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Allgemeine Zeitung. Nr. 39. Augsburg, 8. Februar 1840.

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viele warfen ihr Gepäck zur Erde, andere stürzten, und es dauerte mehrere Stunden, ehe man sie sämmtlich wieder einfangen, die zerstreuten Kisten und Säcke sammeln, das Zerbrochene nothdürftig zusammen binden, und das einzelne auf dem Boden Liegende, was noch brauchbar war, von neuem einpacken konnte. Unser Verlust an den nöthigsten Dingen, wie an vielen andern, die uns der Luxus fast zu gleich nöthigen gemacht, war höchst empfindlich, selbst mehrere der Wassersäcke, die wir mit dem Inhalt des letzten Brunnens frisch gefüllt hatten, waren zerplatzt, und fast unser ganzer, so sorgsam geschonter Vorrath an Wein, Liqueuren, Oel, Essig u. s. w. hatte nutzlos den Wüstensand getränkt. Der Leser mag in seiner behaglichen Ruhe über eine solche Begebenheit nur lächeln, für uns war es beim Himmel eine tragische Scene, welche hier so unerwartet die Strahlen der tropischen Sonne beleuchteten, während wir aus den nahen Bergen noch das Gebrüll des Ungeheuers zu vernehmen glaubten, das uns diesen bösen Streich gespielt.

Genöthigt jetzt bei der Karawane zu verbleiben, deren Schneckenschritt weit mehr als das rascheste Reiten ermüdet, erreichten wir erst gegen 11 Uhr während der beschwerlichsten Hitze das Felsenthal von Jackdull. Hr. Rüppell, der es, wie schon erwähnt, mit seiner gewöhnlichen Namenverdrehung Gekdud nennt, placirt es auf seiner Karte mehr als einen Tagmarsch zu weit westlich, was ich in mehreren späteren Karten genau ebenso copirt finde. So erbt sich auch der Irrthum "wie eine ew'ge Krankheit fort" und es ist Pflicht ihn zu berichtigen, selbst dem Ungelehrten, der doch an Ort und Stelle durch den Augenschein oft der Gelehrtere wird. Hr. Rüppell spricht ferner von einem tiefen See in der Mitte des Thals, ein sicherer Beweis, daß er es nie gesehen hat. Es befindet sich nur am Ende desselben eine sehr merkwürdige Grotte, die zu jeder Zeit mit Wasser von sehr beträchtlicher Tiefe angefüllt ist. Wir fanden dieß von lauer Temperatur, und seine Oberfläche ganz mit grünem Schlamm bedeckt. Der sich darüber wölbende Theil der Grotte ist prachtvoll, und zugleich eine wahre Naturmerkwürdigkeit zu nennen, da, wie abgeschnitten und genau übereinander gefügt, die untere Hälfte des Gewölbes bis zur Mitte aus Porphyr und die obere aus Granit besteht. Man sieht, daß in den dunkleren Theilen derselben noch andere kleinere Höhlen in das Innere des Felsens führen, die sich weit hinein erstrecken sollen. Dieser Felsen, der einige Hundert Fuß hoch ist, bildet auch auf seinem durchlöcherten Gipfel verschiedene natürliche Cisternen, die uns vortreffliches Trinkwasser lieferten und mehrere Spuren an der Grotte zeigten, daß in der Regenzeit ein ansehnlicher Wasserfall sich in sie ergießen muß, durch das Ueberschwellen der obern Cisternen veranlaßt, deren Inhalt sich dann am Boden der Grotte in solcher Tiefe sammelt, daß der Kessel nie mehr austrocknen kann. Das Thal selbst, rings von Felsen umgeben, ist ganz ohne Spur irgend eines Wasserbehälters, selbst in der Regenzeit, und mit Steinen von verschiedener Größe übersäet, zwischen denen viele Bäume stehen, die noch ihr volles Laub hatten, was es für uns zu einem doppelt angenehmen Lagerplatz machte. Außer mehreren ansehnlichen Exemplaren der hier so häufigen Akazien und Mimosengattungen bemerkte ich auch in großer Anzahl eine ganz verschiedene Art der letzteren, deren zierliche Gestalt, als sey sie von einem altfranzösischen Gärtner zugeschnitten worden, vollständig die Form eines ausgeschweiften Kelchglases mit dünnem Fuße darstellte. Außerdem fand sich eine Prunusart vor, die unserm wilden Apfelbaume glich, und die wir auch schon früher einigemal in der Wüste angetroffen hatten.

