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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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von denen ketzer-geschichten.
[Spaltenumbruch] entweder gantz und gar nicht/ oder
schwerlich begreiffen werden.
Da nun
dieser alte und vortreffliche Lehrer hierinnen
nicht können zu recht kommen/ was gewißheit
und nutz ist denn von denen unterschiedlichen
heutigen ketzer-beschreibern unter denen Papi-
stischen und Lutherischen und andern zu ver-
muthen/ die nicht allein in diesen ihren schriff-
ten einander selbst zuketzern/ sondern auch
wegen anderer in ermangelung der erfahren-
heit/ lebens-mittel/ bücher/ verstands und be-
hörigen urtheils ein erbärmliches zusammen ge-
stoppeltes/ und bey vielen ein böß und lügen-
hafftes papagäyen-werck machen/ worüber sie
denn auch offters elendiglich durch die hechel ge-
zogen werden/ doch ist es manchem gnug/ wenn
er nur in seinem kirch-spiel/ wie sie reden/ seinen
zuhörern/ welches öffters nur ein städtgen oder
dorff voll einfältiger und unwissender bürger
oder bauren ist/ so etwas neues und seltzames
von unbekanten leuten und lehren/ die sie selb-
sten nicht gesehen noch verstehen/ vorbringen/
und es so/ wie es ihm selbst auff das abscheulich-
ste behaget/ vorstellen/ und denn auch wieder-
um selbsten auff gleiche weise darnieder schmeis-
sen und also mit ihm selbst fechten können/
denn hat man sich als einen tapffern rittersmann
erwiesen. Allein ob dadurch ein Christlich le-
ben erwecket/ und die armen menschen gebessert
und zum erkäntnis GOttes und JEsu CHri-
sti/ woran doch allein die seligkeit hanget/ ge-
bracht werden/ mögen die zusehen und verant-
worten/ die solche unbehörliche dinge thun.

Hauptsächlich und im grund erscheinet auch
die richtigkeit der ketzermacherey aus ihren pro-
cess
en oder verfahrungen und manieren/ so sie
gebrauchen/ denn keine von allen 3. R. R. re-
ligionen können einen solchen sichtbaren rich-
ter/ noch auch einen Actorem oder beschuldiger
ausfinden/ um die andere/ wie auch ihnen ge-
schicht/ zu verketzern/ daß solche von dem be-
schuldigten theile nicht könten verworffen wer-
den. Also daß gäntzlich das Forum compe-
tens
d. i. das behörliche gericht hierzu noth-
wendig unter ihnen ermangeln muß. Und so
es unter ihnen ermangelt/ solte denn eine eintzi-
ge dieser 3. religionen gegen andere besser zu seyn
nur können gedacht/ zugeschweigen/ gehal-
ten werden? Nichts destoweniger wird bey al-
len 3. die ketzermachung trefflich getrieben/ aber
wie? Bey denen Papisten/ allwo von den
grössesten und mächtigsten weltherren unter
ihnen denen so genanten und geachteten geist-
lichen/ nemlich und eigentlich dem Pabst/ die-
ses recht eigenthümlich zugestanden wird/
welcher Inquisitores haereticae pravitatis d. i.
untersucher oder ausforscher der ketzeri-
schenunartigkeit
nebst andern beysitzern und
bedienten verordnet/ wenn nun jemand/ es sey
aus was ursache es wolle/ recht oder unrecht/
in verdacht kommt/ der muß mit oder ohne ge-
waltthätigkeit für solchem gericht erscheinen/
und offtmals sein eigner beschuldiger werden/
da doch die gemeine rechte sagen: Nemo tene-
tur propriam turpitudinem allegare.
d. i. Nie-
mand ist gehalten seine eigene schande
anzuweisen.
Wird er nun/ wie es ins ge-
mein geschicht/ einketzer erkläret/ so ist ihm
der tod gewiß gnug. