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Allgemeine Zeitung. Nr. 13. Augsburg, 13. Januar 1840.

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Europa's bildet, glauben Sie dann nicht, daß jene langmüthige und gemäßigte Politik, welche die Ursachen des Kriegs neutralisirt, eine große Katastrophe verhindert, nicht mächtig wirkend sey? Eben, indem sie den Waffen Stillstand gebietet, den erhobenen Schwertern Einhalt thut, handelt sie. . . Der ehrenwerthe Redner vor mir stellt Frankreich zwischen zwei große Mächte, und sagt zu ihm: "Du mußt einer dieser Mächte beitreten; was sie auch thun mag, du mußt es billigen; denn mit ihr kannst du theilen, mit der andern nicht." Vielleicht aber läßt sich darauf eine edle, wahre, politische Antwort geben: wir bedürfen keiner Theilung, wir wünschen keine; wir glauben daß das, was ungerecht, auch gefährlich ist - die Zerstückelung; wir glauben, daß es unpolitisch wäre, so großen Eifer zu zeigen, an einer Erbschaft Theil zu nehmen, die noch nicht eröffnet ist. (Sehr gut!) . . . Der Stand der diplomatischen Beziehungen garantirt das türkische Reich. Und Sie wollen nun hinter jener einstimmigen Erklärung des Friedens und der Freundschaft, fast möchte man sagen hinter jenem Protectorat, die Absicht verbergen, mit gierigen Händen die Fetzen jenes Reichs aufzugreifen, dieses Stück England, jenes Rußland, ein anderes Stück Oesterreich, ein anderes Frankreich zuwerfen? Weder die öffentliche Politik, noch die geheime Diplomatie können diesen Gedanken hegen. Wenn er irgendwo existirt, so gesteht man ihn nicht, abgesehen davon, daß er unausführbar ist, Frankreich, das sich ihm widersetzen würde, kann nicht die Grundlage einer politischen Berechnung für sich selbst daraus machen. Der andere Einwurf scheint mir eben so wenig begründet. Was ihr auch immer thun mögt, so sagt man uns, was ihr auch im Sinne habt, nehmt euren Stützpunkt hier und nicht dort. Ich glaube in diesen Aeußerungen einige jener Eindrücke wieder zu erkennen, die sich an andern Stellen der Rede des ehrenwerthen Pairs nur zu deutlich zu erkennen geben. (Hört, hört!) Hier, so sagt man uns, würdet ihr eine starke Allianz finden, die euch, wenn sie Alles nimmt, etwas davon ablassen dürfte; anderwärts würdet ihr wenig Freundschaft, wenig Beistand finden. Man setzt hinzu, daß jene andere Allianz eine Zeit lang allerdings nothwendig gewesen seyn möge; es ist als ob man uns sagen wollte, daß sie einer der Nachtheile des großen Ereignisses gewesen, welches die innere Lage Frankreichs geändert habe. Warum sollte aber jene Allianz nicht dauernd seyn? Sollte die gleiche Regierungsform, ohne gerade ein absolutes Gebot der Annäherung zu seyn, nicht einigen Einfluß haben bei dem gegenwärtigen Zustande von Europa, wo jeder große Krieg eine politische Revolution wäre? Sollte das beiden Ländern gemeinsame Ereigniß eines legalen Dynastiewechsels nicht einige Bedeutung haben? Und warum sollte ein gemeinschaftliches Princip nicht ein großer Beweggrund der Vereinigung seyn? Der ehrenwerthe Redner erschrickt über eine Allianz von entgegengesetzten Interessen, ein Bündniß, das sich plötzlich bilden und Frankreich isolirt und getäuscht dastehen lassen könnte. Darauf kann man antworten, indem man auf die Neigung verweist, welche uns an der Allianz