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Allgemeine Zeitung. Nr. 27. Augsburg, 27. Januar 1840.

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Mit einem von der türkischen Ambassade in London und Paris visirten Passe versehen, kam er im vorigen Monat bis Wien, wo ihm der türkische Geschäftsträger, von seiner Verurtheilung bereits unterrichtet, das Visa zur Weiterreise nach Bucharest anfangs verweigert, später jedoch auf seine Vorstellung, daß er sich bloß nach Bucharest begeben wolle, um sich gegen Verleumdung und falsche Beschuldigung zu rechtfertigen, doch ertheilt haben soll. So kam der Obrist unangefochten bis Orsowa, wo ihn seine Gattin erwartete, um ihn nach der Heimath zurück zu geleiten. Schon waren hiezu alle Anstalten getroffen, als Obrist Campinion unerwartet, wie es hieß, auf Befehl der ungarischen Statthalterei, angehalten wurde, um unter militärischer Escorte nach Wien zurückgeliefert zu werden. Seiner Gattin wurde die Rückkehr nach Bucharest frei gestellt, allein sie zog es vor, ihrem Gemahl zu folgen, und sein Schicksal zu theilen. Wie wir nun hören, war man in Wien über diese gezwungene Rückkehr des Obristen überrascht, indem dort ein Anlaß hiezu nicht bekannt war. Obrist Campinion wurde sogleich in Freiheit gesetzt, und wohnt ganz ungenirt in einem Gasthaus daselbst. Es scheint sich nunmehr bloß um die von ihm verlangte Entschädigung, vorzüglich aber um Aufklärung zu handeln, wodurch ohne Zweifel seine Zurücklieferung, welche die Ursache ist, daß dieser Angelegenheit so große Theilnahme geworden, als auf einem Irrthume oder Mißverständniß beruhend dargestellt wird. - Die Montenegriner haben eben unweit Klobuk wieder einen Einfall auf türkisches Gebiet gemacht, wobei es zu einem blutigen Treffen kam, indem die die Türken sie bestens vorbereitet empfingen. - Der Capitän von Podgoritza, der ewigen Angriffe müde, hat in den letzten Tagen, dem Beispiel seiner Collegen folgend, dem Vladika ebenfalls Friedensanerbietungen machen lassen; allein dieser scheint es bei dem herrschenden Mangel in Montenegro nicht in seinem Interesse zu finden, durch einen Friedenschluß mit diesem Nachbar sich selbst ein Revier zu versperren, das so ausgiebige Beute liefert. - Hinsichtlich des zehnten Theils des jeweilig gemachten Raubes, welchen sich, wie schon erwähnt, der Vladika anmaßt, ist nunmehr eine dieß bestätigende förmliche Verordnung erschienen. - Die von dem Vladika eingeführte Kopfsteuer ist im Betrage von circa 20,000 fl. dieses Jahr trotz der herrschenden Noth ohne Widersetzlichkeit eingegangen; nur einzelne arme Orte sind noch damit in Rückstand. Die nach Serbien ausgewanderten montenegrinischen Familien sind im größten Elend nach Montenegro zurückgekehrt, und werden nun von der öffentlichen Mildthätigkeit erhalten. - Die jüngst erwähnten Gerüchte von Aufruhrbewegungen in Albanien und Hinrichtungen in Konstantinopel haben bis heute keine Bestätigung erhalten. Zwar sprechen Briefe aus Janina von einigen in Thessalien vorgefallenen Excessen, die übrigens keine Folgen hatten, und es ist sonach höchst wahrscheinlich, daß diese Vorfälle zu jenen Gerüchten von Aufständen die einzige Veranlassung lieferten. - Die letzte Post aus Konstantinopel brachte wenig Neues aus dieser Hauptstadt. Man schmeichelte sich dort mit der Annahme, daß Frankreich sich der Londoner Conferenz anschließen werde, und es ging die Sage, daß nur noch über die Art der etwa nöthigen Coercitivmaaßregeln gegen Mehemed Ali verhandelt werde. Die Höfe von Rußland, Oesterreich, England und Preußen sollen bemüht seyn, Frankreich seinen Beitritt so viel als möglich zu erleichtern. Indessen ist Hr. v. Pontois unablässig bemüht, die Pforte dafür zu stimmen, daß sie mit Mehemed Ali einen Separatvertrag schließe, wodurch ihm der erbliche Besitz von ganz Syrien zugesichert würde. Hr. v. Pontois hat erklärt, einem solchen Vertrage würde Frankreich die Beistimmung der vier übrigen Mächte zu verschaffen gern übernehmen. - Aus Alexandria wird geschrieben, daß daselbst Kriegsrüstungen aller Art aufs lebhafteste betrieben werden, und es von neuem allen Anschein habe, daß Ibrahim Pascha in Kleinasien vorrücken wolle. Der österreichische Consul fand sich hierdurch bewogen, dem Vicekönig neuerdings zu bedeuten, daß er, wenn er die mindeste offensive Bewegung gegen die Pforte unternähme, ganz Europa gegen sich haben werde.

