Allgemeine Zeitung. Nr. 13. Augsburg, 13. Januar 1840.
Türkei. Konstantinopel, 23 Dec. Die Commission, die zur Verwirklichung der im Hattischerif eröffneten Aussichten auf eine Reihe von radicalen Reformen nicht nur im Gebiete der Staatsadministration, sondern auch in dem der Verfassung des Reichs von der Pforte aufgestellt worden, ist bereits in der größten Thätigkeit begriffen. Nichtsdestoweniger beschäftigt sich auch der Ministerrath mit diesem Gegenstande, und nicht ohne Grund besorgt man, daß sich dadurch die Meinungen durchkreuzen und manche Uebereilungen das Resultat des übertriebenen Eifers, mit dem man die Sache betreibt, seyn dürften. Anstatt den Arbeiten der aufgestellten Commission ihren freien Gang zu lassen, anstatt die Ergebnisse ihrer Untersuchungen abzuwarten, scheint man das größte Gewicht auf Schnelligkeit des Verfahrens zu legen, ohne gehörig zu überlegen, daß jede Abweichung vom alten System auf unzählige Hindernisse stoßen muß, daß die Vereinbarung oder vielmehr die vorläufige Bearbeitung der Volksansichten vorausgehen sollte, bevor man sich zum großen Werke der Trennung des Staatsgesetzbungsrechts von dem Mohammedanischen Kirchenrechte anschickt. Es ist leicht zu erkennen, daß man ein Riesenwerk unternommen, in dessen Ausführung man bei jedem Schritte Gefahr läuft, mit dem göttlichen Gesetze in Conflict zu gerathen, so daß man mit größter Umsicht vorzugehen hat, wenn man nicht schon im Beginn sein eigenes Werk vernichten will. Es wäre daher zu wünschen, erstens daß die Zahl der Commissionsglieder bedeutend verstärkt werde, um mehr Einsichten und eine größere Masse von Erfahrungen benützen zu können, dann aber auch, daß der Commission die nöthige Zeit zur Auffindung der geeignetsten Mittel gewährt werde, um Collisionen mit der Kirche so viel möglich zu vermeiden, unvermeidliche aber siegreich zu überwinden. Was den ersten Punkt betrifft, so ist beschlossen worden, daß die Zahl der Mitglieder auf 15 vermehrt, und daß an den Berathungen derselben auch außerordentliche Beisitzer Theil nehmen sollen, unter denen Reschid Pascha, der Urheber des Reformplans, und sein begeisterter Unterstützer, Achmed Fethi Pascha, die vorzüglichsten seyn dürften. Hinsichtlich des zweiten Punkts scheint man von der Ansicht auszugehen, daß es bereits höchste Zeit, die durchgreifendsten Reformen zu unternehmen, und auf jeden Fall rathsamer sey, mit einem Schlage die bestehenden Uebel auszurotten, als mit allmählichen Abänderungen die fanatischen Anhänger des Alten unaufhörlich zu necken. Man scheint dabei zu übersehen, daß außerordentliche Maaßregeln auch außerordentliche Männer verlangen, die man unter den türkischen Machthabern nirgends erblickt. - Die türkischen Finanzen scheinen sich nach der eingetretenen Wirksamkeit des mit England abgeschlossenen Handelstractats vom 16 Aug. 1838 bedeutend besser gestellt zu haben, und Reschid Pascha, der jenen Vertrag schloß, feiert eine Art von Triumph über seine zahlreichen Gegner, die nichts Angelegentlicheres kannten, als sein Werk und seine Absichten zu verdächtigen, - Es befindet sich gegenwärtig der berühmte französische Marine-Maler, Hr. Gudin, in Konstantinopel, der im Auftrage Ludwig Philipps reist, um in die königliche Galerie dreißig See- und Landschaftsgemälde zu liefern. - Auch der große Taschenspieler Bosco scheint länger hier verweilen zu wollen. - Der Internuncius hat dem Hrn. v. Pontois ein großes diplomatisches Diner gegeben, zu dem das gesammte Corps eingeladen war. Konstantinopel, 24 Dec. Eine äußerst stürmische Sitzung hat im Divan stattgefunden. Gegenstand derselben waren die im Hattischerif versprochenen organischen Verbesserungen und ihre Ausführung. Mit Vergnügen melde ich Ihnen, daß die türkischen Triumvirn, Chosrew, Reschid und Halil