Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 50. Augsburg, 19. Februar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Reisen und Reiselitteratur.

Dumont d'Urville's Expedition.

(Moniteur.) Der Marineminister hat aus Batavia vom 4 October 1839 Nachrichten über die vom Capitän Dumont d'Urville befehligte Expedition erhalten. Der Astrolabe und die Zelee hatten Sambuangam am 6 August Morgens verlassen, um nach Australien zurückzukehren. Capitän d'Urville wollte die Südspitze der Insel Mindanao umschiffen, aber statt der Winde und Strömungen von Westen nach Osten, auf welche Hr. d'Urville gerechnet hatte, traf er nur Gegenwinde und Strömungen aus Osten, so daß die Corvetten bald sehr weit nach Westen verschlagen waren. Hr. d'Urville fand nicht für gut, die Mannschaften dem heißen Klima jener Gegenden noch länger auszusetzen, und er ließ daher die Expedition die Richtung nach der Meerenge von Makassar einschlagen. Nach einer langen und schwierigen Schifffahrt in diesem Canal umschifften die Corvetten am 18 September die Südostspitze von Borneo; am folgenden Tage schifften sie vom Cap Salatan nach den Küsten von Java ab, berührten Samarang am 24 September und kamen am 4 October auf der Rhede von Batavia an. Capitän d'Urville wollte Tags darauf seine Reise fortsetzen. Der Gesundheitszustand am Bord beider Corvetten war vortrefflich.

Der Dom zu Köln.

Alles, was in Deutschland das Interesse für dieses Monument zu erwecken vermag, verdient eine vorzugsweise Erwähnung, denn mehr als irgend ein anderes bezeichnet dieses den deutschen Charakter, seine Begeisterung wie seine Geduld, die ein solches Werk begonnen, und nach einem Jahrtausend noch die Hoffnung nicht aufgeben, einmal diesen Riesentorso vollendet zu sehen. Wir empfehlen daher eine kürzlich erschienene Monographie: "Der Kölner Dom, ein Denkmal deutscher Baukunst," von A. v. Binzer, der Aufmerksamkeit des Publicums. Diese kleine Schrift enthält alle wissenswerthen Daten vom Beginn des Baues bis zum gegenwärtigen Augenblick. Nicht ohne Theilnahme wird man sehen, wie die Gaben frommerglühter Herzen nie aufgehört, und andächtige Begeisterung Stein um Stein zu diesem Wunderbau herbeitrug. Wir erfahren, wie das Werk in frühester Zeit, namentlich durch zwei hervorragende Spenden gefördert worden. Richard v. Cornwall opferte 1200 Mark und Albrecht von Oesterreich 8000 Mark, wichtige Summen für jene Zeit. Nehmen wir hiezu, was in neuerer Zeit von dem jetzigen Herrn des Landes zur Erhaltung und zu hoffender Vervollständigung dieses Gotteshauses gethan wird, so finden wir hier gleichsam ein symbolisches Wahrzeichen für den festen Verband dieser drei mächtigen Reiche deutschen Blutes und Stammes. Wie der erste Abschnitt den historischen Theil, so enthält der zweite den descriptiven des Doms, und diesem sind drei sehr schön und rein gearbeitete Stahlstiche beigegeben. Die ganze kleine Schrift ist zugleich mit so viel Geschmack in Styl und Darstellung ausgestattet, dabei so bündig und von keinem unnützen Ballast beladen, daß sie auf alle Weise aus dem Schwall der Erscheinungen herausgehoben und der Bekanntschaft der Leser empfohlen zu werden verdient.

Die Handwerker in Frankreich, England und Belgien.

Die Handwerker in Frankreich und England scheinen unter sich eine enggeschlossene Kette zu bilden, ein System handwerksmäßiger Freimaurerei, verwickelt durch die Handwerker Belgiens, in denen sich die englischen und französischen Einflüsse concentriren. Sie haben das allergrößeste Mißtrauen gegen alle nur möglichen Organe der liberalen Partei, ja sogar aller Demagogen, welche ein vornehmes Leben führen, und nicht an ihren Leiden und Freuden mit Theil nehmen. Das allerletzte Wort aller dieser Verbündungen ist die loi agraire. Dieses System, welches sie unter einander verbündet, hat sich erst mit und durch die Juliusrevolution ausgebildet, und in demselben haben sie, wie natürlich, alle besitzenden Classen gegen sich, Bauern wie Bürger, insofern diese von dieser geschlossenen politischen Innung des Handwerkstandes ein klares Bewußtseyn haben sollten. Durch die riesenhafte Entwickelung der Industrie in den großen Städten wird dieser Stand immer bedeutender, und, wie natürlich, wächst überall das große Mißverhältniß zwischen der Menschenzahl und ihren Bedürfnissen. Die großen periodischen und, so weit man voraussehen kann, unfehlbaren Krisen der industriellen Welt stürzen den Handwerksstand insbesondere aus dem sorglosen Leben des Momentes herab in die gräuelvolle Verzweiflung der Noth und des Elendes. Die tiefe Immoralität und Irreligiosität in diesem Stande, seine unbändige Rohheit, Folgen der Agglomeration eines Menschenhaufens in diesen Bienenkörben der Industrie, machten den Handwerker lange zu nichts Anderm als zu einer Art europäischer Parias; aber seitdem die Zeitungslecture überhand genommen hat in seinen Reihen, seitdem man versucht hat, ihm einen politischen Geist der Volkssouveränetät einzuhauchen und der Stolz sich in seinen Gliedern niedergelassen hat, ist er überall in Frankreich, England und Belgien aus seiner Dumpfheit erwacht, ohne daß der Immoralität, Impietät und Verwilderung Schranken gesetzt worden; und diese Combination eben der Rohheit mit dem Bewußtseyn der Menschenwürde oder des persönlichen Stolzes ist es, welche den Charakter aller Handwerksvereine in den drei genannten Reichen so bedenklich macht.

Gegen diesen Zustand der Dinge gibt es im Grunde keine Vorsichtsmaaßregeln, keine Prohibitionen, keine gerichtlichen und polizeilichen Verfolgungen, welche Stand halten könnten; das Uebel liegt nicht in den Menschen, sondern in der Lage der Dinge, und dieß ist das Resultat der Gesammtordnung aller englisch-französisch-belgischen Industrie. Sie bezweckt nämlich gar nichts Gemeinschaftliches und in diesem Gemeinschaftlichen nichts Moralisches, sondern die puren Privatinteressen der Fabricanten, welche ihr Vermögen ausbilden wollen auf welche Weise es auch immer sey, und denen die Menschen geradezu, in dieser Hinsicht, als Arme und Beine erscheinen, oder als Maschinen, höchstens als essende Mäuler, die in ihnen aber durchaus keinen moralischen Gehalt und Menschengeist erkennen. In seiner Blüthe schon wird der Handwerker als Kind geknickt; bleibt diese junge Menschenblüthe nicht auf dem Stroh liegen und schließt sie sich auf, so wird es ein verkrüppeltes Geschlecht, Saufen und Liederlichkeit aller Art sind seine Initiation ins Leben, Familien bilden sich keine, die wilden Ehen nehmen überhand, die jungen Mädchen werden für die Lüste der Reichen ausersehen und ihren Eltern entfremdet; bei dieser Lage

Reisen und Reiselitteratur.

Dumont d'Urville's Expedition.

(Moniteur.) Der Marineminister hat aus Batavia vom 4 October 1839 Nachrichten über die vom Capitän Dumont d'Urville befehligte Expedition erhalten. Der Astrolabe und die Zelée hatten Sambuangam am 6 August Morgens verlassen, um nach Australien zurückzukehren. Capitän d'Urville wollte die Südspitze der Insel Mindanao umschiffen, aber statt der Winde und Strömungen von Westen nach Osten, auf welche Hr. d'Urville gerechnet hatte, traf er nur Gegenwinde und Strömungen aus Osten, so daß die Corvetten bald sehr weit nach Westen verschlagen waren. Hr. d'Urville fand nicht für gut, die Mannschaften dem heißen Klima jener Gegenden noch länger auszusetzen, und er ließ daher die Expedition die Richtung nach der Meerenge von Makassar einschlagen. Nach einer langen und schwierigen Schifffahrt in diesem Canal umschifften die Corvetten am 18 September die Südostspitze von Borneo; am folgenden Tage schifften sie vom Cap Salatan nach den Küsten von Java ab, berührten Samarang am 24 September und kamen am 4 October auf der Rhede von Batavia an. Capitän d'Urville wollte Tags darauf seine Reise fortsetzen. Der Gesundheitszustand am Bord beider Corvetten war vortrefflich.

