Allgemeine Zeitung. Nr. 34. Augsburg, 3. Februar 1840.der endliche Aufbruch eines schon lange eiternden Geschwürs? Allerdings scheint dieses letztere der Fall nach den Andeutungen Ihres Correspondenten *** von Athen; doch sind seine Erinnerungen zu kurz, zu summarisch, um allgemein verständlich zu seyn und einen Blick in den innern Zusammenhang und das Keimen jener Entwürfe zu eröffnen. Es wird daher zweckmäßig seyn, die Aufmerksamkeit des Beobachters auf das Jahr 1837, dessen Ihr Correspondent gedenkt, als in welchem Hr. Glarakis, der Chef, und wie es scheint, der Mitschuldige jener Bewegungen, in die oberste Administration gerufen wurde, zu richten, indem wir die Schilderung jener Erhebung, so wie der Umstände, mit welchen sie zusammenhing, und der Lage, aus der sie hervorging, mit denselben Worten hier einschalten, wie sie sich in der Geschichte jenes Jahrs von Friedrich Thiersch *)*), 2te Abthl. in den Abschnitten über Griechenland, S. 310 u. f. gegeben findet. "Besser für Hrn. v. Rudhart (als sein Verhältniß zu Hrn. Lyons und England) gestalteten sich die Verhältnisse zu andern Diplomaten. Rußland hatte sich in der Person des Hrn. Katakasi, eines gebornen Griechen vom Phanar, während der Regierung des Kanzlers mehr beobachtend verhalten, und Hr. Katakasi war bemüht gewesen, die alten nationalen Gefühle, vorzüglich die kirchlichen, für die nordische Macht wieder zu beleben und Interessen zu pflegen, welche durch die Verkehrtheit und Leidenschaftlichkeit der Kapodistrianer in Verwirrung gekommen waren. Oesterreich selbst, durch Hrn. v. Prokesch, einen der orientalischen Angelegenheiten vorzüglich kundigen Diplomaten von Auszeichnung, vertreten, fand sich in Bezug auf die innere Verwaltung in Grundsätzen und Absichten mit Rußland mehr in Uebereinstimmung als mit England. Hr. v. Prokesch hatte Hrn. v. Rudhart gleich bei seiner Ankunft mit aller Zuvorkommenheit und Theilnahme aufgenommen, die dem Auftreten desselben in Wien gemäß war, und stand ihm mit seinem Rath über Personen und Sachen bereitwillig zur Seite. Bald gewahrte auch Hr. Katakasi, daß die Grundsätze und Ansichten desselben sich mehr seinen eignen und den Absichten seines Hofes eigneten. Hr. v. Rudhart war der Bewegung für eine Verfassung entgegen, welche zuletzt in dem Staatsrath ihr Organ gefunden hatte, und als übereinstimmend mit der Absicht des englischen Cabinets angesehen wurde, und Hr. Katakasi fand eben so die Grundsätze des neuen Ministerpräsidenten über kirchliche Dinge und ihre Behandlung seiner Weise entsprechend. Beide betrachteten die gewaltsame Abtrennung der griechischen Kirche von dem Patriarchen von Konstantinopel und der heiligen Synode als zu Recht nicht bestehend und glaubten, da sie einmal geschehen, müsse man sich wenigstens im Geiste und innerer Uebereinstimmung mit jener verbunden halten. Es war unter der griechischen Geistlichkeit selbst eine zweifache Ansicht zu bemerken: eine freiere, welche der Reform in der Kirche nicht abgeneigt war, und eine strengere, die an den alten Satzungen und dem Rigorismus ihrer Lehren und Uebungen hing. Diese zu fördern, und als die Glieder der Synode gewechselt wurden, durch ächtorthodoxe Bischöfe in ihr vertreten zu lassen, schien Hrn. v. Rudhart der Lage des Landes, den Gefühlen der Nation und der Festigkeit des Thrones gemäß, den die Meinung, daß man auf Lockerung der kirchlichen Institutionen hinarbeite, zumal das königliche Paar andern Confessionen folgte, mit Erschütterung zu bedrohen schien. Es war demnach zwischen beiden Diplomaten und dem neuen Chef der Administration ein inneres Verständniß gegeben, und er war um so entschiedener zu ihnen geführt und um so enger mit ihnen verbunden, je