Nach dem erlittenen Desastre fanden wir es für gut noch einen Tag länger hier zu verweilen, und erfreuten uns während desselben einer nebligen Witterung, wo die Sonne den größten Theil des Tages über nicht in rother, sondern blaßblauer Farbe, und ohne Strahlen zu werfen, am Himmel sichtbar blieb. Ein sanfter Ostwind wehte dazu, der die angenehme Kühle von 24° R. herbeiführte. Dieß stählte unsere Nerven, und gab neue Kräfte zur Ertragung fernerer Strapatzen. Gegen Abend langten mehrere Reisende aus Karthum mit ihrem Gefolge, so wie eine Kamel- und eine Rindviehheerde aus dem Sennaar an, um von dem Wasser der Grotte ihren Theil zu nehmen. Einige der Zuchtochsen dieser Heerde waren von der größten Schönheit, besonders zeichnete sich einer derselben von kohlschwarzer Farbe mit weißer Schweifspitze aus, der mir das wahre Modell eines göttlichen Apis der Vorzeit verbildlichte. Außerdem kamen auch regelmäßig früh und Abends alle Heerden der Umgegend zum Tränken nach dem Thal, so daß es unserm Lager nicht an mannichfacher Belebung fehlte. Ich hatte meine Residenz in einer kleinen Höhle aufgeschlagen, die sich in halber Höhe des Felsenkranzes befand, welcher das Thal umgibt, und von wo ich, wie aus einer Theaterloge, die wechselnden Bilder unseres Bivouacs mit einemmal übersehen konnte, ein ganz eigenes Schauspiel in der seltsamen Beleuchtung einer himmelblauen Sonne und phantastisch vorüberrollender Nebel. Mir gegenüber vertiefte sich bis in undurchdringliche Nacht die mystische Grotte, an deren grasgrünem Wasserbecken ein großes Feuer empor loderte; unter mir überschaute ich das ganze Steinthal mit seinen eleganten Bechermimosen, zwischen denen alle die verschiedenen hier anwesenden Thiere, als Pferde, Kamele, Esel, Rindvieh, Ziegen und Schafe, umher wandelten, oder im Schatten ausgestreckt lagen. Abwechselnd ward ich neben ihnen bald eines wohlgekleideten Türken, bald eines nackten Negers, oder eines Arabers in seinem weißen Gewande gewahr, die mit Verwunderung die Ameisenthätigkeit unserer Europäer betrachten mochten, von denen der erste eben sich bemühte einen der großen Adler zu schießen, welche auf den hiesigen Felsen horsten und viel scheuer als die Geyer sind, der andere sans facon eine der reisenden Kühe aus dem Sennaar einfing um sie zu unserm Thee zu melken, ein dritter von Kessel zu Kessel schritt, um, den Kochlöffel gleich einem Scepter in der Hand, seinen wichtigen Functionen obzuliegen, und der vierte endlich im grün und gelben, vegetirenden Pfuhle der Grotte umherschwamm, deren kühlendes, obgleich schmutziges Bad er unter dem Schutz ihrer unsichtbaren Nymphen allem Uebrigen vorzog.

Da wir noch einen Marsch von zwölf deutschen Meilen bis zum nächsten Brunnen zu machen hatten, und daher die Distanz lieber mit abwechselnden kurzen Ruhestunden auf einmal zurücklegen wollten, als einen ganzen Tag lang ohne Wasser unterwegs zu lagern - (denn der größte Theil unserer Schläuche war durch die traurige Aventure mit dem Löwen zum fernern Wasserhalten untauglich geworden) - so verließen wir Jakdull am 16 schon um 5 Uhr Nachmittags und ritten dann in einem Strich sechs Meilen weit durch eine endlose Ebene, die nur hier und da wenige vertrocknete Bäume und Binsen aufwies. Als die Nacht einbrach, stand des Mondes Sichel schon hell am Himmel, und unsere beiden schwarzen Führer begrüßten ihn durch einen recht wohlklingenden Gesang, der mir besonders dadurch auffiel, daß dieß die ersten afrikanischen Sänger waren, welche ich nicht durch die Nase, sondern wie Europäer mit voller Bruststimme singen hörte. Die Melodie war heiter, ich möchte sagen tändelnd, und nicht ohne Anmuth.

