Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 51. Augsburg, 20. Februar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Sternschnuppenströmungen.

Der Courrier francais gibt in seinem Bericht über die Sitzungen der Akademie der Wissenschaften vom 6 und 13 Januar Nachricht von einer schriftlichen Mittheilung, welche die französische Akademie von Professor Ermann in Berlin über Sternschnuppen erhalten habe. "Der Professor, sagt dieses Journal, erklärt die periodische Erscheinung derselben durch die Annahme, daß nach Planetenart um die Sonne, in einer mit der Erde fast gleichen Entfernung, ein Strom von Sternschnuppen kreise, der einen großen, stätigen, ganz aus Boliden bestehenden Ring bilde. Dieser kreisende Ring sey auf die Ekliptik geneigt, so daß er mit letzterer nach Art anderer Planeten Knoten habe. Da er aber von der Sonne fast so weit wie unsere Erde entfernt sey, so gehe daraus hervor, daß wenn die letztere sich in den Knoten des Schwarms der Meteore befinde, sie in deren Wolke eindringe, und daß nun daraus die ungewöhnliche Erscheinung des 13 Novembers oder des 10 Augusts entspringe. Hr. Ermann findet, ohne Zweifel nach der Berechnung der jährlichen Bewegung der zwei Körper, daß der meteorische Ring sich jährlich zwischen die Erde und die Sonne in zwei Zeitpunkten stelle, die dem Anfang des Februars und dem Anfang des Mai's entsprechen. Es gibt sonach alsdann eine Art von Sonnenfinsterniß durch die Meteore. Dieß sind die Hauptangaben der Hypothese des Hrn. Ermann, der sich der Hoffnung hingibt, Beweise für ein ganz eingebildetes System zu finden. Zum Beweise, daß die Sonne solche meteorische Verfinsterungen im Februar und Mai erfahre, hat sich Hr. Ermann in den alten Chroniken des Mittelalters umgesehen und darin gefunden, daß in diesen Perioden des Jahres die Sonne fast ganz verschwunden sey, daß die Fledermäuse aufgeflogen seyen und man Lichter habe anzünden müssen. Er führt mehrere solche Stellen aus deutschen Chroniken vom dreizehnten Jahrhundert an. Dieß sind aber seltsame Stützen für eine physikalische Hypothese. Endlich wandte sich Hr. Ermann von diesen Mönchscompilationen an den Thermometer. Er glaubte durch Einsicht in die vollständigsten Temperaturtabellen, die man gegenwärtig besitzt, beweisen zu können, daß in der That gegen den 7 Febr. eine jährliche Conjunction der Asteroiden und der Sonne stattfinde, woraus sich ein allgemeines Sinken der Temperatur auf unserm ganzen Erdball ergebe. Er glaubt, daß die meteorologischen Register zu demselben Zeitpunkt ein Stillhalten in dem Fortschritt der den Frühling verkündenden Wärme, das einer Auslöschung der Sonnenstrahlen entspreche, bezeugen. Ebenso soll ein allgemeines Fallen der Erdtemperatur gegen den 11 Mai stattfinden, das den Sonnenverfinsterungen durch die Sternschnuppen vom 13 November entspräche. Alles dieß bedürfte größere Beweise und eine etwas klarere Darstellung. In jedem Fall zeigt sich in den von Hrn. Ermann vorgelegten Entwicklungen große Einbildungskraft, viel Wissenschaft und Scharfsinn."

