliedern die Summe von 5500 fl., soll auf den Abdruck werthvoller, sey es handschriftlicher, sey es älterer schon gedruckter, aber bereits aus dem Buchhandel verschwundener und sehr selten gewordener Schriften verwendet werden, und zwar solcher, die dem germanischen oder romanischen Sprachgebiet angehören und ein allgemeineres Interesse darbieten, also vorzugsweise Schriften geschichtlichen oder poetischen Inhalts. Ein wissenschaftlicher Zweck, nicht Liebhaberei an Sonderbarkeiten oder Bibliomanie soll die Auswahl bestimmen. Uebersetzungen sind ausgeschlossen, sofern das Original noch existirt. Eben so ist der Abdruck solcher Quellen der deutschen Geschichte, die in der großen Pertz'schen Sammlung erscheinen werden, ausgeschlossen.

Die Sammlung soll typographisch auf das würdigste ausgestattet werden und in groß Octav in drei Sectionen erscheinen (Geschichtswerke - Dichtungen - vermischte Schriften). Die Abdrücke sollen ohne Commentationen nach den besten Originalen, die zu bekommen sind, treu copirt und auf das sorgfältigste corrigirt werden. Wie sehr auch kritische Ausgaben mit Erkärungen zu

Kaiserreichs werden wird. Diese Religion enthält genug des Aeußerlichen, um ein mäßig gebildetes Volk an die Kirche zu fesseln, während die Kirche in der unbedingt vom Staatsoberhaupt ressortirenden heiligen Synode ihr alleiniges Haupt erkennt. So bildet sich ein großer, einfach gegliederter Körper, dessen Thätigkeit durch die unsichtbaren Fäden eines einzigen Lenkers geregelt und mit den Tendenzen seiner Politik stets in möglichstem Einklang erhalten wird. Manche Zeitungen haben zwar wiederholt behauptet, daß die Regierung bei der Wiedervereinigung der unirten Griechen mit der alten orthodoxen Kirche auf große und vielfältige Hindernisse gestoßen, und daß namentlich eine beträchtliche Anzahl von Priestern die Flucht ergriffen habe, um in ihrer Abhängigkeit vom Papste zu beharren. Uns ist hier in der Nähe nichts davon bekannt geworden; jedenfalls kann ihre Zahl nicht groß seyn. An Widersetzlichkeit dürfte überhaupt kaum zu denken seyn, da die russische Regierung nicht leicht eine Maaßregel eher ausführt, als bis sie ihres vollständigen Erfolges gewiß ist, es auch nöthigenfalls an wirksamen Exemplificationen nicht fehlen läßt. Die Märtyrerrolle ist aber in allen dem russischen Scepter unterworfenen Ländern eine undankbare Rolle, die wohl Wenige zu übernehmen Lust haben, weil sie nicht einmal zu öffentlichem Rufe führt. Eine geräuschlose Ortsveränderung ist das einzige Resultat, das man durch seinen Eifer hervorrufen kann. – Daß Rußland sein Isolirungssystem, welches den Nachbarländern so verderblich wird, nicht aufzugeben gedenkt, beweisen die großartigen Unternehmungen im Innern. Seit Cockerills Anwesenheit in Warschau ist die große Süd-Eisenbahn kräftig in Angriff genommen, und von der Hauptstadt bis Czenstochau sind eine Menge Menschen mit den nöthigen Vorarbeiten beschäftigt. Eben so ist es keinem Zweifel unterworfen, daß eine Eisenbahn vom Niemen bis Libau zu Stande kommen wird, und daß bereits die dießfälligen Vermessungen vorgenommen werden. Die Gränzplackereien nehmen eher zu als ab; dieß ist jedoch kein Hinderniß, den demoralisirenden Schmuggelhandel in größter Ausdehnung zu treiben. – Wie es heißt, wird die Kaiserin, vom Großfürsten-Thronfolger begleitet, im Monat April oder spätestens im Mai ihre Reise über Berlin ins Emser Bad antreten.

Schweden und Norwegen.

Nach einer den Reichsständen vorgelegten officiellen Uebersicht sind in Schweden während der Jahre 1810-1840 18 neue Canäle gegraben oder verbessert, 16 kleinere Fahrwasser gereinigt, 3 Häfen umgebaut, mehrere Chausséen angelegt und 7 Befestigungen oder allgemeine Bauten, mit einem Kostenaufwande von beinahe 16 Millionen Rthlrn. Bco. zu Stande gebracht worden. Da das Reich während dieser Zeit seine ganze Staatsschuld liquidirt hat und Ersparungen von mehr als 5 Millionen Rthlrn. Bco. jetzt in der Reichsbank und dem Staatsschatze in baarem Gelde vorhanden seyn sollen, so ist wohl die financielle Lage des Staats eine der glücklichsten. In den Annalen des Reichs kann man kein ähnliches Beispiel wahrnehmen. Da man jetzt nur die Mühe hat, die Ersparungen, jetzige wie künftige, gut anzuwenden, so scheint ein wirklicher embarras de richesses eingetreten zu seyn. Man disputirt, ob die Regierung oder die Reichsstände Urheber unsrer glücklichen Lage gewesen; vielleicht wäre es am richtigsten, beiden, wenn auch der ersteren den größten Theil, zuzuschreiben. – Man ist sehr gespannt darauf, welche Reformen die jetzt versammelten Reichsstände und besonders die Opposition, welche wie immer zu Anfang eines Reichstages sehr beschäftigt ist, dem Könige vorlegen werden; daß viele dergleichen nothwendig sind, ist nicht zu bezweifeln. Die erste wird die schon längst vorbereitete Reform in der Zusammensetzung des Staatsraths seyn, wodurch man mehreren Mitgliedern der Opposition in demselben einen Platz zu verschaffen hofft. – Bei dem letzten großen Hofball waren beinahe alle Oppositionsführer zugegen. – Dagligt Allehanda, welches als Organ der Opposition betrachtet werden kann, erklärt bestimmt, daß die Opposition in keinem Falle gegen die Person des Königs gerichtet sey, sondern gegen diejenigen seiner Umgebung, welche den Reformen abgeneigt sind. (Hamb. C.)

Tripolis.

Touloner und Marseiller Blätter bringen Nachrichten aus Tripolis vom 31 Jan. Der famöse Hattischerif war von Konstantinopel dort eingetroffen und ohne Pomp in türkischer Sprache verlesen worden, so daß wenige der arabisch redenden Einwohner von Tripolis etwas davon verstanden. Als Gegengeschenk schickte der Pascha 11 Köpfe und 10 Ohren, welche man Arabern des Bey's von Fezzan Abd-El-Gelil abgeschnitten, nach Konstantinopel zurück, wohl um zu zeigen, wie gewissenhaft er sich an den humanen Hattischerif, der den türkischen Unterthanen die Sicherheit des Lebens und Eigenthums verspricht, zu halten beabsichtige. Fünf andere Araber wurden eingekerkert und so entsetzlich auf Befehl des Pascha's mißhandelt, daß man für ihr Leben fürchtet. Uebrigens steht es mit der türkischen Herrschaft in Tripolis besser, als die früheren Berichte meldeten. Abd-El-Gelil, Bey der Oase Fezzan, der die Türken bis in ihre Küstenstädte zurückgetrieben hatte, wurde überfallen und geschlagen. Die insurgirten Araber der Provinz Bengazi haben sich dem Pascha unterworfen und fast all' ihre Häuptlinge sind in den Händen der Türken.

Litterarischer Verein in Stuttgart
zur Herausgabe älterer Druck- u. Handschriften u. ausschließlicher Vertheilung derselben an die Vereinsmitglieder.

Unter dem Protectorat Sr. Majestät des Königs.