Aegypten.

Die beunruhigendsten Gerüchte über die Stimmung der europäischen Mächte gegen Mehemed Ali verbreiten sich immer mehr und scheinen dießmal nicht ohne Grund zu seyn. Man bemerkte dieser Tage unter den Umgebungen des Vicekönigs ein Desappointement, das aber plötzlich in Folge mehrerer Conferenzen mit dem französischen Generalconsul in eine zuversichtlichere Haltung überging. Sonderbarerweise scheint Hr. Cochelet von den Agenten von Toscana, Schweden und Griechenland in seinen Bestrebungen, den Muth des Vicekönigs aufrecht zu halten, gewissermaßen unterstützt zu werden. Der neue Plan, den Hr. Cochelet und Mehemed Ali ergriffen und dessen Ausführung sie zum Theil schon begonnen haben, um den Großmächten zu imponiren, bestände darin, daß man Ibrahim Pascha eine drohende Stellung im Taurus einnehmen und Detaschements jenseits des Taurus in die karamanischen Ebenen beordern ließe, um die Mächte zu überzeugen, daß der Vicekönig nicht so gutwillig, als man gehofft haben mag, sich in ihre Anordnung fügen werde. Um diesem affichirten Muth alle mögliche Wahrscheinlichkeit zu verleihen, solle Mehemed Ali des abgenützten Vorwandes, daß Ibrahim Pascha zur Verproviantirung der Armee Dislocationen anzuordnen gezwungen sey, sich bedienen, auf daß in Europa die Befürchtung genährt werde, Mehemed Ali sey bereit und entschlossen, das Aergste zu unternehmen, und doch bemüht, seine neuen Plane den Augen der Diplomatie zu entrücken. Zugleich soll der Pascha von seinem versöhnlichen Geist einen sprechenden Beweis liefern und sich bereit erklären, der Pforte die Herrschaft über Arabien und die Bewachung der heiligen Städte abzutreten. Es fragt sich nun, inwiefern es Mehemed Ali und Cochelet gelingen könne, durch solche Stratageme den Mächten zu imponiren, in wie weit die Pforte durch Abtretung von Arabien, dessen Herrschaft für sie nur nominell seyn kann, so wie durch die Bewachung der heiligen Städte, die in rein politischer keine, in religiöser Beziehung jedoch eine unendliche Bedeutung hat, für ihre Ansprüche zu entschädigen und zu versöhnen sey? Läßt man sich in Europa durch solche Ränke nicht bethören, wird die Einstimmigkeit der Majorität der Mächte endlich daselbst erzielt, so zweifelt hier kein Unterrichteter an der Nachgiebigkeit des Vicekönigs. Die ersten Tage einer strengen Blokade der ägyptischen und syrischen Küsten würden Mehemed Ali auf ganz andere Gedanken bringen, als die man ihm jetzt, durch seine Demonstrationen irre geführt, zuzuschreiben geneigt wäre. Man vergesse nicht, daß der Vicekönig ein Handelsmann ist, dessen Macht durch die Unterbrechung des Verkehrs binnen kurzem paralysirt werden kann. Nun ruft der versöhnliche Pascha: "Ich mache auf die Erblichkeit von Arabien und auf seine Verwaltung, auf die Bewachung der heiligen Städte keinen Anspruch mehr." Er vergißt dabei, daß diese Concessionen, obwohl, sie früher gemacht, vielleicht eine augenblickliche Berücksichtigung verdient hätten, jetzt nimmermehr von den Mächten beachtet werden können. Aber beweisen können sie doch, daß Mehemed Ali in seinen Projecten gewaltig zurückgegangen ist, denn die Bewachung der heiligen Städte war es gerade, auf die der Pascha seinen ehrgeizigsten

