Preßburg. (Beschluß.) Der ungenannte Verfasser fährt jedoch weiter fort und sagt: „In den Städten genießt kaum der hundertste Bürger das Recht der Wahl und des Einflusses auf die öffentlichen Angelegenheiten. So wie vor uns (den Comitatsdeputirten) die Vertreter der städtischen Magistrate und Gemeinden stehen und Vergrößerung ihres Einflusses verlangen, so stehen vor ihnen die Bürger, eine unendliche Zahl von Bittstellern, und erwarten geduldiger als sie die Erfüllung ihrer gerechten Ansprüche; die Magistrate 6 bis 12 an der Zahl, oligarchisch organisirt, lassen den Bürgern keinen, der Wahlbürgerschaft (nach der Größe der Stadt 40, 60, 120) nur geringen Einfluß. Magistrate und Wahlbürger sind lebenslänglich, letztere ergänzen sich durch Wahlen selbst – und die Landtagsdeputirten werden nur aus diesen Körperschaften, nicht aus der Masse aller Bürger gewählt. Würde dieser Uebelstand gehoben und die Demokratie des Bürgers der Aristokratie des Adels wirklich entgegengesetzt, dann könnte (meint jener Verfasser) kein Unparteiischer ihre Ansprüche, wenn nur in etwas gemäßigterer Form, mißbilligen. Wie ganz anders sind die Wahlen der Comitate, in welche jeder Adelige einfließt.“
Ehe Referent sich in die Erörterung dieser Ansichten einläßt, sey es ihm erlaubt auf den Widerspruch aufmerksam zu machen, in welchen der Verfasser mit den Prämissen gefallen ist. Oben hat er behauptet, die Städte als dem demokratischen Principe huldigend widerstreben ihrer Natur nach den Ansichten eines aristokratischen Landes, und dieß eben sey die Ursache, warum sie sich nie mit der Nation verschmolzen, nie größeren Einfluß auf Verwaltung und Gesetzgebung erhalten konnten. Hier behauptet er, wenn alle Bürger mehr Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten und Wahlen bekämen, wenn sich die Städte mehr demokratisirten, d. i. wenn die Demokratie der Bürger der Aristokratie des Adels wirklich entgegengesetzt würde, könnte kein Unparteiischer ihre Ansprüche mißbilligen. Dieß erinnert auch unwillkürlich an die Worte der Fabel: „du – du trübst mir das Wasser!“
Allein wir wollen sehen, wie es mit der Sache selbst steht. Jedermann, der nur einigermaßen die innere Verwaltung kennt, weiß, daß der Einfluß der Wahlbürgerschaft auf öffentliche Angelegenheiten nicht nur nicht gering, sondern sehr bedeutend, mit Ausnahme beinahe allein des Juridischen, fast auf alle Zweige derselben sich erstreckt. In ihren Bereich gehört das Steuer- und Armenwesen, die Aufsicht und Mitwirkung über alle Waisenangelegenheiten und öffentlichen Anstalten, über die Cassen, über die allgemeinen Rechte der Stadt, über die ganze Verwaltung der städtischen Wirthschaft, Revision der Rechnungen aller städtischen Beamten, Instruction der Landtagsablegaten u. s. w. Die Wahlbürgerschaft wählt frei die Magistratsräthe und alle drei Jahre die Oberbeamten, als Stadtrichter, Bürgermeister, Stadthauptmann und Vormund, übt somit selbst auf die Richter und Polizeibeamten einen, wenn auch nicht unmittelbaren, doch mittelbaren Einfluß aus, da wohl Niemand behaupten wird, der Richter oder Polizeibeamte (Stadthauptmann) sey völlig und ganz unabhängig, welcher alle drei Jahre der Restauration unterliegt. Wollte der liberal seyn wollende Verfasser sich umsehen, wie es in dieser Hinsicht in andern Ländern, Sachsen, Preußen etc. gehalten wird, er dürfte wohl für die Magistrate und Obrigkeiten eher eine mehr unabhängige Stellung, eine Stärkung als Schwächung ihrer Wirksamkeit zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe wünschen müssen. Selbst die Behauptung steht nicht, daß die Landtagsdeputirten lediglich nur aus den Körperschaften der Magistrate und Erwählten-Gemeinde genommen werden müssen; denn wenn es auch wahr ist, daß dieß in der Regel so geschieht, so ist darüber doch kein ausschließliches Gesetz vorhanden, und hätte sich der Verfasser auch nur unter den auf dem jetzigen Landtage befindlichen städtischen Ablegaten umsehen wollen, so würde er gefunden haben, daß von drei Städten solche Deputirte zugegen sind, welche nicht einmal in den Städten, die sie vertreten, wohnen, und noch dazu aus dem Adelstande genommen sind.