Die Unterzeichneten fordern hierdurch jeden Freund und Gönner der Litteratur zur Unterstützung des von ihnen eingeleiteten Unternehmens auf. Sie haben, nach dem beachtenswerthen Vorgange der Engländer, einen Verein zu begründen angefangen, dessen Zweck in der Ueberschrift bezeichnet ist. Se. Majestät der König von Würtemberg, jede gemeinnützige Thätigkeit väterlich beachtend und gnädig fördernd, hat den Verein huldvollst unter seinen erhabenen Schutz genommen.

Der Verein soll wenigstens 500 Mitglieder zählen. Der jährlich von jedem Mitgliede zu leistende Beitrag von 11 fl. rhn., also bei 500 Mitgliedern die Summe von 5500 fl., soll auf den Abdruck werthvoller, sey es handschriftlicher, sey es älterer schon gedruckter, aber bereits aus dem Buchhandel verschwundener und sehr selten gewordener Schriften verwendet werden, und zwar solcher, die dem germanischen oder romanischen Sprachgebiet angehören und ein allgemeineres Interesse darbieten, also vorzugsweise Schriften geschichtlichen oder poetischen Inhalts. Ein wissenschaftlicher Zweck, nicht Liebhaberei an Sonderbarkeiten oder Bibliomanie soll die Auswahl bestimmen. Uebersetzungen sind ausgeschlossen, sofern das Original noch existirt. Eben so ist der Abdruck solcher Quellen der deutschen Geschichte, die in der großen Pertz'schen Sammlung erscheinen werden, ausgeschlossen.

Die Sammlung soll typographisch auf das würdigste ausgestattet werden und in groß Octav in drei Sectionen erscheinen (Geschichtswerke – Dichtungen – vermischte Schriften). Die Abdrücke sollen ohne Commentationen nach den besten Originalen, die zu bekommen sind, treu copirt und auf das sorgfältigste corrigirt werden. Wie sehr auch kritische Ausgaben mit Erkärungen zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0014" n="0438"/>
Kaiserreichs werden wird. Diese Religion enthält genug des Aeußerlichen, um ein mäßig gebildetes Volk an die Kirche zu fesseln, während die Kirche in der unbedingt vom Staatsoberhaupt ressortirenden heiligen Synode ihr alleiniges Haupt erkennt. So bildet sich ein großer, einfach gegliederter Körper, dessen Thätigkeit durch die unsichtbaren Fäden eines einzigen Lenkers geregelt und mit den Tendenzen seiner Politik stets in möglichstem Einklang erhalten wird. Manche Zeitungen haben zwar wiederholt behauptet, daß die Regierung bei der Wiedervereinigung der unirten Griechen mit der alten orthodoxen Kirche auf große und vielfältige Hindernisse gestoßen, und daß namentlich eine beträchtliche Anzahl von Priestern die Flucht ergriffen habe, um in ihrer Abhängigkeit vom Papste zu beharren. Uns ist hier in der Nähe nichts davon bekannt geworden; jedenfalls kann ihre Zahl nicht groß seyn. An Widersetzlichkeit dürfte überhaupt kaum zu denken seyn, da die russische Regierung nicht leicht eine Maaßregel eher ausführt, als bis sie ihres vollständigen Erfolges gewiß ist, es auch nöthigenfalls an wirksamen Exemplificationen nicht fehlen läßt. Die Märtyrerrolle ist aber in allen dem russischen Scepter unterworfenen Ländern eine undankbare Rolle, die wohl Wenige zu übernehmen Lust haben, weil sie nicht einmal zu öffentlichem Rufe führt. Eine geräuschlose Ortsveränderung ist das einzige Resultat, das man durch seinen Eifer hervorrufen kann. &#x2013; Daß Rußland sein Isolirungssystem, welches den Nachbarländern so verderblich wird, nicht aufzugeben gedenkt, beweisen die großartigen Unternehmungen im Innern. Seit Cockerills Anwesenheit in Warschau ist die große