schärfer und gehässiger Hr. Lyons ihm entgegen trat. Anfangs war allerdings die Absicht des Ministerpräsidenten, dieser seiner Stellung keinen Einfluß auf Personen und Geist seiner Verwaltung zu gestatten: die Idee einer nationalen, von den Parteien unabhängigen, allein auf das wahre Interesse von Griechenland gerichteten Verwaltung erfüllte seinen lebendigen und edler Dinge fähigen Geist; aber er wurde zuletzt jener Einsamkeit und Verlassenheit gewahr, in der ihn die Parteien ließen, als er gemeint war, sich über ihnen zu behaupten. So ward er durch die Zuneigung für die Personen und Grundsätze der österreichischen und russischen Gesandten am Ende zu der Zuneigung für die von ihnen beschützten Individuen geführt und beschloß, sich dieser zu bedienen, um dem Gange der Geschäfte die neue Richtung und den Charakter zu geben, den sie tragen sollte. Diese neuen Freunde gehörten fast ausschließlich der altkapodistrianisch-russischen Partei an und waren wegen ihrer der neuen Ordnung der Dinge anfangs entschieden feindseligen Gesinnung von der Regentschaft in ihren beiden Phasen, hierauf eben so durch den Staatskanzler von den Geschäften fast ganz entfernt gehalten worden. Sie hatten als politische Partei dadurch aufgehört, bestanden aber noch als Individuen mit den frühern Grundsätzen, zum Theil auch noch mit den frühern Gesinnungen und vorzüglich mit allen Leidenschaften der Vergangenheit. Unter ihnen allein, bemerkte man Hrn. v. Rudhart, werde er wahre Zustimmung und Hingebung für seine Ansichten und ungeheuchelte Anhänglichkeit an den Thron finden; sie allein hätten die Tradition des Gehorsams und der Widmung für die Macht aus den Zeiten Kapodistrias' bewahrt und zugleich wären sie allein im Besitze der wahren Grundsätze und der tiefern Einsicht in die Bedürfnisse der Verwaltung von Griechenland; was außer ihnen an bedeutenden Männern gefunden werde, seyen Ehrgeizige, Anführer, bereit, Thron und Land von neuem ihrem Eigennutze, ihren Leidenschaften oder politischen Chimären zu opfern. Das Bedürfniß zuverlässiger Stütze wurde besonders da empfunden, als die Ausschweifungen der Presse zu jenen stürmischen Bewegungen führten und man nun auch, gegen die Meinung der Massen, die Freiheit derselben zu beschränken, entschlossen war. Die neue Richtung, in welche Hr. v. Rudhart gezogen ward, und die Männer, zu denen sie ihn führte, wurde bald darauf durch einen Wechsel in dem Ministerium des Innern sichtbar, aus welchem Hr. Polyzoidis, der als ein vorzüglicher Vertreter der constitutionellen Gesinnung galt, entfernt und durch Hrn. Glarakis ersetzt wurde. Dieser war unter Graf Kapodistrias zuletzt Minister der auswärtigen Angelegenheiten gewesen, und war als ein Mann von mäßiger Gesinnung von der neuen Regierung in Aemtern zweiten Rangs gebraucht worden. Seine Wiedererscheinung in den obersten Geschäften ward allgemein als eine Aenderung des Systems betrachtet, weil Hr. Glarakis weder durch persönliche Verdienste, noch durch politische Einsicht der Aufmerksamkeit würdig war, die ihm von neuem zu Theil ward, und die Anhänger des Kapodistrianischen Systems, unter dem Namen Napäer oder Napisten bezeichnet, begrüßten sie als ein Zeichen ihrer Wiederauferstehung vom politischen Tode. Dieser Ernennung gesellte sich die andere des Hrn. Paikos eines Mannes von derselben Farbe zum Justizministerium, und, um Charakter und Richtung der neuen Verwaltung noch entschiedener zu machen, wurden andere vorbereitet. Das Ministerium der Marine ward Hrn. Kanaris zugedacht, den Kapodistrias vom Branderführer zum Admiral *) Taschenbuch der neuesten Geschichte. Siebenter Jahrgang. Geschichte des Jahres 1837 von Fr. Thiersch. Stuttgart und Tübingen 1839.
