Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.lenhof, zwei Stunden von Buchenberg, verheirathet war, feierte Martha ihre Hochzeit mit Diethelm. Dieser, obgleich zwölf Jahre jünger, schien überaus glücklich mit seiner rüstigen, wohlhäbigen Frau, er ehrte und erfreute sie, wo er es nur immer vermochte, und schien sich noch immer fast als Knecht zu betrachten, denn er verfügte über Nichts in Haus und Feld, ohne vorher die Frau darum zu befragen. Buchenberg gehört noch zu jenen Dörfern, wo Alles mit einander verwandt ist, weil die großen Bauern nur unter sich heirathen. Um so glücklicher durfte sich Diethelm schätzen, vom fremden Knechte zum reich angesessenen Hofbauern erhoben zu sein. Er schien das auch zu erkennen. Bald aber erhielt Martha die Kunde, wie er hinter ihrem Rücken über Großes verfügte und namhafte Summen seinen Verwandten schenkte. In seltsamer und doch so häufig vorkommender Verkehrtheit ging sie Tage ja Wochen lang mit tiefem, immer sich steigerndem Zorn in der Seele umher, und unversehens, bei den geringsten Anlässen, brach sie in Verwünschungen, in Schelten und Weinen aus, daß Alles zu Grunde gerichtet werde. Die Erwartung, daß Diethelm endlich selber seine geheime Schuld bekennen würde, konnte immer schwerer in Erfüllung gehen, denn Diethelm sah nun auf Einmal in seiner Frau ein verändertes, zänkisches Wesen, sah sich für sein ganzes Leben ans Unglück geschmiedet und freute sich im Stillen doppelt, daß er in der Aushülfe seiner Familie doch noch eine Freude habe, während ihm sonst nur Leid bevorstand. Er wußte doch jetzt, wofür er das zu erdulden habe. Dem allzeit keifenden Wesen seiner Frau setzte er unverbrüchliches Stillschweigen gegenüber; und als er dies endlich brach, da die Frau ihn im Beisein des Metzgers über den eigenmächtigen Verkauf eines Kälbchens hart anließ, erfuhr er endlich die lange verhaltene Ursache vom Zorn seiner Frau. Jetzt aber war in ihm der gerechte Grund ihres Unwillens längst vernichtet und abgebüßt, und mit lenhof, zwei Stunden von Buchenberg, verheirathet war, feierte Martha ihre Hochzeit mit Diethelm. Dieser, obgleich zwölf Jahre jünger, schien überaus glücklich mit seiner rüstigen, wohlhäbigen Frau, er ehrte und erfreute sie, wo er es nur immer vermochte, und schien sich noch immer fast als Knecht zu betrachten, denn er verfügte über Nichts in Haus und Feld, ohne vorher die Frau darum zu befragen. Buchenberg gehört noch zu jenen Dörfern, wo Alles mit einander verwandt ist, weil die großen Bauern nur unter sich heirathen. Um so glücklicher durfte sich Diethelm schätzen, vom fremden Knechte zum reich angesessenen Hofbauern erhoben zu sein. Er schien das auch zu erkennen. Bald aber erhielt Martha die Kunde, wie er hinter ihrem Rücken über Großes verfügte und namhafte Summen seinen Verwandten schenkte. In seltsamer und doch so häufig vorkommender Verkehrtheit ging sie Tage ja Wochen lang mit tiefem, immer sich steigerndem Zorn in der Seele umher, und unversehens, bei den geringsten Anlässen, brach sie in Verwünschungen, in Schelten und Weinen aus, daß Alles zu Grunde gerichtet werde. Die Erwartung, daß Diethelm endlich selber seine geheime Schuld bekennen würde, konnte immer schwerer in Erfüllung gehen, denn Diethelm sah nun auf Einmal in seiner Frau ein verändertes, zänkisches Wesen, sah sich für sein ganzes Leben ans Unglück geschmiedet und freute sich im Stillen doppelt, daß er in der Aushülfe seiner Familie doch noch eine Freude habe, während ihm sonst nur Leid bevorstand. Er wußte doch jetzt, wofür er das zu erdulden habe. Dem allzeit keifenden Wesen seiner Frau setzte er unverbrüchliches Stillschweigen gegenüber; und als er dies endlich brach, da die Frau ihn im Beisein des Metzgers über den eigenmächtigen Verkauf eines Kälbchens hart anließ, erfuhr er endlich die lange verhaltene Ursache vom Zorn seiner Frau. Jetzt aber war in ihm der gerechte Grund ihres Unwillens längst vernichtet und abgebüßt, und mit <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="6"> <p><pb facs="#f0045"/> lenhof, zwei Stunden von Buchenberg, verheirathet war, feierte Martha ihre Hochzeit mit Diethelm. 