Süd-Eisenbahn kräftig in Angriff genommen, und von der Hauptstadt bis Czenstochau sind eine Menge Menschen mit den nöthigen Vorarbeiten beschäftigt. Eben so ist es keinem Zweifel unterworfen, daß eine Eisenbahn vom Niemen bis Libau zu Stande kommen wird, und daß bereits die dießfälligen Vermessungen vorgenommen werden. Die Gränzplackereien nehmen eher zu als ab; dieß ist jedoch kein Hinderniß, den demoralisirenden Schmuggelhandel in größter Ausdehnung zu treiben. &#x2013; Wie es heißt, wird die Kaiserin, vom Großfürsten-Thronfolger begleitet, im Monat April oder spätestens im Mai ihre Reise über Berlin ins Emser Bad antreten.</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Schweden und Norwegen.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Stockholm,</hi> 3 Febr.</dateline>
          <p> Nach einer den Reichsständen vorgelegten officiellen Uebersicht sind in Schweden während der Jahre 1810-1840 18 neue Canäle gegraben oder verbessert, 16 kleinere Fahrwasser gereinigt, 3 Häfen umgebaut, mehrere Chausséen angelegt und 7 Befestigungen oder allgemeine Bauten, mit einem Kostenaufwande von beinahe 16 Millionen Rthlrn. Bco. zu Stande gebracht worden. Da das Reich während dieser Zeit seine ganze Staatsschuld liquidirt hat und Ersparungen von mehr als 5 Millionen Rthlrn. Bco. jetzt in der Reichsbank und dem Staatsschatze in baarem Gelde vorhanden seyn sollen, so ist wohl die financielle Lage des Staats eine der glücklichsten. In den Annalen des Reichs kann man kein ähnliches Beispiel wahrnehmen. Da man jetzt nur die Mühe hat, die Ersparungen, jetzige wie künftige, gut anzuwenden, so scheint ein wirklicher embarras de richesses eingetreten zu seyn. Man disputirt, ob die Regierung oder die Reichsstände Urheber unsrer glücklichen Lage gewesen; vielleicht wäre es am richtigsten, beiden, wenn auch der ersteren den größten Theil, zuzuschreiben. &#x2013; Man ist sehr gespannt darauf, welche Reformen die jetzt versammelten Reichsstände und besonders die Opposition, welche wie immer zu Anfang eines Reichstages sehr beschäftigt ist, dem Könige vorlegen werden; daß viele dergleichen nothwendig sind, ist nicht zu bezweifeln. Die erste wird die schon längst vorbereitete Reform in der Zusammensetzung des Staatsraths seyn, wodurch man mehreren Mitgliedern der Opposition in demselben einen Platz zu verschaffen hofft. &#x2013; Bei dem letzten großen Hofball waren beinahe alle Oppositionsführer zugegen. &#x2013; Dagligt Allehanda, welches als Organ der Opposition betrachtet werden kann, erklärt bestimmt, daß die Opposition in keinem Falle gegen die Person des Königs gerichtet sey, sondern gegen diejenigen seiner Umgebung, welche den Reformen abgeneigt sind. (Hamb. C.)</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Tripolis.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Touloner</hi> und <hi rendition="#g">Marseiller</hi> Blätter bringen Nachrichten aus <hi rendition="#b">Tripolis</hi> vom 31 Jan. Der famöse Hattischerif war von Konstantinopel dort eingetroffen und ohne Pomp in türkischer Sprache verlesen worden, so daß wenige der arabisch redenden Einwohner von Tripolis etwas davon verstanden. Als Gegengeschenk schickte der Pascha 11 Köpfe und 10 Ohren, welche man Arabern des Bey's von Fezzan Abd-El-Gelil abgeschnitten, nach Konstantinopel zurück, wohl um zu zeigen, wie gewissenhaft er sich an den humanen Hattischerif, der den türkischen Unterthanen die Sicherheit des Lebens und Eigenthums verspricht, zu halten beabsichtige. Fünf andere Araber wurden eingekerkert und so entsetzlich auf Befehl des Pascha's mißhandelt, daß man für ihr Leben fürchtet. Uebrigens steht es mit der türkischen Herrschaft in Tripolis besser, als die früheren Berichte meldeten. Abd-El-Gelil, Bey der Oase Fezzan, der die Türken bis in ihre Küstenstädte zurückgetrieben hatte, wurde überfallen und geschlagen. Die insurgirten Araber der Provinz Bengazi haben sich dem Pascha unterworfen und fast all' ihre Häuptlinge sind in den Händen der Türken.</p>
      </div><lb/>
      <div type="jAnnouncements">
        <div type="jAn" n="2">
          <p> <hi rendition="#b">Litterarischer Verein in Stuttgart<lb/>
zur Herausgabe älterer Druck- u. Handschriften u. ausschließlicher Vertheilung derselben an die Vereinsmitglieder.</hi> </p><lb/>
          <p> <hi rendition="#b">Unter dem Protectorat Sr. Majestät des Königs.</hi> </p><lb/>
          <p>Die Unterzeichneten fordern hierdurch jeden Freund und Gönner der Litteratur zur Unterstützung des von ihnen eingeleiteten Unternehmens auf. Sie haben, nach dem beachtenswerthen Vorgange der Engländer, einen Verein zu begründen angefangen, dessen Zweck in der Ueberschrift bezeichnet ist. Se. Majestät der König von Würtemberg, jede gemeinnützige Thätigkeit väterlich beachtend und gnädig fördernd, hat den Verein huldvollst unter seinen erhabenen Schutz genommen.</p><lb/>
          <p>Der Verein soll wenigstens 500 Mitglieder zählen. Der jährlich von jedem Mitgliede zu leistende Beitrag von 11 fl. rhn., also bei 500 Mitgliedern die Summe von 5500 fl., soll auf den Abdruck werthvoller, sey es handschriftlicher, sey es älterer schon gedruckter, aber bereits aus dem Buchhandel verschwundener und sehr selten gewordener Schriften verwendet werden, und zwar solcher, die dem germanischen oder romanischen Sprachgebiet angehören und ein allgemeineres Interesse darbieten, also vorzugsweise Schriften geschichtlichen oder poetischen Inhalts. Ein wissenschaftlicher Zweck, nicht Liebhaberei an Sonderbarkeiten oder Bibliomanie soll die Auswahl bestimmen. Uebersetzungen sind ausgeschlossen, sofern das Original noch existirt. Eben so ist der Abdruck solcher Quellen der deutschen Geschichte, die in der großen <hi rendition="#g">Pertz</hi>'schen Sammlung erscheinen werden, ausgeschlossen.</p><lb/>
          <p>Die Sammlung soll typographisch auf das würdigste ausgestattet werden und in groß Octav in drei Sectionen erscheinen (Geschichtswerke &#x2013; Dichtungen &#x2013; vermischte Schriften). Die Abdrücke sollen ohne Commentationen nach den besten Originalen, die zu bekommen sind, treu copirt und auf das sorgfältigste corrigirt werden. Wie sehr auch kritische Ausgaben mit Erkärungen zu<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0438/0014] Kaiserreichs werden wird. Diese Religion enthält genug des Aeußerlichen, um ein mäßig gebildetes Volk an die Kirche zu fesseln, während die Kirche in der unbedingt vom Staatsoberhaupt ressortirenden heiligen Synode ihr alleiniges Haupt erkennt. So bildet sich ein großer, einfach gegliederter Körper, dessen Thätigkeit durch die unsichtbaren Fäden eines einzigen Lenkers geregelt und mit den Tendenzen seiner Politik stets in möglichstem Einklang erhalten wird. Manche Zeitungen haben zwar wiederholt behauptet, daß die Regierung bei der Wiedervereinigung der unirten Griechen mit der alten orthodoxen Kirche auf große und vielfältige Hindernisse gestoßen, und