der endliche Aufbruch eines schon lange eiternden Geschwürs? Allerdings scheint dieses letztere der Fall nach den Andeutungen Ihres Correspondenten *** von Athen; doch sind seine Erinnerungen zu kurz, zu summarisch, um allgemein verständlich zu seyn und einen Blick in den innern Zusammenhang und das Keimen jener Entwürfe zu eröffnen. Es wird daher zweckmäßig seyn, die Aufmerksamkeit des Beobachters auf das Jahr 1837, dessen Ihr Correspondent gedenkt, als in welchem Hr. Glarakis, der Chef, und wie es scheint, der Mitschuldige jener Bewegungen, in die oberste Administration gerufen wurde, zu richten, indem wir die Schilderung jener Erhebung, so wie der Umstände, mit welchen sie zusammenhing, und der Lage, aus der sie hervorging, mit denselben Worten hier einschalten, wie sie sich in der Geschichte jenes Jahrs von Friedrich Thiersch *)*), 2te Abthl. in den Abschnitten über Griechenland, S. 310 u. f. gegeben findet. „Besser für Hrn. v. Rudhart (als sein Verhältniß zu Hrn. Lyons und England) gestalteten sich die Verhältnisse zu andern Diplomaten. Rußland hatte sich in der Person des Hrn. Katakasi, eines gebornen Griechen vom Phanar, während der Regierung des Kanzlers mehr beobachtend verhalten, und Hr. Katakasi war bemüht gewesen, die alten nationalen Gefühle, vorzüglich die kirchlichen, für die nordische Macht wieder zu beleben und Interessen zu pflegen, welche durch die Verkehrtheit und Leidenschaftlichkeit der Kapodistrianer in Verwirrung gekommen waren. Oesterreich selbst, durch Hrn. v. Prokesch, einen der orientalischen Angelegenheiten vorzüglich kundigen Diplomaten von Auszeichnung, vertreten, fand sich in Bezug auf die innere Verwaltung in Grundsätzen und Absichten mit Rußland mehr in Uebereinstimmung als mit England. Hr. v. Prokesch hatte Hrn. v. Rudhart gleich bei seiner Ankunft mit aller Zuvorkommenheit und Theilnahme aufgenommen, die dem Auftreten desselben in Wien gemäß war, und stand ihm mit seinem Rath über Personen und Sachen bereitwillig zur Seite. Bald gewahrte auch Hr. Katakasi, daß die Grundsätze und Ansichten desselben sich mehr seinen eignen und den Absichten seines Hofes eigneten. Hr. v. Rudhart war der Bewegung für eine Verfassung entgegen, welche zuletzt in dem Staatsrath ihr Organ gefunden hatte, und als übereinstimmend mit der Absicht des englischen Cabinets angesehen wurde, und Hr. Katakasi fand eben so die Grundsätze des neuen Ministerpräsidenten über kirchliche Dinge und ihre Behandlung seiner Weise entsprechend. Beide betrachteten die gewaltsame Abtrennung der griechischen Kirche von dem Patriarchen von Konstantinopel und der heiligen Synode als zu Recht nicht bestehend und glaubten, da sie einmal geschehen, müsse man sich wenigstens im Geiste und innerer Uebereinstimmung mit jener verbunden halten. Es war unter der griechischen Geistlichkeit selbst eine zweifache Ansicht zu bemerken: eine freiere, welche der Reform in der Kirche nicht abgeneigt war, und eine strengere, die an den alten Satzungen und dem Rigorismus ihrer Lehren und Uebungen hing. Diese zu fördern, und als die Glieder der Synode gewechselt wurden, durch ächtorthodoxe Bischöfe in ihr vertreten zu lassen, schien Hrn. v. Rudhart der Lage des Landes, den Gefühlen der Nation und der Festigkeit des Thrones gemäß, den die Meinung, daß man auf Lockerung der kirchlichen Institutionen hinarbeite, zumal das königliche Paar andern Confessionen folgte, mit Erschütterung zu bedrohen schien. Es war demnach zwischen beiden Diplomaten und dem neuen Chef der Administration ein inneres Verständniß gegeben, und er war um so entschiedener zu ihnen geführt und um so enger mit ihnen verbunden, je schärfer und gehässiger