Die bekannten Erscheinungen von Sternschnuppenströmungen, welche nun seit einer Reihe von Jahren regelmäßig im November (um den 13) und im August (um den 10) beobachtet worden sind, und für deren Erscheinung um die nämlichen Monatstage auch in frühern Jahren sich geschichtliche Belege auffinden ließen, gewinnen noch weiteres Interesse durch Nachweisung eines nicht weniger merkwürdigen Einflusses dieser Himmelskörper auf unsere Erde, als ihr regelmäßiges Erscheinen selbst merkwürdig ist - eines Einflusses, durch welchen nicht nur mehrere bis jetzt unerklärte Temperaturerscheinungen (wovon die eine in die kaum verflossenen Februartage fällt) eine sehr einfache und naturgemäße Erklärung, sondern auch die hierauf bezüglichen Volkstraditionen eine merkwürdige Bestätigung finden; woraus denn sogleich der Schluß folgen dürfte, daß die diesen und ähnlichen Traditionen zu Grunde liegenden Beobachtungen der frühern Zeiten nicht so unrichtig, und die Volksstimme selbst in ihren Wetterregeln nicht so unwichtig sey, als man gewöhnlich glaubt. Es ließ sich unter Voraussetzung der Möglichkeit und wegen der regelmäßigen Wiederkehr jener Sternschnuppen, selbst der Wahrscheinlichkeit, daß dieselben keine im Raume des Sonnensystems vereinzelten Anhäufungen einer kosmischen, d. h. im Weltraum zerstreuten, sich bewegenden, Materie, sondern ein zusammenhängender, die Sonne ringförmig umgebender und sich in der Richtung des Rings um sie bewegender Strom solcher Massen sey, vermuthen, daß dieselben ein halbes Jahr später, wo die Erde auf ihrer Bahn sich diesem ringförmigen Strome aufs neue nähern würde, irgend auffallende Erscheinungen zur Folge haben würden, so daß die nächsten Tage vom 7 Febr. und vom 10 Mai an hiefür bedeutungsvoll werden würden. Nun ist eine nicht nur im Volksglauben seit den frühesten Zeiten fortlebende, sondern durch die zahlreichsten, fast jedes Jahr wiederkehrenden Beobachtungen bestätigte Thatsache die Wärme-Abnahme in den Tagen vom 10 bis 14 Mai, und eine eben solche Wärme-Abnahme, wenn gleich wegen der ohnedieß winterlichen Jahreszeit im Februar minder auffallend, als die verhängnißvollen Frühlingsfröste um die Tage des Servaz und Pankraz, zeigt sich auffallend bestätigt durch Prüfung der Temperatur dieser Tage, welche die in den meteorologischen Journalen verschiedener Orte und Zeiten niedergelegten Beobachtungen und Berechnungen der Mitteltemperaturen an die Hand geben. Hieraus erhält nun die oben angeführte Vermuthung von einer wiederholten Annäherung der Erde um diese beiden Zeiten (Februar und Mai) gegen die Sternschnuppenströmung eine merkwürdige Bestätigung, und zwar in der Art, daß, indem die Erde hier an derjenigen Stelle ihrer Bahn anlangt, wo letztere von der Sternschnuppenströmung durchschnitten wird, die Sternschnuppenanhäufung nun zwischen der Erde und der Sonne in gerader Linie sich befindet (gerade wie der Mond bei einer Sonnenfinsterniß), und somit nothwendig den Einfluß der Sonnenstrahlen auf Erwärmung der Erde (so wie auf Erleuchtung derselben, wenn gleich ohne Minderung der letztern ohne Lichtmeßinstrumente minder bemerkbar ausfällt), nach Maaßgabe der Dichtigkeit der Sternschnuppenströmung schwächen muß. Diesem steht noch zur Seite, daß in alten Chroniken mehrere Fälle aufgezählt sind, wo in den Tagen des Februars und des Mai's auffallende, durch die Bevölkung nicht hervorgebrachte Verdunkelungen des Sonnenlichts und im Jahr 1106 im Februar bei Tag eine Menge Sternschnuppen bemerkt worden sind. - Wir geben hier noch eine Tafel der hiesigen Temperaturbeobachtungen in den letzten Februartagen, woraus hervorgeht, daß die seit dem Anfang dieses Monats bemerkliche constante Zunahme der Temperatur, sowohl des täglichen Mittels, als auch des täglichen Maximums und Minimums, vom 7 an eine auffallende und durchaus gleichförmige Störung oder Verringerung erlitten hat. Eine ausführliche Darstellung dieser interessanten Hypothese mit ihren astronomischen, meteorologischen und historischen Belegen von A. Ermann gibt Schuhmacher in seinen astronomischen Nachrichten von diesem Jahre

Die Sternschnuppenströmungen.

Der Courrier français gibt in seinem Bericht über die Sitzungen der Akademie der Wissenschaften vom 6 und 13 Januar Nachricht von einer schriftlichen Mittheilung, welche die französische Akademie von Professor Ermann in Berlin über Sternschnuppen erhalten habe. „Der Professor, sagt dieses Journal, erklärt die periodische Erscheinung derselben durch die Annahme, daß nach Planetenart um die Sonne, in einer mit der Erde fast gleichen Entfernung, ein Strom von Sternschnuppen kreise, der einen großen, stätigen, ganz aus Boliden bestehenden Ring bilde. Dieser kreisende Ring sey auf die Ekliptik geneigt, so daß er mit letzterer nach Art anderer Planeten Knoten habe. Da er aber von der Sonne fast so weit wie unsere Erde entfernt sey, so gehe daraus hervor, daß wenn die letztere sich in den Knoten des Schwarms der Meteore befinde, sie in deren Wolke eindringe, und daß nun daraus die ungewöhnliche Erscheinung des 13 Novembers oder des 10 Augusts entspringe. Hr. Ermann findet, ohne Zweifel nach der Berechnung der jährlichen Bewegung der zwei Körper, daß der meteorische Ring sich jährlich zwischen die Erde und die Sonne in zwei Zeitpunkten stelle, die dem Anfang des Februars und dem Anfang des Mai's entsprechen. Es gibt sonach alsdann eine Art von Sonnenfinsterniß durch die Meteore. Dieß sind die Hauptangaben der Hypothese des Hrn. Ermann, der sich der Hoffnung hingibt, Beweise für ein ganz eingebildetes System zu finden. Zum Beweise, daß die Sonne solche meteorische Verfinsterungen im Februar und Mai erfahre, hat sich Hr. Ermann in den alten Chroniken des Mittelalters umgesehen und darin gefunden, daß in diesen Perioden des Jahres die Sonne fast ganz verschwunden sey, daß die Fledermäuse aufgeflogen seyen und man Lichter habe anzünden müssen. Er führt mehrere solche Stellen aus deutschen Chroniken vom dreizehnten Jahrhundert an. Dieß sind aber seltsame Stützen für eine physikalische Hypothese. Endlich wandte sich Hr. Ermann von diesen Mönchscompilationen an den Thermometer. Er glaubte durch Einsicht in die vollständigsten Temperaturtabellen, die man gegenwärtig besitzt, beweisen zu können, daß in der That gegen den 7 Febr. eine jährliche Conjunction der Asteroiden und der Sonne stattfinde, woraus sich ein allgemeines Sinken der Temperatur auf unserm ganzen Erdball ergebe. Er glaubt, daß die meteorologischen Register zu demselben Zeitpunkt ein Stillhalten in dem Fortschritt der den Frühling verkündenden Wärme, das einer Auslöschung der Sonnenstrahlen entspreche, bezeugen. Ebenso soll ein allgemeines Fallen der Erdtemperatur gegen den 11 Mai stattfinden, das den Sonnenverfinsterungen durch die Sternschnuppen vom 13 November entspräche. Alles dieß bedürfte größere Beweise und eine etwas klarere Darstellung. In jedem Fall zeigt sich in den von Hrn. Ermann vorgelegten Entwicklungen große Einbildungskraft, viel Wissenschaft und Scharfsinn.“

Die bekannten Erscheinungen von Sternschnuppenströmungen, welche nun seit einer Reihe von Jahren regelmäßig im November (um den 13) und im August (um den 10) beobachtet worden sind, und für deren Erscheinung um die nämlichen Monatstage auch in frühern Jahren sich geschichtliche Belege auffinden ließen, gewinnen noch weiteres Interesse durch Nachweisung eines nicht weniger merkwürdigen Einflusses dieser Himmelskörper auf unsere Erde, als ihr regelmäßiges Erscheinen selbst merkwürdig ist – eines Einflusses, durch welchen nicht nur mehrere bis jetzt unerklärte Temperaturerscheinungen (wovon die eine in die kaum verflossenen Februartage fällt) eine sehr einfache und naturgemäße Erklärung, sondern auch die hierauf bezüglichen