Mit einem von der türkischen Ambassade in London und Paris visirten Passe versehen, kam er im vorigen Monat bis Wien, wo ihm der türkische Geschäftsträger, von seiner Verurtheilung bereits unterrichtet, das Visa zur Weiterreise nach Bucharest anfangs verweigert, später jedoch auf seine Vorstellung, daß er sich bloß nach Bucharest begeben wolle, um sich gegen Verleumdung und falsche Beschuldigung zu rechtfertigen, doch ertheilt haben soll. So kam der Obrist unangefochten bis Orsowa, wo ihn seine Gattin erwartete, um ihn nach der Heimath zurück zu geleiten. Schon waren hiezu alle Anstalten getroffen, als Obrist Campinion unerwartet, wie es hieß, auf Befehl der ungarischen Statthalterei, angehalten wurde, um unter militärischer Escorte nach Wien zurückgeliefert zu werden. Seiner Gattin wurde die Rückkehr nach Bucharest frei gestellt, allein sie zog es vor, ihrem Gemahl zu folgen, und sein Schicksal zu theilen. Wie wir nun hören, war man in Wien über diese gezwungene Rückkehr des Obristen überrascht, indem dort ein Anlaß hiezu nicht bekannt war. Obrist Campinion wurde sogleich in Freiheit gesetzt, und wohnt ganz ungenirt in einem Gasthaus daselbst. Es scheint sich nunmehr bloß um die von ihm verlangte Entschädigung, vorzüglich aber um Aufklärung zu handeln, wodurch ohne Zweifel seine Zurücklieferung, welche die Ursache ist, daß dieser Angelegenheit so große Theilnahme geworden, als auf einem Irrthume oder Mißverständniß beruhend dargestellt wird. – Die Montenegriner haben eben unweit Klobuk wieder einen Einfall auf türkisches Gebiet gemacht, wobei es zu einem blutigen Treffen kam, indem die die Türken sie bestens vorbereitet empfingen. – Der Capitän von Podgoritza, der ewigen Angriffe müde, hat in den letzten Tagen, dem Beispiel seiner Collegen folgend, dem Vladika ebenfalls Friedensanerbietungen machen lassen; allein dieser scheint es bei dem herrschenden Mangel in Montenegro nicht in seinem Interesse zu finden, durch einen Friedenschluß mit diesem Nachbar sich selbst ein Revier zu versperren, das so ausgiebige Beute liefert. – Hinsichtlich des zehnten Theils des jeweilig gemachten Raubes, welchen sich, wie schon erwähnt, der Vladika anmaßt, ist nunmehr eine dieß bestätigende förmliche Verordnung erschienen. – Die von dem Vladika eingeführte Kopfsteuer ist im Betrage von circa 20,000 fl. dieses Jahr trotz der herrschenden Noth ohne Widersetzlichkeit eingegangen; nur einzelne arme Orte sind noch damit in Rückstand. Die nach Serbien ausgewanderten montenegrinischen Familien sind im größten Elend nach Montenegro zurückgekehrt, und werden nun von der öffentlichen Mildthätigkeit erhalten. – Die jüngst erwähnten Gerüchte von Aufruhrbewegungen in Albanien und Hinrichtungen in Konstantinopel haben bis heute keine Bestätigung erhalten. Zwar sprechen Briefe aus Janina von einigen in Thessalien vorgefallenen Excessen, die übrigens keine Folgen hatten, und es ist sonach höchst wahrscheinlich, daß diese Vorfälle zu jenen Gerüchten von Aufständen die einzige Veranlassung lieferten. – Die letzte Post aus Konstantinopel brachte wenig Neues aus dieser Hauptstadt. Man schmeichelte sich dort mit der Annahme, daß Frankreich sich der Londoner Conferenz anschließen werde, und es ging die Sage, daß nur noch über die Art der etwa nöthigen Coërcitivmaaßregeln