Hr. Lyons ihm entgegen trat. Anfangs war allerdings die Absicht des Ministerpräsidenten, dieser seiner Stellung keinen Einfluß auf Personen und Geist seiner Verwaltung zu gestatten: die Idee einer nationalen, von den Parteien unabhängigen, allein auf das wahre Interesse von Griechenland gerichteten Verwaltung erfüllte seinen lebendigen und edler Dinge fähigen Geist; aber er wurde zuletzt jener Einsamkeit und Verlassenheit gewahr, in der ihn die Parteien ließen, als er gemeint war, sich über ihnen zu behaupten. So ward er durch die Zuneigung für die Personen und Grundsätze der österreichischen und russischen Gesandten am Ende zu der Zuneigung für die von ihnen beschützten Individuen geführt und beschloß, sich dieser zu bedienen, um dem Gange der Geschäfte die neue Richtung und den Charakter zu geben, den sie tragen sollte. Diese neuen Freunde gehörten fast ausschließlich der altkapodistrianisch-russischen Partei an und waren wegen ihrer der neuen Ordnung der Dinge anfangs entschieden feindseligen Gesinnung von der Regentschaft in ihren beiden Phasen, hierauf eben so durch den Staatskanzler von den Geschäften fast ganz entfernt gehalten worden. Sie hatten als politische Partei dadurch aufgehört, bestanden aber noch als Individuen mit den frühern Grundsätzen, zum Theil auch noch mit den frühern Gesinnungen und vorzüglich mit allen Leidenschaften der Vergangenheit. Unter ihnen allein, bemerkte man Hrn. v. Rudhart, werde er wahre Zustimmung und Hingebung für seine Ansichten und ungeheuchelte Anhänglichkeit an den Thron finden; sie allein hätten die Tradition des Gehorsams und der Widmung für die Macht aus den Zeiten Kapodistrias' bewahrt und zugleich wären sie allein im Besitze der wahren Grundsätze und der tiefern Einsicht in die Bedürfnisse der Verwaltung von Griechenland; was außer ihnen an bedeutenden Männern gefunden werde, seyen Ehrgeizige, Anführer, bereit, Thron und Land von neuem ihrem Eigennutze, ihren Leidenschaften oder politischen Chimären zu opfern. Das Bedürfniß zuverlässiger Stütze wurde besonders da empfunden, als die Ausschweifungen der Presse zu jenen stürmischen Bewegungen führten und man nun auch, gegen die Meinung der Massen, die Freiheit derselben zu beschränken, entschlossen war. Die neue Richtung, in welche Hr. v. Rudhart gezogen ward, und die Männer, zu denen sie ihn führte, wurde bald darauf durch einen Wechsel in dem Ministerium des Innern sichtbar, aus welchem Hr. Polyzoidis, der als ein vorzüglicher Vertreter der constitutionellen Gesinnung galt, entfernt und durch Hrn. Glarakis ersetzt wurde. Dieser war unter Graf Kapodistrias zuletzt Minister der auswärtigen Angelegenheiten gewesen, und war als ein Mann von mäßiger Gesinnung von der neuen Regierung in Aemtern zweiten Rangs gebraucht worden. Seine Wiedererscheinung in den obersten Geschäften ward allgemein als eine Aenderung des Systems betrachtet, weil Hr. Glarakis weder durch persönliche Verdienste, noch durch politische Einsicht der Aufmerksamkeit würdig war, die ihm von neuem zu Theil ward, und die Anhänger des Kapodistrianischen Systems, unter dem Namen Napäer oder Napisten bezeichnet, begrüßten sie als ein Zeichen ihrer Wiederauferstehung vom politischen Tode. Dieser Ernennung gesellte sich die andere des Hrn. Paikos eines Mannes von derselben Farbe zum Justizministerium, und, um Charakter und Richtung der neuen Verwaltung noch entschiedener zu machen, wurden andere vorbereitet. Das Ministerium der Marine ward Hrn. Kanaris zugedacht, den Kapodistrias vom Branderführer zum Admiral *) Taschenbuch der neuesten Geschichte. Siebenter Jahrgang. Geschichte des Jahres 1837 von Fr. Thiersch. Stuttgart und Tübingen 1839.