Pascha fest aneinander hielten, um die Einwendungen zu entkräften und die auf sie gemachten Angriffe abzuwehren. Mit wahrer Erbitterung lehnten sich die anwesenden Ulemas gegen die gefahrdrohenden Neuerungen auf, die man im osmanischen Reiche einzuführen versuche. An sie schloß sich der zweite Schwager des Sultans an, ein ziemlich beschränkter Kopf. Der Streit währte eine Zeit lang mit Animosität von einer mit und nicht hinlänglicher Ruhe von der andern Seite, bis man endlich über folgendes Auskunftsmittel sich vereinigte. Die Vollziehung des Hattischerif soll sich einstweilen auf den ersten der drei darin aufgestellten Cardinalpunkte beschränken; zur Ausführung der zwei übrigen soll ein geeigneterer Zeitpunkt abgewartet werden. Man wird sich daher vorläufig mit der Aufstellung der Garantien beschäftigen, welche den Unterthanen für ihr Leben, ihre Ehre, ihr Vermögen vollkommene Sicherheit gewähren sollen. Die Erlassung der nöthigen Anordnungen zu einer regelmäßigen Vertheilung und Erhebung der Steuern hingegen, so wie ein regelmäßiges Recrutirungsgesetz und die Festsetzung einer bestimmten Capitulationszeit für den dienenden Militär bleiben aufgeschoben. Sie werden billig über dieß seltsame Resultat erstaunen, welches gerade jenen Punkt unmittelbarer Discussion unterwirft, durch welchen die Macht der Ulemas eigentlich als am meisten gefährdet erscheint und dessen Sinn so umfassend ist, daß leicht alle Gegenstände der Gesetzgebung darunter begriffen, ja selbst die auf geeignetere Zeit aufbehaltenen zwei Punkte ohne Zwang subsumirt werden können. Insofern scheint das weltliche Triumvirat den Sieg davon getragen zu haben. - Der "Veloce" ist bereits von Trapezunt zurück in unseren Hafen eingelaufen und bestätigt die früher gegebene Nachricht, daß Graf Sercey mit seinem zahlreichen Gefolge glücklich daselbst ans Land gebracht worden. Wir hatten in der letzten Zeit, besonders während des Fastenmonats, ein sommerähnliches Wetter; ich benützte daher fast jeden Nachmittag, um mich mit dem Innern der Stadt bekannt zu machen. Es ward mir dabei das Glück zu Theil, den türkischen Corso zu sehen, wo das schöne Geschlecht sich in äußerst uneleganten und ungestalteten Wagen auf und abfahren läßt, und wie überall durch Schmuck und feurige Blicke, die unter dem Schleier durchblitzen, die Aufmerksamkeit der Vorübergehenden auf sich zu leiten strebt. Der Sultan übersah aus einem Kiosk, oberhalb derselben Butike, in welcher Mahmud
Türkei. Konstantinopel, 23 Dec. Die Commission, die zur Verwirklichung der im Hattischerif eröffneten Aussichten auf eine Reihe von radicalen Reformen nicht nur im Gebiete der Staatsadministration, sondern auch in dem der Verfassung des Reichs von der Pforte aufgestellt worden, ist bereits in der größten Thätigkeit begriffen. Nichtsdestoweniger beschäftigt sich auch der Ministerrath mit diesem Gegenstande, und nicht ohne Grund besorgt man, daß sich dadurch die Meinungen durchkreuzen und manche Uebereilungen das Resultat des übertriebenen Eifers, mit dem man die Sache betreibt, seyn dürften. Anstatt den Arbeiten der aufgestellten Commission ihren freien Gang zu lassen, anstatt die Ergebnisse ihrer Untersuchungen abzuwarten, scheint man das größte Gewicht auf Schnelligkeit des Verfahrens zu legen, ohne gehörig zu überlegen, daß jede Abweichung vom alten System auf unzählige Hindernisse stoßen muß, daß die Vereinbarung oder vielmehr die vorläufige Bearbeitung der Volksansichten vorausgehen sollte, bevor man sich zum großen Werke der Trennung des Staatsgesetzbungsrechts von dem Mohammedanischen Kirchenrechte anschickt. Es ist leicht zu erkennen, daß man ein Riesenwerk unternommen, in dessen Ausführung man bei jedem Schritte Gefahr läuft, mit dem göttlichen Gesetze in Conflict zu gerathen, so daß man