Der Dom zu Köln.

Alles, was in Deutschland das Interesse für dieses Monument zu erwecken vermag, verdient eine vorzugsweise Erwähnung, denn mehr als irgend ein anderes bezeichnet dieses den deutschen Charakter, seine Begeisterung wie seine Geduld, die ein solches Werk begonnen, und nach einem Jahrtausend noch die Hoffnung nicht aufgeben, einmal diesen Riesentorso vollendet zu sehen. Wir empfehlen daher eine kürzlich erschienene Monographie: „Der Kölner Dom, ein Denkmal deutscher Baukunst,“ von A. v. Binzer, der Aufmerksamkeit des Publicums. Diese kleine Schrift enthält alle wissenswerthen Daten vom Beginn des Baues bis zum gegenwärtigen Augenblick. Nicht ohne Theilnahme wird man sehen, wie die Gaben frommerglühter Herzen nie aufgehört, und andächtige Begeisterung Stein um Stein zu diesem Wunderbau herbeitrug. Wir erfahren, wie das Werk in frühester Zeit, namentlich durch zwei hervorragende Spenden gefördert worden. Richard v. Cornwall opferte 1200 Mark und Albrecht von Oesterreich 8000 Mark, wichtige Summen für jene Zeit. Nehmen wir hiezu, was in neuerer Zeit von dem jetzigen Herrn des Landes zur Erhaltung und zu hoffender Vervollständigung dieses Gotteshauses gethan wird, so finden wir hier gleichsam ein symbolisches Wahrzeichen für den festen Verband dieser drei mächtigen Reiche deutschen Blutes und Stammes. Wie der erste Abschnitt den historischen Theil, so enthält der zweite den descriptiven des Doms, und diesem sind drei sehr schön und rein gearbeitete Stahlstiche beigegeben. Die ganze kleine Schrift ist zugleich mit so viel Geschmack in Styl und Darstellung ausgestattet, dabei so bündig und von keinem unnützen Ballast beladen, daß sie auf alle Weise aus dem Schwall der Erscheinungen herausgehoben und der Bekanntschaft der Leser empfohlen zu werden verdient.

Die Handwerker in Frankreich, England und Belgien.

Die Handwerker in Frankreich und England scheinen unter sich eine enggeschlossene Kette zu bilden, ein System handwerksmäßiger Freimaurerei, verwickelt durch die Handwerker Belgiens, in denen sich die englischen und französischen Einflüsse concentriren. Sie haben das allergrößeste Mißtrauen gegen alle nur möglichen Organe der liberalen Partei, ja sogar aller Demagogen, welche ein vornehmes Leben führen, und nicht an ihren Leiden und Freuden mit Theil nehmen. Das allerletzte Wort aller dieser Verbündungen ist die loi agraire. Dieses System, welches sie unter einander verbündet, hat sich erst mit und durch die Juliusrevolution ausgebildet, und in demselben haben sie, wie natürlich, alle besitzenden Classen gegen sich, Bauern wie Bürger, insofern diese von dieser geschlossenen politischen Innung des Handwerkstandes ein klares Bewußtseyn haben sollten. Durch die riesenhafte Entwickelung der Industrie in den großen Städten wird dieser Stand immer bedeutender, und, wie natürlich, wächst überall das große Mißverhältniß zwischen der Menschenzahl und ihren Bedürfnissen. Die großen periodischen und, so weit man voraussehen kann, unfehlbaren Krisen der industriellen Welt stürzen den Handwerksstand insbesondere aus dem sorglosen Leben des Momentes herab in die gräuelvolle Verzweiflung der Noth und des Elendes. Die tiefe Immoralität und Irreligiosität in diesem Stande, seine unbändige Rohheit, Folgen der Agglomeration eines Menschenhaufens in diesen Bienenkörben der Industrie, machten den Handwerker lange zu nichts Anderm als zu einer Art europäischer Parias; aber seitdem die Zeitungslecture überhand genommen hat in seinen Reihen, seitdem man versucht hat, ihm einen politischen Geist der Volkssouveränetät einzuhauchen und der Stolz sich in seinen Gliedern niedergelassen hat, ist er überall in Frankreich, England und Belgien aus seiner Dumpfheit erwacht, ohne daß der Immoralität, Impietät und Verwilderung Schranken gesetzt worden; und diese Combination eben der Rohheit mit dem Bewußtseyn der Menschenwürde oder des persönlichen Stolzes ist es, welche den Charakter aller Handwerksvereine in den drei genannten Reichen so bedenklich macht.

