Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

gefallen. Reppenberger benahm sich klug und gewandt mitten in allem Kreuzverhör und wußte Alles auf die unschuldigste Weise zu erklären, ja er verstand es sogar, mehrere Zeugen durch Fragen, die er an sie stellte, zu verblüffen. Den Betrug schob er auf seinen Geschäftsgenossen, der, vor Kurzem entflohen, ihn betrogen habe, und nun hätten schlechte Menschen ihm Feuer angelegt. Gegen Diethelm und die Geschworenen überhaupt schaute der Reppenberger kaum auf, er hielt den Blick fast ausschließlich auf die Richter gewendet, und nur manchmal beugte er sich hinter die Brüstung nieder und nahm eine Prise aus seiner bekannten birkenrindenen Dose. Eine große Zahl von Belastungs- und Entlastungszeugen wurde verhört, und Diethelm stellte an diese sogar selbst einige sachgemäße und entscheidende Fragen.

Mittag war längst vorüber, als das sogenannte Plaidoyer begann. Rothmann schilderte in ergreifender Rede das Loos des Angeklagten, der sich redlich wieder emporgearbeitet habe und nun, weil er einmal im Elend versunken gewesen war, dem lauernden Verdacht und der boshaften Schadenfreude nicht entgehe. So eifrig auch Rothmann seinen Schützling vertheidigte, er ließ sich doch nie zu jener heillosen, alle Sittlichkeit verkehrenden Weise verleiten, wo es immer heißt: "Es ist meine heiligste, innigste Ueberzeugung", während dies keineswegs immer der Fall ist. Er verhielt sich ganz gegenständlich und suchte nur die Möglichkeit eines andern als verbrecherischen Vorganges ins Licht zu setzen. Es war nicht minder klug als ehrenhaft, daß er die überhandnehmende allgemeine Entsittlichung durch die muthwilligen Brandlegungen schilderte: wie der erste Gedanke beim Vernehmen der Sturmglocke nicht mehr Mitleid, sondern im besten Falle Zorn sei, in der Regel aber ein teuflisches Frohlocken, daß es gelinge, den Staat zu Gunsten eines Schurken zu betrügen, wie da Alles müßig umherstehe und oft die Zimmerleute noch in Hoffnung auf Verdienst durch den Neubau und den Dank des Abgebrannten dem Feuer Luft machen.

gefallen. Reppenberger benahm sich klug und gewandt mitten in allem Kreuzverhör und wußte Alles auf die unschuldigste Weise zu erklären, ja er verstand es sogar, mehrere Zeugen durch Fragen, die er an sie stellte, zu verblüffen. Den Betrug schob er auf seinen Geschäftsgenossen, der, vor Kurzem entflohen, ihn betrogen habe, und nun hätten schlechte Menschen ihm Feuer angelegt. Gegen Diethelm und die Geschworenen überhaupt schaute der Reppenberger kaum auf, er hielt den Blick fast ausschließlich auf die Richter gewendet, und nur manchmal beugte er sich hinter die Brüstung nieder und nahm eine Prise aus seiner bekannten birkenrindenen Dose. Eine große Zahl von Belastungs- und Entlastungszeugen wurde verhört, und Diethelm stellte an diese sogar selbst einige sachgemäße und entscheidende Fragen.