daß namentlich eine beträchtliche Anzahl von Priestern die Flucht ergriffen habe, um in ihrer Abhängigkeit vom Papste zu beharren. Uns ist hier in der Nähe nichts davon bekannt geworden; jedenfalls kann ihre Zahl nicht groß seyn. An Widersetzlichkeit dürfte überhaupt kaum zu denken seyn, da die russische Regierung nicht leicht eine Maaßregel eher ausführt, als bis sie ihres vollständigen Erfolges gewiß ist, es auch nöthigenfalls an wirksamen Exemplificationen nicht fehlen läßt. Die Märtyrerrolle ist aber in allen dem russischen Scepter unterworfenen Ländern eine undankbare Rolle, die wohl Wenige zu übernehmen Lust haben, weil sie nicht einmal zu öffentlichem Rufe führt. Eine geräuschlose Ortsveränderung ist das einzige Resultat, das man durch seinen Eifer hervorrufen kann. – Daß Rußland sein Isolirungssystem, welches den Nachbarländern so verderblich wird, nicht aufzugeben gedenkt, beweisen die großartigen Unternehmungen im Innern. Seit Cockerills Anwesenheit in Warschau ist die große Süd-Eisenbahn kräftig in Angriff genommen, und von der Hauptstadt bis Czenstochau sind eine Menge Menschen mit den nöthigen Vorarbeiten beschäftigt. Eben so ist es keinem Zweifel unterworfen, daß eine Eisenbahn vom Niemen bis Libau zu Stande kommen wird, und daß bereits die dießfälligen Vermessungen vorgenommen werden. Die Gränzplackereien nehmen eher zu als ab; dieß ist jedoch kein Hinderniß, den demoralisirenden Schmuggelhandel in größter Ausdehnung zu treiben. – Wie es heißt, wird die Kaiserin, vom Großfürsten-Thronfolger begleitet, im Monat April oder spätestens im Mai ihre Reise über Berlin ins Emser Bad antreten. Schweden und Norwegen. _ Stockholm, 3 Febr. Nach einer den Reichsständen vorgelegten officiellen Uebersicht sind in Schweden während der Jahre 1810-1840 18 neue Canäle gegraben oder verbessert, 16 kleinere Fahrwasser gereinigt, 3 Häfen umgebaut, mehrere Chausséen angelegt und 7 Befestigungen oder allgemeine Bauten, mit einem Kostenaufwande von beinahe 16 Millionen Rthlrn. Bco. zu Stande gebracht worden. Da das Reich während dieser Zeit seine ganze Staatsschuld liquidirt hat und Ersparungen von mehr als 5 Millionen Rthlrn. Bco. jetzt in der Reichsbank und dem Staatsschatze in baarem Gelde vorhanden seyn sollen, so ist wohl die financielle Lage des Staats eine der glücklichsten. In den Annalen des Reichs kann man kein ähnliches Beispiel wahrnehmen. Da man jetzt nur die Mühe hat, die Ersparungen, jetzige wie künftige, gut anzuwenden, so scheint ein wirklicher embarras de richesses eingetreten zu seyn. Man disputirt, ob die Regierung oder die Reichsstände Urheber unsrer glücklichen Lage gewesen; vielleicht wäre es am richtigsten, beiden, wenn auch der ersteren den größten Theil, zuzuschreiben. – Man ist sehr gespannt darauf, welche Reformen die jetzt versammelten Reichsstände und besonders die Opposition, welche wie immer zu Anfang eines Reichstages sehr beschäftigt ist, dem Könige vorlegen werden; daß viele dergleichen nothwendig sind, ist nicht zu bezweifeln. Die erste wird die schon längst vorbereitete Reform in der Zusammensetzung des Staatsraths seyn, wodurch man mehreren Mitgliedern der Opposition in demselben einen Platz zu verschaffen hofft. – Bei dem letzten großen Hofball waren beinahe alle Oppositionsführer zugegen. – Dagligt Allehanda, welches als Organ der Opposition betrachtet werden kann, erklärt bestimmt, daß die Opposition in keinem Falle gegen die Person des Königs gerichtet