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Allgemeine Zeitung. Nr. 54. Augsburg, 23. Februar 1840.

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Werth mehr auf dieselbe legen, und das Fallen oder Bestehen des an und für sich zweckmäßigen Gesetzes nicht von ihrer Annahme oder Nichtannahme abhängig machen wollen. Wenn er somit gegen dieselbe stimme, könne er doch nicht umhin, zu bemerken, daß ihm die Art, wie die vom Ministertische aus am Schlusse der allgemeinen Debatte gegebene Erklärung in die Kammer eingeführt worden sey, wehe gethan habe. Was in derselben von Verfassungsverletzung, die dem Ministerium von dem Redner für den Entwurf solle zugemuthet worden seyn, was ferner von Einschwärzung anderer Begriffe in die Kammer erwähnt worden sey, glaube er vorzüglich aus dem Grunde zurückweisen zu müssen, weil gewiß alle Mitglieder der Kammer die Rechte der Krone eben so gut zu ehren wüßten, als ihre eigenen. Man sey auf den königlichen Namen zurückgekehrt. Die Verfassungsurkunde sage ausdrücklich, daß der König nicht genannt werden dürfe. Etwas Anderes sey es, den Namen desselben abzulesen, etwas Anderes, ihn in die Debatten zu ziehen. Dagegen müsse es hier frei ausgesprochen werden dürfen, was man von dem wisse oder glaube, worin etwa die Räthe der Krone gefehlt. Wiederholt sey in dieser Debatte der Verhältnisse Hannovers gedacht worden. Auch er halte es für Ehrenpflicht der Kammer, ihren tiefgefühlten Dank an die Krone zu bringen für das, was Bayerns Regierung in dieser Beziehung bereits gethan, für die Art, wie sie sich ausgesprochen habe. Auch er erkenne in der Haltung der Regierung eine heilige Bürgschaft für die Wahrheit unsrer eigenen Verfassungsurkunde. Die Sache des hannover'schen Volkes sey Sache aller deutschen Stämme, und Ehrensache aller deutschen Kammern, jenem wackern Nachbarvolke ihr redliches Mitgefühl, ihre Anerkennung offen auszusprechen, offen die Theilnahme an Tag zu legen, welche solche Vorgänge, solch' besonnenes, muthiges und doch gesetzliches Benehmen bei jedem Unbefangenen hervorrufen müssen. Dekan Friedrich beantragte nach diesen Erörterungen, es möge die Modification der Kammer der Reichsräthe als Wunsch ausgesprochen und Se. Maj. der König gebeten werden, allergnädigst anzuordnen, daß fortan die Ausdrücke: "Staatsministerium" und "Staatsminister" wieder gebraucht werden sollten. Seyen diese Ausdrücke mit den einfachen Benennungen synonym, so sehe er nicht ein, warum ein Widerwillen gegen dieselben noch ferner Platz greifen soll; seyen sie dieß aber nicht, so müsse die Kammer bei einer dießfallsigen Aenderung möglichst behutsam seyn. Gegen diesen Vorschlag erklärten sich die Abg. Neuland, Frhr. v. Freyberg und Frhr. v. Thon - Dittmer, wobei bemerkt wurde, seit dem dreiundzwanzigjährigen Bestehen der Verfassung sey keine gegründete Klage über Verletzung derselben durch die Regierung oder ihre Beamten erhoben worden. Der angeregte Wunsch stehe der Prärogative der Krone entgegen, die Titel der Beamten nach Belieben zu wählen oder zu ändern, könne also als ein Zeichen des Mißtrauens gegen die Regierung angesehen werden, welches die Kammer ferne von sich halten müsse, da es in ihrem eigenen Interesse liege, keine Erklärung vom Throne aus zu provociren und keinen Wunsch an denselben zu bringen, der dort verletzen könnte; denn wo die Stände sich fest an den Thron hielten, da sey das Land gegen alle Stürme, die von außen kämen, gesichert. Nachdem noch Dr. Harleß das Wort ergriffen hatte, um sein früheres Votum gegen die Erklärungen des Hrn. Ministers zu rechtfertigen, faßte Frhr. v. Welden als Referent noch einmal die in seinem Berichte umständlich entwickelten Gründe gegen die Modification der Kammer der Reichsräthe zusammen. Einer der Redner (bemerkte er unter Anderm) habe ihm den Vorwurf gemacht, daß im Referate auf auswärtige Verhältnisse Bezug genommen sey. Er habe dieß gethan, um nachzuweisen, daß der Ausdruck "Staatsministerium, Staatsminister" durchaus nicht zu den Merkmalen einer constitutionellen Regierung gehöre, da dieser Ausdrücke sich gerade nichtconstitutionelle Staaten bedienten, während sie bei constitutionellen in der Regel nicht vorkämen. Ferner sey geäußert worden, daß die Aenderung der Ausdrücke "Staatsministerium, Staatsminister" bedenklich erschienen sey, weil man sie in Verbindung bringen zu müssen geglaubt habe mit dem Rescript, welches über den Gebrauch der Ausdrücke "Staatsbürger, Staatsregierung" erlassen worden. Dieses Rescript wolle aber nur den verfassungswidrigen Gebrauch entfernt, und den verfassungsgemäßen festgehalten wissen. Referent wolle nur noch beifügen, daß selbst der Ausschuß der hohen Kammer der Reichsräthe, aus welchem diese Modification ursprünglich hervorgegangen, in den letzten Tagen bei Berathung des Gesetzes vom 29 Nivose XIII diese Modification auf die Erklärung des Hrn. Ministers hin, welche er im Ausschusse der Kammer gegeben, habe fallen lassen. Zum Schlusse hielt nun der königliche Minister des Innern, Hr. v. Abel, einen umfassenden Vortrag, dessen Mittheilung wir uns auf morgen vorbehalten müssen. *)*)

Das Journal de Francfort will aus Wien von einer zweiten (resp. dritten) Verbindung zwischen dem französischen und Coburgischen Regentenhause wissen. Prinz August Ludwig Victor von Sachsen-Coburg-Gotha, österreichischer Rittmeister, Bruder der Prinzessin Victoria und des Königs von Portugal, soll sich mit der Prinzessin Clementine, dritten Tochter des Königs Ludwig Philipp, vermählen. (Auch in Pariser Blättern findet sich dieses Gerücht, während der Fränkische Courier, statt der Prinzessin Clementine, von der brasilischen Prinzessin Januaria spricht, deren beabsichtigte Vermählung kürzlich dem österreichischen Hofe notificirt ward).

Ein sehr interessanter Gerichtsfall wird diese Woche vor den Schranken unseres Assisenhofs verhandelt, und mit gespannter Erwartung sieht das Publicum dieser Criminalprocedur entgegen. Der Fall betrifft den Industrieritter v. Göbel. Schon in seiner Jugend behelligte dieser Verbrecher zweimal die rheinhessische Strafjustiz. Damals war man geneigt, die ihm zur Last fallenden Vergehen - so viel Gaunertalent sie auch zeigten - als Folgen jugendlichen Leichtsinns zu beurtheilen, und zu glauben, daß die scharfe Strafe eine Besserung hervorbringen werde. Den eclatantesten Beweis des Gegentheils hat jedoch sein Leben in Wien und später in München gegeben. Während er am erstern Ort industrierittermäßig eine Rolle in der großen Welt spielte, verübte er nebenbei die romanhaftesten Spitzbubenstreiche. Die Geschicklichkeit, mit welcher er des dortigen Inquirenten Wirksamkeit zu paralysiren wußte, namentlich sein damaliges Talent, den Wahnsinn zu fingiren, soll an Erfindungsgabe seinesgleichen suchen. Am meisten Interesse dürfte jedoch der letzte Act des von ihm gespielten Drama's für unsere Stadt erregen, wo er die letzten Gaunerstreiche beging. Er soll hier mit besonderer Vorliebe sein nächtliches Geschäft geübt haben, um seiner Vaterstadt zu zeigen, wie sehr er sich, theils in der Art der Ausübung der Verbrechen selbst, theils in den verschiedenartigen Manöuvres zu seiner Rettung während des Laufs der Untersuchung in fremden Ländern zu perfectioniren im Stande war. Daß v. Göbel ein durchtriebener, mit Kenntnissen versehener,

*) Die Redaction bemerkt, daß sie den heutigen Theil des Berichts ihres Correspondenten an einigen Stellen aus den Berichten der Münchener pol. Zeitung und an einer andern aus dem Nürnberger Correspondenten ergänzte.

