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Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Munde verlobt sei. Die Rautenwirthin zog nur ein wenig die Brauen ein und sagte: Das ist schnell gangen. Ich wünsch' Glück. Dann wendete sie sich um und gab anderen Gästen Bescheid.

Munde saß verdrossen bei Fränz, die Eifersucht hat einen raschen Scharfblick, er behauptete, Fränz schäme sich seiner, und durch diesen offenen Ausspruch wurde die noch halb schlummernde Empfindung der Fränz plötzlich geweckt.

Und wenn's wär', sagte sie aufbegehrend, wenn ich ein Mann wär', ich thät' mir eher die Zung' abbeißen, ehe ich einem Mädle sagen thät', es kann sich meiner schämen. Aber du, freilich, du bist dagestanden wie der Bub, der die Milch verschüttet hat. Ich sag' dir's noch einmal, du mußt ganz anders werden, oder du bringst's dahin, daß ich mich deiner schäm', ja, dahin bringst's, ja, daß du's nur weißt.

Munde behielt nur die ersten Worte der Fränz, und er fühlte, daß sie Recht habe. Die gereizte Seelenstimmung hat aber etwas wahrhaft Ansteckendes. Munde war von Fränz gedemüthigt worden, und nun mußte er ihr Gleiches entgelten; mit fast schadenfroher Miene sagte er: Mir hat's für dich einen Stich ins Herz geben, wie die Rautenwirthin dich gelobt hat, daß du so ein gutes Kind gegen deinen Vater bist. Wenn die Leute wüßten, wie's eigentlich ist . . .

Fränz knirschte die Zähne über einander und sah Munde mit einem zermalmenden Blicke an; hätte sie ihn damit in Stücke zerreißen können, sie hätte es gethan. Sie wollte aufstehen, aber Munde hielt sie fest und sagte begütigend: Die Fahrt mit dem ewigen Gezerr hat uns Alle mit einander dumm gemacht. Wir wollen gar nichts mehr reden. Ich geh' jetzt noch vor dem Appell ein bisle in die Kasern' zu meinen Kameraden. Vergiß Alles und denk gut an mich. Gieb mit ein' Hand. So, b'hüt' dich Gott.

Munde ging nach der Kaserne. Er war jetzt ein ganz anderer Mensch als vor wenigen Monaten, da er diesen Weg so oft abgeschritten. Zuerst als ihm der Vater das

Munde verlobt sei. Die Rautenwirthin zog nur ein wenig die Brauen ein und sagte: Das ist schnell gangen. Ich wünsch' Glück. Dann wendete sie sich um und gab anderen Gästen Bescheid.

Munde saß verdrossen bei Fränz, die Eifersucht hat einen raschen Scharfblick, er behauptete, Fränz schäme sich seiner, und durch diesen offenen Ausspruch wurde die noch halb schlummernde Empfindung der Fränz plötzlich geweckt.

Und wenn's wär', sagte sie aufbegehrend, wenn ich ein Mann wär', ich thät' mir eher die Zung' abbeißen, ehe ich einem Mädle sagen thät', es kann sich meiner schämen. Aber du, freilich, du bist dagestanden wie der Bub, der die Milch verschüttet hat. Ich sag' dir's noch einmal, du mußt ganz anders werden, oder du bringst's dahin, daß ich mich deiner schäm', ja, dahin bringst's, ja, daß du's nur weißt.

Munde behielt nur die ersten Worte der Fränz, und er fühlte, daß sie Recht habe. Die gereizte Seelenstimmung hat aber etwas wahrhaft Ansteckendes. Munde war von Fränz gedemüthigt worden, und nun mußte er ihr Gleiches entgelten; mit fast schadenfroher Miene sagte er: Mir hat's für dich einen Stich ins Herz geben, wie die Rautenwirthin dich gelobt hat, daß du so ein gutes Kind gegen deinen Vater bist. Wenn die Leute wüßten, wie's eigentlich ist . . .

Fränz knirschte die Zähne über einander und sah Munde mit einem zermalmenden Blicke an; hätte sie ihn damit in Stücke zerreißen können, sie hätte es gethan. Sie wollte aufstehen, aber Munde hielt sie fest und sagte begütigend: Die Fahrt mit dem ewigen Gezerr hat uns Alle mit einander dumm gemacht. Wir wollen gar nichts mehr reden. Ich geh' jetzt noch vor dem Appell ein bisle in die Kasern' zu meinen Kameraden. Vergiß Alles und denk gut an mich. Gieb mit ein' Hand. So, b'hüt' dich Gott.

Munde ging nach der Kaserne. Er war jetzt ein ganz anderer Mensch als vor wenigen Monaten, da er diesen Weg so oft abgeschritten. Zuerst als ihm der Vater das

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[0176] Munde verlobt sei. Die Rautenwirthin zog nur ein wenig die Brauen ein und sagte: Das ist schnell gangen. Ich wünsch' Glück. Dann wendete sie sich um und gab anderen Gästen Bescheid. Munde saß verdrossen bei Fränz, die Eifersucht hat einen raschen Scharfblick, er behauptete, Fränz schäme sich seiner, und durch diesen offenen Ausspruch wurde die noch halb schlummernde Empfindung der Fränz plötzlich geweckt. Und wenn's wär', sagte sie aufbegehrend, wenn ich ein Mann wär', ich thät' mir eher die Zung' abbeißen, ehe ich einem Mädle sagen thät', es kann sich meiner schämen. Aber du, freilich, du bist dagestanden wie der Bub, der die Milch verschüttet hat. Ich sag' dir's noch einmal, du mußt ganz anders werden, oder du bringst's dahin, daß ich mich deiner schäm', ja, dahin bringst's, ja, daß du's nur weißt. Munde behielt nur die ersten Worte der Fränz, und er fühlte, daß sie Recht habe. Die gereizte Seelenstimmung hat aber etwas wahrhaft Ansteckendes. Munde war von Fränz gedemüthigt worden, und nun mußte er ihr Gleiches entgelten; mit fast schadenfroher Miene sagte er: Mir hat's für dich einen Stich ins Herz geben, wie die Rautenwirthin dich gelobt hat, daß du so ein gutes Kind gegen deinen Vater bist. Wenn die Leute wüßten, wie's eigentlich ist . . . Fränz knirschte die Zähne über einander und sah Munde mit einem zermalmenden Blicke an; hätte sie ihn damit in Stücke zerreißen können, sie hätte es gethan. Sie wollte aufstehen, aber Munde hielt sie fest und sagte begütigend: Die Fahrt mit dem ewigen Gezerr hat uns Alle mit einander dumm gemacht. Wir wollen gar nichts mehr reden. Ich geh' jetzt noch vor dem Appell ein bisle in die Kasern' zu meinen Kameraden. Vergiß Alles und denk gut an mich. Gieb mit ein' Hand. So, b'hüt' dich Gott. Munde ging nach der Kaserne. Er war jetzt ein ganz anderer Mensch als vor wenigen Monaten, da er diesen Weg so oft abgeschritten. Zuerst als ihm der Vater das

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:04:01Z)

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Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/176>, abgerufen am 25.11.2024.