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Rußland hatte sich in der Person des Hrn. Katakasi, eines gebornen Griechen vom Phanar, während der Regierung des Kanzlers mehr beobachtend verhalten, und Hr. Katakasi war bemüht gewesen, die alten nationalen Gefühle, vorzüglich die kirchlichen, für die nordische Macht wieder zu beleben und Interessen zu pflegen, welche durch die Verkehrtheit und Leidenschaftlichkeit der Kapodistrianer in Verwirrung gekommen waren. Oesterreich selbst, durch Hrn. v. Prokesch, einen der orientalischen Angelegenheiten vorzüglich kundigen Diplomaten von Auszeichnung, vertreten, fand sich in Bezug auf die innere Verwaltung in Grundsätzen und Absichten mit Rußland mehr in Uebereinstimmung als mit England. Hr. v. Prokesch hatte Hrn. v. Rudhart gleich bei seiner Ankunft mit aller Zuvorkommenheit und Theilnahme aufgenommen, die dem Auftreten desselben in Wien gemäß war, und stand ihm mit seinem Rath über Personen und Sachen bereitwillig zur Seite. Bald gewahrte auch Hr. Katakasi, daß die Grundsätze und Ansichten desselben sich mehr seinen eignen und den Absichten seines Hofes eigneten. Hr. v. Rudhart war der Bewegung für eine Verfassung entgegen, welche zuletzt in dem Staatsrath ihr Organ gefunden hatte, und als übereinstimmend mit der Absicht des englischen Cabinets angesehen wurde, und Hr. Katakasi fand eben so die Grundsätze des neuen Ministerpräsidenten über kirchliche Dinge und ihre Behandlung seiner Weise entsprechend. Beide betrachteten die gewaltsame Abtrennung der griechischen Kirche von dem Patriarchen von Konstantinopel und der heiligen Synode als zu Recht nicht bestehend und glaubten, da sie einmal geschehen, müsse man sich wenigstens im Geiste und innerer Uebereinstimmung mit jener verbunden halten. Es war unter der griechischen Geistlichkeit selbst eine zweifache Ansicht zu bemerken: eine freiere, welche der Reform in der Kirche nicht abgeneigt war, und eine strengere, die an den alten Satzungen und dem Rigorismus ihrer Lehren und Uebungen hing. Diese zu fördern, und als die Glieder der Synode gewechselt wurden, durch ächtorthodoxe Bischöfe in ihr vertreten zu lassen, schien Hrn. v. Rudhart der Lage des Landes, den Gefühlen der Nation und der Festigkeit des Thrones gemäß, den die Meinung, daß man auf Lockerung der kirchlichen Institutionen hinarbeite, zumal das königliche Paar andern Confessionen folgte, mit Erschütterung zu bedrohen schien. Es war demnach zwischen beiden Diplomaten und dem neuen Chef der Administration ein inneres Verständniß gegeben, und er war um so entschiedener zu ihnen geführt und um so enger mit ihnen verbunden, je schärfer und gehässiger Hr. Lyons ihm entgegen trat. Anfangs war allerdings die Absicht des Ministerpräsidenten, dieser seiner Stellung keinen Einfluß auf Personen und Geist seiner Verwaltung zu gestatten: die Idee einer nationalen, von den Parteien unabhängigen, allein auf das wahre Interesse von Griechenland gerichteten Verwaltung erfüllte seinen lebendigen und edler Dinge fähigen Geist; aber er wurde zuletzt jener Einsamkeit und Verlassenheit gewahr, in der ihn die Parteien ließen, als er gemeint war, sich über ihnen zu behaupten. So ward er durch die Zuneigung für die Personen und Grundsätze der österreichischen und russischen Gesandten am Ende zu der Zuneigung für die von ihnen beschützten Individuen geführt und beschloß, sich dieser zu bedienen, um dem Gange der Geschäfte die neue Richtung und den Charakter zu geben, den sie tragen sollte. Diese neuen Freunde gehörten fast ausschließlich der altkapodistrianisch-russischen Partei an und waren wegen ihrer der neuen