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Allgemeine Zeitung. Nr. 13. Augsburg, 13. Januar 1840.

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sich dem Volke zu zeigen pflegte, hinter vergitterten Fenstern diese öffentliche Promenade. Wenige Tage zuvor hatte ich Abd-Ul-Medschid in einem mit vier herrlichen Schimmeln bespannten Wagen zu sehen Gelegenheit; ich fand ihn seit vier Monaten bedeutend verändert, wozu ein sichtbarer Anflug von Bart und wie man mir sagte, ein leichtes Unwohlbefinden beigetragen haben mag. Der Sultan fuhr im stärksten Trab, und das Volk und die andern Wagen flogen bei seinem Erscheinen unter den Peitschenhieben der vorausreitenden Polizei in zwei Reihen auseinander. Von seiner Lebensweise weiß man nur wenig; man behauptet, er entwickle in den Staatsgeschäften immer mehr Eifer und Thätigkeit; im Allgemeinen ist er bedeutend weniger sichtbar als sein Vater.


Ostindien und Lahore

Aus Lahore berichten unsere Blätter: "Kurruk Singh, Maharadschah und Nachfolger Rundschit Singhs, der seinem geschickten und energischen Minister Dhian Singh durch seine Halsstarrigkeit (den Transport der Lebensmittel für die englische Armee durch seine Staaten nicht bewilligen zu wollen) Gelegenheit zu Zwiespalt gegeben, hat diese Spaltung noch erweitert, indem er Dscheyt Singh, einen intriganten unternehmenden Mann, zu seinem Günstling machte, auch demselben Würden und Ehrenbezeugungen ertheilte, die nur zum Sturze Dhian Singhs führen konnten. - Dieß konnte von einem Manne, dessen Einfluß und Rath bei Rundschit Singh so bedeutend war, nicht ruhig angesehen werden, und führte zu einer Verschwörung zwischen Dhian Singh, Nau Nihil Singh (Kurruks Sohn) und mehrern andern Häuptlingen, um sich Dscheyt Singhs durch den Tod zu entledigen. Am 8 October umgab Nau Nihil Singh, würdiger Sohn eines würdigen Vaters, den Palast mit seinen Soldaten, und in Gegenwart seines Vaters in vollem Durbar wurde Dscheyt Singh ermordet, auch mehrere Häuptlinge erschossen, einer so nahe beim Maharadschah. daß die Kugel dessen Arm streifte. Alle Wachen wurden sodann gewechselt, und Kurruk Singh unter Aufsicht gestellt. Einige Tage nachher begab sich der ganze Hof nach Umritsir, um den Dessarah zu genießen; man hatte aber Sorge, den Maharadschah streng zu bewachen. Er ritt auf einem Elephanten von zwei Regimentern Soldaten umgeben. Der Schatzmeister und Liebling Rundschit Singhs Bene Ram, der nur Dhian Singh in Gunst nachstand, ist ins Gefängniß geworfen worden, angeklagt, vergessen zu haben, den präsumtiven Thronerben (Nau Nihil) in den Schatz zu führen. Sein Hauptverbrechen besteht in seinem unermeßlichen Reichthum und den 10 Bataillonen unter seinen Befehlen. Dewan Sawan Mull, Häuptling von Multan, einer der mächtigsten Männer des Pendschab, soll sich für Nau Nihil Singh erklärt haben. Der listige Minister Dhian Singh hat es an keinen Versuchungen fehlen lassen, um den Neffen Rundschit Singhs zu verführen, obgleich er wenige Zeit vorher diesem letztern geschworen, seinen Lieblingssohn Kurruk Singh durch seinen Einfluß und seine Kenntnisse zu unterstützen. Shere Singh (Kurruks Bruder) bleibt bis jetzt im Hintergrunde, jedoch auf der Seite seines Neffen Nihil Singh, der wahrscheinlich in seinen und Dhian Singhs Händen nur ein Werkzeug ist, welches man wegwirft, wenn man es nicht mehr braucht. - Die Engländer müssen sich jetzt darein mischen, wenn sie die Integrität des Pendschab sichern und Kurruk Singh auf dem Throne erhalten wollen; es wäre vielleicht besser, die verschiedenen Parteien handgemein werden zu lassen, um sich zu versichern, welche derselbe die mächtigste sey.