viele warfen ihr Gepäck zur Erde, andere stürzten, und es dauerte mehrere Stunden, ehe man sie sämmtlich wieder einfangen, die zerstreuten Kisten und Säcke sammeln, das Zerbrochene nothdürftig zusammen binden, und das einzelne auf dem Boden Liegende, was noch brauchbar war, von neuem einpacken konnte. Unser Verlust an den nöthigsten Dingen, wie an vielen andern, die uns der Luxus fast zu gleich nöthigen gemacht, war höchst empfindlich, selbst mehrere der Wassersäcke, die wir mit dem Inhalt des letzten Brunnens frisch gefüllt hatten, waren zerplatzt, und fast unser ganzer, so sorgsam geschonter Vorrath an Wein, Liqueuren, Oel, Essig u. s. w. hatte nutzlos den Wüstensand getränkt. Der Leser mag in seiner behaglichen Ruhe über eine solche Begebenheit nur lächeln, für uns war es beim Himmel eine tragische Scene, welche hier so unerwartet die Strahlen der tropischen Sonne beleuchteten, während wir aus den nahen Bergen noch das Gebrüll des Ungeheuers zu vernehmen glaubten, das uns diesen bösen Streich gespielt.

Genöthigt jetzt bei der Karawane zu verbleiben, deren Schneckenschritt weit mehr als das rascheste Reiten ermüdet, erreichten wir erst gegen 11 Uhr während der beschwerlichsten Hitze das Felsenthal von Jackdull. Hr. Rüppell, der es, wie schon erwähnt, mit seiner gewöhnlichen Namenverdrehung Gekdud nennt, placirt es auf seiner Karte mehr als einen Tagmarsch zu weit westlich, was ich in mehreren späteren Karten genau ebenso copirt finde. So erbt sich auch der Irrthum „wie eine ew'ge Krankheit fort“ und es ist Pflicht ihn zu berichtigen, selbst dem Ungelehrten, der doch an Ort und Stelle durch den Augenschein oft der Gelehrtere wird. Hr. Rüppell spricht ferner von einem tiefen See in der Mitte des Thals, ein sicherer Beweis, daß er es nie gesehen hat. Es befindet sich nur am Ende desselben eine sehr merkwürdige Grotte, die zu jeder Zeit mit Wasser von sehr beträchtlicher Tiefe angefüllt ist. Wir fanden dieß von lauer Temperatur, und seine Oberfläche ganz mit grünem Schlamm bedeckt. Der sich darüber wölbende Theil der Grotte ist prachtvoll, und zugleich eine wahre Naturmerkwürdigkeit zu nennen, da, wie abgeschnitten und genau übereinander gefügt, die untere Hälfte des Gewölbes bis zur Mitte aus Porphyr und die obere aus Granit besteht. Man sieht, daß in den dunkleren Theilen derselben noch andere kleinere Höhlen in das Innere des Felsens führen, die sich weit hinein erstrecken sollen. Dieser Felsen, der einige Hundert Fuß hoch ist, bildet auch auf seinem durchlöcherten Gipfel verschiedene natürliche Cisternen, die uns vortreffliches Trinkwasser lieferten und mehrere Spuren an der Grotte zeigten, daß in der Regenzeit ein ansehnlicher Wasserfall sich in sie ergießen muß, durch das Ueberschwellen der obern Cisternen veranlaßt, deren Inhalt sich dann am Boden der Grotte in solcher Tiefe sammelt, daß der Kessel nie mehr austrocknen kann. Das Thal selbst, rings von Felsen umgeben, ist ganz ohne Spur irgend eines Wasserbehälters, selbst in der Regenzeit, und mit Steinen von verschiedener Größe übersäet, zwischen denen viele Bäume stehen, die noch ihr volles Laub hatten, was es für uns zu einem doppelt angenehmen Lagerplatz machte. Außer mehreren ansehnlichen Exemplaren der hier so häufigen Akazien und Mimosengattungen bemerkte ich auch in großer Anzahl eine ganz verschiedene Art der letzteren, deren zierliche Gestalt, als sey sie von einem altfranzösischen Gärtner zugeschnitten worden, vollständig die Form eines ausgeschweiften Kelchglases mit dünnem Fuße darstellte. Außerdem fand sich eine Prunusart vor, die unserm wilden Apfelbaume glich, und die wir auch schon früher einigemal in der Wüste angetroffen hatten.