Ordnung der Dinge anfangs entschieden feindseligen Gesinnung von der Regentschaft in ihren beiden Phasen, hierauf eben so durch den Staatskanzler von den Geschäften fast ganz entfernt gehalten worden. Sie hatten als politische Partei dadurch aufgehört, bestanden aber noch als Individuen mit den frühern Grundsätzen, zum Theil auch noch mit den frühern Gesinnungen und vorzüglich mit allen Leidenschaften der Vergangenheit. Unter ihnen allein, bemerkte man Hrn. v. Rudhart, werde er wahre Zustimmung und Hingebung für seine Ansichten und ungeheuchelte Anhänglichkeit an den Thron finden; sie allein hätten die Tradition des Gehorsams und der Widmung für die Macht aus den Zeiten Kapodistrias' bewahrt und zugleich wären sie allein im Besitze der wahren Grundsätze und der tiefern Einsicht in die Bedürfnisse der Verwaltung von Griechenland; was außer ihnen an bedeutenden Männern gefunden werde, seyen Ehrgeizige, Anführer, bereit, Thron und Land von neuem ihrem Eigennutze, ihren Leidenschaften oder politischen Chimären zu opfern. Das Bedürfniß zuverlässiger Stütze wurde besonders da empfunden, als die Ausschweifungen der Presse zu jenen stürmischen Bewegungen führten und man nun auch, gegen die Meinung der Massen, die Freiheit derselben zu beschränken, entschlossen war. Die neue Richtung, in welche Hr. v. Rudhart gezogen ward, und die Männer, zu denen sie ihn führte, wurde bald darauf durch einen Wechsel in dem Ministerium des Innern sichtbar, aus welchem Hr. Polyzoidis, der als ein vorzüglicher Vertreter der constitutionellen Gesinnung galt, entfernt und durch Hrn. <hi rendition="#g">Glarakis</hi> ersetzt wurde. Dieser war unter Graf Kapodistrias zuletzt Minister der auswärtigen Angelegenheiten gewesen, und war als ein Mann von mäßiger Gesinnung von der neuen Regierung in Aemtern zweiten Rangs gebraucht worden. Seine Wiedererscheinung in den obersten Geschäften ward allgemein als eine Aenderung des Systems betrachtet, weil Hr. Glarakis weder durch persönliche Verdienste, noch durch politische Einsicht der Aufmerksamkeit würdig war, die ihm von neuem zu Theil ward, und die Anhänger des Kapodistrianischen Systems, unter dem Namen Napäer oder Napisten bezeichnet, begrüßten sie als ein Zeichen ihrer Wiederauferstehung vom politischen Tode. Dieser Ernennung gesellte sich die andere des Hrn. <hi rendition="#g">Paikos</hi> eines Mannes von derselben Farbe zum Justizministerium, und, um Charakter und Richtung der neuen Verwaltung noch entschiedener zu machen, wurden andere vorbereitet. Das Ministerium der Marine ward Hrn. Kanaris zugedacht, den Kapodistrias vom Branderführer zum Admiral<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0268/0012]
der endliche Aufbruch eines schon lange eiternden Geschwürs? Allerdings scheint dieses letztere der Fall nach den Andeutungen Ihres Correspondenten *** von Athen; doch sind seine Erinnerungen zu kurz, zu summarisch, um allgemein verständlich zu seyn und einen Blick in den innern Zusammenhang und das Keimen jener Entwürfe zu eröffnen. Es wird daher zweckmäßig seyn, die Aufmerksamkeit des Beobachters auf das Jahr 1837, dessen Ihr Correspondent gedenkt, als in welchem Hr. Glarakis, der Chef, und wie es scheint, der Mitschuldige jener Bewegungen, in die oberste Administration gerufen wurde, zu richten, indem wir die Schilderung jener Erhebung, so wie der Umstände, mit welchen sie zusammenhing, und der Lage, aus der sie hervorging, mit denselben Worten hier einschalten, wie sie sich in der Geschichte jenes Jahrs von Friedrich Thiersch *) *), 2te Abthl. in den Abschnitten über Griechenland, S. 310 u. f. gegeben findet.