Gegen diesen Zustand der Dinge gibt es im Grunde keine Vorsichtsmaaßregeln, keine Prohibitionen, keine gerichtlichen und polizeilichen Verfolgungen, welche Stand halten könnten; das Uebel liegt nicht in den Menschen, sondern in der Lage der Dinge, und dieß ist das Resultat der Gesammtordnung aller englisch-französisch-belgischen Industrie. Sie bezweckt nämlich gar nichts Gemeinschaftliches und in diesem Gemeinschaftlichen nichts Moralisches, sondern die puren Privatinteressen der Fabricanten, welche ihr Vermögen ausbilden wollen auf welche Weise es auch immer sey, und denen die Menschen geradezu, in dieser Hinsicht, als Arme und Beine erscheinen, oder als Maschinen, höchstens als essende Mäuler, die in ihnen aber durchaus keinen moralischen Gehalt und Menschengeist erkennen. In seiner Blüthe schon wird der Handwerker als Kind geknickt; bleibt diese junge Menschenblüthe nicht auf dem Stroh liegen und schließt sie sich auf, so wird es ein verkrüppeltes Geschlecht, Saufen und Liederlichkeit aller Art sind seine Initiation ins Leben, Familien bilden sich keine, die wilden Ehen nehmen überhand, die jungen Mädchen werden für die Lüste der Reichen ausersehen und ihren Eltern entfremdet; bei dieser Lage