gegen Mehemed Ali verhandelt werde. Die Höfe von Rußland, Oesterreich, England und Preußen sollen bemüht seyn, Frankreich seinen Beitritt so viel als möglich zu erleichtern. Indessen ist Hr. v. Pontois unablässig bemüht, die Pforte dafür zu stimmen, daß sie mit Mehemed Ali einen Separatvertrag schließe, wodurch ihm der erbliche Besitz von ganz Syrien zugesichert würde. Hr. v. Pontois hat erklärt, einem solchen Vertrage würde Frankreich die Beistimmung der vier übrigen Mächte zu verschaffen gern übernehmen. – Aus Alexandria wird geschrieben, daß daselbst Kriegsrüstungen aller Art aufs lebhafteste betrieben werden, und es von neuem allen Anschein habe, daß Ibrahim Pascha in Kleinasien vorrücken wolle. Der österreichische Consul fand sich hierdurch bewogen, dem Vicekönig neuerdings zu bedeuten, daß er, wenn er die mindeste offensive Bewegung gegen die Pforte unternähme, ganz Europa gegen sich haben werde.

Aegypten.

Die beunruhigendsten Gerüchte über die Stimmung der europäischen Mächte gegen Mehemed Ali verbreiten sich immer mehr und scheinen dießmal nicht ohne Grund zu seyn. Man bemerkte dieser Tage unter den Umgebungen des Vicekönigs ein Desappointement, das aber plötzlich in Folge mehrerer Conferenzen mit dem französischen Generalconsul in eine zuversichtlichere Haltung überging. Sonderbarerweise scheint Hr. Cochelet von den Agenten von Toscana, Schweden und Griechenland in seinen Bestrebungen, den Muth des Vicekönigs aufrecht zu halten, gewissermaßen unterstützt zu werden. Der neue Plan, den Hr. Cochelet und Mehemed Ali ergriffen und dessen Ausführung sie zum Theil schon begonnen haben, um den Großmächten zu imponiren, bestände darin, daß man Ibrahim Pascha eine drohende Stellung im Taurus einnehmen und Detaschements jenseits des Taurus in die karamanischen Ebenen beordern ließe, um die Mächte zu überzeugen, daß der Vicekönig nicht so gutwillig, als man gehofft haben mag, sich in ihre Anordnung fügen werde. Um diesem affichirten Muth alle mögliche Wahrscheinlichkeit zu verleihen, solle Mehemed Ali des abgenützten Vorwandes, daß Ibrahim Pascha zur Verproviantirung der Armee Dislocationen anzuordnen gezwungen sey, sich bedienen, auf daß in Europa die Befürchtung genährt werde, Mehemed Ali sey bereit und entschlossen, das Aergste zu unternehmen, und doch bemüht, seine neuen Plane den Augen der Diplomatie zu entrücken. Zugleich soll der Pascha von seinem versöhnlichen Geist einen sprechenden Beweis liefern und sich bereit erklären, der Pforte die Herrschaft über Arabien und die Bewachung der heiligen Städte abzutreten. Es fragt sich nun, inwiefern es Mehemed Ali und Cochelet gelingen könne, durch solche Stratageme den Mächten zu imponiren, in wie weit die Pforte durch Abtretung von Arabien, dessen Herrschaft für sie nur nominell seyn kann, so wie durch die Bewachung der heiligen Städte, die in rein politischer keine, in religiöser Beziehung jedoch eine unendliche Bedeutung hat, für ihre Ansprüche zu entschädigen und zu versöhnen sey? Läßt man sich in Europa durch solche Ränke nicht bethören, wird die Einstimmigkeit der Majorität der Mächte endlich daselbst erzielt, so zweifelt hier kein Unterrichteter an der Nachgiebigkeit des Vicekönigs. Die ersten Tage einer strengen Blokade der