Die Pariser Blätter vom 8 Jan. enthalten Auszüge aus der neuesten über Marseille nach England gehenden indischen Post, deren Hauptinhalt, namentlich die wichtigen Nachrichten aus China, wir schon gestern in Correspondenzen aus Alexandria mittheilten. (Das Ausführlichere über China s. in der heutigen Beilage.) Folgende jenen Auszügen entnommenen Notizen mögen zur Ergänzung unserer eigenen Berichte dienen. Nach einer Berechnung in der Bombay Gazette vom 28 Nov. beträgt seit der Unterbrechung des Opiumhandels mit China der bloße Ausfall in den Zöllen beinahe 9 Millionen Rupien (die Rupie ungefähr = 1 fl. 12 kr.), und der Verlust (resp. entgehende Gewinn) der Kaufleute von Bombay gegen 5 Millionen Pf. St. Die Zahl der brittischen Handelsschiffe, die beim Ausbruch der Feindseligkeiten unthätig an der Küste von China lagen, war 58. - Nach Briefen aus Lahore vom 1 Nov., die man in Bombay erhalten, war der älteste Sohn Rundschit Singhs und dessen Nachfolger in der Herrschaft, Kurruk Singh, durch seinen eigenen Sohn, Nau-Nihil Singh, entthront worden, welcher, obwohl erst 21 Jahre alt, an Fähigkeiten und Charakterstärke das Abbild seines verstorbenen Großvaters seyn soll. Diese Eigenschaften haben ihm das Vertrauen der Anführer des Heers, auch der französischen Officiere, gewonnen, so daß man sagen kann, es bestehe jetzt nur noch Eine Partei in Lahore. Der Thronwechsel ging indeß nicht ohne einiges Blutvergießen vor sich, indem mehrere angesehene Eingeborene ihre Widersetzlichkeit gegen den neuen Herrscher mit dem Leben büßten. General Ventura, der das ganze Vertrauen des neuen Maharadschah zu besitzen scheint, soll mit einer besondern Sendung an den Generalstatthalter von Brittisch-Indien, Lord Auckland, beauftragt worden seyn."



sich dem Volke zu zeigen pflegte, hinter vergitterten Fenstern diese öffentliche Promenade. Wenige Tage zuvor hatte ich Abd-Ul-Medschid in einem mit vier herrlichen Schimmeln bespannten Wagen zu sehen Gelegenheit; ich fand ihn seit vier Monaten bedeutend verändert, wozu ein sichtbarer Anflug von Bart und wie man mir sagte, ein leichtes Unwohlbefinden beigetragen haben mag. Der Sultan fuhr im stärksten Trab, und das Volk und die andern Wagen flogen bei seinem Erscheinen unter den Peitschenhieben der vorausreitenden Polizei in zwei Reihen auseinander. Von seiner Lebensweise weiß man nur wenig; man behauptet, er entwickle in den Staatsgeschäften immer mehr Eifer und Thätigkeit; im Allgemeinen ist er bedeutend weniger sichtbar als sein Vater.


Ostindien und Lahore

Aus Lahore berichten unsere Blätter: „Kurruk Singh, Maharadschah und Nachfolger Rundschit Singhs, der seinem geschickten und energischen Minister Dhian Singh durch seine Halsstarrigkeit (den Transport der Lebensmittel für die englische Armee durch seine Staaten nicht bewilligen zu wollen) Gelegenheit zu Zwiespalt gegeben, hat diese Spaltung noch erweitert, indem er Dscheyt Singh, einen intriganten unternehmenden Mann, zu seinem Günstling machte, auch demselben Würden und Ehrenbezeugungen ertheilte, die nur zum Sturze Dhian Singhs führen konnten. – Dieß konnte von einem Manne, dessen Einfluß und Rath bei Rundschit Singh so bedeutend war, nicht ruhig angesehen werden, und führte zu einer Verschwörung zwischen Dhian Singh, Nau Nihil Singh (Kurruks Sohn) und mehrern andern Häuptlingen, um sich Dscheyt Singhs durch den Tod zu entledigen. Am 8 October umgab Nau Nihil Singh, würdiger Sohn eines würdigen Vaters, den Palast mit seinen Soldaten, und in Gegenwart seines Vaters in vollem Durbar wurde Dscheyt Singh ermordet, auch mehrere Häuptlinge erschossen, einer so nahe beim Maharadschah. daß die Kugel dessen Arm streifte. Alle Wachen wurden sodann gewechselt, und Kurruk Singh unter Aufsicht gestellt. Einige Tage nachher begab sich der ganze Hof nach Umritsir, um den Dessarah zu genießen; man hatte aber Sorge, den Maharadschah streng zu bewachen. Er ritt auf einem Elephanten von zwei Regimentern Soldaten umgeben. Der Schatzmeister und Liebling Rundschit Singhs Bene Ram, der nur Dhian Singh in Gunst nachstand, ist ins Gefängniß geworfen worden, angeklagt, vergessen zu haben, den präsumtiven Thronerben (Nau Nihil) in den Schatz zu führen. Sein Hauptverbrechen besteht in seinem unermeßlichen Reichthum und den 10 Bataillonen unter seinen Befehlen. Dewan Sawan Mull, Häuptling von Multan, einer der mächtigsten Männer des Pendschab, soll sich für Nau Nihil Singh erklärt haben. Der listige Minister Dhian Singh hat es an keinen Versuchungen fehlen lassen, um den Neffen Rundschit Singhs zu verführen, obgleich er wenige Zeit vorher diesem letztern geschworen, seinen Lieblingssohn Kurruk Singh durch seinen Einfluß und seine Kenntnisse zu unterstützen. Shere Singh (Kurruks Bruder) bleibt bis jetzt im Hintergrunde, jedoch auf der Seite seines Neffen Nihil Singh, der wahrscheinlich in seinen und Dhian Singhs Händen nur ein Werkzeug ist, welches man wegwirft, wenn man es nicht mehr braucht. – Die Engländer müssen sich jetzt darein mischen, wenn sie die Integrität des Pendschab sichern und Kurruk Singh auf dem Throne erhalten wollen; es wäre vielleicht besser, die verschiedenen Parteien handgemein werden zu lassen, um sich zu versichern, welche derselbe die mächtigste sey.

Die Pariser Blätter vom 8 Jan. enthalten Auszüge aus der neuesten über Marseille nach England gehenden indischen Post, deren Hauptinhalt, namentlich die wichtigen Nachrichten aus China, wir schon gestern in Correspondenzen aus Alexandria mittheilten. (Das Ausführlichere über China s. in der heutigen Beilage.) Folgende jenen Auszügen entnommenen Notizen mögen zur Ergänzung unserer eigenen Berichte dienen. Nach einer Berechnung in der Bombay Gazette vom 28 Nov. beträgt seit der Unterbrechung des Opiumhandels mit China der bloße Ausfall in den Zöllen beinahe 9 Millionen Rupien (die Rupie ungefähr = 1 fl. 12 kr.), und der Verlust (resp. entgehende Gewinn) der Kaufleute von Bombay gegen 5 Millionen Pf. St. Die Zahl der brittischen Handelsschiffe, die beim Ausbruch der Feindseligkeiten unthätig an der Küste von China lagen, war 58. – Nach Briefen aus Lahore vom 1 Nov., die man in Bombay erhalten, war der älteste Sohn Rundschit Singhs und dessen Nachfolger in der Herrschaft, Kurruk Singh, durch seinen eigenen Sohn, Nau-Nihil Singh, entthront worden, welcher, obwohl erst 21 Jahre alt, an Fähigkeiten und Charakterstärke das Abbild seines verstorbenen Großvaters seyn soll. Diese Eigenschaften haben ihm das Vertrauen der Anführer des Heers, auch der französischen Officiere, gewonnen, so daß man sagen kann, es bestehe jetzt nur noch Eine Partei in Lahore. Der Thronwechsel ging indeß nicht ohne einiges Blutvergießen vor sich, indem mehrere angesehene Eingeborene ihre Widersetzlichkeit gegen den neuen Herrscher mit dem Leben büßten. General Ventura, der das ganze Vertrauen des neuen Maharadschah zu besitzen scheint, soll mit einer besondern Sendung an den Generalstatthalter von Brittisch-Indien, Lord Auckland, beauftragt worden seyn.“


