Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 20. Augsburg, 20. Januar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Provinzen, besonders im Süden, vielleicht eines Theils von Spanien. Allein der Kronprinz verlieh den Posten einem Mitbewerber, und Niebuhr erhielt dafür die Zusage einer Reiseunterstützung 9)9). Eine andere Stelle wurde ihm von Moldenhawer angetragen - die Direction eines zu gründenden philologischen Seminars, bei der sich's um die Reform des Gymnasialwesens in Dänemark handelte. Die Sache wäre ihm recht gewesen, nicht so der Plan. Da war nichts vorbereitet; man hatte keine tüchtigen Philologen; Wolf war um 3000, Heyne um 6000 Thaler zu haben, aber so viel wollte man nicht geben; Brunck, dessen Fürsprecher Niebuhr machte, schien wegen seines zu großen Selbstgefühls nicht passend, von Voß war bekannt, daß er sich an keine Hauptstadt binden und nicht weiter nach Norden gehen würde - so wandte man sich an Niebuhr selbst. Die Arbeit, die man forderte, war mäßig - 5 Stunden wöchentlich - nur sollte Einer einen alten Classiker, einen Dichter, auslegen, die griechische und lateinische Grammatik, Archäologie und, wo möglich, die alte Geschichte lehren, Aufsätze machen lassen, durchgehen und corrigiren, und in zwei Semestern sollten die Lehramtscandidaten fertig seyn! Und das war nicht mäßig! Niebuhr, der seine Male ungern nach Kopenhagen geführt hätte, mochte doch die immerhin ehrenvolle Stelle nicht geradezu von der Hand weisen; er konnte es um so weniger, als man sie ihm sogar offen zu halten versprach, bis er von der Reise zurück sey. Dieß wollte er nun zwar nicht, man sollte sie, wenn sich ein tauglicher Mann fände, unangesehen seiner vergeben, und er nicht nöthig haben, die Zeit seiner Abwesenheit zu bestimmen; aber für den Fall, daß sie nach seiner Zurückkunft noch unbesetzt wäre, sagte er zu 10)10). Zuvörderst war ihm das Eine klar - daß er reisen müsse. Wohin, wie lange, wußte er selbst nicht gleich. Nach England, Frankreich und Helvetien, nach Rom, Pompeji und Neapel, über die Felder von Cannä und Trasimenus, von Kroton und Metaurus, in die Pässe und Schluchten des Apenninus zwischen Campanien und Samnium, nach Syrakus, Tarent und Siena, Sparta und Athen bis in die Gebirge von Thessalien und Illyrien schweiften seine Blicke. Auch vom Besuch einer deutschen Universität war die Rede, Voß rieth Wolfs Bekanntschaft zu machen, den er in allgemeiner und ausgebreiteter Kenntniß des Alterthums den Stärksten überlegen hielt, sich nicht ausgenommen. 11)11) Was seine Reise seyn sollte, dessen war er sich wohl bewußt, ein angestrengtes Studiren auf einer oft veränderten Scene. 12)12) Er brauchte eine Anfrischung des Muths unter den mühsamen Constructionen der Rede- und Schreibkunst und der Abstraction ihrer Gesetze, um nicht zu ermüden oder zum mechanischen Wohlgefallen an bloßen Buchstaben herabzusinken, unter dem Aufsuchen und Sichten zahlloser historischer Ueberbleibsel, um nicht die Lust zu verlieren, die chaotische Masse in eine schöne Form zu gießen; er beneidete die Alten um ihr Ineinandergreifen von Leben und Wissenschaft, voraus ihre unerschöpfliche Kraft und Thätigkeit entsprang, um die Unmittelbarkeit ihrer Entwicklung aus der Wirklichkeit, aus Natur, Gemeinde, Staat, im Gegensatz zu unserm Kleben am Bücherwissen und dessen Repräsentation durch einen abgesonderten Gelehrtenstand. 13)13) Seine Einbildungskraft erheischte neue belebende Eindrücke. Schon darum war Deutschland nicht geeignet. Schimmelmann gab den Ausschlag: er hatte über zwei Stellen in seinem Departement zu verfügen, die bot er an. Dazu schien ein Aufenthalt in Großbritannien die zweckmäßigste Vorbereitung. Moldenhawers Antrag wurde abgelehnt. 14)14)

(Beschluß folgt.)

