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Allgemeine Zeitung. Nr. 19. Augsburg, 19. Januar 1840.

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Colonien sind diese Staaten zum Austausch ihrer Bedürfnisse naturgemäß und vorzugsweise auf solche Länder hingewiesen, wo gleiche Ungebundenheit volle Freiheit und Beweglichkeit des Verkehrs gestattet. Kein Land Europa's ist für solche Zwecke so geeignet, wie Deutschland, keines, wenn man nach den Fortschritten der letzten zwanzig Jahre seine Entwickelungsfähigkeit abmißt, hat so viel zu nehmen und zu bieten, gewährt so reiche Aussichten für die Zukunft. Schon jetzt nimmt der durch Vermittelung der Hansestädte (also getrennt von dem, was Holland und Belgien, Havre, Triest, selbst England noch für Deutschland aus- oder einführen) betriebene Verkehr in den Jahresübersichten der Vereinigten Staaten, Mexico's, Cuba's, Venezuela's, Brasiliens u. s. w. eine der ersten Stellen ein. Die Gleichheit der Interessen, der zuverlässige anmaßungslose Charakter der dort ansässigen Deutschen im Vergleich mit den Repräsentanten anderer Nationen haben überall bei den Abkömmlingen brittischen, spanischen oder portugiesischen Stammes uns günstige Sympathien erweckt, und es bedürfte in der That, auch ohne das Hülfsmittel imponirender Flotten, zunächst nur eines vereinten Wirkens der deutschen Staaten zu wirklich nationalen Maaßregeln, um dem deutschen Namen in jenen Gegenden auch die politische Geltung zu verschaffen, die er nicht sowohl aus Mangel an Achtung, vielmehr nur aus Mangel an Kunde des wahren Verhältnisses, bisher noch entbehrte. Die Hansestädte haben keine Gelegenheit versäumt, um, so weit sie es isolirt vermochten, einer bessern Erkenntniß Eingang zu verschaffen; sie haben um des höhern Interesses willen stets und willig auf den unfruchtbaren Nimbus Verzicht geleistet, der ihnen, jenen fernen Nationen gegenüber, wo die Größe fremder Handelsmächte nur nach der Zahl der unter ihrer Flagge anlangenden Schiffe und nach der Summe des gegenseitigen Umsatzes bemessen wird, aus der geflissentlichen Geltendmachung ihrer Eigenschaft als selbstständiger Staaten mit eigenen großen Handelsgebieten erwachsen könnte. Unter Befolgung eines entgegengesetzten, nationalen Verfahrens, haben sie es daher auch in ihren neueren Reciprocitätsverträgen erreicht, als die natürlichen Factoren der deutschen Binnenstaaten dergestalt anerkannt zu werden, daß sie die für sich begehrten Leistungen auch als auf diese consequenterweise übergehend ansprechen und erlangen konnten.

"Wofern man als eine zweite Hülfsanstalt für Deutschlands Interessen den Hansestädten Holland zur Seite stellt, so wird man zuvörderst nie übersehen dürfen, daß von dem was es ein- und namentlich was es ausführt, ein großer Theil den eigenen Provinzen verbleibt oder entnommen ist, während hanseatischer Verkehr fast ausschließlich deutschen Bedarf befriedigt und deutschen Ueberfluß verwerthet. Aber auch abgesehen vom deutschen Interesse, steht Hollands Handel mit den genannten amerikanischen Staaten, unsern vornehmsten und natürlichsten Absatz- und Versorgungsmärkten, weit hinter dem der Hansestädte zurück. *)*) An Gründen zur Erklärung fehlt es nicht, statt aller aber genügt der eine, die einfache Hinweisung auf Hollands Colonien, auf seine in den letzten Jahren neu erwachte Colonialpolitik. Zu einer Zeit, wo es diese zu früher nicht gekannter Höhe und Vielseitigkeit der Production zu heben bemüht ist, wo es zugleich eifersüchtig über die Handelsvorzüge und Monopole des Mutterlandes wacht, welches Interesse könnte es haben, dem Absatz jener Staaten, der Nebenbuhler seiner Colonien, sonderlichen Vorschub zu leisten? Und da im Handel ein Geben ohne Wiedernehmen auf die Dauer nicht bestehen kann, so folgt aus gleichem Grunde die Unzulänglichkeit der holländischen Märkte als Beförderer deutscher Ausfuhr nach den freien Staaten Amerika's. Ob Holland Willens und im Stande ist, für letztere seine Colonien zu substituiren mit ihrer, europäischer, zumal deutscher Fabricate wenig bedürftigen oder doch gewohnten Bevölkerung - das wichtigste Erzeugniß deutschen Gewerbfleißes, die Leinewand, findet dort so gut wie gar keinen Absatz - muß die Zukunft lehren. Die hohen Differentialzölle, zu Gunsten der Producte des Mutterlandes, geben dazu einstweilen wenig Aussicht. Auch sind, so viel bekannt, unter den Zugeständnissen Hollands in dem Vertrage mit dem deutschen Zollverein erhebliche Stipulationen zum Besten des Absatzes deutscher Artikel in Java oder Surinam nicht mit enthalten.