Nach dem erlittenen Desastre fanden wir es für gut noch einen Tag länger hier zu verweilen, und erfreuten uns während desselben einer nebligen Witterung, wo die Sonne den größten Theil des Tages über nicht in rother, sondern blaßblauer Farbe, und ohne Strahlen zu werfen, am Himmel sichtbar blieb. Ein sanfter Ostwind wehte dazu, der die angenehme Kühle von 24° R. herbeiführte. Dieß stählte unsere Nerven, und gab neue Kräfte zur Ertragung fernerer Strapatzen. Gegen Abend langten mehrere Reisende aus Karthum mit ihrem Gefolge, so wie eine Kamel- und eine Rindviehheerde aus dem Sennaar an, um von dem Wasser der Grotte ihren Theil zu nehmen. Einige der Zuchtochsen dieser Heerde waren von der größten Schönheit, besonders zeichnete sich einer derselben von kohlschwarzer Farbe mit weißer Schweifspitze aus, der mir das wahre Modell eines göttlichen Apis der Vorzeit verbildlichte. Außerdem kamen auch regelmäßig früh und Abends alle Heerden der Umgegend zum Tränken nach dem Thal, so daß es unserm Lager nicht an mannichfacher Belebung fehlte. Ich hatte meine Residenz in einer kleinen Höhle aufgeschlagen, die sich in halber Höhe des Felsenkranzes befand, welcher das Thal umgibt, und von wo ich, wie aus einer Theaterloge, die wechselnden Bilder unseres Bivouacs mit einemmal übersehen konnte, ein ganz eigenes Schauspiel in der seltsamen Beleuchtung einer himmelblauen Sonne und phantastisch vorüberrollender Nebel. Mir gegenüber vertiefte sich bis in undurchdringliche Nacht die mystische Grotte, an deren grasgrünem Wasserbecken ein großes Feuer empor loderte; unter mir überschaute ich das ganze Steinthal mit seinen eleganten Bechermimosen, zwischen denen alle die verschiedenen hier anwesenden Thiere, als Pferde, Kamele, Esel, Rindvieh, Ziegen und Schafe, umher wandelten, oder im Schatten ausgestreckt lagen. Abwechselnd ward ich neben ihnen bald eines wohlgekleideten Türken, bald eines nackten Negers, oder eines Arabers in seinem weißen Gewande gewahr, die mit Verwunderung die Ameisenthätigkeit unserer Europäer betrachten mochten, von denen der erste eben sich bemühte einen der großen Adler zu schießen, welche auf den hiesigen Felsen horsten und viel scheuer als die Geyer sind, der andere sans façon eine der reisenden Kühe aus dem Sennaar einfing um sie zu unserm Thee zu melken, ein dritter von Kessel zu Kessel schritt, um, den Kochlöffel gleich einem Scepter in der Hand, seinen wichtigen Functionen obzuliegen, und der vierte endlich im grün und gelben, vegetirenden Pfuhle der Grotte umherschwamm, deren kühlendes, obgleich schmutziges Bad er unter dem Schutz ihrer unsichtbaren Nymphen allem Uebrigen vorzog.

Da wir noch einen Marsch von zwölf deutschen Meilen bis zum nächsten Brunnen zu machen hatten, und daher die Distanz lieber mit abwechselnden kurzen Ruhestunden auf einmal zurücklegen wollten, als einen ganzen Tag lang ohne Wasser unterwegs zu lagern – (denn der größte Theil unserer Schläuche war durch die traurige Aventure mit dem Löwen zum fernern Wasserhalten untauglich geworden) – so verließen wir Jakdull am 16 schon um 5 Uhr Nachmittags und ritten dann in einem Strich sechs Meilen weit durch eine endlose Ebene, die nur hier und da wenige vertrocknete Bäume und Binsen aufwies. Als die Nacht einbrach, stand des Mondes Sichel schon hell am Himmel, und unsere beiden schwarzen Führer begrüßten ihn durch einen recht wohlklingenden Gesang, der mir besonders dadurch auffiel, daß dieß die ersten afrikanischen Sänger waren, welche ich nicht durch die Nase, sondern wie Europäer mit voller Bruststimme singen hörte. Die Melodie war heiter, ich möchte sagen tändelnd, und nicht ohne Anmuth.