Das Briefpostwesen in Frankreich.

Man sagt, daß ein anderer Generalpostmeister werde ernannt werden; es ist nicht wahrscheinlich, wäre aber sehr zu wünschen, denn Hr. Comte ist zwar ein thätiger Mann, welcher viel für die schnellere Beförderung der Briefe gethan hat, aber er ist viel zu fiscal und vollkommen taub für alle Stimmen, welche eine Herabsetzung des Porto's verlangen. Dieß geht so weit, daß, während ein Brief von der englischen Küste an durch das ganze Reich nur noch zwei Sous bezahlt, die französische Post die alten Tarife für die englische Correspondenz beibehalten hat. Ein Brief nach London kostet zwei Franken, wie zuvor, obgleich die englische Post statt 20 nur noch zwei Sous reclamirt; und da die Postreform in England seit acht Monaten beschlossen ist, so hätte der Generalpostmeister alle Zeit gehabt, seinen Vertrag mit der englischen Post zu ändern, da sich diese längst bereit erklärt hat, alle ihre Verträge mit fremden Posten nach ihrem neuen Tarif zu modificiren. Die Bedingungen, welche Hr. Comte der englischen Post für den Transport der indischen Correspondenz zwischen Calais und Marseille gemacht hat, sind ebenfalls der Art, daß sie sich selbst zerstören. Das englische Brieffelleisen wird von einem englischen Postcourier begleitet, und für jeden Brief, den es enthält, muß das vollständige französische Porto bezahlt werden, als ob sie in Frankreich aufgegeben und ausgetheilt würden. Die Folge ist, daß das englische Kriegsministerium den Truppen in Indien verboten hat, ihre Briefe über Marseille gehen zu lassen, und daß der größte Theil der indischen Correspondenz über Falmouth und Malta geht. Das Gelingen der englischen Postreform wäre für Frankreich die größte Wohlthat, denn es würde der blinden Habsucht der Postadministration ein Ende machen. Man hatte gehofft, daß Hr. Piron im Stande seyn werde, seine vorgeschlagene Reform durchzusetzen, aber das Finanzministerium muß zuvor überzeugt werden, daß es nichts dabei verliert, sonst ist an kein Herabsetzen der Tarife zu denken.

Der Riesenproceß in Bern.

Ueber das vor 14 Tagen gefällte, aber sonderbarerweise den Betheiligten nur erst durch die Zeitungen bekannte Urtheil in dem sogenannten Reactions- oder Riesenproceß steht im Journal des Debats ein von da theilweise auch in andere Zeitungen übergegangener Artikel, der ohne genauere Sachkenntniß abgefaßt ist, mancherlei Unrichtigkeiten enthält, und leicht ein schiefes Licht auf diese Angelegenheit werfen könnte. Es möchte daher angemessen seyn, über diese ganze unglückliche Geschichte hier einen gedrängten Ueberblick zu geben.

Im Herbst 1831 wurden der gegenwärtigen Regierung von der abgetretenen die Zügel übergeben. Die ersten Schritte derselben waren unsicher, und ließen mit gleichem Rechte Gutes wie Böses erwarten. Bald aber brach der, besonders durch die damals allmächtigen

9) A. a. O. S. 91-99.
10) Briefe aus Kopenhagen von 1798, Bd. 1, S. 127-131.
11) Briefe von 1797, Bd. 1. S. 101, 123.
12) Briefe von 1798, Bd. 1. S. 132.
13) Briefe von 1797, Bd. 1. S. 107, 108. Briefe von 1798, Bd. 1. S. 132.
14) Briefe von 1798, Bd. 1. S. 132 ff.

