Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847.und erkannte wohl an dem schmerzlichen Ausdruck ihrer Züge, daß sie nicht von Liebe träumte; denn die Liebe mußte diese Züge ja wunderbar lichten und erhellen, wie die Frühlingssonne die Erde nach starrem Winter! Mit einer ihr nur eigenen, holden Biegung des Halses sah die Oburn jetzt zu ihrem Begleiter herüber: "Ich bin maßlos langweilig, lieber Stein, vergeben Sie mir! Ich gab meinen Gedanken Audienz! Wie wechselvoll ist doch das Innere des Menschen! Früher erfaßte mich stets eine große Bangigkeit während des Gewitters! Um den Blitz nicht zu sehen, verbarg ich als Kind mein Köpfchen in den Schooß der Mutter, als wäre ich hier gegen jede Gefahr gefeit. Heute weitet sich meine Brust bei dem Rollen des Donners, mein Auge labt sich an den feurigen Strahlen, die so keck, wie junge, lebensfrische Gesellen, den Wolkenvorhang zerreißen, als wollten sie der Natur in's Herz sehen. Ja, ich kann es mir schön denken, zu verglühen, von diesen Strahlen getroffen! O, die Welt mit ihren Freuden ist mir oft zu verächtlich!" Auf diese Worte aus dem Munde und erkannte wohl an dem schmerzlichen Ausdruck ihrer Züge, daß sie nicht von Liebe träumte; denn die Liebe mußte diese Züge ja wunderbar lichten und erhellen, wie die Frühlingssonne die Erde nach starrem Winter! Mit einer ihr nur eigenen, holden Biegung des Halses sah die Oburn jetzt zu ihrem Begleiter herüber: „Ich bin maßlos langweilig, lieber Stein, vergeben Sie mir! Ich gab meinen Gedanken Audienz! Wie wechselvoll ist doch das Innere des Menschen! Früher erfaßte mich stets eine große Bangigkeit während des Gewitters! Um den Blitz nicht zu sehen, verbarg ich als Kind mein Köpfchen in den Schooß der Mutter, als wäre ich hier gegen jede Gefahr gefeit. Heute weitet sich meine Brust bei dem Rollen des Donners, mein Auge labt sich an den feurigen Strahlen, die so keck, wie junge, lebensfrische Gesellen, den Wolkenvorhang zerreißen, als wollten sie der Natur in's Herz sehen. Ja, ich kann es mir schön denken, zu verglühen, von diesen Strahlen getroffen! O, die Welt mit ihren Freuden ist mir oft zu verächtlich!“ Auf diese Worte aus dem Munde <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0095" n="83"/> und erkannte wohl an dem schmerzlichen Ausdruck ihrer Züge, daß sie nicht von Liebe träumte; denn die Liebe mußte diese Züge ja wunderbar lichten und erhellen, wie die Frühlingssonne die Erde nach starrem Winter! Mit einer ihr nur eigenen, holden Biegung des Halses sah die Oburn jetzt zu ihrem Begleiter herüber: „Ich bin maßlos langweilig, lieber Stein, vergeben Sie mir! Ich gab meinen Gedanken Audienz! Wie wechselvoll ist doch das Innere des Menschen! Früher erfaßte mich stets eine große Bangigkeit während des Gewitters! Um den Blitz nicht zu sehen, verbarg ich als Kind mein Köpfchen in den Schooß der Mutter, als wäre ich hier gegen jede Gefahr gefeit. Heute weitet sich meine Brust bei dem Rollen des Donners, mein Auge labt sich an den feurigen Strahlen, die so keck, wie junge, lebensfrische Gesellen, den Wolkenvorhang zerreißen, als wollten sie der Natur in's Herz sehen. Ja, ich kann es mir schön denken, zu verglühen, von diesen Strahlen getroffen! O, die Welt mit ihren Freuden ist mir oft zu verächtlich!“ Auf diese Worte aus dem Munde </p> </div> </body> </text> </TEI> [83/0095]
und erkannte wohl an dem schmerzlichen Ausdruck ihrer Züge, daß sie nicht von Liebe träumte; denn die Liebe mußte diese Züge ja wunderbar lichten und erhellen, wie die Frühlingssonne die Erde nach starrem Winter! Mit einer ihr nur eigenen, holden Biegung des Halses sah die Oburn jetzt zu ihrem Begleiter herüber: „Ich bin maßlos langweilig, lieber Stein, vergeben Sie mir! Ich gab meinen Gedanken Audienz! Wie wechselvoll ist doch das Innere des Menschen! Früher erfaßte mich stets eine große Bangigkeit während des Gewitters! Um den Blitz nicht zu sehen, verbarg ich als Kind mein Köpfchen in den Schooß der Mutter, als wäre ich hier gegen jede Gefahr gefeit. Heute weitet sich meine Brust bei dem Rollen des Donners, mein Auge labt sich an den feurigen Strahlen, die so keck, wie junge, lebensfrische Gesellen, den Wolkenvorhang zerreißen, als wollten sie der Natur in's Herz sehen. Ja, ich kann es mir schön denken, zu verglühen, von diesen Strahlen getroffen! O, die Welt mit ihren Freuden ist mir oft zu verächtlich!“ Auf diese Worte aus dem Munde
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