Volkstraditionen eine merkwürdige Bestätigung finden; woraus denn sogleich der Schluß folgen dürfte, daß die diesen und ähnlichen Traditionen zu Grunde liegenden Beobachtungen der frühern Zeiten nicht so unrichtig, und die Volksstimme selbst in ihren Wetterregeln nicht so unwichtig sey, als man gewöhnlich glaubt. Es ließ sich unter Voraussetzung der Möglichkeit und wegen der regelmäßigen Wiederkehr jener Sternschnuppen, selbst der Wahrscheinlichkeit, daß dieselben keine im Raume des Sonnensystems vereinzelten Anhäufungen einer kosmischen, d. h. im Weltraum zerstreuten, sich bewegenden, Materie, sondern ein zusammenhängender, die Sonne ringförmig umgebender und sich in der Richtung des Rings um sie bewegender Strom solcher Massen sey, vermuthen, daß dieselben ein halbes Jahr später, wo die Erde auf ihrer Bahn sich diesem ringförmigen Strome aufs neue nähern würde, irgend auffallende Erscheinungen zur Folge haben würden, so daß die nächsten Tage vom 7 Febr. und vom 10 Mai an hiefür bedeutungsvoll werden würden. Nun ist eine nicht nur im Volksglauben seit den frühesten Zeiten fortlebende, sondern durch die zahlreichsten, fast jedes Jahr wiederkehrenden Beobachtungen bestätigte Thatsache die Wärme-Abnahme in den Tagen vom 10 bis 14 Mai, und eine eben solche Wärme-Abnahme, wenn gleich wegen der ohnedieß winterlichen Jahreszeit im Februar minder auffallend, als die verhängnißvollen Frühlingsfröste um die Tage des Servaz und Pankraz, zeigt sich auffallend bestätigt durch Prüfung der Temperatur dieser Tage, welche die in den meteorologischen Journalen verschiedener Orte und Zeiten niedergelegten Beobachtungen und Berechnungen der Mitteltemperaturen an die Hand geben. Hieraus erhält nun die oben angeführte Vermuthung von einer wiederholten Annäherung der Erde um diese beiden Zeiten (Februar und Mai) gegen die Sternschnuppenströmung eine merkwürdige Bestätigung, und zwar in der Art, daß, indem die Erde hier an derjenigen Stelle ihrer Bahn anlangt, wo letztere von der Sternschnuppenströmung durchschnitten wird, die Sternschnuppenanhäufung nun zwischen der Erde und der Sonne in gerader Linie sich befindet (gerade wie der Mond bei einer Sonnenfinsterniß), und somit nothwendig den Einfluß der Sonnenstrahlen auf Erwärmung der Erde (so wie auf Erleuchtung derselben, wenn gleich ohne Minderung der letztern ohne Lichtmeßinstrumente minder bemerkbar ausfällt), nach Maaßgabe der Dichtigkeit der Sternschnuppenströmung schwächen muß. Diesem steht noch zur Seite, daß in alten Chroniken mehrere Fälle aufgezählt sind, wo in den Tagen des Februars und des Mai's auffallende, durch die Bevölkung nicht hervorgebrachte Verdunkelungen des Sonnenlichts und im Jahr 1106 im Februar bei Tag eine Menge Sternschnuppen bemerkt worden sind. – Wir geben hier noch eine Tafel der hiesigen Temperaturbeobachtungen in den letzten Februartagen, woraus hervorgeht, daß die seit dem Anfang dieses Monats bemerkliche constante Zunahme der Temperatur, sowohl des täglichen Mittels, als auch des täglichen Maximums und Minimums, vom 7 an eine auffallende und durchaus gleichförmige Störung oder Verringerung erlitten hat. Eine ausführliche Darstellung dieser interessanten Hypothese mit ihren astronomischen, meteorologischen und historischen Belegen von A. Ermann gibt Schuhmacher in seinen astronomischen Nachrichten von diesem Jahre

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0009" n="0401"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Sternschnuppenströmungen</hi>.</hi> </head><lb/>
        <p>Der <hi rendition="#g">Courrier français</hi> gibt in seinem Bericht über die Sitzungen der Akademie der Wissenschaften vom 6 und 13 Januar Nachricht von einer schriftlichen Mittheilung, welche die französische Akademie von Professor <hi rendition="#g">Ermann</hi> in Berlin über Sternschnuppen erhalten habe. &#x201E;Der Professor, sagt dieses Journal, erklärt die periodische Erscheinung derselben durch die Annahme, daß nach Planetenart um die Sonne, in einer mit der Erde fast gleichen Entfernung, ein Strom von Sternschnuppen kreise, der einen großen, stätigen, ganz aus Boliden bestehenden Ring bilde. Dieser kreisende Ring sey auf die Ekliptik geneigt, so daß er mit letzterer nach Art anderer Planeten Knoten habe. Da er aber von der Sonne fast so weit wie unsere Erde entfernt sey, so gehe daraus hervor, daß wenn die letztere sich in den Knoten des Schwarms der Meteore befinde, sie in deren Wolke eindringe, und daß nun daraus die ungewöhnliche Erscheinung des 13 Novembers oder des 10 Augusts entspringe. Hr. Ermann findet, ohne Zweifel nach der Berechnung der jährlichen Bewegung der zwei Körper, daß der meteorische Ring sich jährlich zwischen die Erde und die Sonne in zwei Zeitpunkten stelle, die dem Anfang des Februars und dem Anfang des Mai's entsprechen. Es gibt sonach alsdann eine Art von Sonnenfinsterniß durch die Meteore. Dieß sind die Hauptangaben der Hypothese des Hrn. Ermann, der sich der Hoffnung hingibt, Beweise für ein ganz eingebildetes System zu finden. Zum Beweise, daß die Sonne solche meteorische Verfinsterungen im Februar und Mai erfahre, hat sich Hr. Ermann in den alten Chroniken des Mittelalters umgesehen und darin gefunden, daß in diesen Perioden des Jahres die Sonne fast ganz verschwunden sey, daß die Fledermäuse aufgeflogen seyen und man Lichter habe anzünden müssen. Er führt mehrere solche Stellen aus deutschen Chroniken vom dreizehnten Jahrhundert an. Dieß sind aber seltsame Stützen für eine physikalische Hypothese. Endlich wandte sich Hr. Ermann von diesen Mönchscompilationen an den Thermometer. Er glaubte durch Einsicht in die vollständigsten Temperaturtabellen, die man gegenwärtig besitzt, beweisen zu können, daß in der That gegen den 7 Febr. eine jährliche Conjunction der Asteroiden und der Sonne stattfinde, woraus sich ein allgemeines Sinken der Temperatur auf unserm ganzen Erdball ergebe. Er glaubt, daß die meteorologischen Register zu demselben Zeitpunkt ein Stillhalten in dem Fortschritt der den Frühling verkündenden Wärme, das einer Auslöschung der Sonnenstrahlen entspreche, bezeugen. Ebenso soll ein allgemeines Fallen der Erdtemperatur gegen den 11 Mai stattfinden, das den Sonnenverfinsterungen durch die Sternschnuppen vom 13 November entspräche. Alles dieß bedürfte größere Beweise und eine etwas klarere Darstellung. In jedem Fall zeigt sich in den von Hrn. Ermann vorgelegten Entwicklungen große Einbildungskraft, viel Wissenschaft und Scharfsinn.&#x201C;</p><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Stuttgart,</hi> 12 Febr.</dateline>
          <p> Die bekannten Erscheinungen von <hi rendition="#g">Sternschnuppenströmungen</hi>, welche nun seit einer Reihe von Jahren regelmäßig im November (um den 13) und im August (um den 10) beobachtet worden sind, und für deren Erscheinung um die nämlichen Monatstage auch in frühern Jahren sich geschichtliche Belege auffinden ließen, gewinnen noch weiteres Interesse durch Nachweisung eines nicht weniger merkwürdigen Einflusses dieser Himmelskörper auf unsere Erde, als ihr regelmäßiges Erscheinen selbst merkwürdig ist &#x2013; eines Einflusses, durch welchen nicht nur mehrere bis jetzt unerklärte Temperaturerscheinungen (wovon die eine in die kaum verflossenen Februartage