mit größter Umsicht vorzugehen hat, wenn man nicht schon im Beginn sein eigenes Werk vernichten will. Es wäre daher zu wünschen, erstens daß die Zahl der Commissionsglieder bedeutend verstärkt werde, um mehr Einsichten und eine größere Masse von Erfahrungen benützen zu können, dann aber auch, daß der Commission die nöthige Zeit zur Auffindung der geeignetsten Mittel gewährt werde, um Collisionen mit der Kirche so viel möglich zu vermeiden, unvermeidliche aber siegreich zu überwinden. Was den ersten Punkt betrifft, so ist beschlossen worden, daß die Zahl der Mitglieder auf 15 vermehrt, und daß an den Berathungen derselben auch außerordentliche Beisitzer Theil nehmen sollen, unter denen Reschid Pascha, der Urheber des Reformplans, und sein begeisterter Unterstützer, Achmed Fethi Pascha, die vorzüglichsten seyn dürften. Hinsichtlich des zweiten Punkts scheint man von der Ansicht auszugehen, daß es bereits höchste Zeit, die durchgreifendsten Reformen zu unternehmen, und auf jeden Fall rathsamer sey, mit einem Schlage die bestehenden Uebel auszurotten, als mit allmählichen Abänderungen die fanatischen Anhänger des Alten unaufhörlich zu necken. Man scheint dabei zu übersehen, daß außerordentliche Maaßregeln auch außerordentliche Männer verlangen, die man unter den türkischen Machthabern nirgends erblickt. – Die türkischen Finanzen scheinen sich nach der eingetretenen Wirksamkeit des mit England abgeschlossenen Handelstractats vom 16 Aug. 1838 bedeutend besser gestellt zu haben, und Reschid Pascha, der jenen Vertrag schloß, feiert eine Art von Triumph über seine zahlreichen Gegner, die nichts Angelegentlicheres kannten, als sein Werk und seine Absichten zu verdächtigen, – Es befindet sich gegenwärtig der berühmte französische Marine-Maler, Hr. Gudin, in Konstantinopel, der im Auftrage Ludwig Philipps reist, um in die königliche Galerie dreißig See- und Landschaftsgemälde zu liefern. – Auch der große Taschenspieler Bosco scheint länger hier verweilen zu wollen. – Der Internuncius hat dem Hrn. v. Pontois ein großes diplomatisches Diner gegeben, zu dem das gesammte Corps eingeladen war. Konstantinopel, 24 Dec. Eine äußerst stürmische Sitzung hat im Divan stattgefunden. Gegenstand derselben waren die im Hattischerif versprochenen organischen Verbesserungen und ihre Ausführung. Mit Vergnügen melde ich Ihnen, daß die türkischen Triumvirn, Chosrew, Reschid und Halil Pascha fest aneinander hielten, um die Einwendungen zu entkräften und die auf sie gemachten Angriffe abzuwehren. Mit wahrer Erbitterung lehnten sich die anwesenden Ulemas gegen die gefahrdrohenden Neuerungen auf, die man im osmanischen Reiche einzuführen versuche. An sie schloß sich der zweite Schwager des Sultans an, ein ziemlich beschränkter Kopf. Der Streit währte eine Zeit lang mit Animosität von einer mit und nicht hinlänglicher Ruhe von der andern Seite, bis man endlich über folgendes Auskunftsmittel sich vereinigte. Die Vollziehung des Hattischerif soll sich einstweilen auf den ersten der drei darin aufgestellten Cardinalpunkte beschränken; zur Ausführung der zwei übrigen soll ein geeigneterer Zeitpunkt abgewartet werden. Man wird sich daher vorläufig mit der Aufstellung der Garantien beschäftigen, welche den Unterthanen für ihr Leben, ihre Ehre, ihr Vermögen vollkommene Sicherheit gewähren sollen. Die Erlassung der nöthigen Anordnungen zu einer regelmäßigen Vertheilung und Erhebung der Steuern hingegen, so wie ein regelmäßiges Recrutirungsgesetz und die Festsetzung einer bestimmten Capitulationszeit für den dienenden Militär bleiben aufgeschoben. Sie werden billig über dieß seltsame Resultat erstaunen, welches gerade jenen Punkt unmittelbarer Discussion unterwirft, durch welchen die Macht der Ulemas eigentlich als am meisten gefährdet erscheint