"Welches Gewicht nun also der Zollverein und namentlich die rheinischen Staaten und Provinzen desselben auf ein Vertragsverhältniß mit dem Königreich der Niederlande zu legen gerechten Grund haben, wodurch es sich, so weit sein eigenes Interesse dieß gestattet, als den natürlichen Bundesgenossen des westdeutschen Handels zu erkennen gibt oder doch sein Stromgebiet dem freien Durchzuge öffnet - der Zollverein wird dennoch nach dem oben Angeführten, im Interesse des gesammten Deutschlands immer vermeiden, jenem Reiche zur Verfolgung seiner commerciellen Zwecke, eine eigentlich bevorzugte Stellung bei sich einzuräumen - Begünstigungen, deren Gewicht, verstärkt durch Hollands eigene Zuthaten, durch das sichtliche Bestreben, kein Opfer zu scheuen, um (sey es auch nach Jahren erst) seinen Märkten, die frühere Präponderanz für die Versorgung des Continents, besonders aber Deutschlands wieder zu verschaffen, zu schwer auf der Concurrenz der transatlantischen Staaten lasten würde, um einen fernern Aufschwung, ja nur die Fortdauer des zwischen diesen und Deutschland einmal glücklich bestehenden Verkehrs zu gestatten.

(Beschluß folgt.)

Das Journal des Debats über Konstantinopel und Alexandria.

Das Journal des Debats stellt aus Anlaß der vom Herzog v. Noailles in der Pairskammer gehaltenen Rede folgende Betrachtungen an: "In der orientalischen Frage ist der Hauptpunkt der Debatte Konstantinopel. Die Debatte über Alexandria ist nur von secundärer Bedeutung. Aber Ostindien! ruft man - die Communication zwischen dem Mittelmeer und dem indischen Ocean - die Eroberung von Aden, welche alle

*) Im Jahr 1838 betrug die Zahl der zu Amsterdam aus Nord- und Südamerika, Ost- und Westindien eingelaufenen Schiffe 243, darunter 128 aus den holländischen Colonien (Java, Surinam etc.) von den übrigen 115 kamen 54 aus den Vereinigten Staaten, 31 von Westindien, 28 von Südamerika, 2 von China. Zu Rotterdam langten ebendaher 175 Schiffe an; davon kamen 82 auf die Colonien, 59 auf die Vereinigten Staaten, 13 auf Westindien, 18 auf Südamerika, 3 auf China etc. - In Hamburg betrug jene Gesammtzahl 311 Schiffe, worunter 45 aus Nordamerika, 119 aus Westindien, 136 aus Südamerika, 11 von Ostindien, China, dem Cap u. s. w. - Zu Bremen 181; 93 davon aus Nordamerika, 67 aus Westindien, 17 aus Südamerika, 4 aus Ostindien, China etc. - Stelle man die beiden letztern den holländischen Häfen gegenüber, so ergibt sich im Großen und Ganzen schon ein Uebergewicht der Hansestädte von 492 gegen 418, nach Abzug des niederländischen Colonialverkehrs aber von 492 gegen 219. - Und nun möge man ferner beherzigen, wie viel in dem einen wie in dem andern Falle von solchem Verkehre Deutschland zu Gut kömmt.