Werth mehr auf dieselbe legen, und das Fallen oder Bestehen des an und für sich zweckmäßigen Gesetzes nicht von ihrer Annahme oder Nichtannahme abhängig machen wollen. Wenn er somit gegen dieselbe stimme, könne er doch nicht umhin, zu bemerken, daß ihm die Art, wie die vom Ministertische aus am Schlusse der allgemeinen Debatte gegebene Erklärung in die Kammer eingeführt worden sey, wehe gethan habe. Was in derselben von Verfassungsverletzung, die dem Ministerium von dem Redner für den Entwurf solle zugemuthet worden seyn, was ferner von Einschwärzung anderer Begriffe in die Kammer erwähnt worden sey, glaube er vorzüglich aus dem Grunde zurückweisen zu müssen, weil gewiß alle Mitglieder der Kammer die Rechte der Krone eben so gut zu ehren wüßten, als ihre eigenen. Man sey auf den königlichen Namen zurückgekehrt. Die Verfassungsurkunde sage ausdrücklich, daß der König nicht genannt werden dürfe. Etwas Anderes sey es, den Namen desselben abzulesen, etwas Anderes, ihn in die Debatten zu ziehen. Dagegen müsse es hier frei ausgesprochen werden dürfen, was man von dem wisse oder glaube, worin etwa die Räthe der Krone gefehlt. Wiederholt sey in dieser Debatte der Verhältnisse Hannovers gedacht worden. Auch er halte es für Ehrenpflicht der Kammer, ihren tiefgefühlten Dank an die Krone zu bringen für das, was Bayerns Regierung in dieser Beziehung bereits gethan, für die Art, wie sie sich ausgesprochen habe. Auch er erkenne in der Haltung der Regierung eine heilige Bürgschaft für die Wahrheit unsrer eigenen Verfassungsurkunde. Die Sache des hannover'schen Volkes sey Sache aller deutschen Stämme, und Ehrensache aller deutschen Kammern, jenem wackern Nachbarvolke ihr redliches Mitgefühl, ihre Anerkennung offen auszusprechen, offen die Theilnahme an Tag zu legen, welche solche Vorgänge, solch' besonnenes, muthiges und doch gesetzliches Benehmen bei jedem Unbefangenen hervorrufen müssen. Dekan Friedrich beantragte nach diesen Erörterungen, es möge die Modification der Kammer der Reichsräthe als Wunsch ausgesprochen und Se. Maj. der König gebeten werden, allergnädigst anzuordnen, daß fortan die Ausdrücke: „Staatsministerium“ und „Staatsminister“ wieder gebraucht werden sollten. Seyen diese Ausdrücke mit den einfachen Benennungen synonym, so sehe er nicht ein, warum ein Widerwillen gegen dieselben noch ferner Platz greifen soll; seyen sie dieß aber nicht, so müsse die Kammer bei einer dießfallsigen Aenderung möglichst behutsam seyn. Gegen diesen Vorschlag erklärten sich die Abg. Neuland, Frhr. v. Freyberg und Frhr. v. Thon - Dittmer, wobei bemerkt wurde, seit dem dreiundzwanzigjährigen Bestehen der Verfassung sey keine gegründete Klage über Verletzung derselben durch die Regierung oder ihre Beamten erhoben worden. Der angeregte Wunsch stehe der Prärogative der Krone entgegen, die Titel der Beamten nach Belieben zu wählen oder zu ändern, könne also als ein Zeichen des Mißtrauens gegen die Regierung angesehen werden, welches die Kammer ferne von sich halten müsse, da es in ihrem eigenen Interesse liege, keine Erklärung vom Throne aus zu provociren und keinen Wunsch an denselben zu bringen, der dort verletzen könnte; denn wo die Stände sich fest an den Thron hielten, da sey das Land gegen alle Stürme, die von außen kämen, gesichert. Nachdem noch Dr. Harleß das Wort ergriffen hatte, um sein früheres Votum gegen die Erklärungen des Hrn. Ministers zu rechtfertigen, faßte Frhr. v. Welden als Referent noch einmal die in seinem Berichte umständlich entwickelten Gründe gegen die Modification der Kammer der Reichsräthe zusammen. Einer der Redner (bemerkte er unter Anderm) habe ihm den Vorwurf gemacht, daß im Referate auf