ägyptischen und syrischen Küsten würden Mehemed Ali auf ganz andere Gedanken bringen, als die man ihm jetzt, durch seine Demonstrationen irre geführt, zuzuschreiben geneigt wäre. Man vergesse nicht, daß der Vicekönig ein Handelsmann ist, dessen Macht durch die Unterbrechung des Verkehrs binnen kurzem paralysirt werden kann. Nun ruft der versöhnliche Pascha: „Ich mache auf die Erblichkeit von Arabien und auf seine Verwaltung, auf die Bewachung der heiligen Städte keinen Anspruch mehr.“ Er vergißt dabei, daß diese Concessionen, obwohl, sie früher gemacht, vielleicht eine augenblickliche Berücksichtigung verdient hätten, jetzt nimmermehr von den Mächten beachtet werden können. Aber beweisen können sie doch, daß Mehemed Ali in seinen Projecten gewaltig zurückgegangen ist, denn die Bewachung der heiligen Städte war es gerade, auf die der Pascha seinen ehrgeizigsten

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Mit einem von der türkischen Ambassade in London und Paris visirten Passe versehen, kam er im vorigen Monat bis Wien, wo ihm der türkische Geschäftsträger, von seiner Verurtheilung bereits unterrichtet, das Visa zur Weiterreise nach Bucharest anfangs verweigert, später jedoch auf seine Vorstellung, daß er sich bloß nach Bucharest begeben wolle, um sich gegen Verleumdung und falsche Beschuldigung zu rechtfertigen, doch ertheilt haben soll. So kam der Obrist unangefochten bis Orsowa, wo ihn seine Gattin erwartete, um ihn nach der Heimath zurück zu geleiten. Schon waren hiezu alle Anstalten getroffen, als Obrist Campinion unerwartet, wie es hieß, auf Befehl der ungarischen Statthalterei, angehalten wurde, um unter militärischer Escorte nach Wien zurückgeliefert zu werden. Seiner Gattin wurde die Rückkehr nach Bucharest frei gestellt, allein sie zog es vor, ihrem Gemahl zu folgen, und sein Schicksal zu theilen. Wie wir nun hören, war man in Wien über diese gezwungene Rückkehr des Obristen überrascht, indem dort ein Anlaß hiezu nicht bekannt war. Obrist Campinion wurde sogleich in Freiheit gesetzt, und wohnt ganz ungenirt in einem Gasthaus daselbst. Es scheint sich nunmehr bloß um die von ihm verlangte Entschädigung, vorzüglich aber um Aufklärung zu handeln, wodurch ohne Zweifel seine Zurücklieferung, welche die Ursache ist, daß dieser Angelegenheit so große Theilnahme geworden, als auf einem Irrthume oder Mißverständniß beruhend dargestellt wird. &#x2013; Die <hi rendition="#g">Montenegriner</hi> haben eben unweit Klobuk wieder einen Einfall auf türkisches Gebiet gemacht, wobei es zu einem blutigen Treffen kam, indem die die Türken sie bestens vorbereitet empfingen. &#x2013; Der Capitän von Podgoritza, der ewigen Angriffe müde, hat in den letzten Tagen, dem Beispiel seiner Collegen folgend, dem Vladika ebenfalls Friedensanerbietungen machen lassen; allein dieser scheint es bei dem herrschenden Mangel in Montenegro nicht in seinem Interesse zu finden, durch einen Friedenschluß mit diesem Nachbar sich selbst ein Revier zu versperren, das so ausgiebige Beute liefert. &#x2013; Hinsichtlich des zehnten Theils des jeweilig gemachten Raubes, welchen sich, wie schon erwähnt, der Vladika anmaßt, ist nunmehr eine dieß bestätigende förmliche Verordnung erschienen. &#x2013; Die von dem Vladika