und dessen Sinn so umfassend ist, daß leicht alle Gegenstände der Gesetzgebung darunter begriffen, ja selbst die auf geeignetere Zeit aufbehaltenen zwei Punkte ohne Zwang subsumirt werden können. Insofern scheint das weltliche Triumvirat den Sieg davon getragen zu haben. – Der „Veloce“ ist bereits von Trapezunt zurück in unseren Hafen eingelaufen und bestätigt die früher gegebene Nachricht, daß Graf Sercey mit seinem zahlreichen Gefolge glücklich daselbst ans Land gebracht worden. Wir hatten in der letzten Zeit, besonders während des Fastenmonats, ein sommerähnliches Wetter; ich benützte daher fast jeden Nachmittag, um mich mit dem Innern der Stadt bekannt zu machen. Es ward mir dabei das Glück zu Theil, den türkischen Corso zu sehen, wo das schöne Geschlecht sich in äußerst uneleganten und ungestalteten Wagen auf und abfahren läßt, und wie überall durch Schmuck und feurige Blicke, die unter dem Schleier durchblitzen, die Aufmerksamkeit der Vorübergehenden auf sich zu leiten strebt. 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Nichtsdestoweniger beschäftigt sich auch der Ministerrath mit diesem Gegenstande, und nicht ohne Grund besorgt man, daß sich dadurch die Meinungen durchkreuzen und manche Uebereilungen das Resultat des übertriebenen Eifers, mit dem man die Sache betreibt, seyn dürften. Anstatt den Arbeiten der aufgestellten Commission ihren freien Gang zu lassen, anstatt die Ergebnisse ihrer Untersuchungen abzuwarten, scheint man das größte Gewicht auf Schnelligkeit des Verfahrens zu legen, ohne gehörig zu überlegen, daß jede Abweichung vom alten System auf unzählige Hindernisse stoßen muß, daß die Vereinbarung oder vielmehr die vorläufige Bearbeitung der Volksansichten vorausgehen sollte, bevor man sich zum großen Werke der Trennung des Staatsgesetzbungsrechts von dem Mohammedanischen Kirchenrechte anschickt. Es ist leicht zu erkennen, daß man ein Riesenwerk unternommen, in dessen Ausführung man bei jedem Schritte Gefahr läuft, mit dem göttlichen Gesetze in Conflict zu gerathen, so daß man mit größter Umsicht vorzugehen hat, wenn man nicht schon im Beginn sein eigenes Werk vernichten will. Es wäre daher zu wünschen, erstens daß die Zahl der Commissionsglieder bedeutend verstärkt werde, um mehr Einsichten und eine größere Masse von Erfahrungen benützen zu können, dann aber auch, daß der Commission die nöthige Zeit zur Auffindung der geeignetsten Mittel gewährt werde, um Collisionen mit der Kirche so viel möglich zu vermeiden, unvermeidliche aber siegreich zu überwinden. Was den ersten Punkt betrifft, so ist beschlossen worden, daß die Zahl der Mitglieder auf 15 vermehrt, und daß an den Berathungen derselben auch außerordentliche Beisitzer Theil nehmen sollen, unter denen Reschid Pascha, der Urheber des Reformplans, und sein begeisterter Unterstützer, Achmed Fethi Pascha, die vorzüglichsten seyn dürften. Hinsichtlich des zweiten Punkts scheint man von der Ansicht auszugehen, daß es bereits höchste Zeit, die durchgreifendsten Reformen zu unternehmen, und auf jeden Fall rathsamer sey, mit einem Schlage die bestehenden Uebel auszurotten, als mit allmählichen Abänderungen die fanatischen Anhänger des Alten unaufhörlich zu necken. Man scheint dabei zu übersehen, daß außerordentliche Maaßregeln auch außerordentliche Männer verlangen, die man unter den türkischen Machthabern nirgends erblickt. – Die türkischen Finanzen scheinen sich nach der eingetretenen Wirksamkeit des mit England abgeschlossenen Handelstractats vom 16 Aug. 1838 bedeutend besser gestellt zu haben, und Reschid Pascha, der jenen Vertrag schloß, feiert eine Art von Triumph über seine zahlreichen Gegner, die nichts Angelegentlicheres kannten, als sein Werk und seine Absichten zu verdächtigen, – Es befindet sich gegenwärtig der berühmte französische Marine-Maler, Hr. Gudin, in Konstantinopel, der im Auftrage Ludwig Philipps reist, um in die königliche Galerie dreißig See- und Landschaftsgemälde zu liefern. – Auch der große Taschenspieler Bosco scheint länger hier verweilen zu wollen. – Der Internuncius hat dem Hrn. v. 