Colonien sind diese Staaten zum Austausch ihrer Bedürfnisse naturgemäß und vorzugsweise auf solche Länder hingewiesen, wo gleiche Ungebundenheit volle Freiheit und Beweglichkeit des Verkehrs gestattet. Kein Land Europa's ist für solche Zwecke so geeignet, wie Deutschland, keines, wenn man nach den Fortschritten der letzten zwanzig Jahre seine Entwickelungsfähigkeit abmißt, hat so viel zu nehmen und zu bieten, gewährt so reiche Aussichten für die Zukunft. Schon jetzt nimmt der durch Vermittelung der Hansestädte (also getrennt von dem, was Holland und Belgien, Havre, Triest, selbst England noch für Deutschland aus- oder einführen) betriebene Verkehr in den Jahresübersichten der Vereinigten Staaten, Mexico's, Cuba's, Venezuela's, Brasiliens u. s. w. eine der ersten Stellen ein. Die Gleichheit der Interessen, der zuverlässige anmaßungslose Charakter der dort ansässigen Deutschen im Vergleich mit den Repräsentanten anderer Nationen haben überall bei den Abkömmlingen brittischen, spanischen oder portugiesischen Stammes uns günstige Sympathien erweckt, und es bedürfte in der That, auch ohne das Hülfsmittel imponirender Flotten, zunächst nur eines vereinten Wirkens der deutschen Staaten zu wirklich nationalen Maaßregeln, um dem deutschen Namen in jenen Gegenden auch die politische Geltung zu verschaffen, die er nicht sowohl aus Mangel an Achtung, vielmehr nur aus Mangel an Kunde des wahren Verhältnisses, bisher noch entbehrte. Die Hansestädte haben keine Gelegenheit versäumt, um, so weit sie es isolirt vermochten, einer bessern Erkenntniß Eingang zu verschaffen; sie haben um des höhern Interesses willen stets und willig auf den unfruchtbaren Nimbus Verzicht geleistet, der ihnen, jenen fernen Nationen gegenüber, wo die Größe fremder Handelsmächte nur nach der Zahl der unter ihrer Flagge anlangenden Schiffe und nach der Summe des gegenseitigen Umsatzes bemessen wird, aus der geflissentlichen Geltendmachung ihrer Eigenschaft als selbstständiger Staaten mit eigenen großen Handelsgebieten erwachsen könnte. Unter Befolgung eines entgegengesetzten, nationalen Verfahrens, haben sie es daher auch in ihren neueren Reciprocitätsverträgen erreicht, als die natürlichen Factoren der deutschen Binnenstaaten dergestalt anerkannt zu werden, daß sie die für sich begehrten Leistungen auch als auf diese consequenterweise übergehend ansprechen und erlangen konnten.

„Wofern man als eine zweite Hülfsanstalt für Deutschlands Interessen den Hansestädten Holland zur Seite stellt, so wird man zuvörderst nie übersehen dürfen, daß von dem was es ein- und namentlich was es ausführt, ein großer Theil den eigenen Provinzen verbleibt oder entnommen ist, während hanseatischer Verkehr fast ausschließlich deutschen Bedarf befriedigt und deutschen Ueberfluß verwerthet. Aber auch abgesehen vom deutschen Interesse, steht Hollands Handel mit den genannten amerikanischen Staaten, unsern vornehmsten und natürlichsten Absatz- und Versorgungsmärkten, weit hinter dem der Hansestädte zurück. *)*) An Gründen zur Erklärung fehlt es nicht, statt aller aber genügt der eine, die einfache Hinweisung auf Hollands Colonien, auf seine in den letzten Jahren neu erwachte Colonialpolitik. Zu einer Zeit, wo es diese zu früher nicht gekannter Höhe und Vielseitigkeit der Production zu heben bemüht ist, wo es zugleich eifersüchtig über die Handelsvorzüge und Monopole des Mutterlandes wacht, welches Interesse könnte es haben, dem Absatz jener Staaten, der Nebenbuhler seiner Colonien, sonderlichen Vorschub zu leisten? Und da im Handel ein Geben ohne Wiedernehmen auf die Dauer nicht bestehen kann, so folgt aus gleichem Grunde die Unzulänglichkeit der holländischen Märkte als Beförderer deutscher Ausfuhr nach den freien Staaten Amerika's. Ob Holland Willens und im Stande ist, für letztere seine Colonien zu substituiren mit ihrer, europäischer, zumal deutscher Fabricate wenig bedürftigen oder doch gewohnten Bevölkerung – das wichtigste Erzeugniß deutschen Gewerbfleißes, die Leinewand, findet dort so gut wie gar keinen Absatz – muß die Zukunft lehren. Die hohen Differentialzölle, zu Gunsten der Producte des Mutterlandes, geben dazu einstweilen wenig Aussicht. Auch sind, so viel bekannt, unter den Zugeständnissen Hollands in dem Vertrage mit dem deutschen Zollverein erhebliche Stipulationen zum Besten des Absatzes deutscher Artikel in Java oder Surinam nicht mit enthalten.