einer großen Macht festhalten läßt, welche mehr See- als Landstreitkräfte besitzt, und welche eben durch diese Neigung auf die Unterstützung hingewiesen wird, die sie bei uns finden kann. Frankreich ist nicht isolirt; es ist unabhängig, es ist nicht das erstemal, daß seit einiger Zeit außerhalb seiner Allianz Annäherungen versucht wurden, ein Streben, das in sich selbst den Beweis der Unmöglichkeit trägt. Während Sie sehen, daß in Betreff eines Punkts des Orients zwei große Mächte im Begriff sind, sich zu verständigen, um Frankreich isolirt zu lassen, sehen Sie nicht auch, daß auf andern Punkten diese zwei Mächte unaufhörlich sich begegnen und sich aneinander reiben? Ueberzeugt, wie wir sind, von den unüberwindlichen Hindernissen, die dieser projectirten Vereinigung entgegenstehen, sollte es da nicht besser seyn, zuzuwarten, statt nachzugeben? Denn die Zeit ist für uns; die Zeit gewährt der Politik der Mäßigung und des Rechts den Sieg; die Zeit ist für die Gerechtigkeit, so wie man den Ausbruch des Kriegs und der Gewaltthat verhindert hat. (Allgemeine Zeichen der Beistimmung.) . . . Ich will nicht länger bei so delicaten Punkten verweilen, bei denen man, wenn auch nicht gegen Gerechtigkeit und Wahrheit, doch gegen die politische Schicklichkeit verstoßen kann. Ich will nicht, um den ehrenwerthen Redner nicht ganz zu desavoniren, sagen, daß gar kein Interesse uns der Macht nähern könne, deren riesenhafte Vergrößerungen er so kräftig geschildert hat; ich muß aber sagen, daß die Allianz Englands und Frankreichs eine der Grundlagen der Sicherheit Europa's und der Freiheit der Welt ist."

(Univers.) Wir haben von einem Annäherungsversuche zwischen dem Grafen Mole und Hrn. Thiers gesprochen. Die Unterhandlungen dauerten in den letzten Tagen des Decembers fort. Der Kanzler, Hr. Pasquier, war der eifrige Vermittler dieser Annäherung. In Folge einer neuen Zusammenkunft der HH. Mole und Thiers aber, wobei es unmöglich war, die Forderungen dieser zwei vormaligen Conseilspräsidenten auszugleichen, ward jede Unterhandlung abgebrochen.

Auf dem Markte von Autun gab es wegen Einführung der neuen Maaße und Gewichte einige Zusammenrottungen und Widersetzlichkeiten, denen die Gendarmerie lange vergeblich Einhalt zu thun suchte. Die Behörden begaben sich dann selbst auf den Markt, und leiteten den Verkauf des Getreides. Dadurch ward die Ordnung hergestellt. Mehrere Aufwiegler wurden inzwischen verhaftet.

Es gibt in dem französischen Charakter eine Seite, die stets Anerkennung und Bewunderung bei den andern Nationen, besonders den Deutschen, gefunden hat, und die als Entschädigung für mancherlei Leichtsinn und Untugend gelten kann: das ächte, warme und darum hochfahrende und ritterliche Nationalgefühl, mit welchem sie die Sache, das Interesse und den Ruhm ihres Landes empfinden, und das sie in den Verhandlungen über diese Gegenstände an den Tag legen. Da verschwinden die getheilten Ansichten der Parteiungen und der Haß der Personen in dem gemeinsamen Wunsche, dem Vaterlande Aller, seinen Feinden gegenüber, den größtmöglichen Glanz und Vortheil zu sichern. In diesem Sinne hatte die Thronrede von den afrikanischen Angelegenheiten gesprochen. Man bemerkte dabei die absichtliche Betonung des Königs, als er von der Tapferkeit der Armee, ihren Opfern und