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Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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da an hatte Fränz gewonnen Spiel; sie ließ nicht ab und hatte dabei willfährige Hülfe an der Frau Postmeisterin, bis die Mutter sich entschloß, mit ihr an der Tafel zu speisen. Martha gab endlich nach, besonders als ihr Fränz immer eindringlicher vorhielt, wie gut das für den Vater wäre, wenn man mit dem Amtsverweser bekannt sei, und wie man auch gesprächlich Manches von ihm erfahren könne über den Stand der Untersuchung. Das leuchtete ein. Anfangs stand Martha oft viele Tage mit trockenem Munde auf, sie konnte keinen Bissen hinabbringen, wenn sie den Herrn ansah, der ihr so schweres Herzeleid angethan, und der ihren Mann auf Zeitlebens ins Zuchthaus bringen konnte. Es war ihr immer, als säße sie mit einem Henker am Tisch, und sie begriff gar nicht, wie er so ruhig Speise und Trank zum Munde führte, während er auf die Fragen seiner Tischnachbaren erzählte, daß heute Der und Jener eingebracht worden sei, oder daß Dieser oder Jener ins Zuchthaus abgeführt worden sei. Martha sah dann oft nach seinen Händen, ob die nicht vom Blute rauchten. Nach solchen Tagen hatte Fränz immer einen schweren Stand, denn die Mutter wollte durchaus nicht mehr an die öffentliche Tafel. Nun aber hieß es, das könnte dem Vater schaden, wenn man jetzt zeige, daß man sich schäme, die Mutter verstand sich mit schwerem Herzen dazu, und Fränz hatte oft aufrichtiges Mitleid mit ihr, wenn ihr der Gang zu Tisch so peinvoll wurde; aber sie beredete sich, es sei nöthig, daß sich die Mutter wieder an die Menschen gewöhne, und sie vermochte die Postmeisterin, mit an den Tisch zu sitzen und die Mutter beständig im Gespräch zu erhalten. Der Amtsverweser lehnte auch fortan jede bezügliche Frage seiner Nachbarn ab, und man war fast heiter. Die Mutter lebte sichtlich wieder auf. Fränz war in der Wohnstube der Postmeisterin bald mit dem Amtsverweser bekannt geworden, und dieser theilte ihr freiwillig, aber unter dem Siegel der Verschwiegenheit, frohe Kunde über den Vater mit. Martha fand ihn nun gar nicht mehr henkergleich, sondern grundmäßig

da an hatte Fränz gewonnen Spiel; sie ließ nicht ab und hatte dabei willfährige Hülfe an der Frau Postmeisterin, bis die Mutter sich entschloß, mit ihr an der Tafel zu speisen. Martha gab endlich nach, besonders als ihr Fränz immer eindringlicher vorhielt, wie gut das für den Vater wäre, wenn man mit dem Amtsverweser bekannt sei, und wie man auch gesprächlich Manches von ihm erfahren könne über den Stand der Untersuchung. Das leuchtete ein. Anfangs stand Martha oft viele Tage mit trockenem Munde auf, sie konnte keinen Bissen hinabbringen, wenn sie den Herrn ansah, der ihr so schweres Herzeleid angethan, und der ihren Mann auf Zeitlebens ins Zuchthaus bringen konnte. Es war ihr immer, als säße sie mit einem Henker am Tisch, und sie begriff gar nicht, wie er so ruhig Speise und Trank zum Munde führte, während er auf die Fragen seiner Tischnachbaren erzählte, daß heute Der und Jener eingebracht worden sei, oder daß Dieser oder Jener ins Zuchthaus abgeführt worden sei. Martha sah dann oft nach seinen Händen, ob die nicht vom Blute rauchten. Nach solchen Tagen hatte Fränz immer einen schweren Stand, denn die Mutter wollte durchaus nicht mehr an die öffentliche Tafel. Nun aber hieß es, das könnte dem Vater schaden, wenn man jetzt zeige, daß man sich schäme, die Mutter verstand sich mit schwerem Herzen dazu, und Fränz hatte oft aufrichtiges Mitleid mit ihr, wenn ihr der Gang zu Tisch so peinvoll wurde; aber sie beredete sich, es sei nöthig, daß sich die Mutter wieder an die Menschen gewöhne, und sie vermochte die Postmeisterin, mit an den Tisch zu sitzen und die Mutter beständig im Gespräch zu erhalten. Der Amtsverweser lehnte auch fortan jede bezügliche Frage seiner Nachbarn ab, und man war fast heiter. Die Mutter lebte sichtlich wieder auf. Fränz war in der Wohnstube der Postmeisterin bald mit dem Amtsverweser bekannt geworden, und dieser theilte ihr freiwillig, aber unter dem Siegel der Verschwiegenheit, frohe Kunde über den Vater mit. Martha fand ihn nun gar nicht mehr henkergleich, sondern grundmäßig