auswärtige Verhältnisse Bezug genommen sey. Er habe dieß gethan, um nachzuweisen, daß der Ausdruck „Staatsministerium, Staatsminister“ durchaus nicht zu den Merkmalen einer constitutionellen Regierung gehöre, da dieser Ausdrücke sich gerade nichtconstitutionelle Staaten bedienten, während sie bei constitutionellen in der Regel nicht vorkämen. Ferner sey geäußert worden, daß die Aenderung der Ausdrücke „Staatsministerium, Staatsminister“ bedenklich erschienen sey, weil man sie in Verbindung bringen zu müssen geglaubt habe mit dem Rescript, welches über den Gebrauch der Ausdrücke „Staatsbürger, Staatsregierung“ erlassen worden. Dieses Rescript wolle aber nur den verfassungswidrigen Gebrauch entfernt, und den verfassungsgemäßen festgehalten wissen. Referent wolle nur noch beifügen, daß selbst der Ausschuß der hohen Kammer der Reichsräthe, aus welchem diese Modification ursprünglich hervorgegangen, in den letzten Tagen bei Berathung des Gesetzes vom 29 Nivose XIII diese Modification auf die Erklärung des Hrn. Ministers hin, welche er im Ausschusse der Kammer gegeben, habe fallen lassen. Zum Schlusse hielt nun der königliche Minister des Innern, Hr. v. Abel, einen umfassenden Vortrag, dessen Mittheilung wir uns auf morgen vorbehalten müssen. *)*)

Das Journal de Francfort will aus Wien von einer zweiten (resp. dritten) Verbindung zwischen dem französischen und Coburgischen Regentenhause wissen. Prinz August Ludwig Victor von Sachsen-Coburg-Gotha, österreichischer Rittmeister, Bruder der Prinzessin Victoria und des Königs von Portugal, soll sich mit der Prinzessin Clementine, dritten Tochter des Königs Ludwig Philipp, vermählen. (Auch in Pariser Blättern findet sich dieses Gerücht, während der Fränkische Courier, statt der Prinzessin Clementine, von der brasilischen Prinzessin Januaria spricht, deren beabsichtigte Vermählung kürzlich dem österreichischen Hofe notificirt ward).

Ein sehr interessanter Gerichtsfall wird diese Woche vor den Schranken unseres Assisenhofs verhandelt, und mit gespannter Erwartung sieht das Publicum dieser Criminalprocedur entgegen. Der Fall betrifft den Industrieritter v. Göbel. Schon in seiner Jugend behelligte dieser Verbrecher zweimal die rheinhessische Strafjustiz. Damals war man geneigt, die ihm zur Last fallenden Vergehen – so viel Gaunertalent sie auch zeigten – als Folgen jugendlichen Leichtsinns zu beurtheilen, und zu glauben, daß die scharfe Strafe eine Besserung hervorbringen werde. Den eclatantesten Beweis des Gegentheils hat jedoch sein Leben in Wien und später in München gegeben. Während er am erstern Ort industrierittermäßig eine Rolle in der großen Welt spielte, verübte er nebenbei die romanhaftesten Spitzbubenstreiche. Die Geschicklichkeit, mit welcher er des dortigen Inquirenten Wirksamkeit zu paralysiren wußte, namentlich sein damaliges Talent, den Wahnsinn zu fingiren, soll an Erfindungsgabe seinesgleichen suchen. Am meisten Interesse dürfte jedoch der letzte Act des von ihm gespielten Drama's für unsere Stadt erregen, wo er die letzten Gaunerstreiche beging. Er soll hier mit besonderer Vorliebe sein nächtliches Geschäft geübt haben, um seiner Vaterstadt zu zeigen, wie sehr er sich, theils in der Art der Ausübung der Verbrechen selbst, theils in den verschiedenartigen Manöuvres zu seiner Rettung während des Laufs der Untersuchung in fremden Ländern zu perfectioniren im Stande war. Daß v. Göbel ein durchtriebener, mit Kenntnissen versehener,

*) Die Redaction bemerkt, daß sie den heutigen Theil des Berichts ihres Correspondenten an einigen Stellen aus den Berichten der Münchener pol. Zeitung und an einer andern aus dem Nürnberger Correspondenten ergänzte.