Provinzen, besonders im Süden, vielleicht eines Theils von Spanien. Allein der Kronprinz verlieh den Posten einem Mitbewerber, und Niebuhr erhielt dafür die Zusage einer Reiseunterstützung 9)9). Eine andere Stelle wurde ihm von Moldenhawer angetragen – die Direction eines zu gründenden philologischen Seminars, bei der sich's um die Reform des Gymnasialwesens in Dänemark handelte. Die Sache wäre ihm recht gewesen, nicht so der Plan. Da war nichts vorbereitet; man hatte keine tüchtigen Philologen; Wolf war um 3000, Heyne um 6000 Thaler zu haben, aber so viel wollte man nicht geben; Brunck, dessen Fürsprecher Niebuhr machte, schien wegen seines zu großen Selbstgefühls nicht passend, von Voß war bekannt, daß er sich an keine Hauptstadt binden und nicht weiter nach Norden gehen würde – so wandte man sich an Niebuhr selbst. Die Arbeit, die man forderte, war mäßig – 5 Stunden wöchentlich – nur sollte Einer einen alten Classiker, einen Dichter, auslegen, die griechische und lateinische Grammatik, Archäologie und, wo möglich, die alte Geschichte lehren, Aufsätze machen lassen, durchgehen und corrigiren, und in zwei Semestern sollten die Lehramtscandidaten fertig seyn! Und das war nicht mäßig! Niebuhr, der seine Male ungern nach Kopenhagen geführt hätte, mochte doch die immerhin ehrenvolle Stelle nicht geradezu von der Hand weisen; er konnte es um so weniger, als man sie ihm sogar offen zu halten versprach, bis er von der Reise zurück sey. Dieß wollte er nun zwar nicht, man sollte sie, wenn sich ein tauglicher Mann fände, unangesehen seiner vergeben, und er nicht nöthig haben, die Zeit seiner Abwesenheit zu bestimmen; aber für den Fall, daß sie nach seiner Zurückkunft noch unbesetzt wäre, sagte er zu 10)10). Zuvörderst war ihm das Eine klar – daß er reisen müsse. Wohin, wie lange, wußte er selbst nicht gleich. Nach England, Frankreich und Helvetien, nach Rom, Pompeji und Neapel, über die Felder von Cannä und Trasimenus, von Kroton und Metaurus, in die Pässe und Schluchten des Apenninus zwischen Campanien und Samnium, nach Syrakus, Tarent und Siena, Sparta und Athen bis in die Gebirge von Thessalien und Illyrien schweiften seine Blicke. Auch vom Besuch einer deutschen Universität war die Rede, Voß rieth Wolfs Bekanntschaft zu machen, den er in allgemeiner und ausgebreiteter Kenntniß des Alterthums den Stärksten überlegen hielt, sich nicht ausgenommen. 11)11) Was seine Reise seyn sollte, dessen war er sich wohl bewußt, ein angestrengtes Studiren auf einer oft veränderten Scene. 12)12) Er brauchte eine Anfrischung des Muths unter den mühsamen Constructionen der Rede- und Schreibkunst und der Abstraction ihrer Gesetze, um nicht zu ermüden oder zum mechanischen Wohlgefallen an bloßen Buchstaben herabzusinken, unter dem Aufsuchen und Sichten zahlloser historischer Ueberbleibsel, um nicht die Lust zu verlieren, die chaotische Masse in eine schöne Form zu gießen; er beneidete die Alten um ihr Ineinandergreifen von Leben und Wissenschaft, voraus ihre unerschöpfliche Kraft und Thätigkeit entsprang, um die Unmittelbarkeit ihrer Entwicklung aus der Wirklichkeit, aus Natur, Gemeinde, Staat, im Gegensatz zu unserm Kleben am Bücherwissen und dessen Repräsentation durch einen abgesonderten Gelehrtenstand. 13)13) Seine Einbildungskraft erheischte neue belebende Eindrücke. Schon darum war Deutschland nicht geeignet. Schimmelmann gab den Ausschlag: er hatte über zwei Stellen in seinem Departement zu verfügen, die bot er an. Dazu schien ein Aufenthalt in Großbritannien die zweckmäßigste Vorbereitung. Moldenhawers Antrag wurde abgelehnt. 14)14)

(Beschluß folgt.)

Das Briefpostwesen in Frankreich.