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sich dem Volke zu zeigen pflegte, hinter vergitterten Fenstern diese öffentliche Promenade. Wenige Tage zuvor hatte ich Abd-Ul-Medschid in einem mit vier herrlichen Schimmeln bespannten Wagen zu sehen Gelegenheit; ich fand ihn seit vier Monaten bedeutend verändert, wozu ein sichtbarer Anflug von Bart und wie man mir sagte, ein leichtes Unwohlbefinden beigetragen haben mag. Der Sultan fuhr im stärksten Trab, und das Volk und die andern Wagen flogen bei seinem Erscheinen unter den Peitschenhieben der vorausreitenden Polizei in zwei Reihen auseinander. Von seiner Lebensweise weiß man nur wenig; man behauptet, er entwickle in den Staatsgeschäften immer mehr Eifer und Thätigkeit; im Allgemeinen ist er bedeutend weniger sichtbar als sein Vater.</p><lb/>
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          <p>Die Pariser Blätter vom 8 Jan. enthalten Auszüge aus der neuesten über Marseille nach England gehenden indischen Post, deren Hauptinhalt, namentlich die wichtigen Nachrichten aus China, wir schon gestern in Correspondenzen aus Alexandria mittheilten. (Das Ausführlichere über China s. in der heutigen Beilage.) Folgende jenen Auszügen entnommenen Notizen mögen zur Ergänzung unserer eigenen Berichte dienen. Nach einer Berechnung in der <hi rendition="#g">Bombay Gazette</hi> vom 28 Nov. beträgt seit der Unterbrechung des Opiumhandels mit China der bloße Ausfall in den Zöllen beinahe 9 Millionen Rupien (die Rupie ungefähr = 1 fl. 12 kr.), und der Verlust (resp. entgehende Gewinn) der Kaufleute von Bombay gegen 5 Millionen Pf. St. Die Zahl der brittischen Handelsschiffe, die beim Ausbruch der Feindseligkeiten unthätig an der Küste von China lagen, war 58. &#x2013; Nach Briefen aus <hi rendition="#b">Lahore</hi> vom 1 Nov., die man in Bombay erhalten, war der älteste Sohn Rundschit Singhs und dessen Nachfolger in der Herrschaft, Kurruk Singh, durch seinen eigenen Sohn, Nau-Nihil Singh, entthront worden, welcher, obwohl erst 21 Jahre alt, an Fähigkeiten und Charakterstärke das Abbild seines verstorbenen Großvaters seyn soll. Diese Eigenschaften haben ihm das Vertrauen der Anführer des Heers, auch der französischen Officiere, gewonnen, so daß man sagen kann, es bestehe jetzt nur noch Eine Partei in Lahore. Der Thronwechsel ging indeß nicht ohne einiges Blutvergießen vor sich, indem mehrere angesehene Eingeborene ihre Widersetzlichkeit gegen den neuen Herrscher mit dem Leben büßten. General Ventura, der das ganze Vertrauen des neuen Maharadschah zu besitzen scheint, soll mit einer besondern Sendung an den Generalstatthalter von Brittisch-Indien, Lord Auckland, beauftragt worden seyn.&#x201C;</p><lb/><lb/>
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[0104/0008] sich dem Volke zu zeigen pflegte, hinter vergitterten Fenstern diese öffentliche Promenade. Wenige Tage zuvor hatte ich Abd-Ul-Medschid in einem mit vier herrlichen Schimmeln bespannten Wagen zu sehen Gelegenheit; ich fand ihn seit vier Monaten bedeutend verändert, wozu ein sichtbarer Anflug von Bart und wie man mir sagte, ein leichtes Unwohlbefinden beigetragen haben mag. Der Sultan fuhr im stärksten Trab, und das Volk und die andern Wagen flogen bei seinem Erscheinen unter den Peitschenhieben der vorausreitenden Polizei in zwei Reihen auseinander. Von seiner Lebensweise weiß man nur wenig; man behauptet, er entwickle in den Staatsgeschäften immer mehr Eifer und Thätigkeit; im Allgemeinen ist er bedeutend weniger sichtbar als sein Vater. Ostindien und Lahore *Bombay, 26 Nov. Aus Lahore berichten unsere Blätter: „Kurruk Singh, Maharadschah und Nachfolger Rundschit Singhs, der seinem geschickten und energischen Minister Dhian Singh durch seine Halsstarrigkeit (den Transport der Lebensmittel für die englische Armee durch seine Staaten nicht bewilligen zu wollen) Gelegenheit zu Zwiespalt gegeben, hat diese Spaltung noch erweitert, indem er Dscheyt Singh, einen intriganten unternehmenden Mann, zu seinem Günstling machte, auch demselben Würden und Ehrenbezeugungen ertheilte, die nur zum Sturze Dhian Singhs führen konnten. – Dieß konnte