Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Als er zu seinem Schwiegersohn kam, bedauerte dieser, daß Diethelm seine ihm wohl anstehende Tracht abgelegt habe. Er ging aber bald davon ab und berichtete mit dem freudigen Bangen, das ein Offizier vor der ersten Schlacht empfinden mag, daß er andern Tages stellvertretender Staatsanwalt sein werde, und zwar in der Angelegenheit Reppenberger's, der erst vor Kurzem eingebracht, aber noch in dieser Gerichtsperiode abgeurtheilt werde, sowohl um ihn nicht noch auf ein Vierteljahr im Salz liegen zu lassen, als auch um rasch ein abschreckendes Beispiel für das überhand nehmende Verbrechen zu geben.

Ich kenn' den Reppenberger, was hat er denn? Ich hab' noch gar nichts davon gehört, sagte Diethelm.

Die Sache war schlau angelegt, erwiderte der stellvertretende Staatsanwalt, er hat eine Branntweinbrennerei, hat sie hoch versichert, angezündet und sich davon gemacht; er hat aber nicht an den Zugwind gedacht, und das Feuer ist zu früh ausgebrochen, am hellen Tag, und man hat gelöscht und gefunden, daß die Fässer, in denen Branntwein sein sollte, nichts als Wasser enthielten. Zwölf Jahre Zuchthaus sind ihm gewiß. Es ist Brandstiftung und Defraudation.

Das ist ein schöner Spaß.

Wie so Spaß?

Ich hätt' nicht glaubt, daß Sie mit mir so einen Spaß machen. Das lassen Sie sich gesagt sein, das ist ein Punkt, wo man mich nicht anfassen darf, da bin ich kitzlich und hau' um mich, sei es wer es wolle, da versteh' ich keinen Spaß.

Der Schwiegersohn betheuerte, daß er nur ernste wirkliche Thatsachen berichtet habe, und sah Diethelm verwundert an; dieser erkannte schnell, daß er sich anders gebaren müsse, und seine geübte Verstellungskunst kam ihm zu statten, er that als ob er den Vorgang mit Reppenberger schon längst kenne und nur darüber gescherzt habe, da der Schwiegersohn voraussetzen könne, daß er sich von dieser Sache dispensiren lasse; denn diese Verhandlungen griffen ihn überhaupt zu sehr

Als er zu seinem Schwiegersohn kam, bedauerte dieser, daß Diethelm seine ihm wohl anstehende Tracht abgelegt habe. Er ging aber bald davon ab und berichtete mit dem freudigen Bangen, das ein Offizier vor der ersten Schlacht empfinden mag, daß er andern Tages stellvertretender Staatsanwalt sein werde, und zwar in der Angelegenheit Reppenberger's, der erst vor Kurzem eingebracht, aber noch in dieser Gerichtsperiode abgeurtheilt werde, sowohl um ihn nicht noch auf ein Vierteljahr im Salz liegen zu lassen, als auch um rasch ein abschreckendes Beispiel für das überhand nehmende Verbrechen zu geben.

Ich kenn' den Reppenberger, was hat er denn? Ich hab' noch gar nichts davon gehört, sagte Diethelm.

Die Sache war schlau angelegt, erwiderte der stellvertretende Staatsanwalt, er hat eine Branntweinbrennerei, hat sie hoch versichert, angezündet und sich davon gemacht; er hat aber nicht an den Zugwind gedacht, und das Feuer ist zu früh ausgebrochen, am hellen Tag, und man hat gelöscht und gefunden, daß die Fässer, in denen Branntwein sein sollte, nichts als Wasser enthielten. Zwölf Jahre Zuchthaus sind ihm gewiß. Es ist Brandstiftung und Defraudation.

Das ist ein schöner Spaß.

Wie so Spaß?

Ich hätt' nicht glaubt, daß Sie mit mir so einen Spaß machen. Das lassen Sie sich gesagt sein, das ist ein Punkt, wo man mich nicht anfassen darf, da bin ich kitzlich und hau' um mich, sei es wer es wolle, da versteh' ich keinen Spaß.