von den Gesetzen sprach, die ihr Loos erleichtern und ihre Rechte sichern sollen. In diesem Sinne ist in der Adresse der Pairskammer der Paragraph entworfen, der Algier berührt, und in gleicher Sprache der Adreßentwurf der Deputirtenkammer über den nämlichen Gegenstand. Beifall, Zustimmung, Unterstützung in Wort und That, das heißt in Lob und Subsidien, sind der Regierung versprochen, um die schnellste und vollständigste Rache an Abd-El-Kader zu nehmen. Nach dem Siege, fügt die Adresse der Deputirten hinzu, möge der König mit den beiden Kammern berathen les moyens definitifs de garantir la surete et la stabilite des etablissemens que la France veut conserver dans l'Algerie. Was heißt das? eine bloße Hindeutung auf die Vorsicht im Allgemeinen, die gegen fernere Ueberfälle angewandt werden soll, oder aber liegt die Betonung auf les etablissemens que la France veut conserver, und heißt hier veut so viel wie voudra? In diesem letztern Falle, und dahin ging die Deutung mehrerer Personen, die dem Verlesen des


Europa's bildet, glauben Sie dann nicht, daß jene langmüthige und gemäßigte Politik, welche die Ursachen des Kriegs neutralisirt, eine große Katastrophe verhindert, nicht mächtig wirkend sey? Eben, indem sie den Waffen Stillstand gebietet, den erhobenen Schwertern Einhalt thut, handelt sie. . . Der ehrenwerthe Redner vor mir stellt Frankreich zwischen zwei große Mächte, und sagt zu ihm: „Du mußt einer dieser Mächte beitreten; was sie auch thun mag, du mußt es billigen; denn mit ihr kannst du theilen, mit der andern nicht.“ Vielleicht aber läßt sich darauf eine edle, wahre, politische Antwort geben: wir bedürfen keiner Theilung, wir wünschen keine; wir glauben daß das, was ungerecht, auch gefährlich ist – die Zerstückelung; wir glauben, daß es unpolitisch wäre, so großen Eifer zu zeigen, an einer Erbschaft Theil zu nehmen, die noch nicht eröffnet ist. (Sehr gut!) . . . Der Stand der diplomatischen Beziehungen garantirt das türkische Reich. Und Sie wollen nun hinter jener einstimmigen Erklärung des Friedens und der Freundschaft, fast möchte man sagen hinter jenem Protectorat, die Absicht verbergen, mit gierigen Händen die Fetzen jenes Reichs aufzugreifen, dieses Stück England, jenes Rußland, ein anderes Stück Oesterreich, ein anderes Frankreich zuwerfen? Weder die öffentliche Politik, noch die geheime Diplomatie können diesen Gedanken hegen. Wenn er irgendwo existirt, so gesteht man ihn nicht, abgesehen davon, daß er unausführbar ist, Frankreich, das sich ihm widersetzen würde, kann nicht die Grundlage einer politischen Berechnung für sich selbst daraus machen. Der andere Einwurf scheint mir eben so wenig begründet. Was ihr auch immer thun mögt, so sagt man uns, was ihr auch im Sinne habt, nehmt euren Stützpunkt hier und nicht dort. Ich glaube in diesen Aeußerungen einige jener Eindrücke wieder zu erkennen, die sich an andern Stellen der Rede des ehrenwerthen Pairs nur zu deutlich zu erkennen geben. (Hört, hört!) Hier, so sagt man uns, würdet ihr eine starke Allianz finden, die euch, wenn sie Alles nimmt, etwas davon ablassen dürfte; anderwärts würdet ihr wenig Freundschaft, wenig Beistand finden. Man setzt hinzu, daß jene andere Allianz eine Zeit lang allerdings nothwendig gewesen seyn möge; es ist als ob man uns sagen wollte, daß