Man sagt, daß ein anderer Generalpostmeister werde ernannt werden; es ist nicht wahrscheinlich, wäre aber sehr zu wünschen, denn Hr. Comte ist zwar ein thätiger Mann, welcher viel für die schnellere Beförderung der Briefe gethan hat, aber er ist viel zu fiscal und vollkommen taub für alle Stimmen, welche eine Herabsetzung des Porto's verlangen. Dieß geht so weit, daß, während ein Brief von der englischen Küste an durch das ganze Reich nur noch zwei Sous bezahlt, die französische Post die alten Tarife für die englische Correspondenz beibehalten hat. Ein Brief nach London kostet zwei Franken, wie zuvor, obgleich die englische Post statt 20 nur noch zwei Sous reclamirt; und da die Postreform in England seit acht Monaten beschlossen ist, so hätte der Generalpostmeister alle Zeit gehabt, seinen Vertrag mit der englischen Post zu ändern, da sich diese längst bereit erklärt hat, alle ihre Verträge mit fremden Posten nach ihrem neuen Tarif zu modificiren. Die Bedingungen, welche Hr. Comte der englischen Post für den Transport der indischen Correspondenz zwischen Calais und Marseille gemacht hat, sind ebenfalls der Art, daß sie sich selbst zerstören. Das englische Brieffelleisen wird von einem englischen Postcourier begleitet, und für jeden Brief, den es enthält, muß das vollständige französische Porto bezahlt werden, als ob sie in Frankreich aufgegeben und ausgetheilt würden. Die Folge ist, daß das englische Kriegsministerium den Truppen in Indien verboten hat, ihre Briefe über Marseille gehen zu lassen, und daß der größte Theil der indischen Correspondenz über Falmouth und Malta geht. Das Gelingen der englischen Postreform wäre für Frankreich die größte Wohlthat, denn es würde der blinden Habsucht der Postadministration ein Ende machen. Man hatte gehofft, daß Hr. Piron im Stande seyn werde, seine vorgeschlagene Reform durchzusetzen, aber das Finanzministerium muß zuvor überzeugt werden, daß es nichts dabei verliert, sonst ist an kein Herabsetzen der Tarife zu denken.

Der Riesenproceß in Bern.

Ueber das vor 14 Tagen gefällte, aber sonderbarerweise den Betheiligten nur erst durch die Zeitungen bekannte Urtheil in dem sogenannten Reactions- oder Riesenproceß steht im Journal des Débats ein von da theilweise auch in andere Zeitungen übergegangener Artikel, der ohne genauere Sachkenntniß abgefaßt ist, mancherlei Unrichtigkeiten enthält, und leicht ein schiefes Licht auf diese Angelegenheit werfen könnte. Es möchte daher angemessen seyn, über diese ganze unglückliche Geschichte hier einen gedrängten Ueberblick zu geben.

Im Herbst 1831 wurden der gegenwärtigen Regierung von der abgetretenen die Zügel übergeben. Die ersten Schritte derselben waren unsicher, und ließen mit gleichem Rechte Gutes wie Böses erwarten. Bald aber brach der, besonders durch die damals allmächtigen

9) A. a. O. S. 91-99.
10) Briefe aus Kopenhagen von 1798, Bd. 1, S. 127-131.
11) Briefe von 1797, Bd. 1. S. 101, 123.
12) Briefe von 1798, Bd. 1. S. 132.
13) Briefe von 1797, Bd. 1. S. 107, 108. Briefe von 1798, Bd. 1. S. 132.
14) Briefe von 1798, Bd. 1. S. 132 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0010" n="0154"/>
Provinzen, besonders im Süden, vielleicht eines Theils von Spanien. Allein der <hi rendition="#g">Kronprinz</hi> verlieh den Posten einem Mitbewerber, und Niebuhr erhielt dafür die Zusage einer Reiseunterstützung <hi rendition="#sup">9)</hi><note place="foot" n="9)"> A. a. O. S. 91-99.</note>. Eine andere Stelle wurde ihm von <hi rendition="#g">Moldenhawer</hi> angetragen &#x2013; die <hi rendition="#g">Direction</hi> eines zu gründenden <hi rendition="#g">philologischen Seminars</hi>, bei der sich's um die <hi rendition="#g">Reform des Gymnasialwesens in Dänemark</hi> handelte. Die Sache wäre ihm recht gewesen, nicht so der Plan. Da war nichts vorbereitet; man hatte keine tüchtigen Philologen; <hi rendition="#g">Wolf</hi> war um 3000, <hi rendition="#g">Heyne</hi> um 6000 Thaler zu haben, aber so viel wollte man nicht geben; <hi rendition="#g">Brunck</hi>, dessen Fürsprecher Niebuhr machte, schien wegen seines zu großen Selbstgefühls nicht passend, von <hi rendition="#g">Voß</hi> war bekannt, daß er sich an keine Hauptstadt binden und nicht weiter nach Norden gehen würde &#x2013; so wandte man sich an <hi rendition="#g">Niebuhr</hi> selbst. Die Arbeit, die man forderte, war mäßig &#x2013; 5 Stunden wöchentlich &#x2013; nur sollte Einer einen alten Classiker, einen Dichter, auslegen, die griechische und lateinische Grammatik, Archäologie und, wo möglich, die alte Geschichte lehren, Aufsätze machen lassen, durchgehen und corrigiren, und in zwei Semestern sollten die Lehramtscandidaten fertig seyn! Und das war nicht mäßig! Niebuhr, der seine <hi rendition="#g">Male</hi> ungern nach <hi rendition="#g">Kopenhagen</hi> geführt hätte, mochte doch die immerhin ehrenvolle Stelle nicht geradezu von der Hand weisen; er konnte es um so weniger, als man sie ihm sogar offen zu halten versprach, bis er von der Reise zurück sey. Dieß wollte er nun zwar nicht, man sollte sie, wenn sich ein tauglicher Mann fände, unangesehen seiner vergeben, und er nicht nöthig haben, die Zeit seiner Abwesenheit zu bestimmen; aber für den Fall, daß sie nach seiner Zurückkunft noch unbesetzt wäre, sagte er zu <hi rendition="#sup">10)</hi><note place="foot" n="10)"> Briefe aus <hi rendition="#g">Kopenhagen</hi> von 1798, Bd. 1, S. 127-131.</note>. Zuvörderst war ihm das Eine klar &#x2013; daß er reisen müsse. Wohin, wie lange, wußte er selbst nicht gleich. Nach <hi rendition="#g">England</hi>, <hi rendition="#g">Frankreich</hi> und <hi rendition="#g">Helvetien</hi>, nach <hi rendition="#g">Rom</hi>, <hi rendition="#g">Pompeji</hi> und <hi rendition="#g">Neapel</hi>, über die Felder von <hi rendition="#g">Cannä</hi> und <hi rendition="#g">Trasimenus</hi>, von <hi rendition="#g">Kroton</hi> und <hi rendition="#g">Metaurus</hi>, in die Pässe und Schluchten des <hi rendition="#g">Apenninus</hi> zwischen <hi rendition="#g">Campanien</hi> und <hi rendition="#g">Samnium</hi>, nach <hi rendition="#g">Syrakus</hi>, <hi rendition="#g">Tarent</hi> und <hi rendition="#g">Siena</hi>, <hi rendition="#g">Sparta</hi> und <hi rendition="#g">Athen</hi> bis in die Gebirge von <hi rendition="#g">Thessalien</hi> und <hi rendition="#g">Illyrien</hi> schweiften seine Blicke. Auch vom Besuch einer <hi rendition="#g">deutschen Universität</hi> war die Rede, <hi rendition="#g">Voß</hi> rieth <hi rendition="#g">Wolfs</hi> Bekanntschaft zu machen, den er in allgemeiner und ausgebreiteter Kenntniß des Alterthums den Stärksten überlegen hielt, sich nicht ausgenommen. <hi rendition="#sup">11)</hi><note place="foot" n="11)"> Briefe von 1797, Bd. 1. S. 101, 123.</note> Was seine Reise seyn sollte, dessen war er sich wohl bewußt, ein angestrengtes Studiren auf einer oft veränderten Scene. <hi rendition="#sup">12)</hi><note place="foot" n="12)"> Briefe von 1798, Bd. 1. S. 132.</note> Er brauchte eine Anfrischung des Muths unter den mühsamen Constructionen der Rede- und Schreibkunst und der Abstraction ihrer Gesetze, um nicht zu ermüden oder zum mechanischen Wohlgefallen an bloßen Buchstaben herabzusinken, unter dem Aufsuchen und Sichten zahlloser historischer Ueberbleibsel, um nicht die Lust zu verlieren, die chaotische Masse in eine schöne Form zu gießen; er beneidete die Alten um ihr Ineinandergreifen von Leben und Wissenschaft, voraus ihre unerschöpfliche Kraft und Thätigkeit entsprang, um die Unmittelbarkeit ihrer Entwicklung aus der Wirklichkeit, aus Natur, Gemeinde, Staat, im Gegensatz zu unserm Kleben am Bücherwissen und dessen Repräsentation durch einen abgesonderten Gelehrtenstand. <hi rendition="#sup">13)</hi><note place="foot" n="13)"> Briefe von 1797, Bd. 1. S. 107, 108. Briefe von 1798, Bd. 1. S. 132.</note> Seine Einbildungskraft erheischte neue belebende Eindrücke. Schon darum war <hi rendition="#g">Deutschland</hi> nicht geeignet. Schimmelmann gab den Ausschlag: er hatte über zwei Stellen in seinem Departement zu verfügen, die bot er an. Dazu schien ein Aufenthalt in Großbritannien die zweckmäßigste Vorbereitung. <hi rendition="#g">Moldenhawers</hi> Antrag wurde abgelehnt. <hi rendition="#sup">14)</hi><note place="foot" n="14)"> Briefe von 1798, Bd. 1. S. 132 ff.</note></p><lb/>
        <p>(Beschluß folgt.)</p><lb/>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Das Briefpostwesen in Frankreich</hi>.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 12 Jan.</dateline>
          <p> Man sagt, daß ein anderer Generalpostmeister werde ernannt werden; es ist nicht wahrscheinlich, wäre aber sehr zu wünschen, denn Hr. Comte ist zwar ein thätiger Mann, welcher viel für die schnellere Beförderung der Briefe gethan hat, aber er ist viel zu fiscal und vollkommen taub für alle Stimmen, welche eine Herabsetzung des Porto's verlangen. Dieß geht so weit, daß, während ein Brief von der englischen Küste an durch das ganze Reich nur noch zwei Sous bezahlt, die französische Post die alten Tarife für die englische Correspondenz beibehalten hat. Ein Brief nach London kostet zwei Franken, wie zuvor, obgleich die englische Post statt 20 nur noch zwei Sous reclamirt; und da die Postreform in England seit acht Monaten beschlossen ist, so hätte der Generalpostmeister alle Zeit gehabt, seinen Vertrag mit der englischen Post zu ändern, da sich diese längst bereit erklärt hat, alle ihre Verträge mit fremden Posten nach ihrem neuen Tarif zu modificiren. Die Bedingungen, welche Hr. Comte der englischen Post für den Transport der indischen Correspondenz zwischen Calais und Marseille gemacht hat, sind ebenfalls der Art, daß sie sich selbst zerstören. Das englische Brieffelleisen wird von einem englischen Postcourier begleitet, und für jeden Brief, den es enthält, muß das vollständige französische Porto bezahlt werden, als ob sie in Frankreich aufgegeben und ausgetheilt würden. Die Folge ist, daß das englische Kriegsministerium den Truppen in Indien verboten hat, ihre Briefe über Marseille gehen zu lassen, und daß der größte Theil der indischen Correspondenz über Falmouth und Malta geht. Das Gelingen der englischen Postreform wäre für Frankreich die größte Wohlthat, denn es würde der blinden Habsucht der Postadministration ein Ende machen. Man hatte gehofft, daß Hr. Piron im Stande seyn werde, seine vorgeschlagene Reform durchzusetzen, aber das Finanzministerium muß zuvor überzeugt werden, daß es nichts dabei verliert, sonst ist an kein Herabsetzen der Tarife zu denken.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Der Riesenproceß in Bern</hi>.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Bern,</hi> 13 Januar.</dateline>