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[0306/0010] viele warfen ihr Gepäck zur Erde, andere stürzten, und es dauerte mehrere Stunden, ehe man sie sämmtlich wieder einfangen, die zerstreuten Kisten und Säcke sammeln, das Zerbrochene nothdürftig zusammen binden, und das einzelne auf dem Boden Liegende, was noch brauchbar war, von neuem einpacken konnte. Unser Verlust an den nöthigsten Dingen, wie an vielen andern, die uns der Luxus fast zu gleich nöthigen gemacht, war höchst empfindlich, selbst mehrere der Wassersäcke, die wir mit dem Inhalt des letzten Brunnens frisch gefüllt hatten, waren zerplatzt, und fast unser ganzer, so sorgsam geschonter Vorrath an Wein, Liqueuren, Oel, Essig u. s. w. hatte nutzlos den Wüstensand getränkt. Der Leser mag in seiner behaglichen Ruhe über eine solche Begebenheit nur lächeln, für uns war es beim Himmel eine tragische Scene, welche hier so unerwartet die Strahlen der tropischen Sonne beleuchteten, während wir aus den nahen Bergen noch das Gebrüll des Ungeheuers zu vernehmen glaubten, das uns diesen bösen Streich gespielt. Genöthigt jetzt bei der Karawane zu verbleiben, deren Schneckenschritt weit mehr als das rascheste Reiten ermüdet, erreichten wir erst gegen 11 Uhr während der beschwerlichsten Hitze das Felsenthal von Jackdull. Hr. Rüppell, der es, wie schon erwähnt, mit seiner gewöhnlichen Namenverdrehung Gekdud nennt, placirt es auf seiner Karte mehr als einen Tagmarsch zu weit westlich, was ich in mehreren späteren Karten genau ebenso copirt finde. So erbt sich auch der Irrthum „wie eine ew'ge Krankheit fort“ und es ist Pflicht ihn zu berichtigen, selbst dem Ungelehrten, der doch an Ort und Stelle durch den Augenschein oft der Gelehrtere wird. Hr. Rüppell spricht ferner von einem tiefen See in der Mitte des Thals, ein sicherer Beweis, daß er es nie gesehen hat. Es befindet sich nur am Ende desselben eine sehr merkwürdige Grotte, die zu jeder Zeit mit Wasser von sehr beträchtlicher Tiefe angefüllt ist. Wir fanden dieß von lauer Temperatur, und seine Oberfläche ganz mit grünem Schlamm bedeckt. Der sich darüber wölbende Theil der Grotte ist prachtvoll, und zugleich eine wahre Naturmerkwürdigkeit zu nennen, da, wie abgeschnitten und genau übereinander gefügt, die untere Hälfte des Gewölbes bis zur Mitte aus Porphyr und die obere aus Granit besteht. Man sieht, daß in den dunkleren Theilen derselben noch andere kleinere Höhlen in das Innere des Felsens führen, die sich weit hinein erstrecken sollen. Dieser Felsen, der einige Hundert Fuß hoch ist, bildet auch auf seinem durchlöcherten Gipfel verschiedene natürliche Cisternen, die uns vortreffliches Trinkwasser lieferten und mehrere Spuren an der Grotte zeigten, daß in der Regenzeit ein ansehnlicher Wasserfall sich in sie ergießen muß, durch das Ueberschwellen der obern Cisternen veranlaßt, deren Inhalt sich dann am Boden der Grotte in solcher Tiefe sammelt, daß der Kessel nie mehr austrocknen kann. Das Thal selbst, rings von Felsen umgeben, ist ganz ohne Spur irgend eines Wasserbehälters, selbst in der Regenzeit, und mit Steinen von verschiedener Größe übersäet, zwischen denen viele Bäume stehen, die noch ihr volles Laub hatten, was es für uns zu einem doppelt angenehmen Lagerplatz machte. Außer mehreren ansehnlichen Exemplaren der hier so häufigen Akazien und Mimosengattungen bemerkte ich auch in großer Anzahl eine ganz verschiedene Art der letzteren, deren zierliche Gestalt, als sey sie von einem altfranzösischen Gärtner zugeschnitten worden, vollständig die Form eines ausgeschweiften Kelchglases mit dünnem Fuße darstellte. Außerdem fand sich eine Prunusart vor, die unserm wilden Apfelbaume glich, und die wir auch schon früher einigemal in der Wüste angetroffen hatten. Nach dem erlittenen Desastre fanden wir es