sie einer der Nachtheile des großen Ereignisses gewesen, welches die innere Lage Frankreichs geändert habe. Warum sollte aber jene Allianz nicht dauernd seyn? Sollte die gleiche Regierungsform, ohne gerade ein absolutes Gebot der Annäherung zu seyn, nicht einigen Einfluß haben bei dem gegenwärtigen Zustande von Europa, wo jeder große Krieg eine politische Revolution wäre? Sollte das beiden Ländern gemeinsame Ereigniß eines legalen Dynastiewechsels nicht einige Bedeutung haben? Und warum sollte ein gemeinschaftliches Princip nicht ein großer Beweggrund der Vereinigung seyn? Der ehrenwerthe Redner erschrickt über eine Allianz von entgegengesetzten Interessen, ein Bündniß, das sich plötzlich bilden und Frankreich isolirt und getäuscht dastehen lassen könnte. Darauf kann man antworten, indem man auf die Neigung verweist, welche uns an der Allianz einer großen Macht festhalten läßt, welche mehr See- als Landstreitkräfte besitzt, und welche eben durch diese Neigung auf die Unterstützung hingewiesen wird, die sie bei uns finden kann. Frankreich ist nicht isolirt; es ist unabhängig, es ist nicht das erstemal, daß seit einiger Zeit außerhalb seiner Allianz Annäherungen versucht wurden, ein Streben, das in sich selbst den Beweis der Unmöglichkeit trägt. Während Sie sehen, daß in Betreff eines Punkts des Orients zwei große Mächte im Begriff sind, sich zu verständigen, um Frankreich isolirt zu lassen, sehen Sie nicht auch, daß auf andern Punkten diese zwei Mächte unaufhörlich sich begegnen und sich aneinander reiben? Ueberzeugt, wie wir sind, von den unüberwindlichen Hindernissen, die dieser projectirten Vereinigung entgegenstehen, sollte es da nicht besser seyn, zuzuwarten, statt nachzugeben? Denn die Zeit ist für uns; die Zeit gewährt der Politik der Mäßigung und des Rechts den Sieg; die Zeit ist für die Gerechtigkeit, so wie man den Ausbruch des Kriegs und der Gewaltthat verhindert hat. (Allgemeine Zeichen der Beistimmung.) . . . Ich will nicht länger bei so delicaten Punkten verweilen, bei denen man, wenn auch nicht gegen Gerechtigkeit und Wahrheit, doch gegen die politische Schicklichkeit verstoßen kann. Ich will nicht, um den ehrenwerthen Redner nicht ganz zu desavoniren, sagen, daß gar kein Interesse uns der Macht nähern könne, deren riesenhafte Vergrößerungen er so kräftig geschildert hat; ich muß aber sagen, daß die Allianz Englands und Frankreichs eine der Grundlagen der Sicherheit Europa's und der Freiheit der Welt ist.“

(Univers.) Wir haben von einem Annäherungsversuche zwischen dem Grafen Molé und Hrn. Thiers gesprochen. Die Unterhandlungen dauerten in den letzten Tagen des Decembers fort. Der Kanzler, Hr. Pasquier, war der eifrige Vermittler dieser Annäherung. In Folge einer neuen Zusammenkunft der HH. Molé und Thiers aber, wobei es unmöglich war, die Forderungen dieser zwei vormaligen Conseilspräsidenten auszugleichen, ward jede Unterhandlung abgebrochen.

Auf dem Markte von Autun gab es wegen Einführung der neuen Maaße und Gewichte einige Zusammenrottungen und Widersetzlichkeiten, denen die Gendarmerie lange vergeblich Einhalt zu thun suchte. Die Behörden begaben sich dann selbst auf den Markt, und leiteten den Verkauf des Getreides. Dadurch ward die Ordnung hergestellt. Mehrere Aufwiegler wurden inzwischen verhaftet.

