Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

thöricht, sich immer hinauszusehnen in's Weite, während allein in dem nächsten Kreis, in enger Umgränzung wahre Befriedigung möglich ist!

"Sie sind auf dem Lande erzogen, gnädige Frau? O schildern Sie mir Ihre Kindheit! Meine aufrichtige Theilnahme macht mich ihres Vertrauens werth."

"Mein Vater war Prediger auf dem Lande; ich sein einziges Kind! Aus den engen Lebensverhältnissen sehnte ich mich hinaus und vor meiner Seele stand, als einzig erstrebenswerth, ein bewegtes Leben mit allen Freuden der Welt: Ich war bis zu meinem sechszehnten Jahre fast nie über die Gränzen unseres Dorfes hinaus gekommen; nur meine Phantasie, deren angeborene Glut durch mannigfache Lektüre genährt war, schuf mir, jenseits des idyllischen Bereichs, ein Eldorado voll unbestimmten Glückes. Jedes Posthorn, das von ferne her durch die einsame Gegend schmetterte, entlockte mir Thränen der Sehnsucht. Ich wollte in die Welt; ich wollte glücklich sein! Jetzt" -- fuhr sie bewegter fort; -- "jetzt habe ich die Welt, und was darin Glück heißt,

thöricht, sich immer hinauszusehnen in's Weite, während allein in dem nächsten Kreis, in enger Umgränzung wahre Befriedigung möglich ist!

„Sie sind auf dem Lande erzogen, gnädige Frau? O schildern Sie mir Ihre Kindheit! Meine aufrichtige Theilnahme macht mich ihres Vertrauens werth.“

„Mein Vater war Prediger auf dem Lande; ich sein einziges Kind! Aus den engen Lebensverhältnissen sehnte ich mich hinaus und vor meiner Seele stand, als einzig erstrebenswerth, ein bewegtes Leben mit allen Freuden der Welt: Ich war bis zu meinem sechszehnten Jahre fast nie über die Gränzen unseres Dorfes hinaus gekommen; nur meine Phantasie, deren angeborene Glut durch mannigfache Lektüre genährt war, schuf mir, jenseits des idyllischen Bereichs, ein Eldorado voll unbestimmten Glückes. Jedes Posthorn, das von ferne her durch die einsame Gegend schmetterte, entlockte mir Thränen der Sehnsucht. Ich wollte in die Welt; ich wollte glücklich sein! Jetzt“ — fuhr sie bewegter fort; — „jetzt habe ich die Welt, und was darin Glück heißt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0092" n="80"/>
thöricht, sich immer hinauszusehnen in's Weite, während allein in                     dem nächsten Kreis, in enger Umgränzung wahre Befriedigung möglich ist!</p>
        <p> &#x201E;Sie sind auf dem Lande erzogen, gnädige Frau? O schildern Sie mir Ihre                     Kindheit! Meine aufrichtige Theilnahme macht mich ihres Vertrauens werth.&#x201C;</p>
        <p> &#x201E;Mein Vater war Prediger auf dem Lande; ich sein einziges Kind! Aus den engen                     Lebensverhältnissen sehnte ich mich hinaus und vor meiner Seele stand, als                     einzig erstrebenswerth, ein bewegtes Leben mit allen Freuden der Welt: Ich war                     bis zu meinem sechszehnten Jahre fast nie über die Gränzen unseres Dorfes hinaus                     gekommen; nur meine Phantasie, deren angeborene Glut durch mannigfache Lektüre                     genährt war, schuf mir, jenseits des idyllischen Bereichs, ein Eldorado voll                     unbestimmten Glückes. Jedes Posthorn, das von ferne her durch die einsame Gegend                     schmetterte, entlockte mir Thränen der Sehnsucht. Ich wollte in die Welt; ich                     wollte glücklich sein! Jetzt&#x201C; &#x2014; fuhr sie bewegter fort; &#x2014; &#x201E;jetzt habe ich die                     Welt, und was darin Glück heißt,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0092] thöricht, sich immer hinauszusehnen in's Weite, während allein in dem nächsten Kreis, in enger Umgränzung wahre Befriedigung möglich ist! „Sie sind auf dem Lande erzogen, gnädige Frau? O schildern Sie mir Ihre Kindheit! Meine aufrichtige Theilnahme macht mich ihres Vertrauens werth.“ „Mein Vater war Prediger auf dem Lande; ich sein einziges Kind! Aus den engen Lebensverhältnissen sehnte ich mich hinaus und vor meiner Seele stand, als einzig erstrebenswerth, ein bewegtes Leben mit allen Freuden der Welt: Ich war bis zu meinem sechszehnten Jahre fast nie über die Gränzen unseres Dorfes hinaus gekommen; nur meine Phantasie, deren angeborene Glut durch mannigfache Lektüre genährt war, schuf mir, jenseits des idyllischen Bereichs, ein Eldorado voll unbestimmten Glückes. Jedes Posthorn, das von ferne her durch die einsame Gegend schmetterte, entlockte mir Thränen der Sehnsucht. Ich wollte in die Welt; ich wollte glücklich sein! Jetzt“ — fuhr sie bewegter fort; — „jetzt habe ich die Welt, und was darin Glück heißt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sophie - A Digital Library of Works by German-Speaking Women: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax von "Sophie". (2013-03-13T15:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Heinrich Heine Universität Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-03-13T15:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-03-13T15:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Wird ein Wort durch einen Seitenumbruch getrennt, so wird es vollständig auf der vorhergehenden Seite übernommen.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/aston_leben_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/aston_leben_1847/92
Zitationshilfe: Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/aston_leben_1847/92>, abgerufen am 21.11.2024.