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Der Streit währte eine Zeit lang mit Animosität von einer mit und nicht hinlänglicher Ruhe von der andern Seite, bis man endlich über folgendes Auskunftsmittel sich vereinigte. Die Vollziehung des Hattischerif soll sich einstweilen auf den ersten der drei darin aufgestellten Cardinalpunkte beschränken; zur Ausführung der zwei übrigen soll ein geeigneterer Zeitpunkt abgewartet werden. Man wird sich daher vorläufig mit der Aufstellung der Garantien beschäftigen, welche den Unterthanen für ihr Leben, ihre Ehre, ihr Vermögen vollkommene Sicherheit gewähren sollen. Die Erlassung der nöthigen Anordnungen zu einer regelmäßigen Vertheilung und Erhebung der Steuern hingegen, so wie ein regelmäßiges Recrutirungsgesetz und die Festsetzung einer bestimmten Capitulationszeit für den dienenden Militär bleiben aufgeschoben. Sie werden billig über dieß seltsame Resultat erstaunen, welches gerade jenen Punkt unmittelbarer Discussion unterwirft, durch welchen die Macht der Ulemas eigentlich als am meisten gefährdet erscheint und dessen Sinn so umfassend ist, daß leicht alle Gegenstände der Gesetzgebung darunter begriffen, ja selbst die auf geeignetere Zeit aufbehaltenen zwei Punkte ohne Zwang subsumirt werden können. Insofern scheint das weltliche Triumvirat den Sieg davon getragen zu haben. – Der „Veloce“ ist bereits von Trapezunt zurück in unseren Hafen eingelaufen und bestätigt die früher gegebene Nachricht, daß Graf Sercey mit seinem zahlreichen Gefolge glücklich daselbst ans Land gebracht worden. Wir hatten in der letzten Zeit, besonders während des Fastenmonats, ein sommerähnliches Wetter; ich benützte daher fast jeden Nachmittag, um mich mit dem Innern der Stadt bekannt zu machen. Es ward mir dabei das Glück zu Theil, den türkischen Corso zu sehen, wo das schöne Geschlecht sich in äußerst uneleganten und ungestalteten Wagen auf und abfahren läßt, und wie überall durch Schmuck und feurige Blicke, die unter dem Schleier durchblitzen, die Aufmerksamkeit der Vorübergehenden auf sich zu leiten strebt. Der Sultan übersah aus einem Kiosk, oberhalb derselben Butike, in welcher Mahmud<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0103/0007]
Kinder zu enterben – und im Uebrigen gelten uns seine Glieder nur nach ihrem Verdienste als Menschen und Bürger. – Daß sie sich mit wenigen bemerkenswerthen Ausnahmen durch Besitz auszeichnen, gestehen wir zu, wenn dieß anders eine Auszeichnung genannt werden darf; – daß sie sich bisher durch Wissenschaft ausgezeichnet haben sollen, ist uns völlig neu, und was ihre Sittlichkeit betrifft, so können wir nicht die Absicht haben, deßhalb Jemand anzuklagen oder zu richten. – Wir werden uns freuen, wenn sie ihrem „Herrgott“ die gebührende Liebe und Ehrfurcht erweisen, was ja nicht eben statutenmäßig zu geschehen braucht, da er doch wohl unser aller Gott und Vater ist – wenn sie sich die moralischen Vorschriften zur Richtschnur nehmen, welche die Einleitung zu ihrem Statute bilden, und welche im Allgemeinen für Bauern und Handwerker eben so gut passen wie für Ritter – nur sollen sie Wissenschaft und Sittlichkeit nicht auch als ein Standesvorrecht in Anspruch nehmen, und sich allein alle „geistige und materielle Realität“ beimessen, nur sollen sie, wie sie es in eben den statutarischen Sittenregeln thun, uns das ehrliche Gewerbe nicht schmähen, indem sie, sich es untersagend, es mit der Haltung schändlicher Spielbanken in eine Classe setzen.