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0009" n="0393"/>
        <div n="1">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Reisen und Reiselitteratur</hi>.</hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Dumont</hi> d'<hi rendition="#g">Urville</hi>'s <hi rendition="#g">Expedition</hi>.</p><lb/>
          <p>(<hi rendition="#g">Moniteur</hi>.) Der Marineminister hat aus <hi rendition="#b">Batavia</hi> vom 4 October 1839 Nachrichten über die vom Capitän Dumont d'Urville befehligte Expedition erhalten. Der <hi rendition="#g">Astrolabe</hi> und die <hi rendition="#g">Zelée</hi> hatten Sambuangam am 6 August Morgens verlassen, um nach Australien zurückzukehren. Capitän d'Urville wollte die Südspitze der Insel Mindanao umschiffen, aber statt der Winde und Strömungen von Westen nach Osten, auf welche Hr. d'Urville gerechnet hatte, traf er nur Gegenwinde und Strömungen aus Osten, so daß die Corvetten bald sehr weit nach Westen verschlagen waren. Hr. d'Urville fand nicht für gut, die Mannschaften dem heißen Klima jener Gegenden noch länger auszusetzen, und er ließ daher die Expedition die Richtung nach der Meerenge von Makassar einschlagen. Nach einer langen und schwierigen Schifffahrt in diesem Canal umschifften die Corvetten am 18 September die Südostspitze von Borneo; am folgenden Tage schifften sie vom Cap Salatan nach den Küsten von Java ab, berührten Samarang am 24 September und kamen am 4 October auf der Rhede von Batavia an. Capitän d'Urville wollte Tags darauf seine Reise fortsetzen. Der Gesundheitszustand am Bord beider Corvetten war vortrefflich.</p><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Der Dom zu Köln</hi>.</hi> </head><lb/>
          <p>Alles, was in Deutschland das Interesse für dieses Monument zu erwecken vermag, verdient eine vorzugsweise Erwähnung, denn mehr als irgend ein anderes bezeichnet dieses den deutschen Charakter, seine Begeisterung wie seine Geduld, die ein solches Werk begonnen, und nach einem Jahrtausend noch die Hoffnung nicht aufgeben, einmal diesen Riesentorso vollendet zu sehen. Wir empfehlen daher eine kürzlich erschienene Monographie: &#x201E;Der Kölner Dom, ein Denkmal deutscher Baukunst,&#x201C; von A. v. Binzer, der Aufmerksamkeit des Publicums. Diese kleine Schrift enthält alle wissenswerthen Daten vom Beginn des Baues bis zum gegenwärtigen Augenblick. Nicht ohne Theilnahme wird man sehen, wie die Gaben frommerglühter Herzen nie aufgehört, und andächtige Begeisterung Stein um Stein zu diesem Wunderbau herbeitrug. Wir erfahren, wie das Werk in frühester Zeit, namentlich durch zwei hervorragende Spenden gefördert worden. Richard v. Cornwall opferte 1200 Mark und Albrecht von Oesterreich 8000 Mark, wichtige Summen für jene Zeit. Nehmen wir hiezu, was in neuerer Zeit von dem jetzigen Herrn des Landes zur Erhaltung und zu hoffender Vervollständigung dieses Gotteshauses gethan wird, so finden wir hier gleichsam ein symbolisches Wahrzeichen für den festen Verband dieser drei mächtigen Reiche deutschen Blutes und Stammes. Wie der erste Abschnitt den historischen Theil, so enthält der zweite den descriptiven des Doms, und diesem sind drei sehr schön und rein gearbeitete Stahlstiche beigegeben. Die ganze kleine Schrift ist zugleich mit so viel Geschmack in Styl und Darstellung ausgestattet, dabei so bündig und von keinem unnützen Ballast beladen, daß sie auf alle Weise aus dem Schwall der Erscheinungen herausgehoben und der Bekanntschaft der Leser empfohlen zu werden verdient.</p><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Handwerker in Frankreich</hi>, <hi rendition="#g">England und Belgien</hi>.</hi> </head><lb/>
          <div type="jArticle" n="2">
            <byline>
              <docAuthor>
                <gap reason="insignificant"/>
              </docAuthor>
            </byline>
            <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 7 Febr.</dateline>
            <p> Die Handwerker in Frankreich und England scheinen unter sich eine enggeschlossene Kette zu bilden, ein System handwerksmäßiger Freimaurerei, verwickelt durch die Handwerker Belgiens, in denen sich die englischen und französischen Einflüsse concentriren. Sie haben das allergrößeste Mißtrauen gegen alle nur möglichen Organe der liberalen Partei, ja sogar aller Demagogen, welche ein vornehmes Leben führen, und nicht an ihren Leiden und Freuden mit Theil nehmen. Das allerletzte Wort aller dieser Verbündungen ist die loi agraire. Dieses System, welches sie unter einander verbündet, hat sich erst mit und durch die Juliusrevolution ausgebildet, und in demselben haben sie, wie natürlich, alle besitzenden Classen gegen sich, Bauern wie Bürger, insofern diese von dieser geschlossenen politischen