„Besser für Hrn. v. Rudhart (als sein Verhältniß zu Hrn. Lyons und England) gestalteten sich die Verhältnisse zu andern Diplomaten. Rußland hatte sich in der Person des Hrn. Katakasi, eines gebornen Griechen vom Phanar, während der Regierung des Kanzlers mehr beobachtend verhalten, und Hr. Katakasi war bemüht gewesen, die alten nationalen Gefühle, vorzüglich die kirchlichen, für die nordische Macht wieder zu beleben und Interessen zu pflegen, welche durch die Verkehrtheit und Leidenschaftlichkeit der Kapodistrianer in Verwirrung gekommen waren. Oesterreich selbst, durch Hrn. v. Prokesch, einen der orientalischen Angelegenheiten vorzüglich kundigen Diplomaten von Auszeichnung, vertreten, fand sich in Bezug auf die innere Verwaltung in Grundsätzen und Absichten mit Rußland mehr in Uebereinstimmung als mit England. Hr. v. Prokesch hatte Hrn. v. Rudhart gleich bei seiner Ankunft mit aller Zuvorkommenheit und Theilnahme aufgenommen, die dem Auftreten desselben in Wien gemäß war, und stand ihm mit seinem Rath über Personen und Sachen bereitwillig zur Seite. Bald gewahrte auch Hr. Katakasi, daß die Grundsätze und Ansichten desselben sich mehr seinen eignen und den Absichten seines Hofes eigneten. Hr. v. Rudhart war der Bewegung für eine Verfassung entgegen, welche zuletzt in dem Staatsrath ihr Organ gefunden hatte, und als übereinstimmend mit der Absicht des englischen Cabinets angesehen wurde, und Hr. Katakasi fand eben so die Grundsätze des neuen Ministerpräsidenten über kirchliche Dinge und ihre Behandlung seiner Weise entsprechend. Beide betrachteten die gewaltsame Abtrennung der griechischen Kirche von dem Patriarchen von Konstantinopel und der heiligen Synode als zu Recht nicht bestehend und glaubten, da sie einmal geschehen, müsse man sich wenigstens im Geiste und innerer Uebereinstimmung mit jener verbunden halten. Es war unter der griechischen Geistlichkeit selbst eine zweifache Ansicht zu bemerken: eine freiere, welche der Reform in der Kirche nicht abgeneigt war, und eine strengere, die an den alten Satzungen und dem Rigorismus ihrer Lehren und Uebungen hing. Diese zu fördern, und als die Glieder der Synode gewechselt wurden, durch ächtorthodoxe Bischöfe in ihr vertreten zu lassen, schien Hrn. v. Rudhart der Lage des Landes, den Gefühlen der Nation und der Festigkeit des Thrones gemäß, den die Meinung, daß man auf Lockerung der kirchlichen Institutionen hinarbeite, zumal das königliche Paar andern Confessionen folgte, mit Erschütterung zu bedrohen schien. Es war demnach zwischen beiden Diplomaten und dem neuen Chef der Administration ein inneres Verständniß gegeben, und er war um so entschiedener zu ihnen geführt und um so enger mit ihnen verbunden, je schärfer und gehässiger Hr. Lyons ihm entgegen trat. Anfangs war allerdings die Absicht des Ministerpräsidenten, dieser seiner Stellung keinen Einfluß auf Personen und Geist seiner Verwaltung zu gestatten: die Idee einer nationalen, von den Parteien unabhängigen, allein auf das wahre Interesse von Griechenland gerichteten Verwaltung erfüllte seinen lebendigen und edler Dinge fähigen Geist; aber er wurde zuletzt jener Einsamkeit und Verlassenheit gewahr, in der ihn die Parteien ließen, als er gemeint war, sich über ihnen zu behaupten. So ward er