„Welches Gewicht nun also der Zollverein und namentlich die rheinischen Staaten und Provinzen desselben auf ein Vertragsverhältniß mit dem Königreich der Niederlande zu legen gerechten Grund haben, wodurch es sich, so weit sein eigenes Interesse dieß gestattet, als den natürlichen Bundesgenossen des westdeutschen Handels zu erkennen gibt oder doch sein Stromgebiet dem freien Durchzuge öffnet – der Zollverein wird dennoch nach dem oben Angeführten, im Interesse des gesammten Deutschlands immer vermeiden, jenem Reiche zur Verfolgung seiner commerciellen Zwecke, eine eigentlich bevorzugte Stellung bei sich einzuräumen – Begünstigungen, deren Gewicht, verstärkt durch Hollands eigene Zuthaten, durch das sichtliche Bestreben, kein Opfer zu scheuen, um (sey es auch nach Jahren erst) seinen Märkten, die frühere Präponderanz für die Versorgung des Continents, besonders aber Deutschlands wieder zu verschaffen, zu schwer auf der Concurrenz der transatlantischen Staaten lasten würde, um einen fernern Aufschwung, ja nur die Fortdauer des zwischen diesen und Deutschland einmal glücklich bestehenden Verkehrs zu gestatten.

(Beschluß folgt.)

Das Journal des Débats über Konstantinopel und Alexandria.

Das Journal des Débats stellt aus Anlaß der vom Herzog v. Noailles in der Pairskammer gehaltenen Rede folgende Betrachtungen an: „In der orientalischen Frage ist der Hauptpunkt der Debatte Konstantinopel. Die Debatte über Alexandria ist nur von secundärer Bedeutung. Aber Ostindien! ruft man – die Communication zwischen dem Mittelmeer und dem indischen Ocean – die Eroberung von Aden, welche alle