Türkei.
△Konstantinopel, 23 Dec. Die Commission, die zur Verwirklichung der im Hattischerif eröffneten Aussichten auf eine Reihe von radicalen Reformen nicht nur im Gebiete der Staatsadministration, sondern auch in dem der Verfassung des Reichs von der Pforte aufgestellt worden, ist bereits in der größten Thätigkeit begriffen. Nichtsdestoweniger beschäftigt sich auch der Ministerrath mit diesem Gegenstande, und nicht ohne Grund besorgt man, daß sich dadurch die Meinungen durchkreuzen und manche Uebereilungen das Resultat des übertriebenen Eifers, mit dem man die Sache betreibt, seyn dürften. Anstatt den Arbeiten der aufgestellten Commission ihren freien Gang zu lassen, anstatt die Ergebnisse ihrer Untersuchungen abzuwarten, scheint man das größte Gewicht auf Schnelligkeit des Verfahrens zu legen, ohne gehörig zu überlegen, daß jede Abweichung vom alten System auf unzählige Hindernisse stoßen muß, daß die Vereinbarung oder vielmehr die vorläufige Bearbeitung der Volksansichten vorausgehen sollte, bevor man sich zum großen Werke der Trennung des Staatsgesetzbungsrechts von dem Mohammedanischen Kirchenrechte anschickt. Es ist leicht zu erkennen, daß man ein Riesenwerk unternommen, in dessen Ausführung man bei jedem Schritte Gefahr läuft, mit dem göttlichen Gesetze in Conflict zu gerathen, so daß man mit größter Umsicht vorzugehen hat, wenn man nicht schon im Beginn sein eigenes Werk vernichten will. Es wäre daher zu wünschen, erstens daß die Zahl der Commissionsglieder bedeutend verstärkt werde, um mehr Einsichten und eine größere Masse von Erfahrungen benützen zu können, dann aber auch, daß der Commission die nöthige Zeit zur Auffindung der geeignetsten Mittel gewährt werde, um Collisionen mit der Kirche so viel möglich zu vermeiden, unvermeidliche aber siegreich zu überwinden. Was den ersten Punkt betrifft, so ist beschlossen worden, daß die Zahl der Mitglieder auf 15 vermehrt, und daß an den Berathungen derselben auch außerordentliche Beisitzer Theil nehmen sollen, unter denen Reschid Pascha, der Urheber des Reformplans, und sein begeisterter Unterstützer, Achmed Fethi Pascha, die vorzüglichsten seyn dürften. Hinsichtlich des zweiten Punkts scheint man von der Ansicht auszugehen, daß es bereits höchste Zeit, die durchgreifendsten Reformen zu unternehmen, und auf jeden Fall rathsamer sey, mit einem Schlage die bestehenden Uebel auszurotten, als mit allmählichen Abänderungen die fanatischen Anhänger des Alten unaufhörlich zu necken. Man scheint dabei zu übersehen, daß außerordentliche Maaßregeln auch außerordentliche Männer verlangen, die man unter den türkischen Machthabern nirgends erblickt. – Die türkischen Finanzen scheinen sich nach der eingetretenen Wirksamkeit des mit England abgeschlossenen Handelstractats vom 16 Aug. 1838 bedeutend besser gestellt zu haben, und Reschid Pascha, der jenen Vertrag schloß, feiert eine Art von Triumph über seine zahlreichen Gegner, die nichts Angelegentlicheres kannten, als sein Werk und seine Absichten zu verdächtigen, – Es befindet sich gegenwärtig der berühmte französische Marine-Maler, Hr. Gudin, in Konstantinopel, der im Auftrage Ludwig Philipps reist, um in die königliche Galerie dreißig See- und Landschaftsgemälde zu liefern. – Auch der große Taschenspieler Bosco scheint länger hier verweilen zu wollen. – Der Internuncius hat dem Hrn. v. Pontois ein großes diplomatisches Diner gegeben, zu dem das gesammte Corps eingeladen war.