fällt) eine sehr einfache und naturgemäße Erklärung, sondern auch die hierauf bezüglichen Volkstraditionen eine merkwürdige Bestätigung finden; woraus denn sogleich der Schluß folgen dürfte, daß die diesen und ähnlichen Traditionen zu Grunde liegenden Beobachtungen der frühern Zeiten nicht so unrichtig, und die Volksstimme selbst in ihren Wetterregeln nicht so unwichtig sey, als man gewöhnlich glaubt. Es ließ sich unter Voraussetzung der Möglichkeit und wegen der regelmäßigen Wiederkehr jener Sternschnuppen, selbst der Wahrscheinlichkeit, daß dieselben keine im Raume des Sonnensystems vereinzelten Anhäufungen einer kosmischen, d. h. im Weltraum zerstreuten, sich bewegenden, Materie, sondern ein zusammenhängender, die Sonne ringförmig umgebender und sich in der Richtung des Rings um sie bewegender Strom solcher Massen sey, vermuthen, daß dieselben ein halbes Jahr später, wo die Erde auf ihrer Bahn sich diesem ringförmigen Strome aufs neue nähern würde, irgend auffallende Erscheinungen zur Folge haben würden, so daß die nächsten Tage vom 7 Febr. und vom 10 Mai an hiefür bedeutungsvoll werden würden. Nun ist eine nicht nur im Volksglauben seit den frühesten Zeiten fortlebende, sondern durch die zahlreichsten, fast jedes Jahr wiederkehrenden Beobachtungen bestätigte Thatsache die Wärme-Abnahme in den Tagen vom 10 bis 14 Mai, und eine eben solche Wärme-Abnahme, wenn gleich wegen der ohnedieß winterlichen Jahreszeit im Februar minder auffallend, als die verhängnißvollen Frühlingsfröste um die Tage des Servaz und Pankraz, zeigt sich auffallend bestätigt durch Prüfung der Temperatur dieser Tage, welche die in den meteorologischen Journalen verschiedener Orte und Zeiten niedergelegten Beobachtungen und Berechnungen der Mitteltemperaturen an die Hand geben. Hieraus erhält nun die oben angeführte Vermuthung von einer wiederholten Annäherung der Erde um diese beiden Zeiten (Februar und Mai) gegen die Sternschnuppenströmung eine merkwürdige Bestätigung, und zwar in der Art, daß, indem die Erde hier an derjenigen Stelle ihrer Bahn anlangt, wo letztere von der Sternschnuppenströmung durchschnitten wird, die Sternschnuppenanhäufung nun <hi rendition="#g">zwischen</hi> der Erde und der Sonne in gerader Linie sich befindet (gerade wie der Mond bei einer Sonnenfinsterniß), und somit nothwendig den Einfluß der Sonnenstrahlen auf Erwärmung der Erde (so wie auf Erleuchtung derselben, wenn gleich ohne Minderung der letztern ohne Lichtmeßinstrumente minder bemerkbar ausfällt), nach Maaßgabe der Dichtigkeit der Sternschnuppenströmung schwächen muß. Diesem steht noch zur Seite, daß in alten Chroniken mehrere Fälle aufgezählt sind, wo in den Tagen des Februars und des Mai's auffallende, durch die Bevölkung nicht hervorgebrachte Verdunkelungen des Sonnenlichts und im Jahr 1106 im Februar bei Tag eine Menge Sternschnuppen bemerkt worden sind. &#x2013; Wir geben hier noch eine Tafel der hiesigen Temperaturbeobachtungen in den letzten Februartagen, woraus hervorgeht, daß die seit dem Anfang dieses Monats bemerkliche constante Zunahme der Temperatur, sowohl des täglichen Mittels, als auch des täglichen Maximums und Minimums, vom 7 an eine auffallende und durchaus gleichförmige Störung oder Verringerung erlitten hat. Eine ausführliche Darstellung dieser interessanten Hypothese mit ihren astronomischen, meteorologischen und historischen Belegen von A. Ermann gibt Schuhmacher in seinen astronomischen Nachrichten von diesem Jahre<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0401/0009] Die Sternschnuppenströmungen. Der Courrier français gibt in seinem Bericht über die Sitzungen