Es gibt in dem französischen Charakter eine Seite, die stets Anerkennung und Bewunderung bei den andern Nationen, besonders den Deutschen, gefunden hat, und die als Entschädigung für mancherlei Leichtsinn und Untugend gelten kann: das ächte, warme und darum hochfahrende und ritterliche Nationalgefühl, mit welchem sie die Sache, das Interesse und den Ruhm ihres Landes empfinden, und das sie in den Verhandlungen über diese Gegenstände an den Tag legen. Da verschwinden die getheilten Ansichten der Parteiungen und der Haß der Personen in dem gemeinsamen Wunsche, dem Vaterlande Aller, seinen Feinden gegenüber, den größtmöglichen Glanz und Vortheil zu sichern. In diesem Sinne hatte die Thronrede von den afrikanischen Angelegenheiten gesprochen. Man bemerkte dabei die absichtliche Betonung des Königs, als er von der Tapferkeit der Armee, ihren Opfern und von den Gesetzen sprach, die ihr Loos erleichtern und ihre Rechte sichern sollen. In diesem Sinne ist in der Adresse der Pairskammer der Paragraph entworfen, der Algier berührt, und in gleicher Sprache der Adreßentwurf der Deputirtenkammer über den nämlichen Gegenstand. Beifall, Zustimmung, Unterstützung in Wort und That, das heißt in Lob und Subsidien, sind der Regierung versprochen, um die schnellste und vollständigste Rache an Abd-El-Kader zu nehmen. Nach dem Siege, fügt die Adresse der Deputirten hinzu, möge der König mit den beiden Kammern berathen les moyens définitifs de garantir la sureté et la stabilité des établissemens que la France veut conserver dans l'Algérie. Was heißt das? eine bloße Hindeutung auf die Vorsicht im Allgemeinen, die gegen fernere Ueberfälle angewandt werden soll, oder aber liegt die Betonung auf les établissemens que la France veut conserver, und heißt hier veut so viel wie voudra? In diesem letztern Falle, und dahin ging die Deutung mehrerer Personen, die dem Verlesen des

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Europa's bildet, glauben Sie dann nicht, daß jene langmüthige und gemäßigte Politik, welche die Ursachen des Kriegs neutralisirt, eine große Katastrophe verhindert, nicht mächtig wirkend sey? Eben, indem sie den Waffen Stillstand gebietet, den erhobenen Schwertern Einhalt thut, handelt sie. . . Der ehrenwerthe Redner vor mir stellt Frankreich zwischen zwei große Mächte, und sagt zu ihm: &#x201E;Du mußt einer dieser Mächte beitreten; was sie auch thun mag, du mußt es billigen; denn mit ihr kannst du theilen, mit der andern nicht.&#x201C; Vielleicht aber läßt sich darauf eine edle, wahre, politische Antwort geben: wir bedürfen keiner Theilung, wir wünschen keine; wir glauben daß das, was ungerecht, auch gefährlich ist &#x2013; die Zerstückelung; wir glauben, daß es unpolitisch wäre, so großen Eifer zu zeigen, an einer Erbschaft Theil zu nehmen, die noch nicht eröffnet ist. (Sehr gut!) . . . Der Stand der diplomatischen Beziehungen garantirt das türkische Reich. Und Sie wollen nun hinter jener einstimmigen Erklärung des Friedens und der Freundschaft, fast möchte man sagen hinter jenem Protectorat, die Absicht verbergen, mit gierigen Händen die Fetzen jenes Reichs aufzugreifen, dieses Stück England, jenes Rußland, ein anderes Stück Oesterreich, ein anderes Frankreich zuwerfen? Weder die öffentliche Politik, noch die geheime Diplomatie können diesen Gedanken hegen. Wenn er irgendwo existirt, so gesteht man ihn nicht, abgesehen davon, daß er unausführbar ist, Frankreich, das sich ihm widersetzen würde, kann nicht die Grundlage einer politischen Berechnung für sich selbst daraus machen. Der andere Einwurf scheint mir eben so wenig begründet. Was