*✝ Konstantinopel, 24 Dec. Eine äußerst stürmische Sitzung hat im Divan stattgefunden. Gegenstand derselben waren die im Hattischerif versprochenen organischen Verbesserungen und ihre Ausführung. Mit Vergnügen melde ich Ihnen, daß die türkischen Triumvirn, Chosrew, Reschid und Halil Pascha fest aneinander hielten, um die Einwendungen zu entkräften und die auf sie gemachten Angriffe abzuwehren. Mit wahrer Erbitterung lehnten sich die anwesenden Ulemas gegen die gefahrdrohenden Neuerungen auf, die man im osmanischen Reiche einzuführen versuche. An sie schloß sich der zweite Schwager des Sultans an, ein ziemlich beschränkter Kopf. Der Streit währte eine Zeit lang mit Animosität von einer mit und nicht hinlänglicher Ruhe von der andern Seite, bis man endlich über folgendes Auskunftsmittel sich vereinigte. Die Vollziehung des Hattischerif soll sich einstweilen auf den ersten der drei darin aufgestellten Cardinalpunkte beschränken; zur Ausführung der zwei übrigen soll ein geeigneterer Zeitpunkt abgewartet werden. Man wird sich daher vorläufig mit der Aufstellung der Garantien beschäftigen, welche den Unterthanen für ihr Leben, ihre Ehre, ihr Vermögen vollkommene Sicherheit gewähren sollen. Die Erlassung der nöthigen Anordnungen zu einer regelmäßigen Vertheilung und Erhebung der Steuern hingegen, so wie ein regelmäßiges Recrutirungsgesetz und die Festsetzung einer bestimmten Capitulationszeit für den dienenden Militär bleiben aufgeschoben. Sie werden billig über dieß seltsame Resultat erstaunen, welches gerade jenen Punkt unmittelbarer Discussion unterwirft, durch welchen die Macht der Ulemas eigentlich als am meisten gefährdet erscheint und dessen Sinn so umfassend ist, daß leicht alle Gegenstände der Gesetzgebung darunter begriffen, ja selbst die auf geeignetere Zeit aufbehaltenen zwei Punkte ohne Zwang subsumirt werden können. Insofern scheint das weltliche Triumvirat den Sieg davon getragen zu haben. – Der „Veloce“ ist bereits von Trapezunt zurück in unseren Hafen eingelaufen und bestätigt die früher gegebene Nachricht, daß Graf Sercey mit seinem zahlreichen Gefolge glücklich daselbst ans Land gebracht worden. Wir hatten in der letzten Zeit, besonders während des Fastenmonats, ein sommerähnliches Wetter; ich benützte daher fast jeden Nachmittag, um mich mit dem Innern der Stadt bekannt zu machen. Es ward mir dabei das Glück zu Theil, den türkischen Corso zu sehen, wo das schöne Geschlecht sich in äußerst uneleganten und ungestalteten Wagen auf und abfahren läßt, und wie überall durch Schmuck und feurige Blicke, die unter dem Schleier durchblitzen, die Aufmerksamkeit der Vorübergehenden auf sich zu leiten strebt. Der Sultan übersah aus einem Kiosk, oberhalb derselben Butike, in welcher Mahmud
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