eingeführte Kopfsteuer ist im Betrage von circa 20,000 fl. dieses Jahr trotz der herrschenden Noth ohne Widersetzlichkeit eingegangen; nur einzelne arme Orte sind noch damit in Rückstand. Die nach Serbien ausgewanderten montenegrinischen Familien sind im größten Elend nach Montenegro zurückgekehrt, und werden nun von der öffentlichen Mildthätigkeit erhalten. &#x2013; Die jüngst erwähnten Gerüchte von Aufruhrbewegungen in Albanien und Hinrichtungen in Konstantinopel haben bis heute keine Bestätigung erhalten. Zwar sprechen Briefe aus Janina von einigen in Thessalien vorgefallenen Excessen, die übrigens keine Folgen hatten, und es ist sonach höchst wahrscheinlich, daß diese Vorfälle zu jenen Gerüchten von Aufständen die einzige Veranlassung lieferten. &#x2013; Die letzte Post aus Konstantinopel brachte wenig Neues aus dieser Hauptstadt. Man schmeichelte sich dort mit der Annahme, daß Frankreich sich der Londoner Conferenz anschließen werde, und es ging die Sage, daß nur noch über die Art der etwa nöthigen Coërcitivmaaßregeln gegen Mehemed Ali verhandelt werde. Die Höfe von Rußland, Oesterreich, England und Preußen sollen bemüht seyn, Frankreich seinen Beitritt so viel als möglich zu erleichtern. Indessen ist Hr. v. Pontois unablässig bemüht, die Pforte dafür zu stimmen, daß sie mit Mehemed Ali einen Separatvertrag schließe, wodurch ihm der erbliche Besitz von <hi rendition="#g">ganz</hi> Syrien zugesichert würde. Hr. v. Pontois hat erklärt, einem solchen Vertrage würde Frankreich die Beistimmung der vier übrigen Mächte zu verschaffen gern übernehmen. &#x2013; Aus Alexandria wird geschrieben, daß daselbst Kriegsrüstungen aller Art aufs lebhafteste betrieben werden, und es von neuem allen Anschein habe, daß Ibrahim Pascha in Kleinasien vorrücken wolle. Der österreichische Consul fand sich hierdurch bewogen, dem Vicekönig neuerdings zu bedeuten, daß er, wenn er die mindeste offensive Bewegung gegen die Pforte unternähme, ganz Europa gegen sich haben werde.</p><lb/>
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[0215/0007] Mit einem von der türkischen Ambassade in London und Paris visirten Passe versehen, kam er im vorigen Monat bis Wien, wo ihm der türkische Geschäftsträger, von seiner Verurtheilung bereits unterrichtet, das Visa zur Weiterreise nach Bucharest anfangs verweigert, später jedoch auf seine Vorstellung, daß er sich bloß nach Bucharest begeben wolle, um sich gegen Verleumdung und falsche Beschuldigung zu rechtfertigen, doch ertheilt haben soll. So kam der Obrist unangefochten bis Orsowa, wo ihn seine Gattin erwartete, um ihn nach der Heimath zurück zu geleiten. Schon waren hiezu alle Anstalten getroffen, als Obrist Campinion unerwartet, wie es hieß, auf Befehl der ungarischen Statthalterei, angehalten wurde, um unter militärischer Escorte nach Wien zurückgeliefert zu werden. Seiner Gattin wurde die Rückkehr nach Bucharest frei gestellt, allein sie zog es vor, ihrem Gemahl zu folgen, und sein Schicksal zu theilen. Wie wir nun hören, war man in Wien über diese gezwungene Rückkehr des Obristen überrascht, indem dort ein Anlaß hiezu nicht bekannt war. Obrist Campinion wurde sogleich in Freiheit gesetzt, und wohnt ganz ungenirt in einem Gasthaus daselbst. Es scheint sich