Innung des Handwerkstandes ein klares Bewußtseyn haben sollten. Durch die riesenhafte Entwickelung der Industrie in den großen Städten wird dieser Stand immer bedeutender, und, wie natürlich, wächst überall das große Mißverhältniß zwischen der Menschenzahl und ihren Bedürfnissen. Die großen periodischen und, so weit man voraussehen kann, unfehlbaren Krisen der industriellen Welt stürzen den Handwerksstand insbesondere aus dem sorglosen Leben des Momentes herab in die gräuelvolle Verzweiflung der Noth und des Elendes. Die tiefe Immoralität und Irreligiosität in diesem Stande, seine unbändige Rohheit, Folgen der Agglomeration eines Menschenhaufens in diesen Bienenkörben der Industrie, machten den Handwerker lange zu nichts Anderm als zu einer Art europäischer Parias; aber seitdem die Zeitungslecture überhand genommen hat in seinen Reihen, seitdem man versucht hat, ihm einen politischen Geist der Volkssouveränetät einzuhauchen und der Stolz sich in seinen Gliedern niedergelassen hat, ist er überall in Frankreich, England und Belgien aus seiner Dumpfheit erwacht, ohne daß der Immoralität, Impietät und Verwilderung Schranken gesetzt worden; und diese Combination eben der Rohheit mit dem Bewußtseyn der Menschenwürde oder des persönlichen Stolzes ist es, welche den Charakter aller Handwerksvereine in den drei genannten Reichen so bedenklich macht.</p><lb/>
            <p>Gegen diesen Zustand der Dinge gibt es im Grunde keine Vorsichtsmaaßregeln, keine Prohibitionen, keine gerichtlichen und polizeilichen Verfolgungen, welche Stand halten könnten; das Uebel liegt nicht in den Menschen, sondern in der Lage der Dinge, und dieß ist das Resultat der Gesammtordnung aller englisch-französisch-belgischen Industrie. Sie bezweckt nämlich gar nichts Gemeinschaftliches und in diesem Gemeinschaftlichen nichts Moralisches, sondern die puren Privatinteressen der Fabricanten, welche ihr Vermögen ausbilden wollen auf welche Weise es auch immer sey, und denen die Menschen geradezu, in dieser Hinsicht, als Arme und Beine erscheinen, oder als Maschinen, höchstens als essende Mäuler, die in ihnen aber durchaus keinen moralischen Gehalt und Menschengeist erkennen. In seiner Blüthe schon wird der Handwerker als Kind geknickt; bleibt diese junge Menschenblüthe nicht auf dem Stroh liegen und schließt sie sich auf, so wird es ein verkrüppeltes Geschlecht, Saufen und Liederlichkeit aller Art sind seine Initiation ins Leben, Familien bilden sich keine, die wilden Ehen nehmen überhand, die jungen Mädchen werden für die Lüste der Reichen ausersehen und ihren Eltern entfremdet; bei dieser Lage<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0393/0009] Reisen und Reiselitteratur. Dumont d'Urville's Expedition. (Moniteur.) Der Marineminister hat aus Batavia vom 4 October 1839 Nachrichten über die vom Capitän Dumont d'Urville befehligte Expedition erhalten. Der Astrolabe und die Zelée hatten Sambuangam am 6 August Morgens verlassen, um nach Australien zurückzukehren. Capitän d'Urville wollte die Südspitze der Insel Mindanao umschiffen, aber statt der Winde und Strömungen von Westen nach Osten, auf welche Hr. d'Urville gerechnet hatte, traf er nur Gegenwinde und Strömungen aus Osten, so daß die Corvetten bald sehr weit nach Westen verschlagen waren. Hr. d'Urville fand nicht für gut, die Mannschaften dem heißen Klima jener Gegenden noch länger auszusetzen, und er ließ daher die Expedition die Richtung nach der Meerenge von Makassar einschlagen. Nach einer langen und schwierigen Schifffahrt in diesem Canal umschifften die Corvetten am 18 September die Südostspitze von Borneo; am folgenden Tage schifften sie vom Cap Salatan nach den Küsten von Java ab, berührten Samarang am 24 September und kamen am 4 October auf der Rhede von Batavia an. Capitän d'Urville wollte Tags darauf seine Reise fortsetzen. Der Gesundheitszustand am Bord beider Corvetten war vortrefflich. Der Dom zu Köln. Alles, was in Deutschland das Interesse für dieses Monument zu erwecken vermag, verdient eine vorzugsweise Erwähnung, denn mehr als irgend ein anderes bezeichnet dieses den deutschen Charakter, seine Begeisterung wie seine Geduld, die ein solches Werk begonnen, und nach einem Jahrtausend noch die Hoffnung nicht aufgeben, einmal diesen Riesentorso vollendet zu sehen. Wir empfehlen daher eine kürzlich erschienene Monographie: „Der Kölner Dom, ein Denkmal deutscher Baukunst,“ von A. v. Binzer, der Aufmerksamkeit des Publicums. Diese kleine Schrift enthält alle wissenswerthen Daten vom Beginn des Baues bis zum gegenwärtigen Augenblick. Nicht ohne Theilnahme wird man sehen, wie die Gaben frommerglühter Herzen nie aufgehört, und andächtige Begeisterung Stein um Stein zu diesem Wunderbau herbeitrug. Wir