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In seltsamer und doch so häufig vorkommender Verkehrtheit ging sie Tage ja Wochen lang mit tiefem, immer sich steigerndem Zorn in der Seele umher, und unversehens, bei den geringsten Anlässen, brach sie in Verwünschungen, in Schelten und Weinen aus, daß Alles zu Grunde gerichtet werde. Die Erwartung, daß Diethelm endlich selber seine geheime Schuld bekennen würde, konnte immer schwerer in Erfüllung gehen, denn Diethelm sah nun auf Einmal in seiner Frau ein verändertes, zänkisches Wesen, sah sich für sein ganzes Leben ans Unglück geschmiedet und freute sich im Stillen doppelt, daß er in der Aushülfe seiner Familie doch noch eine Freude habe, während ihm sonst nur Leid bevorstand. Er wußte doch jetzt, wofür er das zu erdulden habe. Dem allzeit keifenden Wesen seiner Frau setzte er unverbrüchliches Stillschweigen gegenüber; und als er dies endlich brach, da die Frau ihn im Beisein des Metzgers über den eigenmächtigen Verkauf eines Kälbchens hart anließ, erfuhr er endlich die lange verhaltene Ursache vom Zorn seiner Frau. Jetzt aber war in ihm der gerechte Grund ihres Unwillens längst vernichtet und abgebüßt, und mit<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0045]
lenhof, zwei Stunden von Buchenberg, verheirathet war, feierte Martha ihre Hochzeit mit Diethelm. Dieser, obgleich zwölf Jahre jünger, schien überaus glücklich mit seiner rüstigen, wohlhäbigen Frau, er ehrte und erfreute sie, wo er es nur immer vermochte, und schien sich noch immer fast als Knecht zu betrachten, denn er verfügte über Nichts in Haus und Feld, ohne vorher die Frau darum zu befragen.
Buchenberg gehört noch zu jenen Dörfern, wo Alles mit einander verwandt ist, weil die großen Bauern nur unter sich heirathen. Um so glücklicher durfte sich Diethelm schätzen, vom fremden Knechte zum reich angesessenen Hofbauern erhoben zu sein. Er schien das auch zu erkennen. Bald aber erhielt Martha die Kunde, wie er hinter ihrem Rücken über Großes verfügte und namhafte Summen seinen Verwandten schenkte. In seltsamer und doch so häufig vorkommender Verkehrtheit ging sie Tage ja Wochen lang mit tiefem, immer sich steigerndem Zorn in der Seele umher, und unversehens, bei den geringsten Anlässen, brach sie in Verwünschungen, in Schelten und Weinen aus, daß Alles zu Grunde gerichtet werde. Die Erwartung, daß Diethelm endlich selber seine geheime Schuld bekennen würde, konnte immer schwerer in Erfüllung gehen, denn Diethelm sah nun auf Einmal in seiner Frau ein verändertes, zänkisches Wesen, sah sich für sein ganzes Leben ans Unglück geschmiedet und freute sich im Stillen doppelt, daß er in der Aushülfe seiner Familie doch noch eine Freude habe, während ihm sonst nur Leid bevorstand. Er wußte doch jetzt, wofür er das zu erdulden habe. Dem allzeit keifenden Wesen seiner Frau setzte er unverbrüchliches Stillschweigen gegenüber; und als er dies endlich brach, da die Frau ihn im Beisein des Metzgers über den eigenmächtigen Verkauf eines Kälbchens hart anließ, erfuhr er endlich die lange verhaltene Ursache vom Zorn seiner Frau. Jetzt aber war in ihm der gerechte Grund ihres Unwillens längst vernichtet und abgebüßt, und mit
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