nunmehr bloß um die von ihm verlangte Entschädigung, vorzüglich aber um Aufklärung zu handeln, wodurch ohne Zweifel seine Zurücklieferung, welche die Ursache ist, daß dieser Angelegenheit so große Theilnahme geworden, als auf einem Irrthume oder Mißverständniß beruhend dargestellt wird. – Die Montenegriner haben eben unweit Klobuk wieder einen Einfall auf türkisches Gebiet gemacht, wobei es zu einem blutigen Treffen kam, indem die die Türken sie bestens vorbereitet empfingen. – Der Capitän von Podgoritza, der ewigen Angriffe müde, hat in den letzten Tagen, dem Beispiel seiner Collegen folgend, dem Vladika ebenfalls Friedensanerbietungen machen lassen; allein dieser scheint es bei dem herrschenden Mangel in Montenegro nicht in seinem Interesse zu finden, durch einen Friedenschluß mit diesem Nachbar sich selbst ein Revier zu versperren, das so ausgiebige Beute liefert. – Hinsichtlich des zehnten Theils des jeweilig gemachten Raubes, welchen sich, wie schon erwähnt, der Vladika anmaßt, ist nunmehr eine dieß bestätigende förmliche Verordnung erschienen. – Die von dem Vladika eingeführte Kopfsteuer ist im Betrage von circa 20,000 fl. dieses Jahr trotz der herrschenden Noth ohne Widersetzlichkeit eingegangen; nur einzelne arme Orte sind noch damit in Rückstand. Die nach Serbien ausgewanderten montenegrinischen Familien sind im größten Elend nach Montenegro zurückgekehrt, und werden nun von der öffentlichen Mildthätigkeit erhalten. – Die jüngst erwähnten Gerüchte von Aufruhrbewegungen in Albanien und Hinrichtungen in Konstantinopel haben bis heute keine Bestätigung erhalten. Zwar sprechen Briefe aus Janina von einigen in Thessalien vorgefallenen Excessen, die übrigens keine Folgen hatten, und es ist sonach höchst wahrscheinlich, daß diese Vorfälle zu jenen Gerüchten von Aufständen die einzige Veranlassung lieferten. – Die letzte Post aus Konstantinopel brachte wenig Neues aus dieser Hauptstadt. Man schmeichelte sich dort mit der Annahme, daß Frankreich sich der Londoner Conferenz anschließen werde, und es ging die Sage, daß nur noch über die Art der etwa nöthigen Coërcitivmaaßregeln gegen Mehemed Ali verhandelt werde. Die Höfe von Rußland, Oesterreich, England und Preußen sollen bemüht seyn, Frankreich seinen Beitritt so viel als möglich zu erleichtern. Indessen ist Hr. v. Pontois unablässig bemüht, die Pforte dafür zu stimmen, daß sie mit Mehemed Ali einen Separatvertrag schließe, wodurch ihm der erbliche Besitz von ganz Syrien zugesichert würde. Hr. v. Pontois hat erklärt, einem solchen Vertrage würde Frankreich die Beistimmung der vier übrigen Mächte zu verschaffen gern übernehmen. – Aus Alexandria wird geschrieben, daß daselbst Kriegsrüstungen aller Art aufs lebhafteste betrieben werden, und es von neuem allen Anschein habe, daß Ibrahim Pascha in Kleinasien vorrücken wolle. Der österreichische Consul fand sich hierdurch bewogen, dem Vicekönig neuerdings zu bedeuten, daß er, wenn er die mindeste offensive Bewegung gegen die Pforte unternähme, ganz Europa gegen sich haben werde. Aegypten. _ Alexandria, 28 Dec. Die beunruhigendsten Gerüchte über die Stimmung der europäischen Mächte gegen Mehemed Ali verbreiten sich immer mehr und scheinen dießmal nicht ohne Grund zu seyn. Man bemerkte dieser