der Akademie der Wissenschaften vom 6 und 13 Januar Nachricht von einer schriftlichen Mittheilung, welche die französische Akademie von Professor Ermann in Berlin über Sternschnuppen erhalten habe. „Der Professor, sagt dieses Journal, erklärt die periodische Erscheinung derselben durch die Annahme, daß nach Planetenart um die Sonne, in einer mit der Erde fast gleichen Entfernung, ein Strom von Sternschnuppen kreise, der einen großen, stätigen, ganz aus Boliden bestehenden Ring bilde. Dieser kreisende Ring sey auf die Ekliptik geneigt, so daß er mit letzterer nach Art anderer Planeten Knoten habe. Da er aber von der Sonne fast so weit wie unsere Erde entfernt sey, so gehe daraus hervor, daß wenn die letztere sich in den Knoten des Schwarms der Meteore befinde, sie in deren Wolke eindringe, und daß nun daraus die ungewöhnliche Erscheinung des 13 Novembers oder des 10 Augusts entspringe. Hr. Ermann findet, ohne Zweifel nach der Berechnung der jährlichen Bewegung der zwei Körper, daß der meteorische Ring sich jährlich zwischen die Erde und die Sonne in zwei Zeitpunkten stelle, die dem Anfang des Februars und dem Anfang des Mai's entsprechen. Es gibt sonach alsdann eine Art von Sonnenfinsterniß durch die Meteore. Dieß sind die Hauptangaben der Hypothese des Hrn. Ermann, der sich der Hoffnung hingibt, Beweise für ein ganz eingebildetes System zu finden. Zum Beweise, daß die Sonne solche meteorische Verfinsterungen im Februar und Mai erfahre, hat sich Hr. Ermann in den alten Chroniken des Mittelalters umgesehen und darin gefunden, daß in diesen Perioden des Jahres die Sonne fast ganz verschwunden sey, daß die Fledermäuse aufgeflogen seyen und man Lichter habe anzünden müssen. Er führt mehrere solche Stellen aus deutschen Chroniken vom dreizehnten Jahrhundert an. Dieß sind aber seltsame Stützen für eine physikalische Hypothese. Endlich wandte sich Hr. Ermann von diesen Mönchscompilationen an den Thermometer. Er glaubte durch Einsicht in die vollständigsten Temperaturtabellen, die man gegenwärtig besitzt, beweisen zu können, daß in der That gegen den 7 Febr. eine jährliche Conjunction der Asteroiden und der Sonne stattfinde, woraus sich ein allgemeines Sinken der Temperatur auf unserm ganzen Erdball ergebe. Er glaubt, daß die meteorologischen Register zu demselben Zeitpunkt ein Stillhalten in dem Fortschritt der den Frühling verkündenden Wärme, das einer Auslöschung der Sonnenstrahlen entspreche, bezeugen. Ebenso soll ein allgemeines Fallen der Erdtemperatur gegen den 11 Mai stattfinden, das den Sonnenverfinsterungen durch die Sternschnuppen vom 13 November entspräche. Alles dieß bedürfte größere Beweise und eine etwas klarere Darstellung. In jedem Fall zeigt sich in den von Hrn. Ermann vorgelegten Entwicklungen große Einbildungskraft, viel Wissenschaft und Scharfsinn.“ _ Stuttgart, 12 Febr. Die bekannten Erscheinungen von Sternschnuppenströmungen, welche nun seit einer Reihe von Jahren regelmäßig im November (um den 13) und im August (um den 10) beobachtet worden sind, und für deren Erscheinung um die nämlichen Monatstage auch in frühern Jahren sich geschichtliche Belege auffinden ließen, gewinnen noch weiteres Interesse durch Nachweisung eines nicht weniger merkwürdigen Einflusses dieser Himmelskörper auf unsere Erde, als ihr regelmäßiges Erscheinen selbst merkwürdig ist – eines Einflusses, durch welchen nicht nur mehrere bis jetzt unerklärte Temperaturerscheinungen (wovon die eine in die kaum verflossenen Februartage fällt) eine sehr einfache und naturgemäße Erklärung, sondern auch die hierauf bezüglichen Volkstraditionen eine merkwürdige Bestätigung