          <p> Ueber das vor 14 Tagen gefällte, aber sonderbarerweise den Betheiligten nur erst durch die Zeitungen bekannte Urtheil in dem sogenannten Reactions- oder Riesenproceß steht im Journal des Débats ein von da theilweise auch in andere Zeitungen übergegangener Artikel, der ohne genauere Sachkenntniß abgefaßt ist, mancherlei Unrichtigkeiten enthält, und leicht ein schiefes Licht auf diese Angelegenheit werfen könnte. Es möchte daher angemessen seyn, über diese ganze unglückliche Geschichte hier einen gedrängten Ueberblick zu geben.</p><lb/>
          <p>Im Herbst 1831 wurden der gegenwärtigen Regierung von der abgetretenen die Zügel übergeben. Die ersten Schritte derselben waren unsicher, und ließen mit gleichem Rechte Gutes wie Böses erwarten. Bald aber brach der, besonders durch die damals allmächtigen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0154/0010] Provinzen, besonders im Süden, vielleicht eines Theils von Spanien. Allein der Kronprinz verlieh den Posten einem Mitbewerber, und Niebuhr erhielt dafür die Zusage einer Reiseunterstützung 9) 9). Eine andere Stelle wurde ihm von Moldenhawer angetragen – die Direction eines zu gründenden philologischen Seminars, bei der sich's um die Reform des Gymnasialwesens in Dänemark handelte. Die Sache wäre ihm recht gewesen, nicht so der Plan. Da war nichts vorbereitet; man hatte keine tüchtigen Philologen; Wolf war um 3000, Heyne um 6000 Thaler zu haben, aber so viel wollte man nicht geben; Brunck, dessen Fürsprecher Niebuhr machte, schien wegen seines zu großen Selbstgefühls nicht passend, von Voß war bekannt, daß er sich an keine Hauptstadt binden und nicht weiter nach Norden gehen würde – so wandte man sich an Niebuhr selbst. Die Arbeit, die man forderte, war mäßig – 5 Stunden wöchentlich – nur sollte Einer einen alten Classiker, einen Dichter, auslegen, die griechische und lateinische Grammatik, Archäologie und, wo möglich, die alte Geschichte lehren, Aufsätze machen lassen, durchgehen und corrigiren, und in zwei Semestern sollten die Lehramtscandidaten fertig seyn! Und das war nicht mäßig! Niebuhr, der seine Male ungern nach Kopenhagen geführt hätte, mochte doch die immerhin ehrenvolle Stelle nicht geradezu von der Hand weisen; er konnte es um so weniger, als man sie ihm sogar offen zu halten versprach, bis er von der Reise zurück sey. Dieß wollte er nun zwar nicht, man sollte sie, wenn sich ein tauglicher Mann fände, unangesehen seiner vergeben, und er nicht nöthig haben, die Zeit seiner Abwesenheit zu bestimmen; aber für den Fall, daß sie nach seiner Zurückkunft noch unbesetzt wäre, sagte er zu 10) 10). Zuvörderst war ihm das Eine klar – daß er reisen müsse. Wohin, wie lange, wußte er selbst nicht gleich. Nach England, Frankreich und Helvetien, nach Rom, Pompeji und Neapel, über die Felder von Cannä und Trasimenus, von Kroton und Metaurus, in die Pässe und Schluchten des Apenninus zwischen Campanien und Samnium, nach Syrakus, Tarent und Siena, Sparta und Athen bis in die Gebirge von Thessalien und Illyrien schweiften seine Blicke. Auch vom Besuch einer deutschen Universität war die Rede, Voß rieth Wolfs Bekanntschaft zu machen, den er in allgemeiner und ausgebreiteter Kenntniß des Alterthums den Stärksten überlegen hielt, sich nicht ausgenommen. 11) 11) Was seine Reise seyn sollte, dessen war er sich wohl bewußt, ein angestrengtes Studiren auf einer oft veränderten Scene. 12) 12) Er brauchte eine Anfrischung des Muths unter den mühsamen Constructionen der Rede- und Schreibkunst und der Abstraction ihrer Gesetze, um nicht zu ermüden oder zum mechanischen Wohlgefallen an bloßen Buchstaben herabzusinken, unter dem Aufsuchen und Sichten zahlloser historischer Ueberbleibsel, um nicht die Lust zu verlieren, die chaotische Masse in eine schöne Form zu gießen; er beneidete die Alten um ihr Ineinandergreifen von Leben und Wissenschaft, voraus ihre unerschöpfliche Kraft und Thätigkeit entsprang, um die Unmittelbarkeit ihrer Entwicklung aus der Wirklichkeit, aus Natur, Gemeinde, Staat, im Gegensatz zu unserm Kleben am Bücherwissen und dessen Repräsentation durch einen abgesonderten Gelehrtenstand. 