Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

der Zukunft stehen. Voll Verachtung gegen die Herren der Welt, die ihren Besitz als den sichtbaren Ausdruck der göttlichen Gnade, als ein Monopol betrachten; die nicht einmal die bescheidensten Procente einer maßlosen Einnahme auf dem Altar der leidenden Menschheit niederlegen, entgegnete Ehrig: "Nun denn, wenn Sie die herzzerreißende Lage Ihrer Leute nicht rührt; -- ich habe ihrem Willen keine Macht entgegenzusetzen. Doch Sie erlauben mir, daß ich Ihr Geschäft verlasse; denn der immerwährende Anblick von Sorge und Gram und Verzweiflung reibt mich auf. Ich hatte mein Wort gegeben, bei Ihnen Fürsprache zu thuen. Da sie fruchtlos geblieben, so will auch ich nicht länger, auf Unkosten der Armuth, ein gutes Gehalt beziehn, und gebe hiermit freiwillig meine Stellung auf."

Nach diesen Worten entfernte sich Ehrig schnell. Oburn sah ihm bestürzt nach; der Appetit war ihm vergangen; er stand hastig auf und ging im Zimmer auf und nieder. Madame Oburn war eine stillschweigende Zeuginn dieser Unterredung gewesen. Sie hatte sich während der ganzen Ehe nie um die Geschäfte

der Zukunft stehen. Voll Verachtung gegen die Herren der Welt, die ihren Besitz als den sichtbaren Ausdruck der göttlichen Gnade, als ein Monopol betrachten; die nicht einmal die bescheidensten Procente einer maßlosen Einnahme auf dem Altar der leidenden Menschheit niederlegen, entgegnete Ehrig: „Nun denn, wenn Sie die herzzerreißende Lage Ihrer Leute nicht rührt; — ich habe ihrem Willen keine Macht entgegenzusetzen. Doch Sie erlauben mir, daß ich Ihr Geschäft verlasse; denn der immerwährende Anblick von Sorge und Gram und Verzweiflung reibt mich auf. Ich hatte mein Wort gegeben, bei Ihnen Fürsprache zu thuen. Da sie fruchtlos geblieben, so will auch ich nicht länger, auf Unkosten der Armuth, ein gutes Gehalt beziehn, und gebe hiermit freiwillig meine Stellung auf.

Nach diesen Worten entfernte sich Ehrig schnell. Oburn sah ihm bestürzt nach; der Appetit war ihm vergangen; er stand hastig auf und ging im Zimmer auf und nieder. Madame Oburn war eine stillschweigende Zeuginn dieser Unterredung gewesen. Sie hatte sich während der ganzen Ehe nie um die Geschäfte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0133" n="121"/>
der Zukunft stehen. Voll                     Verachtung gegen die Herren der Welt, die ihren Besitz als den sichtbaren                     Ausdruck der göttlichen Gnade, als ein Monopol betrachten; die nicht einmal die                     bescheidensten Procente einer maßlosen Einnahme auf dem Altar der leidenden                     Menschheit niederlegen, entgegnete Ehrig: &#x201E;Nun denn, wenn Sie die                     herzzerreißende Lage Ihrer Leute nicht rührt; &#x2014; ich habe ihrem Willen keine                     Macht entgegenzusetzen. Doch Sie erlauben mir, daß ich Ihr Geschäft verlasse;                     denn der immerwährende Anblick von Sorge und Gram und Verzweiflung reibt mich                     auf. Ich hatte mein Wort gegeben, bei Ihnen Fürsprache zu thuen. Da sie                     fruchtlos geblieben, so will auch ich nicht länger, auf Unkosten der Armuth, ein                     gutes Gehalt beziehn, und gebe hiermit freiwillig meine Stellung auf.<choice><sic/><corr>&#x201C;</corr></choice></p>
        <p> Nach diesen Worten entfernte sich Ehrig schnell. Oburn sah ihm bestürzt nach;                     der Appetit war ihm vergangen; er stand hastig auf und ging im Zimmer auf und                     nieder. Madame Oburn war eine stillschweigende Zeuginn dieser Unterredung                     gewesen. Sie hatte sich während der ganzen Ehe nie um die Geschäfte
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[121/0133] der Zukunft stehen. Voll Verachtung gegen die Herren der Welt, die ihren Besitz als den sichtbaren Ausdruck der göttlichen Gnade, als ein Monopol betrachten; die nicht einmal die bescheidensten Procente einer maßlosen Einnahme auf dem Altar der leidenden Menschheit niederlegen, entgegnete Ehrig: „Nun denn, wenn Sie die herzzerreißende Lage Ihrer Leute nicht rührt; — ich habe ihrem Willen keine Macht entgegenzusetzen. Doch Sie erlauben mir, daß ich Ihr Geschäft verlasse; denn der immerwährende Anblick von Sorge und Gram und Verzweiflung reibt mich auf. Ich hatte mein Wort gegeben, bei Ihnen Fürsprache zu thuen. Da sie fruchtlos geblieben, so will auch ich nicht länger, auf Unkosten der Armuth, ein gutes Gehalt beziehn, und gebe hiermit freiwillig meine Stellung auf.“ Nach diesen Worten entfernte sich Ehrig schnell. Oburn sah ihm bestürzt nach; der Appetit war ihm vergangen; er stand hastig auf und ging im Zimmer auf und nieder. Madame Oburn war eine stillschweigende Zeuginn dieser Unterredung gewesen. Sie hatte sich während der ganzen Ehe nie um die Geschäfte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sophie - A Digital Library of Works by German-Speaking Women: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax von "Sophie". (2013-03-13T15:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Heinrich Heine Universität Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-03-13T15:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-03-13T15:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Wird ein Wort durch einen Seitenumbruch getrennt, so wird es vollständig auf der vorhergehenden Seite übernommen.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/aston_leben_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/aston_leben_1847/133
Zitationshilfe: Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/aston_leben_1847/133>, abgerufen am 24.11.2024.