Damit jedoch soll nicht gemeint seyn, daß nicht einige Ausdehnung des Wahlrechts sowohl, als eine nähere Bestimmung des Wählbarkeitsrechts wünschenswerth wäre; in dieser Hinsicht haben sich die Städte selbst oft ausgesprochen, namentlich darüber, daß die Wahl der Repräsentanten der Bürgerschaft (Stadtverordneten) durch alle Bürger geschehe, jedoch auf eine Art, welche weder die öffentliche Ruhe gefährde, noch die friedlichen Bürger von ihren nützlichen Beschäftigungen zu sehr abziehe.
Schließlich berührt der Verfasser noch zwei Umstände, 1) daß es vielleicht billig wäre, die Ansprüche der Städte zu gewähren, wenn sie in gemäßigterer Form vorgebracht würden; 2) daß die Städte nur betrachten möchten, wie die Wahlen in den Comitaten ganz anders seyen. Was das 1ste betrifft, scheint es kaum begreiflich, wie man mehr Mäßigung verlangen könne, als daß man ihnen lasse, was das Gesetz schon gegeben, daß man ihren Rechtszustand nicht factisch störe; – können die Städte weniger verlangen, als daß auf dem Reichstage das Interesse der Gewerbe, der Industrie und des Handels wenigstens gleiche Vertretung, gleichen Schutz genieße, wie jenes des adeligen Besitzers? ist es unmäßig, wenn die Städte das aussprechen, was der weise Leopold II in seinen königlichen Propositionen 1790 selbst den Ständen vorgelegt? eine Coordination des so ungeregelt gewordenen Landtags – eine Coordinirung auf der Basis des Gleichgewichts der Stande. Haben die Städte je mehr als dieses verlangt? haben sie dadurch das aristokratische Princip gefährdet? jenes Princip, welches, wenn auch zwischen dem dritten und vierten Stand das gesetzliche Gleichgewicht besteht, dennoch auf dem ungarischen Reichstage durch den ersten und zweiten Stand pradominirend, immer überwiegend bleiben wird. Und was das 2te anbelangt, glaubt Referent, der Verfasser hätte besser gethan, über die Wahlen der Comitate, wie sie bei Restaurationen sowohl, als bei Absendung der Landtagsdeputirten geschehen, weislich zu schweigen, da gerade dieß der wundeste Fleck ist, an welchem die Comitatsinstitutionen leiden. Der Verfasser möge sich nur erinnern, wie so manche Wahl in den Comitaten geschehen, welche Unordnungen dabei vorgefallen? was sie kosten? und wer nur sonst billig ist, wird auch einsichtsvoll eine Parallele zu ziehen wissen zwischen den 60, 100 freien, unabhängigen, gebildeten Wählern der Städte, welche durch geheimes und ruhiges Scrutinium abstimmen, und den tumultuarischen Auftritten des oft so armen und ungebildeten Rural-Adels, der durch drei bis vier Parteiführer und alle Mittel der Verführung zur öffentlichen Stimmgabe oft in einem Zustande gebracht wird, welcher jede Aeußerung eines verständigen und freien Willens unmöglich macht. Solches Glück der Wahlen wird er selbst den Städten nicht bereiten wollen? horum Semper ego optarim pauperrimus esse bonorum. Das jetzige Wahlsystem der Städte mag einige Verbesserungen bedürfen (das der Comitate bedarf derselben gewiß mehrere und wichtigere), allein so lange darüber nicht gesetzliche Verfügungen eintreten, können sie ihrer Diätalrechte nicht verlustig werden; dieses Wahl- und Vertretungssystem besteht seit Jahrhunderten, mit ihm sind die Städte in die Zahl der Reichsstände eingerückt, mit Sitz und Stimme begabt worden.
Nach dieser kurzen Auseinandersetzung der historischen und diplomatischen Unrichtigkeiten der v. Pulßky'schen Rede, so wie des darauf gefußten Raisonnements, möge der unparteiische Leser nun beurtheilen, was er auch von jener in der Beilage Nr. 298 den 25 October 1839 „Ungrische Zustände“ Constitution des Landtags, enthaltenen Behauptung zu halten habe, daß die Stimme eines Comitats die Einheit sey, nach welcher Alles gemessen wird.