finden; woraus denn sogleich der Schluß folgen dürfte, daß die diesen und ähnlichen Traditionen zu Grunde liegenden Beobachtungen der frühern Zeiten nicht so unrichtig, und die Volksstimme selbst in ihren Wetterregeln nicht so unwichtig sey, als man gewöhnlich glaubt. Es ließ sich unter Voraussetzung der Möglichkeit und wegen der regelmäßigen Wiederkehr jener Sternschnuppen, selbst der Wahrscheinlichkeit, daß dieselben keine im Raume des Sonnensystems vereinzelten Anhäufungen einer kosmischen, d. h. im Weltraum zerstreuten, sich bewegenden, Materie, sondern ein zusammenhängender, die Sonne ringförmig umgebender und sich in der Richtung des Rings um sie bewegender Strom solcher Massen sey, vermuthen, daß dieselben ein halbes Jahr später, wo die Erde auf ihrer Bahn sich diesem ringförmigen Strome aufs neue nähern würde, irgend auffallende Erscheinungen zur Folge haben würden, so daß die nächsten Tage vom 7 Febr. und vom 10 Mai an hiefür bedeutungsvoll werden würden. Nun ist eine nicht nur im Volksglauben seit den frühesten Zeiten fortlebende, sondern durch die zahlreichsten, fast jedes Jahr wiederkehrenden Beobachtungen bestätigte Thatsache die Wärme-Abnahme in den Tagen vom 10 bis 14 Mai, und eine eben solche Wärme-Abnahme, wenn gleich wegen der ohnedieß winterlichen Jahreszeit im Februar minder auffallend, als die verhängnißvollen Frühlingsfröste um die Tage des Servaz und Pankraz, zeigt sich auffallend bestätigt durch Prüfung der Temperatur dieser Tage, welche die in den meteorologischen Journalen verschiedener Orte und Zeiten niedergelegten Beobachtungen und Berechnungen der Mitteltemperaturen an die Hand geben. Hieraus erhält nun die oben angeführte Vermuthung von einer wiederholten Annäherung der Erde um diese beiden Zeiten (Februar und Mai) gegen die Sternschnuppenströmung eine merkwürdige Bestätigung, und zwar in der Art, daß, indem die Erde hier an derjenigen Stelle ihrer Bahn anlangt, wo letztere von der Sternschnuppenströmung durchschnitten wird, die Sternschnuppenanhäufung nun zwischen der Erde und der Sonne in gerader Linie sich befindet (gerade wie der Mond bei einer Sonnenfinsterniß), und somit nothwendig den Einfluß der Sonnenstrahlen auf Erwärmung der Erde (so wie auf Erleuchtung derselben, wenn gleich ohne Minderung der letztern ohne Lichtmeßinstrumente minder bemerkbar ausfällt), nach Maaßgabe der Dichtigkeit der Sternschnuppenströmung schwächen muß. Diesem steht noch zur Seite, daß in alten Chroniken mehrere Fälle aufgezählt sind, wo in den Tagen des Februars und des Mai's auffallende, durch die Bevölkung nicht hervorgebrachte Verdunkelungen des Sonnenlichts und im Jahr 1106 im Februar bei Tag eine Menge Sternschnuppen bemerkt worden sind. – Wir geben hier noch eine Tafel der hiesigen Temperaturbeobachtungen in den letzten Februartagen, woraus hervorgeht, daß die seit dem Anfang dieses Monats bemerkliche constante Zunahme der Temperatur, sowohl des täglichen Mittels, als auch des täglichen Maximums und Minimums, vom 7 an eine auffallende und durchaus gleichförmige Störung oder Verringerung erlitten hat. Eine ausführliche Darstellung dieser interessanten Hypothese mit ihren astronomischen, meteorologischen und historischen Belegen von A. Ermann gibt Schuhmacher in seinen astronomischen Nachrichten von diesem Jahre

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_051_18400220
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_051_18400220/9
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 51. Augsburg, 20. Februar 1840, S. 0401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_051_18400220/9>, abgerufen am 03.05.2024.