13) 13) Seine Einbildungskraft erheischte neue belebende Eindrücke. Schon darum war Deutschland nicht geeignet. Schimmelmann gab den Ausschlag: er hatte über zwei Stellen in seinem Departement zu verfügen, die bot er an. Dazu schien ein Aufenthalt in Großbritannien die zweckmäßigste Vorbereitung. Moldenhawers Antrag wurde abgelehnt. 14) 14) (Beschluß folgt.) Das Briefpostwesen in Frankreich. _ Paris, 12 Jan. Man sagt, daß ein anderer Generalpostmeister werde ernannt werden; es ist nicht wahrscheinlich, wäre aber sehr zu wünschen, denn Hr. Comte ist zwar ein thätiger Mann, welcher viel für die schnellere Beförderung der Briefe gethan hat, aber er ist viel zu fiscal und vollkommen taub für alle Stimmen, welche eine Herabsetzung des Porto's verlangen. Dieß geht so weit, daß, während ein Brief von der englischen Küste an durch das ganze Reich nur noch zwei Sous bezahlt, die französische Post die alten Tarife für die englische Correspondenz beibehalten hat. Ein Brief nach London kostet zwei Franken, wie zuvor, obgleich die englische Post statt 20 nur noch zwei Sous reclamirt; und da die Postreform in England seit acht Monaten beschlossen ist, so hätte der Generalpostmeister alle Zeit gehabt, seinen Vertrag mit der englischen Post zu ändern, da sich diese längst bereit erklärt hat, alle ihre Verträge mit fremden Posten nach ihrem neuen Tarif zu modificiren. Die Bedingungen, welche Hr. Comte der englischen Post für den Transport der indischen Correspondenz zwischen Calais und Marseille gemacht hat, sind ebenfalls der Art, daß sie sich selbst zerstören. Das englische Brieffelleisen wird von einem englischen Postcourier begleitet, und für jeden Brief, den es enthält, muß das vollständige französische Porto bezahlt werden, als ob sie in Frankreich aufgegeben und ausgetheilt würden. Die Folge ist, daß das englische Kriegsministerium den Truppen in Indien verboten hat, ihre Briefe über Marseille gehen zu lassen, und daß der größte Theil der indischen Correspondenz über Falmouth und Malta geht. Das Gelingen der englischen Postreform wäre für Frankreich die größte Wohlthat, denn es würde der blinden Habsucht der Postadministration ein Ende machen. Man hatte gehofft, daß Hr. Piron im Stande seyn werde, seine vorgeschlagene Reform durchzusetzen, aber das Finanzministerium muß zuvor überzeugt werden, daß es nichts dabei verliert, sonst ist an kein Herabsetzen der Tarife zu denken. Der Riesenproceß in Bern. _ Bern, 13 Januar. Ueber das vor 14 Tagen gefällte, aber sonderbarerweise den Betheiligten nur erst durch die Zeitungen bekannte Urtheil in dem sogenannten Reactions- oder Riesenproceß steht im Journal des Débats ein von da theilweise auch in andere Zeitungen übergegangener Artikel, der ohne genauere Sachkenntniß abgefaßt ist, mancherlei Unrichtigkeiten enthält, und leicht ein schiefes Licht auf diese Angelegenheit werfen könnte. Es möchte daher angemessen seyn, über diese ganze unglückliche Geschichte hier einen gedrängten Ueberblick zu geben. Im Herbst 1831 wurden der gegenwärtigen Regierung von der abgetretenen die Zügel übergeben. Die ersten Schritte derselben waren unsicher, und ließen mit gleichem Rechte Gutes wie Böses erwarten. Bald aber brach der, besonders durch die damals allmächtigen 9) A. a. O. S. 91-99. 10) Briefe aus Kopenhagen von 1798, Bd. 1, S. 127-131. 11) Briefe von 1797, Bd. 1. S. 101, 123. 12) Briefe von 1798, Bd. 1. S. 132. 13) Briefe von 1797, Bd. 1. S. 107, 108. Briefe von 1798, Bd. 1. S. 132. 14) Briefe von 1798, Bd. 1. S. 132 ff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_020_18400120
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_020_18400120/10
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 20. Augsburg, 20. Januar 1840, S. 0154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_020_18400120/10>, abgerufen am 23.11.2024.