*) Im Jahr 1838 betrug die Zahl der zu Amsterdam aus Nord- und Südamerika, Ost- und Westindien eingelaufenen Schiffe 243, darunter 128 aus den holländischen Colonien (Java, Surinam etc.) von den übrigen 115 kamen 54 aus den Vereinigten Staaten, 31 von Westindien, 28 von Südamerika, 2 von China. Zu Rotterdam langten ebendaher 175 Schiffe an; davon kamen 82 auf die Colonien, 59 auf die Vereinigten Staaten, 13 auf Westindien, 18 auf Südamerika, 3 auf China etc. – In Hamburg betrug jene Gesammtzahl 311 Schiffe, worunter 45 aus Nordamerika, 119 aus Westindien, 136 aus Südamerika, 11 von Ostindien, China, dem Cap u. s. w. – Zu Bremen 181; 93 davon aus Nordamerika, 67 aus Westindien, 17 aus Südamerika, 4 aus Ostindien, China etc. – Stelle man die beiden letztern den holländischen Häfen gegenüber, so ergibt sich im Großen und Ganzen schon ein Uebergewicht der Hansestädte von 492 gegen 418, nach Abzug des niederländischen Colonialverkehrs aber von 492 gegen 219. – Und nun möge man ferner beherzigen, wie viel in dem einen wie in dem andern Falle von solchem Verkehre Deutschland zu Gut kömmt.
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[0149/0013] Colonien sind diese Staaten zum Austausch ihrer Bedürfnisse naturgemäß und vorzugsweise auf solche Länder hingewiesen, wo gleiche Ungebundenheit volle Freiheit und Beweglichkeit des Verkehrs gestattet. Kein Land Europa's ist für solche Zwecke so geeignet, wie Deutschland, keines, wenn man nach den Fortschritten der letzten zwanzig Jahre seine Entwickelungsfähigkeit abmißt, hat so viel zu nehmen und zu bieten, gewährt so reiche Aussichten für die Zukunft. Schon jetzt nimmt der durch Vermittelung der Hansestädte (also getrennt von dem, was Holland und Belgien, Havre, Triest, selbst England noch für Deutschland aus- oder einführen) betriebene Verkehr in den Jahresübersichten der Vereinigten Staaten, Mexico's, Cuba's, Venezuela's, Brasiliens u. s. w. eine der ersten Stellen ein. Die Gleichheit der Interessen, der zuverlässige anmaßungslose Charakter der dort ansässigen Deutschen im Vergleich mit den Repräsentanten anderer Nationen haben überall bei den Abkömmlingen brittischen, spanischen oder portugiesischen Stammes uns günstige Sympathien erweckt, und es bedürfte in der That, auch ohne das Hülfsmittel imponirender Flotten, zunächst nur eines vereinten Wirkens der deutschen Staaten zu wirklich nationalen Maaßregeln, um dem deutschen Namen in jenen Gegenden auch die politische Geltung zu verschaffen, die er nicht sowohl aus Mangel an Achtung, vielmehr nur aus Mangel an Kunde des wahren Verhältnisses, bisher noch entbehrte. Die Hansestädte haben keine Gelegenheit versäumt, um, so weit sie es isolirt vermochten, einer bessern Erkenntniß Eingang zu verschaffen; sie haben um des höhern Interesses willen stets und willig auf den unfruchtbaren Nimbus Verzicht geleistet, der ihnen, jenen fernen Nationen gegenüber, wo die Größe fremder Handelsmächte nur nach der Zahl der unter ihrer Flagge anlangenden Schiffe und nach der Summe des gegenseitigen Umsatzes bemessen wird, aus der geflissentlichen Geltendmachung ihrer Eigenschaft als selbstständiger Staaten mit eigenen großen Handelsgebieten erwachsen könnte. Unter Befolgung eines entgegengesetzten, nationalen Verfahrens, haben sie es daher auch in ihren neueren Reciprocitätsverträgen erreicht, als die natürlichen Factoren der deutschen Binnenstaaten dergestalt anerkannt zu werden, daß sie die für sich begehrten Leistungen auch als auf diese consequenterweise übergehend ansprechen und erlangen konnten. „Wofern man als eine zweite Hülfsanstalt für Deutschlands Interessen den Hansestädten Holland zur Seite stellt, so wird man zuvörderst nie übersehen dürfen, daß von dem was es ein- und namentlich was es ausführt, ein großer Theil den eigenen Provinzen verbleibt oder entnommen ist, während hanseatischer Verkehr fast ausschließlich deutschen Bedarf befriedigt und deutschen Ueberfluß verwerthet. Aber auch abgesehen vom deutschen Interesse, steht Hollands Handel mit den genannten amerikanischen Staaten, unsern vornehmsten und natürlichsten Absatz- und Versorgungsmärkten, weit hinter dem der Hansestädte zurück. *) *) An Gründen zur Erklärung fehlt es nicht, statt aller