von einem Manne, dessen Einfluß und Rath bei Rundschit Singh so bedeutend war, nicht ruhig angesehen werden, und führte zu einer Verschwörung zwischen Dhian Singh, Nau Nihil Singh (Kurruks Sohn) und mehrern andern Häuptlingen, um sich Dscheyt Singhs durch den Tod zu entledigen. Am 8 October umgab Nau Nihil Singh, würdiger Sohn eines würdigen Vaters, den Palast mit seinen Soldaten, und in Gegenwart seines Vaters in vollem Durbar wurde Dscheyt Singh ermordet, auch mehrere Häuptlinge erschossen, einer so nahe beim Maharadschah. daß die Kugel dessen Arm streifte. Alle Wachen wurden sodann gewechselt, und Kurruk Singh unter Aufsicht gestellt. Einige Tage nachher begab sich der ganze Hof nach Umritsir, um den Dessarah zu genießen; man hatte aber Sorge, den Maharadschah streng zu bewachen. Er ritt auf einem Elephanten von zwei Regimentern Soldaten umgeben. Der Schatzmeister und Liebling Rundschit Singhs Bene Ram, der nur Dhian Singh in Gunst nachstand, ist ins Gefängniß geworfen worden, angeklagt, vergessen zu haben, den präsumtiven Thronerben (Nau Nihil) in den Schatz zu führen. Sein Hauptverbrechen besteht in seinem unermeßlichen Reichthum und den 10 Bataillonen unter seinen Befehlen. Dewan Sawan Mull, Häuptling von Multan, einer der mächtigsten Männer des Pendschab, soll sich für Nau Nihil Singh erklärt haben. Der listige Minister Dhian Singh hat es an keinen Versuchungen fehlen lassen, um den Neffen Rundschit Singhs zu verführen, obgleich er wenige Zeit vorher diesem letztern geschworen, seinen Lieblingssohn Kurruk Singh durch seinen Einfluß und seine Kenntnisse zu unterstützen. Shere Singh (Kurruks Bruder) bleibt bis jetzt im Hintergrunde, jedoch auf der Seite seines Neffen Nihil Singh, der wahrscheinlich in seinen und Dhian Singhs Händen nur ein Werkzeug ist, welches man wegwirft, wenn man es nicht mehr braucht. – Die Engländer müssen sich jetzt darein mischen, wenn sie die Integrität des Pendschab sichern und Kurruk Singh auf dem Throne erhalten wollen; es wäre vielleicht besser, die verschiedenen Parteien handgemein werden zu lassen, um sich zu versichern, welche derselbe die mächtigste sey. Die Pariser Blätter vom 8 Jan. enthalten Auszüge aus der neuesten über Marseille nach England gehenden indischen Post, deren Hauptinhalt, namentlich die wichtigen Nachrichten aus China, wir schon gestern in Correspondenzen aus Alexandria mittheilten. (Das Ausführlichere über China s. in der heutigen Beilage.) Folgende jenen Auszügen entnommenen Notizen mögen zur Ergänzung unserer eigenen Berichte dienen. Nach einer Berechnung in der Bombay Gazette vom 28 Nov. beträgt seit der Unterbrechung des Opiumhandels mit China der bloße Ausfall in den Zöllen beinahe 9 Millionen Rupien (die Rupie ungefähr = 1 fl. 12 kr.), und der Verlust (resp. entgehende Gewinn) der Kaufleute von Bombay gegen 5 Millionen Pf. St. Die Zahl der brittischen Handelsschiffe, die beim Ausbruch der Feindseligkeiten unthätig an der Küste von China lagen, war 58. – Nach Briefen aus Lahore vom 1 Nov., die man in Bombay erhalten, war der älteste Sohn Rundschit Singhs und dessen Nachfolger in der Herrschaft, Kurruk Singh, durch seinen eigenen Sohn, Nau-Nihil Singh, entthront worden, welcher, obwohl erst 21 Jahre alt, an Fähigkeiten und Charakterstärke das Abbild seines verstorbenen Großvaters seyn soll. Diese Eigenschaften haben ihm das Vertrauen der Anführer des Heers, auch der französischen Officiere, gewonnen, so daß man sagen kann, es bestehe jetzt nur noch Eine Partei in Lahore. Der Thronwechsel ging indeß nicht ohne einiges Blutvergießen vor sich, indem mehrere angesehene Eingeborene ihre Widersetzlichkeit gegen den neuen Herrscher mit dem Leben büßten. General Ventura, der das ganze Vertrauen des neuen Maharadschah zu besitzen scheint, soll mit einer besondern Sendung an den Generalstatthalter von Brittisch-Indien, Lord Auckland, beauftragt worden seyn.“

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Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 13. Augsburg, 13. Januar 1840, S. 0104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_013_18400113/8>, abgerufen am 04.05.2024.