erfahren, wie das Werk in frühester Zeit, namentlich durch zwei hervorragende Spenden gefördert worden. Richard v. Cornwall opferte 1200 Mark und Albrecht von Oesterreich 8000 Mark, wichtige Summen für jene Zeit. Nehmen wir hiezu, was in neuerer Zeit von dem jetzigen Herrn des Landes zur Erhaltung und zu hoffender Vervollständigung dieses Gotteshauses gethan wird, so finden wir hier gleichsam ein symbolisches Wahrzeichen für den festen Verband dieser drei mächtigen Reiche deutschen Blutes und Stammes. Wie der erste Abschnitt den historischen Theil, so enthält der zweite den descriptiven des Doms, und diesem sind drei sehr schön und rein gearbeitete Stahlstiche beigegeben. Die ganze kleine Schrift ist zugleich mit so viel Geschmack in Styl und Darstellung ausgestattet, dabei so bündig und von keinem unnützen Ballast beladen, daß sie auf alle Weise aus dem Schwall der Erscheinungen herausgehoben und der Bekanntschaft der Leser empfohlen zu werden verdient. Die Handwerker in Frankreich, England und Belgien. _ Paris, 7 Febr. Die Handwerker in Frankreich und England scheinen unter sich eine enggeschlossene Kette zu bilden, ein System handwerksmäßiger Freimaurerei, verwickelt durch die Handwerker Belgiens, in denen sich die englischen und französischen Einflüsse concentriren. Sie haben das allergrößeste Mißtrauen gegen alle nur möglichen Organe der liberalen Partei, ja sogar aller Demagogen, welche ein vornehmes Leben führen, und nicht an ihren Leiden und Freuden mit Theil nehmen. Das allerletzte Wort aller dieser Verbündungen ist die loi agraire. Dieses System, welches sie unter einander verbündet, hat sich erst mit und durch die Juliusrevolution ausgebildet, und in demselben haben sie, wie natürlich, alle besitzenden Classen gegen sich, Bauern wie Bürger, insofern diese von dieser geschlossenen politischen Innung des Handwerkstandes ein klares Bewußtseyn haben sollten. Durch die riesenhafte Entwickelung der Industrie in den großen Städten wird dieser Stand immer bedeutender, und, wie natürlich, wächst überall das große Mißverhältniß zwischen der Menschenzahl und ihren Bedürfnissen. Die großen periodischen und, so weit man voraussehen kann, unfehlbaren Krisen der industriellen Welt stürzen den Handwerksstand insbesondere aus dem sorglosen Leben des Momentes herab in die gräuelvolle Verzweiflung der Noth und des Elendes. Die tiefe Immoralität und Irreligiosität in diesem Stande, seine unbändige Rohheit, Folgen der Agglomeration eines Menschenhaufens in diesen Bienenkörben der Industrie, machten den Handwerker lange zu nichts Anderm als zu einer Art europäischer Parias; aber seitdem die Zeitungslecture überhand genommen hat in seinen Reihen, seitdem man versucht hat, ihm einen politischen Geist der Volkssouveränetät einzuhauchen und der Stolz sich in seinen Gliedern niedergelassen hat, ist er überall in Frankreich, England und Belgien aus seiner Dumpfheit erwacht, ohne daß der Immoralität, Impietät und Verwilderung Schranken gesetzt worden; und diese Combination eben der Rohheit mit dem Bewußtseyn der Menschenwürde oder des persönlichen Stolzes ist es, welche den Charakter aller Handwerksvereine in den drei genannten Reichen so bedenklich macht. Gegen diesen Zustand der Dinge gibt es im Grunde keine Vorsichtsmaaßregeln, keine Prohibitionen, keine gerichtlichen und polizeilichen Verfolgungen, welche Stand halten könnten; das Uebel liegt nicht in den Menschen, sondern in der Lage der Dinge, und dieß ist das Resultat der Gesammtordnung aller englisch-französisch-belgischen Industrie. Sie bezweckt nämlich gar nichts Gemeinschaftliches und in diesem Gemeinschaftlichen nichts Moralisches, sondern die puren Privatinteressen der Fabricanten, welche ihr Vermögen ausbilden wollen auf welche Weise es auch immer sey, und denen die Menschen geradezu, in dieser Hinsicht, als Arme und Beine erscheinen, oder als Maschinen, höchstens als essende Mäuler, die in ihnen aber durchaus keinen moralischen Gehalt und Menschengeist erkennen. In seiner Blüthe schon wird der Handwerker als Kind geknickt; bleibt diese junge Menschenblüthe nicht auf dem Stroh liegen und schließt sie sich auf, so wird es ein verkrüppeltes Geschlecht, Saufen und Liederlichkeit aller Art sind seine Initiation ins Leben, Familien bilden sich keine, die wilden Ehen nehmen überhand, die jungen Mädchen werden für die Lüste der Reichen ausersehen und ihren Eltern entfremdet; bei dieser Lage

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_050_18400219
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_050_18400219/9
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 50. Augsburg, 19. Februar 1840, S. 0393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_050_18400219/9>, abgerufen am 09.11.2024.