Der Schwiegersohn betheuerte, daß er nur ernste wirkliche Thatsachen berichtet habe, und sah Diethelm verwundert an; dieser erkannte schnell, daß er sich anders gebaren müsse, und seine geübte Verstellungskunst kam ihm zu statten, er that als ob er den Vorgang mit Reppenberger schon längst kenne und nur darüber gescherzt habe, da der Schwiegersohn voraussetzen könne, daß er sich von dieser Sache dispensiren lasse; denn diese Verhandlungen griffen ihn überhaupt zu sehr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="28">
        <pb facs="#f0211"/>
        <p>Als er zu seinem Schwiegersohn kam, bedauerte dieser, daß Diethelm seine ihm wohl                anstehende Tracht abgelegt habe. Er ging aber bald davon ab und berichtete mit dem                freudigen Bangen, das ein Offizier vor der ersten Schlacht empfinden mag, daß er                andern Tages stellvertretender Staatsanwalt sein werde, und zwar in der Angelegenheit                Reppenberger's, der erst vor Kurzem eingebracht, aber noch in dieser Gerichtsperiode                abgeurtheilt werde, sowohl um ihn nicht noch auf ein Vierteljahr im Salz liegen zu                lassen, als auch um rasch ein abschreckendes Beispiel für das überhand nehmende                Verbrechen zu geben.</p><lb/>
        <p>Ich kenn' den Reppenberger, was hat er denn? Ich hab' noch gar nichts davon gehört,                sagte Diethelm.</p><lb/>
        <p>Die Sache war schlau angelegt, erwiderte der stellvertretende Staatsanwalt, er hat                eine Branntweinbrennerei, hat sie hoch versichert, angezündet und sich davon gemacht;                er hat aber nicht an den Zugwind gedacht, und das Feuer ist zu früh ausgebrochen, am                hellen Tag, und man hat gelöscht und gefunden, daß die Fässer, in denen Branntwein                sein sollte, nichts als Wasser enthielten. Zwölf Jahre Zuchthaus sind ihm gewiß. Es                ist Brandstiftung und Defraudation.</p><lb/>
        <p>Das ist ein schöner Spaß.</p><lb/>
        <p>Wie so Spaß?</p><lb/>
        <p>Ich hätt' nicht glaubt, daß Sie mit mir so einen Spaß machen. Das lassen Sie sich                gesagt sein, das ist ein Punkt, wo man mich nicht anfassen darf, da bin ich kitzlich                und hau' um mich, sei es wer es wolle, da versteh' ich keinen Spaß.</p><lb/>
        <p>Der Schwiegersohn betheuerte, daß er nur ernste wirkliche Thatsachen berichtet habe,                und sah Diethelm verwundert an; dieser erkannte schnell, daß er sich anders gebaren                müsse, und seine geübte Verstellungskunst kam ihm zu statten, er that als ob er den                Vorgang mit Reppenberger schon längst kenne und nur darüber gescherzt habe, da der                Schwiegersohn voraussetzen könne, daß er sich von dieser Sache dispensiren lasse;                denn diese Verhandlungen griffen ihn überhaupt zu sehr<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0211] Als er zu seinem Schwiegersohn kam, bedauerte dieser, daß Diethelm seine ihm wohl anstehende Tracht abgelegt habe. Er ging aber bald davon ab und berichtete mit dem freudigen Bangen, das ein Offizier vor der ersten Schlacht empfinden mag, daß er andern Tages stellvertretender Staatsanwalt sein werde, und zwar in der Angelegenheit Reppenberger's, der erst vor Kurzem eingebracht, aber noch in dieser Gerichtsperiode abgeurtheilt werde, sowohl um ihn nicht noch auf ein Vierteljahr im Salz liegen zu lassen, als auch um rasch ein abschreckendes Beispiel für das überhand nehmende Verbrechen zu geben. Ich kenn' den Reppenberger, was hat er denn? Ich hab' noch gar nichts davon gehört, sagte Diethelm. Die Sache war schlau angelegt, erwiderte der stellvertretende Staatsanwalt, er hat eine Branntweinbrennerei, hat sie hoch versichert, angezündet und sich davon gemacht; er hat aber nicht an den Zugwind gedacht, und das Feuer ist zu früh ausgebrochen, am hellen Tag, und man hat gelöscht und gefunden, daß die Fässer, in denen Branntwein sein sollte, nichts als Wasser enthielten. Zwölf Jahre Zuchthaus sind ihm gewiß. Es ist Brandstiftung und Defraudation. Das ist ein schöner Spaß. Wie so Spaß? Ich hätt' nicht glaubt, daß Sie mit mir so einen Spaß machen. Das lassen Sie sich gesagt sein, das ist ein Punkt, wo man mich nicht anfassen darf, da bin ich kitzlich und hau' um mich, sei es wer es wolle, da versteh' ich keinen Spaß. Der Schwiegersohn betheuerte, daß er nur ernste wirkliche Thatsachen berichtet habe, und sah Diethelm verwundert an; dieser erkannte schnell, daß er sich anders gebaren müsse, und seine geübte Verstellungskunst kam ihm zu statten, er that als ob er den Vorgang mit Reppenberger schon längst kenne und nur darüber gescherzt habe, da der Schwiegersohn voraussetzen könne, daß er sich von dieser Sache dispensiren lasse; denn diese Verhandlungen griffen ihn überhaupt zu sehr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:04:01Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/211
Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/211>, abgerufen am 05.12.2024.