Tage unter den Umgebungen des Vicekönigs ein Desappointement, das aber plötzlich in Folge mehrerer Conferenzen mit dem französischen Generalconsul in eine zuversichtlichere Haltung überging. Sonderbarerweise scheint Hr. Cochelet von den Agenten von Toscana, Schweden und Griechenland in seinen Bestrebungen, den Muth des Vicekönigs aufrecht zu halten, gewissermaßen unterstützt zu werden. Der neue Plan, den Hr. Cochelet und Mehemed Ali ergriffen und dessen Ausführung sie zum Theil schon begonnen haben, um den Großmächten zu imponiren, bestände darin, daß man Ibrahim Pascha eine drohende Stellung im Taurus einnehmen und Detaschements jenseits des Taurus in die karamanischen Ebenen beordern ließe, um die Mächte zu überzeugen, daß der Vicekönig nicht so gutwillig, als man gehofft haben mag, sich in ihre Anordnung fügen werde. Um diesem affichirten Muth alle mögliche Wahrscheinlichkeit zu verleihen, solle Mehemed Ali des abgenützten Vorwandes, daß Ibrahim Pascha zur Verproviantirung der Armee Dislocationen anzuordnen gezwungen sey, sich bedienen, auf daß in Europa die Befürchtung genährt werde, Mehemed Ali sey bereit und entschlossen, das Aergste zu unternehmen, und doch bemüht, seine neuen Plane den Augen der Diplomatie zu entrücken. Zugleich soll der Pascha von seinem versöhnlichen Geist einen sprechenden Beweis liefern und sich bereit erklären, der Pforte die Herrschaft über Arabien und die Bewachung der heiligen Städte abzutreten. Es fragt sich nun, inwiefern es Mehemed Ali und Cochelet gelingen könne, durch solche Stratageme den Mächten zu imponiren, in wie weit die Pforte durch Abtretung von Arabien, dessen Herrschaft für sie nur nominell seyn kann, so wie durch die Bewachung der heiligen Städte, die in rein politischer keine, in religiöser Beziehung jedoch eine unendliche Bedeutung hat, für ihre Ansprüche zu entschädigen und zu versöhnen sey? Läßt man sich in Europa durch solche Ränke nicht bethören, wird die Einstimmigkeit der Majorität der Mächte endlich daselbst erzielt, so zweifelt hier kein Unterrichteter an der Nachgiebigkeit des Vicekönigs. Die ersten Tage einer strengen Blokade der ägyptischen und syrischen Küsten würden Mehemed Ali auf ganz andere Gedanken bringen, als die man ihm jetzt, durch seine Demonstrationen irre geführt, zuzuschreiben geneigt wäre. Man vergesse nicht, daß der Vicekönig ein Handelsmann ist, dessen Macht durch die Unterbrechung des Verkehrs binnen kurzem paralysirt werden kann. Nun ruft der versöhnliche Pascha: „Ich mache auf die Erblichkeit von Arabien und auf seine Verwaltung, auf die Bewachung der heiligen Städte keinen Anspruch mehr.“ Er vergißt dabei, daß diese Concessionen, obwohl, sie früher gemacht, vielleicht eine augenblickliche Berücksichtigung verdient hätten, jetzt nimmermehr von den Mächten beachtet werden können. Aber beweisen können sie doch, daß Mehemed Ali in seinen Projecten gewaltig zurückgegangen ist, denn die Bewachung der heiligen Städte war es gerade, auf die der Pascha seinen ehrgeizigsten

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Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 27. Augsburg, 27. Januar 1840, S. 0215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_027_18400127/7>, abgerufen am 25.04.2024.