ihr auch immer thun mögt, so sagt man uns, was ihr auch im Sinne habt, nehmt euren Stützpunkt hier und nicht dort. Ich glaube in diesen Aeußerungen einige jener Eindrücke wieder zu erkennen, die sich an andern Stellen der Rede des ehrenwerthen Pairs nur zu deutlich zu erkennen geben. (Hört, hört!) Hier, so sagt man uns, würdet ihr eine starke Allianz finden, die euch, wenn sie Alles nimmt, etwas davon ablassen dürfte; anderwärts würdet ihr wenig Freundschaft, wenig Beistand finden. Man setzt hinzu, daß jene andere Allianz eine Zeit lang allerdings nothwendig gewesen seyn möge; es ist als ob man uns sagen wollte, daß sie einer der Nachtheile des großen Ereignisses gewesen, welches die innere Lage Frankreichs geändert habe. Warum sollte aber jene Allianz nicht dauernd seyn? Sollte die gleiche Regierungsform, ohne gerade ein absolutes Gebot der Annäherung zu seyn, nicht einigen Einfluß haben bei dem gegenwärtigen Zustande von Europa, wo jeder große Krieg eine politische Revolution wäre? Sollte das beiden Ländern gemeinsame Ereigniß eines legalen Dynastiewechsels nicht einige Bedeutung haben? Und warum sollte ein gemeinschaftliches Princip nicht ein großer Beweggrund der Vereinigung seyn? Der ehrenwerthe Redner erschrickt über eine Allianz von entgegengesetzten Interessen, ein Bündniß, das sich plötzlich bilden und Frankreich isolirt und getäuscht dastehen lassen könnte. Darauf kann man antworten, indem man auf die Neigung verweist, welche uns an der Allianz einer großen Macht festhalten läßt, welche mehr See- als Landstreitkräfte besitzt, und welche eben durch diese Neigung auf die Unterstützung hingewiesen wird, die sie bei uns finden kann. Frankreich ist nicht isolirt; es ist unabhängig, es ist nicht das erstemal, daß seit einiger Zeit außerhalb seiner Allianz Annäherungen versucht wurden, ein Streben, das in sich selbst den Beweis der Unmöglichkeit trägt. Während Sie sehen, daß in Betreff eines Punkts des Orients zwei große Mächte im Begriff sind, sich zu verständigen, um Frankreich isolirt zu lassen, sehen Sie nicht auch, daß auf andern Punkten diese zwei Mächte unaufhörlich sich begegnen und sich aneinander reiben? Ueberzeugt, wie wir sind, von den unüberwindlichen Hindernissen, die dieser projectirten Vereinigung entgegenstehen, sollte es da nicht besser seyn, zuzuwarten, statt nachzugeben? Denn die Zeit ist für uns; die Zeit gewährt der Politik der Mäßigung und des Rechts den Sieg; die Zeit ist für die Gerechtigkeit, so wie man den Ausbruch des Kriegs und der Gewaltthat verhindert hat. (Allgemeine Zeichen der Beistimmung.) . . . Ich will nicht länger bei so delicaten Punkten verweilen, bei denen man, wenn auch nicht gegen Gerechtigkeit und Wahrheit, doch gegen die politische Schicklichkeit verstoßen kann. Ich will nicht, um den ehrenwerthen Redner nicht ganz zu desavoniren, sagen, daß gar kein Interesse uns der Macht nähern könne, deren riesenhafte Vergrößerungen er so kräftig geschildert hat; ich muß aber sagen, daß die Allianz Englands und Frankreichs eine der Grundlagen der Sicherheit Europa's und der Freiheit der Welt ist.&#x201C;</p><lb/>