sey, sondern gegen diejenigen seiner Umgebung, welche den Reformen abgeneigt sind. (Hamb. C.) Tripolis. Touloner und Marseiller Blätter bringen Nachrichten aus Tripolis vom 31 Jan. Der famöse Hattischerif war von Konstantinopel dort eingetroffen und ohne Pomp in türkischer Sprache verlesen worden, so daß wenige der arabisch redenden Einwohner von Tripolis etwas davon verstanden. Als Gegengeschenk schickte der Pascha 11 Köpfe und 10 Ohren, welche man Arabern des Bey's von Fezzan Abd-El-Gelil abgeschnitten, nach Konstantinopel zurück, wohl um zu zeigen, wie gewissenhaft er sich an den humanen Hattischerif, der den türkischen Unterthanen die Sicherheit des Lebens und Eigenthums verspricht, zu halten beabsichtige. Fünf andere Araber wurden eingekerkert und so entsetzlich auf Befehl des Pascha's mißhandelt, daß man für ihr Leben fürchtet. Uebrigens steht es mit der türkischen Herrschaft in Tripolis besser, als die früheren Berichte meldeten. Abd-El-Gelil, Bey der Oase Fezzan, der die Türken bis in ihre Küstenstädte zurückgetrieben hatte, wurde überfallen und geschlagen. Die insurgirten Araber der Provinz Bengazi haben sich dem Pascha unterworfen und fast all' ihre Häuptlinge sind in den Händen der Türken. Litterarischer Verein in Stuttgart zur Herausgabe älterer Druck- u. Handschriften u. ausschließlicher Vertheilung derselben an die Vereinsmitglieder. Unter dem Protectorat Sr. Majestät des Königs. Die Unterzeichneten fordern hierdurch jeden Freund und Gönner der Litteratur zur Unterstützung des von ihnen eingeleiteten Unternehmens auf. Sie haben, nach dem beachtenswerthen Vorgange der Engländer, einen Verein zu begründen angefangen, dessen Zweck in der Ueberschrift bezeichnet ist. Se. Majestät der König von Würtemberg, jede gemeinnützige Thätigkeit väterlich beachtend und gnädig fördernd, hat den Verein huldvollst unter seinen erhabenen Schutz genommen. Der Verein soll wenigstens 500 Mitglieder zählen. Der jährlich von jedem Mitgliede zu leistende Beitrag von 11 fl. rhn., also bei 500 Mitgliedern die Summe von 5500 fl., soll auf den Abdruck werthvoller, sey es handschriftlicher, sey es älterer schon gedruckter, aber bereits aus dem Buchhandel verschwundener und sehr selten gewordener Schriften verwendet werden, und zwar solcher, die dem germanischen oder romanischen Sprachgebiet angehören und ein allgemeineres Interesse darbieten, also vorzugsweise Schriften geschichtlichen oder poetischen Inhalts. Ein wissenschaftlicher Zweck, nicht Liebhaberei an Sonderbarkeiten oder Bibliomanie soll die Auswahl bestimmen. Uebersetzungen sind ausgeschlossen, sofern das Original noch existirt. Eben so ist der Abdruck solcher Quellen der deutschen Geschichte, die in der großen Pertz'schen Sammlung erscheinen werden, ausgeschlossen. Die Sammlung soll typographisch auf das würdigste ausgestattet werden und in groß Octav in drei Sectionen erscheinen (Geschichtswerke – Dichtungen – vermischte Schriften). Die Abdrücke sollen ohne Commentationen nach den besten Originalen, die zu bekommen sind, treu copirt und auf das sorgfältigste corrigirt werden. Wie sehr auch kritische Ausgaben mit Erkärungen zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_055_18400224
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_055_18400224/14
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 55. Augsburg, 24. Februar 1840, S. 0438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_055_18400224/14>, abgerufen am 22.11.2024.