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Werth mehr auf dieselbe legen, und das Fallen oder Bestehen des an und für sich zweckmäßigen Gesetzes nicht von ihrer Annahme oder Nichtannahme abhängig machen wollen. Wenn er somit gegen dieselbe stimme, könne er doch nicht umhin, zu bemerken, daß ihm die Art, wie die vom Ministertische aus am Schlusse der allgemeinen Debatte gegebene Erklärung in die Kammer eingeführt worden sey, wehe gethan habe. Was in derselben von Verfassungsverletzung, die dem Ministerium von dem Redner für den Entwurf solle zugemuthet worden seyn, was ferner von Einschwärzung anderer Begriffe in die Kammer erwähnt worden sey, glaube er vorzüglich aus dem Grunde zurückweisen zu müssen, weil gewiß alle Mitglieder der Kammer die Rechte der Krone eben so gut zu ehren wüßten, als ihre eigenen. Man sey auf den königlichen Namen zurückgekehrt. Die Verfassungsurkunde sage ausdrücklich, daß der König nicht genannt werden dürfe. Etwas Anderes sey es, den Namen desselben abzulesen, etwas Anderes, ihn in die Debatten zu ziehen. Dagegen müsse es hier frei ausgesprochen werden dürfen, was man von dem wisse oder glaube, worin etwa die Räthe der Krone gefehlt. Wiederholt sey in dieser Debatte der Verhältnisse Hannovers gedacht worden. Auch er halte es für Ehrenpflicht der Kammer, ihren tiefgefühlten Dank an die Krone zu bringen für das, was Bayerns Regierung in dieser Beziehung bereits gethan, für die Art, wie sie sich ausgesprochen habe. Auch er erkenne in der Haltung der Regierung eine heilige Bürgschaft für die Wahrheit unsrer eigenen Verfassungsurkunde. Die Sache des hannover'schen Volkes sey Sache aller deutschen Stämme, und Ehrensache aller deutschen Kammern, jenem wackern Nachbarvolke ihr redliches Mitgefühl, ihre Anerkennung offen auszusprechen, offen die Theilnahme an Tag zu legen, welche solche Vorgänge, solch' besonnenes, muthiges und doch gesetzliches Benehmen bei jedem Unbefangenen hervorrufen müssen. 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Der angeregte Wunsch stehe der Prärogative der Krone entgegen, die Titel der Beamten nach Belieben zu wählen oder zu ändern, könne also als ein Zeichen des Mißtrauens gegen die Regierung angesehen werden, welches die Kammer ferne von sich halten müsse, da es in ihrem eigenen Interesse liege, keine Erklärung vom Throne aus zu provociren und keinen Wunsch an denselben zu bringen, der dort verletzen könnte; denn wo die Stände sich fest an den Thron hielten, da sey das Land gegen alle Stürme, die von außen kämen, gesichert. Nachdem noch Dr. <hi rendition="#g">Harleß</hi> das Wort ergriffen hatte, um sein früheres Votum gegen die Erklärungen des Hrn. Ministers zu rechtfertigen, faßte Frhr. v. <hi rendition="#g">Welden</hi> als Referent noch einmal die in seinem Berichte umständlich entwickelten Gründe gegen die Modification der Kammer der Reichsräthe zusammen. 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[0430/0006] Werth mehr auf dieselbe legen, und das Fallen oder Bestehen des an und für sich zweckmäßigen Gesetzes nicht von ihrer Annahme oder Nichtannahme abhängig machen wollen. Wenn er somit gegen dieselbe stimme, könne er doch nicht umhin, zu bemerken, daß ihm die Art, wie die vom Ministertische aus am Schlusse der allgemeinen Debatte gegebene Erklärung in die Kammer eingeführt worden sey, wehe gethan habe. Was in derselben von Verfassungsverletzung, die dem Ministerium von dem Redner für den Entwurf solle zugemuthet worden seyn, was ferner von