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[0099/0003] Europa's bildet, glauben Sie dann nicht, daß jene langmüthige und gemäßigte Politik, welche die Ursachen des Kriegs neutralisirt, eine große Katastrophe verhindert, nicht mächtig wirkend sey? Eben, indem sie den Waffen Stillstand gebietet, den erhobenen Schwertern Einhalt thut, handelt sie. . . Der ehrenwerthe Redner vor mir stellt Frankreich zwischen zwei große Mächte, und sagt zu ihm: „Du mußt einer dieser Mächte beitreten; was sie auch thun mag, du mußt es billigen; denn mit ihr kannst du theilen, mit der andern nicht.“ Vielleicht aber läßt sich darauf eine edle, wahre, politische Antwort geben: wir bedürfen keiner Theilung, wir wünschen keine; wir glauben daß das, was ungerecht, auch gefährlich ist – die Zerstückelung; wir glauben, daß es unpolitisch wäre, so großen Eifer zu zeigen, an einer Erbschaft Theil zu nehmen, die noch nicht eröffnet ist. (Sehr gut!) . . . Der Stand der diplomatischen Beziehungen garantirt das türkische Reich. Und Sie wollen nun hinter jener einstimmigen Erklärung des Friedens und der Freundschaft, fast möchte man sagen hinter jenem Protectorat, die Absicht verbergen, mit gierigen Händen die Fetzen jenes Reichs aufzugreifen, dieses Stück England, jenes Rußland, ein anderes Stück Oesterreich, ein anderes Frankreich zuwerfen? Weder die öffentliche Politik, noch die geheime Diplomatie können diesen Gedanken hegen. Wenn er irgendwo existirt, so gesteht man ihn nicht, abgesehen davon, daß er unausführbar ist, Frankreich, das sich ihm widersetzen würde, kann nicht die Grundlage einer politischen Berechnung für sich selbst daraus machen. Der andere Einwurf scheint mir eben so wenig begründet. Was ihr auch immer thun mögt, so sagt man uns, was ihr auch im Sinne habt, nehmt euren Stützpunkt hier und nicht dort. Ich glaube in diesen Aeußerungen einige jener Eindrücke wieder zu erkennen, die sich an andern Stellen der Rede des ehrenwerthen Pairs nur zu deutlich zu erkennen geben. (Hört, hört!) Hier, so sagt man uns, würdet ihr eine starke Allianz finden, die euch, wenn sie Alles nimmt, etwas davon ablassen dürfte; anderwärts würdet ihr wenig Freundschaft, wenig Beistand finden. Man setzt hinzu, daß jene andere Allianz eine Zeit lang allerdings nothwendig gewesen seyn möge; es ist als ob man uns sagen wollte, daß sie einer der Nachtheile des großen Ereignisses gewesen, welches die innere Lage Frankreichs geändert habe. Warum sollte aber jene Allianz nicht dauernd seyn? Sollte die gleiche Regierungsform, ohne gerade ein absolutes Gebot der Annäherung zu seyn, nicht einigen Einfluß haben bei dem gegenwärtigen Zustande von Europa, wo jeder große Krieg eine politische Revolution wäre? Sollte das beiden Ländern gemeinsame Ereigniß eines legalen Dynastiewechsels nicht einige Bedeutung haben? Und warum sollte ein gemeinschaftliches Princip nicht ein großer Beweggrund der Vereinigung seyn? Der ehrenwerthe Redner erschrickt über eine Allianz von entgegengesetzten Interessen, ein Bündniß, das sich plötzlich bilden und Frankreich isolirt und getäuscht dastehen lassen könnte. Darauf kann man antworten, indem man auf die Neigung verweist, welche uns an der Allianz einer großen Macht festhalten läßt, welche mehr See- als Landstreitkräfte besitzt, und welche eben durch diese Neigung auf die Unterstützung hingewiesen wird, die sie bei uns finden kann. Frankreich ist nicht isolirt; es ist unabhängig, es ist nicht das erstemal, daß seit einiger Zeit außerhalb seiner Allianz Annäherungen versucht wurden, ein Streben, das in sich selbst den Beweis der Unmöglichkeit trägt. Während Sie sehen, daß in Betreff eines Punkts des Orients zwei große Mächte im Begriff sind, sich zu verständigen, um Frankreich isolirt zu lassen, sehen Sie nicht auch, daß auf andern Punkten diese zwei Mächte unaufhörlich sich begegnen und sich aneinander reiben? Ueberzeugt, wie wir sind, von den unüberwindlichen Hindernissen, die dieser projectirten Vereinigung entgegenstehen, sollte es da nicht besser seyn, zuzuwarten, statt nachzugeben? Denn die Zeit ist für uns; die Zeit gewährt der Politik