durch die Zuneigung für die Personen und Grundsätze der österreichischen und russischen Gesandten am Ende zu der Zuneigung für die von ihnen beschützten Individuen geführt und beschloß, sich dieser zu bedienen, um dem Gange der Geschäfte die neue Richtung und den Charakter zu geben, den sie tragen sollte. Diese neuen Freunde gehörten fast ausschließlich der altkapodistrianisch-russischen Partei an und waren wegen ihrer der neuen Ordnung der Dinge anfangs entschieden feindseligen Gesinnung von der Regentschaft in ihren beiden Phasen, hierauf eben so durch den Staatskanzler von den Geschäften fast ganz entfernt gehalten worden. Sie hatten als politische Partei dadurch aufgehört, bestanden aber noch als Individuen mit den frühern Grundsätzen, zum Theil auch noch mit den frühern Gesinnungen und vorzüglich mit allen Leidenschaften der Vergangenheit. Unter ihnen allein, bemerkte man Hrn. v. Rudhart, werde er wahre Zustimmung und Hingebung für seine Ansichten und ungeheuchelte Anhänglichkeit an den Thron finden; sie allein hätten die Tradition des Gehorsams und der Widmung für die Macht aus den Zeiten Kapodistrias' bewahrt und zugleich wären sie allein im Besitze der wahren Grundsätze und der tiefern Einsicht in die Bedürfnisse der Verwaltung von Griechenland; was außer ihnen an bedeutenden Männern gefunden werde, seyen Ehrgeizige, Anführer, bereit, Thron und Land von neuem ihrem Eigennutze, ihren Leidenschaften oder politischen Chimären zu opfern. Das Bedürfniß zuverlässiger Stütze wurde besonders da empfunden, als die Ausschweifungen der Presse zu jenen stürmischen Bewegungen führten und man nun auch, gegen die Meinung der Massen, die Freiheit derselben zu beschränken, entschlossen war. Die neue Richtung, in welche Hr. v. Rudhart gezogen ward, und die Männer, zu denen sie ihn führte, wurde bald darauf durch einen Wechsel in dem Ministerium des Innern sichtbar, aus welchem Hr. Polyzoidis, der als ein vorzüglicher Vertreter der constitutionellen Gesinnung galt, entfernt und durch Hrn. Glarakis ersetzt wurde. Dieser war unter Graf Kapodistrias zuletzt Minister der auswärtigen Angelegenheiten gewesen, und war als ein Mann von mäßiger Gesinnung von der neuen Regierung in Aemtern zweiten Rangs gebraucht worden. Seine Wiedererscheinung in den obersten Geschäften ward allgemein als eine Aenderung des Systems betrachtet, weil Hr. Glarakis weder durch persönliche Verdienste, noch durch politische Einsicht der Aufmerksamkeit würdig war, die ihm von neuem zu Theil ward, und die Anhänger des Kapodistrianischen Systems, unter dem Namen Napäer oder Napisten bezeichnet, begrüßten sie als ein Zeichen ihrer Wiederauferstehung vom politischen Tode. Dieser Ernennung gesellte sich die andere des Hrn. Paikos eines Mannes von derselben Farbe zum Justizministerium, und, um Charakter und Richtung der neuen Verwaltung noch entschiedener zu machen, wurden andere vorbereitet. Das Ministerium der Marine ward Hrn. Kanaris zugedacht, den Kapodistrias vom Branderführer zum Admiral
*) Taschenbuch der neuesten Geschichte. Siebenter Jahrgang. Geschichte des Jahres 1837 von Fr. Thiersch. Stuttgart und Tübingen 1839.
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-28T11:37:15Z)
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