Einschwärzung anderer Begriffe in die Kammer erwähnt worden sey, glaube er vorzüglich aus dem Grunde zurückweisen zu müssen, weil gewiß alle Mitglieder der Kammer die Rechte der Krone eben so gut zu ehren wüßten, als ihre eigenen. Man sey auf den königlichen Namen zurückgekehrt. Die Verfassungsurkunde sage ausdrücklich, daß der König nicht genannt werden dürfe. Etwas Anderes sey es, den Namen desselben abzulesen, etwas Anderes, ihn in die Debatten zu ziehen. Dagegen müsse es hier frei ausgesprochen werden dürfen, was man von dem wisse oder glaube, worin etwa die Räthe der Krone gefehlt. Wiederholt sey in dieser Debatte der Verhältnisse Hannovers gedacht worden. Auch er halte es für Ehrenpflicht der Kammer, ihren tiefgefühlten Dank an die Krone zu bringen für das, was Bayerns Regierung in dieser Beziehung bereits gethan, für die Art, wie sie sich ausgesprochen habe. Auch er erkenne in der Haltung der Regierung eine heilige Bürgschaft für die Wahrheit unsrer eigenen Verfassungsurkunde. Die Sache des hannover'schen Volkes sey Sache aller deutschen Stämme, und Ehrensache aller deutschen Kammern, jenem wackern Nachbarvolke ihr redliches Mitgefühl, ihre Anerkennung offen auszusprechen, offen die Theilnahme an Tag zu legen, welche solche Vorgänge, solch' besonnenes, muthiges und doch gesetzliches Benehmen bei jedem Unbefangenen hervorrufen müssen. Dekan Friedrich beantragte nach diesen Erörterungen, es möge die Modification der Kammer der Reichsräthe als Wunsch ausgesprochen und Se. Maj. der König gebeten werden, allergnädigst anzuordnen, daß fortan die Ausdrücke: „Staatsministerium“ und „Staatsminister“ wieder gebraucht werden sollten. Seyen diese Ausdrücke mit den einfachen Benennungen synonym, so sehe er nicht ein, warum ein Widerwillen gegen dieselben noch ferner Platz greifen soll; seyen sie dieß aber nicht, so müsse die Kammer bei einer dießfallsigen Aenderung möglichst behutsam seyn. Gegen diesen Vorschlag erklärten sich die Abg. Neuland, Frhr. v. Freyberg und Frhr. v. Thon - Dittmer, wobei bemerkt wurde, seit dem dreiundzwanzigjährigen Bestehen der Verfassung sey keine gegründete Klage über Verletzung derselben durch die Regierung oder ihre Beamten erhoben worden. Der angeregte Wunsch stehe der Prärogative der Krone entgegen, die Titel der Beamten nach Belieben zu wählen oder zu ändern, könne also als ein Zeichen des Mißtrauens gegen die Regierung angesehen werden, welches die Kammer ferne von sich halten müsse, da es in ihrem eigenen Interesse liege, keine Erklärung vom Throne aus zu provociren und keinen Wunsch an denselben zu bringen, der dort verletzen könnte; denn wo die Stände sich fest an den Thron hielten, da sey das Land gegen alle Stürme, die von außen kämen, gesichert. Nachdem noch Dr. Harleß das Wort ergriffen hatte, um sein früheres Votum gegen die Erklärungen des Hrn. Ministers zu rechtfertigen, faßte Frhr. v. Welden als Referent noch einmal die in seinem Berichte umständlich entwickelten Gründe gegen die Modification der Kammer der Reichsräthe zusammen. Einer der Redner (bemerkte er unter Anderm) habe ihm den Vorwurf gemacht, daß im Referate auf auswärtige Verhältnisse Bezug genommen sey. Er habe dieß gethan, um nachzuweisen, daß der Ausdruck „Staatsministerium, Staatsminister“ durchaus nicht zu den Merkmalen einer constitutionellen Regierung gehöre, da dieser Ausdrücke sich gerade nichtconstitutionelle Staaten bedienten, während sie bei constitutionellen in der Regel nicht vorkämen. Ferner sey geäußert worden, daß