Auf dem ungarischen Landtage bestehen nach dem Wortlaute der Fundamental-Gesetze vier Stände, der Prälaten, Magnaten, des Adels und der Städte. Von einer Comitatsstimme ist nirgends die Rede, und kann auch nach dem Geiste der Constitution nicht seyn. Die Benennung „Comitats-Deputirte,“ ist nur ein Sprachgebrauch, denn die sogenannten Comitats-Deputirten gehören weder dem 1ten, noch dem 2ten, noch dem 4ten, sondern lediglich dem 3ten Stande an, aus dessen Mitte sie genommen, und gewählt sind; – die übrigen drei Stände können sie nicht vertreten, denn diese sind selbst zugegen; sie können aber auch nicht die Classe der Bauern ihres Comitats vertreten, denn diese haben kein Repräsentationsrecht, und dürfen auch keinen Deputirten wählen. Würden die Bauern wählen können, schwerlich würden sie ihre Stimmen immer denen geben, oder gegeben haben, die aus den Comitaten auf den Landtag gekommen sind. – Die sogenannten Comitats-Deputirten können nicht einmal behaupten, daß sie aus dem Rechte des patriarchalischen Patronats, welches vielleicht einmal bestanden, natürliche Vertreter des Bauernstandes wären, denn der Adel besitzt nur den geringsten Theil der Unterthanen, die großen Grundherren sind die Krone, der hohe Clerus, die Magnaten, mit 7 Achtel des ganzen Landes. – Viel natürlicher, und auch viel wahrer können die Städte sich als berufene Vertheidiger der contribuirenden Bauernclasse ansehen, denn sie tragen mit ihnen gleiche Lasten, und haben ein gemeinsames Interesse. Dieß gilt noch mehr von jenen in Ungarn so zahlreichen und so wichtigen, ächt nationalen Marktflecken und privilegirten, bischöflichen und Landstädten, worunter viele, obgleich sie keine königl. Freistädte, daher nicht inarticulirt sind, und auf dem Landtage keine Stimme haben, doch ihres Wohlstandes, ihrer Bevölkerung, ihrer Bildung wegen wohl verdienten, unter selbe aufgenommen zu werden, und zwar um so mehr, da nach Fingerzeig des Decrets Sigismundi von 1405 und des ofterwähnten 1 § 1608 viele von denselben seit den ältesten Zeiten, auch wirklich zum Landtag berufen, an der Gesetzgebung Theil nahmen.
Allein auch die Natur der Sache selbst, und die ununterbrochene Diätal-Praxis (bis auf die neueste seit 1825 von allen Seiten in so große Anomalien ausartende Zeit) erheischet, daß die Stimmen nicht nach den Comitaten, wohl aber nach der ausgesprochenen Ueberzeugung der einzelnen Deputirten gezählt werden. So ist es in allen constitutionellen Ländern, und wie könnten mehrere Deputirte einer Jurisdiction, z. B. die 24 der Stadt London, die der 49 ungarischen Städte, die 2 eines und des nämlichen Comitats immer gleicher Meinung seyn? Wenn sie sich elidiren, geht die Stimme verloren. Seit 1608 bis 1680 schickten Comitate und Städte je nach Umständen 2, 3, 4 auch 5 Deputirte, bald mehr bald weniger, seit 1681 ist die Zahl regulirt: jedes Comitat, jede Stadt schickt in der Regel 2 Deputirte, und zu was hätten in eben diesem Jahre diejenigen Comitats- und Stadtdeputirten, welche mehr, als diese Zahl ausweiset, geschickt wurden, abtreten müssen, wenn jedes Comitat, jede Stadt nur ein Votum gehabt hätte? So sind auf dem jetzigen Reichstage 101 Deputirte des dritten, 70 des vierten Standes. Alle Beispiele, die oben aus den früheren Zeiten angeführt worden, bewiesen, daß die Stimmen einzeln gegeben wurden. Der 1495. 25. Art. sagt klar, daß bei verschiedenen Meinungen der oberste königliche Thürhüter die Stimmen einzeln zählen soll. Der 1 § 1608 sagt klar: nuncii Comitatuum (nicht Comitatus), nuncii Civitatum (nicht Civitates) haben ihre Stimmen, (vota. in der vielfachen Zahl) unter den übrigen Ständen; aus Rücksicht dieser einzelnen Stimmen hat der 17. Art. 1687 der Vermehrung der inarticulirenden Städte einen Damm setzen wollen. Alle Gesetze athmen diesen Geist, wie kann man also sagen, die Stimme eines Comitats sey die Einheit, nach der Alles gemessen wird?
Ob übrigens die städtischen Deputirten, so wie sie jetzt sind, ihrer Bestimmung als Vertreter der Industrie und des Handels zu entsprechen geeignet seyen, dürfen sie freilich selbst nicht entscheiden; aber das wird wenigstens Niemand in Zweifel ziehen, daß die vereinten zwei Corporationen, Magistrat und Wahlbürgerschaft, allerdings im Stande seyen, ihr und überhaupt das städtische Interesse wahrzunehmen, und denselben angemessene Instructionen zu ertheilen. – Glorreich und segenbringend für das Land wird allerdings der Landtag seyn, welcher, indem er auch den Städten ihr Recht widerfahren läßt, und durch ihr Aufleben und ihre Vermehrung der Nation eine große und neue Kraft zuführt, die jetzigen Anomalien der Gesetzgebung zu beseitigen und das Glück und die Wiedergeburt unseres theueren Vaterlandes durch weise Institutionen zu begründen, berufen seyn wird. Möge des Verfassers Wunsch und Hoffnung, daß dieß schon der nächste sey, in Erfüllung gehen!