der Mäßigung und des Rechts den Sieg; die Zeit ist für die Gerechtigkeit, so wie man den Ausbruch des Kriegs und der Gewaltthat verhindert hat. (Allgemeine Zeichen der Beistimmung.) . . . Ich will nicht länger bei so delicaten Punkten verweilen, bei denen man, wenn auch nicht gegen Gerechtigkeit und Wahrheit, doch gegen die politische Schicklichkeit verstoßen kann. Ich will nicht, um den ehrenwerthen Redner nicht ganz zu desavoniren, sagen, daß gar kein Interesse uns der Macht nähern könne, deren riesenhafte Vergrößerungen er so kräftig geschildert hat; ich muß aber sagen, daß die Allianz Englands und Frankreichs eine der Grundlagen der Sicherheit Europa's und der Freiheit der Welt ist.“ (Univers.) Wir haben von einem Annäherungsversuche zwischen dem Grafen Molé und Hrn. Thiers gesprochen. Die Unterhandlungen dauerten in den letzten Tagen des Decembers fort. Der Kanzler, Hr. Pasquier, war der eifrige Vermittler dieser Annäherung. In Folge einer neuen Zusammenkunft der HH. Molé und Thiers aber, wobei es unmöglich war, die Forderungen dieser zwei vormaligen Conseilspräsidenten auszugleichen, ward jede Unterhandlung abgebrochen. Auf dem Markte von Autun gab es wegen Einführung der neuen Maaße und Gewichte einige Zusammenrottungen und Widersetzlichkeiten, denen die Gendarmerie lange vergeblich Einhalt zu thun suchte. Die Behörden begaben sich dann selbst auf den Markt, und leiteten den Verkauf des Getreides. Dadurch ward die Ordnung hergestellt. Mehrere Aufwiegler wurden inzwischen verhaftet. = Paris, 8 Jan. Es gibt in dem französischen Charakter eine Seite, die stets Anerkennung und Bewunderung bei den andern Nationen, besonders den Deutschen, gefunden hat, und die als Entschädigung für mancherlei Leichtsinn und Untugend gelten kann: das ächte, warme und darum hochfahrende und ritterliche Nationalgefühl, mit welchem sie die Sache, das Interesse und den Ruhm ihres Landes empfinden, und das sie in den Verhandlungen über diese Gegenstände an den Tag legen. Da verschwinden die getheilten Ansichten der Parteiungen und der Haß der Personen in dem gemeinsamen Wunsche, dem Vaterlande Aller, seinen Feinden gegenüber, den größtmöglichen Glanz und Vortheil zu sichern. In diesem Sinne hatte die Thronrede von den afrikanischen Angelegenheiten gesprochen. Man bemerkte dabei die absichtliche Betonung des Königs, als er von der Tapferkeit der Armee, ihren Opfern und von den Gesetzen sprach, die ihr Loos erleichtern und ihre Rechte sichern sollen. In diesem Sinne ist in der Adresse der Pairskammer der Paragraph entworfen, der Algier berührt, und in gleicher Sprache der Adreßentwurf der Deputirtenkammer über den nämlichen Gegenstand. Beifall, Zustimmung, Unterstützung in Wort und That, das heißt in Lob und Subsidien, sind der Regierung versprochen, um die schnellste und vollständigste Rache an Abd-El-Kader zu nehmen. Nach dem Siege, fügt die Adresse der Deputirten hinzu, möge der König mit den beiden Kammern berathen les moyens définitifs de garantir la sureté et la stabilité des établissemens que la France veut conserver dans l'Algérie. Was heißt das? eine bloße Hindeutung auf die Vorsicht im Allgemeinen, die gegen fernere Ueberfälle angewandt werden soll, oder aber liegt die Betonung auf les établissemens que la France veut conserver, und heißt hier veut so viel wie voudra? In diesem letztern Falle, und dahin ging die Deutung mehrerer Personen, die dem Verlesen des

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 13. Augsburg, 13. Januar 1840, S. 0099. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_013_18400113/3>, abgerufen am 27.11.2024.