aber genügt der eine, die einfache Hinweisung auf Hollands Colonien, auf seine in den letzten Jahren neu erwachte Colonialpolitik. Zu einer Zeit, wo es diese zu früher nicht gekannter Höhe und Vielseitigkeit der Production zu heben bemüht ist, wo es zugleich eifersüchtig über die Handelsvorzüge und Monopole des Mutterlandes wacht, welches Interesse könnte es haben, dem Absatz jener Staaten, der Nebenbuhler seiner Colonien, sonderlichen Vorschub zu leisten? Und da im Handel ein Geben ohne Wiedernehmen auf die Dauer nicht bestehen kann, so folgt aus gleichem Grunde die Unzulänglichkeit der holländischen Märkte als Beförderer deutscher Ausfuhr nach den freien Staaten Amerika's. Ob Holland Willens und im Stande ist, für letztere seine Colonien zu substituiren mit ihrer, europäischer, zumal deutscher Fabricate wenig bedürftigen oder doch gewohnten Bevölkerung – das wichtigste Erzeugniß deutschen Gewerbfleißes, die Leinewand, findet dort so gut wie gar keinen Absatz – muß die Zukunft lehren. Die hohen Differentialzölle, zu Gunsten der Producte des Mutterlandes, geben dazu einstweilen wenig Aussicht. Auch sind, so viel bekannt, unter den Zugeständnissen Hollands in dem Vertrage mit dem deutschen Zollverein erhebliche Stipulationen zum Besten des Absatzes deutscher Artikel in Java oder Surinam nicht mit enthalten. „Welches Gewicht nun also der Zollverein und namentlich die rheinischen Staaten und Provinzen desselben auf ein Vertragsverhältniß mit dem Königreich der Niederlande zu legen gerechten Grund haben, wodurch es sich, so weit sein eigenes Interesse dieß gestattet, als den natürlichen Bundesgenossen des westdeutschen Handels zu erkennen gibt oder doch sein Stromgebiet dem freien Durchzuge öffnet – der Zollverein wird dennoch nach dem oben Angeführten, im Interesse des gesammten Deutschlands immer vermeiden, jenem Reiche zur Verfolgung seiner commerciellen Zwecke, eine eigentlich bevorzugte Stellung bei sich einzuräumen – Begünstigungen, deren Gewicht, verstärkt durch Hollands eigene Zuthaten, durch das sichtliche Bestreben, kein Opfer zu scheuen, um (sey es auch nach Jahren erst) seinen Märkten, die frühere Präponderanz für die Versorgung des Continents, besonders aber Deutschlands wieder zu verschaffen, zu schwer auf der Concurrenz der transatlantischen Staaten lasten würde, um einen fernern Aufschwung, ja nur die Fortdauer des zwischen diesen und Deutschland einmal glücklich bestehenden Verkehrs zu gestatten. (Beschluß folgt.) Das Journal des Débats über Konstantinopel und Alexandria. Das Journal des Débats stellt aus Anlaß der vom Herzog v. Noailles in der Pairskammer gehaltenen Rede folgende Betrachtungen an: „In der orientalischen Frage ist der Hauptpunkt der Debatte Konstantinopel. Die Debatte über Alexandria ist nur von secundärer Bedeutung. Aber Ostindien! ruft man – die Communication zwischen dem Mittelmeer und dem indischen Ocean – die Eroberung von Aden, welche alle *) Im Jahr 1838 betrug die Zahl der zu Amsterdam aus Nord- und Südamerika, Ost- und Westindien eingelaufenen Schiffe 243, darunter 128 aus den holländischen Colonien (Java, Surinam etc.) von den übrigen 115 kamen 54 aus den Vereinigten Staaten, 31 von Westindien, 28 von Südamerika, 2 von China. Zu Rotterdam langten ebendaher 175 Schiffe an; davon kamen 82 auf die Colonien, 59 auf die Vereinigten Staaten, 13 auf Westindien, 18 auf Südamerika, 3 auf China etc. – In Hamburg betrug jene Gesammtzahl 311 Schiffe, worunter 45 aus Nordamerika, 119 aus Westindien, 136 aus Südamerika, 11 von Ostindien, China, dem Cap u. s. w. – Zu Bremen 181; 93 davon aus Nordamerika, 67 aus Westindien, 17 aus Südamerika, 4 aus Ostindien, China etc. – Stelle man die beiden letztern den holländischen Häfen gegenüber, so ergibt sich im Großen und Ganzen schon ein Uebergewicht der Hansestädte von 492 gegen 418, nach Abzug des niederländischen Colonialverkehrs aber von 492 gegen 219. – Und nun möge man ferner beherzigen, wie viel in dem einen wie in dem andern Falle von solchem Verkehre Deutschland zu Gut kömmt.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 19. Augsburg, 19. Januar 1840, S. 0149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_019_18400119/13>, abgerufen am 18.04.2024.