für gut noch einen Tag länger hier zu verweilen, und erfreuten uns während desselben einer nebligen Witterung, wo die Sonne den größten Theil des Tages über nicht in rother, sondern blaßblauer Farbe, und ohne Strahlen zu werfen, am Himmel sichtbar blieb. Ein sanfter Ostwind wehte dazu, der die angenehme Kühle von 24° R. herbeiführte. Dieß stählte unsere Nerven, und gab neue Kräfte zur Ertragung fernerer Strapatzen. Gegen Abend langten mehrere Reisende aus Karthum mit ihrem Gefolge, so wie eine Kamel- und eine Rindviehheerde aus dem Sennaar an, um von dem Wasser der Grotte ihren Theil zu nehmen. Einige der Zuchtochsen dieser Heerde waren von der größten Schönheit, besonders zeichnete sich einer derselben von kohlschwarzer Farbe mit weißer Schweifspitze aus, der mir das wahre Modell eines göttlichen Apis der Vorzeit verbildlichte. Außerdem kamen auch regelmäßig früh und Abends alle Heerden der Umgegend zum Tränken nach dem Thal, so daß es unserm Lager nicht an mannichfacher Belebung fehlte. Ich hatte meine Residenz in einer kleinen Höhle aufgeschlagen, die sich in halber Höhe des Felsenkranzes befand, welcher das Thal umgibt, und von wo ich, wie aus einer Theaterloge, die wechselnden Bilder unseres Bivouacs mit einemmal übersehen konnte, ein ganz eigenes Schauspiel in der seltsamen Beleuchtung einer himmelblauen Sonne und phantastisch vorüberrollender Nebel. Mir gegenüber vertiefte sich bis in undurchdringliche Nacht die mystische Grotte, an deren grasgrünem Wasserbecken ein großes Feuer empor loderte; unter mir überschaute ich das ganze Steinthal mit seinen eleganten Bechermimosen, zwischen denen alle die verschiedenen hier anwesenden Thiere, als Pferde, Kamele, Esel, Rindvieh, Ziegen und Schafe, umher wandelten, oder im Schatten ausgestreckt lagen. Abwechselnd ward ich neben ihnen bald eines wohlgekleideten Türken, bald eines nackten Negers, oder eines Arabers in seinem weißen Gewande gewahr, die mit Verwunderung die Ameisenthätigkeit unserer Europäer betrachten mochten, von denen der erste eben sich bemühte einen der großen Adler zu schießen, welche auf den hiesigen Felsen horsten und viel scheuer als die Geyer sind, der andere sans façon eine der reisenden Kühe aus dem Sennaar einfing um sie zu unserm Thee zu melken, ein dritter von Kessel zu Kessel schritt, um, den Kochlöffel gleich einem Scepter in der Hand, seinen wichtigen Functionen obzuliegen, und der vierte endlich im grün und gelben, vegetirenden Pfuhle der Grotte umherschwamm, deren kühlendes, obgleich schmutziges Bad er unter dem Schutz ihrer unsichtbaren Nymphen allem Uebrigen vorzog. Da wir noch einen Marsch von zwölf deutschen Meilen bis zum nächsten Brunnen zu machen hatten, und daher die Distanz lieber mit abwechselnden kurzen Ruhestunden auf einmal zurücklegen wollten, als einen ganzen Tag lang ohne Wasser unterwegs zu lagern – (denn der größte Theil unserer Schläuche war durch die traurige Aventure mit dem Löwen zum fernern Wasserhalten untauglich geworden) – so verließen wir Jakdull am 16 schon um 5 Uhr Nachmittags und ritten dann in einem Strich sechs Meilen weit durch eine endlose Ebene, die nur hier und da wenige vertrocknete Bäume und Binsen aufwies. Als die Nacht einbrach, stand des Mondes Sichel schon hell am Himmel, und unsere beiden schwarzen Führer begrüßten ihn durch einen recht wohlklingenden Gesang, der mir besonders dadurch auffiel, daß dieß die ersten afrikanischen Sänger waren, welche ich nicht durch die Nase, sondern wie Europäer mit voller Bruststimme singen hörte. Die Melodie war heiter, ich möchte sagen tändelnd, und nicht ohne Anmuth.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 39. Augsburg, 8. Februar 1840, S. 0306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_039_18400208/10>, abgerufen am 20.04.2024.