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da an hatte Fränz gewonnen Spiel; sie ließ nicht ab und hatte                dabei willfährige Hülfe an der Frau Postmeisterin, bis die Mutter sich entschloß, mit                ihr an der Tafel zu speisen. Martha gab endlich nach, besonders als ihr Fränz immer                eindringlicher vorhielt, wie gut das für den Vater wäre, wenn man mit dem                Amtsverweser bekannt sei, und wie man auch gesprächlich Manches von ihm erfahren                könne über den Stand der Untersuchung. Das leuchtete ein. Anfangs stand Martha oft                viele Tage mit trockenem Munde auf, sie konnte keinen Bissen hinabbringen, wenn sie                den Herrn ansah, der ihr so schweres Herzeleid angethan, und der ihren Mann auf                Zeitlebens ins Zuchthaus bringen konnte. Es war ihr immer, als säße sie mit einem                Henker am Tisch, und sie begriff gar nicht, wie er so ruhig Speise und Trank zum                Munde führte, während er auf die Fragen seiner Tischnachbaren erzählte, daß heute Der                und Jener eingebracht worden sei, oder daß Dieser oder Jener ins Zuchthaus abgeführt                worden sei. Martha sah dann oft nach seinen Händen, ob die nicht vom Blute rauchten.                Nach solchen Tagen hatte Fränz immer einen schweren Stand, denn die Mutter wollte                durchaus nicht mehr an die öffentliche Tafel. Nun aber hieß es, das könnte dem Vater                schaden, wenn man jetzt zeige, daß man sich schäme, die Mutter verstand sich mit                schwerem Herzen dazu, und Fränz hatte oft aufrichtiges Mitleid mit ihr, wenn ihr der                Gang zu Tisch so peinvoll wurde; aber sie beredete sich, es sei nöthig, daß sich die                Mutter wieder an die Menschen gewöhne, und sie vermochte die Postmeisterin, mit an                den Tisch zu sitzen und die Mutter beständig im Gespräch zu erhalten. Der                Amtsverweser lehnte auch fortan jede bezügliche Frage seiner Nachbarn ab, und man war                fast heiter. Die Mutter lebte sichtlich wieder auf. Fränz war in der Wohnstube der                Postmeisterin bald mit dem Amtsverweser bekannt geworden, und dieser theilte ihr                freiwillig, aber unter dem Siegel der Verschwiegenheit, frohe Kunde über den Vater                mit. Martha fand ihn nun gar nicht mehr henkergleich, sondern grundmäßig<lb/></p>
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[0143] da an hatte Fränz gewonnen Spiel; sie ließ nicht ab und hatte dabei willfährige Hülfe an der Frau Postmeisterin, bis die Mutter sich entschloß, mit ihr an der Tafel zu speisen. Martha gab endlich nach, besonders als ihr Fränz immer eindringlicher vorhielt, wie gut das für den Vater wäre, wenn man mit dem Amtsverweser bekannt sei, und wie man auch gesprächlich Manches von ihm erfahren könne über den Stand der Untersuchung. Das leuchtete ein. Anfangs stand Martha oft viele Tage mit trockenem Munde auf, sie konnte keinen Bissen hinabbringen, wenn sie den Herrn ansah, der ihr so schweres Herzeleid angethan, und der ihren Mann auf Zeitlebens ins Zuchthaus bringen konnte. Es war ihr immer, als säße sie mit einem Henker am Tisch, und sie begriff gar nicht, wie er so ruhig Speise und Trank zum Munde führte, während er auf die Fragen seiner Tischnachbaren erzählte, daß heute Der und Jener eingebracht worden sei, oder daß Dieser oder Jener ins Zuchthaus abgeführt worden sei. Martha sah dann oft nach seinen Händen, ob die nicht vom Blute rauchten. Nach solchen Tagen hatte Fränz immer einen schweren Stand, denn die Mutter wollte durchaus nicht mehr an die öffentliche Tafel. Nun aber hieß es, das könnte dem Vater schaden, wenn man jetzt zeige, daß man sich schäme, die Mutter verstand sich mit schwerem Herzen dazu, und Fränz hatte oft aufrichtiges Mitleid mit ihr, wenn ihr der Gang zu Tisch so peinvoll wurde; aber sie beredete sich, es sei nöthig, daß sich die Mutter wieder an die Menschen gewöhne, und sie vermochte die Postmeisterin, mit an den Tisch zu sitzen und die Mutter beständig im Gespräch zu erhalten. Der Amtsverweser lehnte auch fortan jede bezügliche Frage seiner Nachbarn ab, und man war fast heiter. Die Mutter lebte sichtlich wieder auf. Fränz war in der Wohnstube der Postmeisterin bald mit dem Amtsverweser bekannt geworden, und dieser theilte ihr freiwillig, aber unter dem Siegel der Verschwiegenheit, frohe Kunde über den Vater mit. Martha fand ihn nun gar nicht mehr henkergleich, sondern grundmäßig

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:04:01Z)

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Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/143>, abgerufen am 25.11.2024.