die Aenderung der Ausdrücke „Staatsministerium, Staatsminister“ bedenklich erschienen sey, weil man sie in Verbindung bringen zu müssen geglaubt habe mit dem Rescript, welches über den Gebrauch der Ausdrücke „Staatsbürger, Staatsregierung“ erlassen worden. Dieses Rescript wolle aber nur den verfassungswidrigen Gebrauch entfernt, und den verfassungsgemäßen festgehalten wissen. Referent wolle nur noch beifügen, daß selbst der Ausschuß der hohen Kammer der Reichsräthe, aus welchem diese Modification ursprünglich hervorgegangen, in den letzten Tagen bei Berathung des Gesetzes vom 29 Nivose XIII diese Modification auf die Erklärung des Hrn. Ministers hin, welche er im Ausschusse der Kammer gegeben, habe fallen lassen. Zum Schlusse hielt nun der königliche Minister des Innern, Hr. v. Abel, einen umfassenden Vortrag, dessen Mittheilung wir uns auf morgen vorbehalten müssen. *) *) Das Journal de Francfort will aus Wien von einer zweiten (resp. dritten) Verbindung zwischen dem französischen und Coburgischen Regentenhause wissen. Prinz August Ludwig Victor von Sachsen-Coburg-Gotha, österreichischer Rittmeister, Bruder der Prinzessin Victoria und des Königs von Portugal, soll sich mit der Prinzessin Clementine, dritten Tochter des Königs Ludwig Philipp, vermählen. (Auch in Pariser Blättern findet sich dieses Gerücht, während der Fränkische Courier, statt der Prinzessin Clementine, von der brasilischen Prinzessin Januaria spricht, deren beabsichtigte Vermählung kürzlich dem österreichischen Hofe notificirt ward). _ Mainz, 19 Febr. Ein sehr interessanter Gerichtsfall wird diese Woche vor den Schranken unseres Assisenhofs verhandelt, und mit gespannter Erwartung sieht das Publicum dieser Criminalprocedur entgegen. Der Fall betrifft den Industrieritter v. Göbel. Schon in seiner Jugend behelligte dieser Verbrecher zweimal die rheinhessische Strafjustiz. Damals war man geneigt, die ihm zur Last fallenden Vergehen – so viel Gaunertalent sie auch zeigten – als Folgen jugendlichen Leichtsinns zu beurtheilen, und zu glauben, daß die scharfe Strafe eine Besserung hervorbringen werde. Den eclatantesten Beweis des Gegentheils hat jedoch sein Leben in Wien und später in München gegeben. Während er am erstern Ort industrierittermäßig eine Rolle in der großen Welt spielte, verübte er nebenbei die romanhaftesten Spitzbubenstreiche. Die Geschicklichkeit, mit welcher er des dortigen Inquirenten Wirksamkeit zu paralysiren wußte, namentlich sein damaliges Talent, den Wahnsinn zu fingiren, soll an Erfindungsgabe seinesgleichen suchen. Am meisten Interesse dürfte jedoch der letzte Act des von ihm gespielten Drama's für unsere Stadt erregen, wo er die letzten Gaunerstreiche beging. Er soll hier mit besonderer Vorliebe sein nächtliches Geschäft geübt haben, um seiner Vaterstadt zu zeigen, wie sehr er sich, theils in der Art der Ausübung der Verbrechen selbst, theils in den verschiedenartigen Manöuvres zu seiner Rettung während des Laufs der Untersuchung in fremden Ländern zu perfectioniren im Stande war. Daß v. Göbel ein durchtriebener, mit Kenntnissen versehener, *) Die Redaction bemerkt, daß sie den heutigen Theil des Berichts ihres Correspondenten an einigen Stellen aus den Berichten der Münchener pol. Zeitung und an einer andern aus dem Nürnberger Correspondenten ergänzte.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 54. Augsburg, 23. Februar 1840, S. 0430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_054_18400223/6>, abgerufen am 23.11.2024.