Mittag war längst vorüber, als das sogenannte Plaidoyer begann. Rothmann schilderte in ergreifender Rede das Loos des Angeklagten, der sich redlich wieder emporgearbeitet habe und nun, weil er einmal im Elend versunken gewesen war, dem lauernden Verdacht und der boshaften Schadenfreude nicht entgehe. So eifrig auch Rothmann seinen Schützling vertheidigte, er ließ sich doch nie zu jener heillosen, alle Sittlichkeit verkehrenden Weise verleiten, wo es immer heißt: „Es ist meine heiligste, innigste Ueberzeugung“, während dies keineswegs immer der Fall ist. Er verhielt sich ganz gegenständlich und suchte nur die Möglichkeit eines andern als verbrecherischen Vorganges ins Licht zu setzen. Es war nicht minder klug als ehrenhaft, daß er die überhandnehmende allgemeine Entsittlichung durch die muthwilligen Brandlegungen schilderte: wie der erste Gedanke beim Vernehmen der Sturmglocke nicht mehr Mitleid, sondern im besten Falle Zorn sei, in der Regel aber ein teuflisches Frohlocken, daß es gelinge, den Staat zu Gunsten eines Schurken zu betrügen, wie da Alles müßig umherstehe und oft die Zimmerleute noch in Hoffnung auf Verdienst durch den Neubau und den Dank des Abgebrannten dem Feuer Luft machen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="29">
        <p><pb facs="#f0221"/>
gefallen. Reppenberger                benahm sich klug und gewandt mitten in allem Kreuzverhör und wußte Alles auf die                unschuldigste Weise zu erklären, ja er verstand es sogar, mehrere Zeugen durch                Fragen, die er an sie stellte, zu verblüffen. Den Betrug schob er auf seinen                Geschäftsgenossen, der, vor Kurzem entflohen, ihn betrogen habe, und nun hätten                schlechte Menschen ihm Feuer angelegt. Gegen Diethelm und die Geschworenen überhaupt                schaute der Reppenberger kaum auf, er hielt den Blick fast ausschließlich auf die                Richter gewendet, und nur manchmal beugte er sich hinter die Brüstung nieder und nahm                eine Prise aus seiner bekannten birkenrindenen Dose. Eine große Zahl von Belastungs-                und Entlastungszeugen wurde verhört, und Diethelm stellte an diese sogar selbst                einige sachgemäße und entscheidende Fragen.</p><lb/>
        <p>Mittag war längst vorüber, als das sogenannte Plaidoyer begann. Rothmann schilderte                in ergreifender Rede das Loos des Angeklagten, der sich redlich wieder                emporgearbeitet habe und nun, weil er einmal im Elend versunken gewesen war, dem                lauernden Verdacht und der boshaften Schadenfreude nicht entgehe. So eifrig auch                Rothmann seinen Schützling vertheidigte, er ließ sich doch nie zu jener heillosen,                alle Sittlichkeit verkehrenden Weise verleiten, wo es immer heißt: &#x201E;Es ist meine                heiligste, innigste Ueberzeugung&#x201C;, während dies keineswegs immer der Fall ist. Er                verhielt sich ganz gegenständlich und suchte nur die Möglichkeit eines andern als                verbrecherischen Vorganges ins Licht zu setzen. Es war nicht minder klug als                ehrenhaft, daß er die überhandnehmende allgemeine Entsittlichung durch die                muthwilligen Brandlegungen schilderte: wie der erste Gedanke beim Vernehmen der                Sturmglocke nicht mehr Mitleid, sondern im besten Falle Zorn sei, in der Regel aber                ein teuflisches Frohlocken, daß es gelinge, den Staat zu Gunsten eines Schurken zu                betrügen, wie da Alles müßig umherstehe und oft die Zimmerleute noch in Hoffnung auf                Verdienst durch den Neubau und den Dank des Abgebrannten dem Feuer Luft machen.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0221] gefallen. Reppenberger benahm sich klug und gewandt mitten in allem Kreuzverhör und wußte Alles auf die unschuldigste Weise zu erklären, ja er verstand es sogar, mehrere Zeugen durch Fragen, die er an sie stellte, zu verblüffen. Den Betrug schob er auf seinen Geschäftsgenossen, der, vor Kurzem entflohen, ihn betrogen habe, und nun hätten schlechte Menschen ihm Feuer angelegt. Gegen Diethelm und die Geschworenen überhaupt schaute der Reppenberger kaum auf, er hielt den Blick fast ausschließlich auf die Richter gewendet, und nur manchmal beugte er sich hinter die Brüstung nieder und nahm eine Prise aus seiner bekannten birkenrindenen Dose. Eine große Zahl von Belastungs- und Entlastungszeugen wurde verhört, und Diethelm stellte an diese sogar selbst einige sachgemäße und entscheidende Fragen. Mittag war längst vorüber, als das sogenannte Plaidoyer begann. Rothmann schilderte in ergreifender Rede das Loos des Angeklagten, der sich redlich wieder emporgearbeitet habe und nun, weil er einmal im Elend versunken gewesen war, dem lauernden Verdacht und der boshaften Schadenfreude nicht entgehe. So eifrig auch Rothmann seinen Schützling vertheidigte, er ließ sich doch nie zu jener heillosen, alle Sittlichkeit verkehrenden Weise verleiten, wo es immer heißt: „Es ist meine heiligste, innigste Ueberzeugung“, während dies keineswegs immer der Fall ist. Er verhielt sich ganz gegenständlich und suchte nur die Möglichkeit eines andern als verbrecherischen Vorganges ins Licht zu setzen. Es war nicht minder klug als ehrenhaft, daß er die überhandnehmende allgemeine Entsittlichung durch die muthwilligen Brandlegungen schilderte: wie der erste Gedanke beim Vernehmen der Sturmglocke nicht mehr Mitleid, sondern im besten Falle Zorn sei, in der Regel aber ein teuflisches Frohlocken, daß es gelinge, den Staat zu Gunsten eines Schurken zu betrügen, wie da Alles müßig umherstehe und oft die Zimmerleute noch in Hoffnung auf Verdienst durch den Neubau und den Dank des Abgebrannten dem Feuer Luft machen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:04:01Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/221
Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/221>, abgerufen am 05.12.2024.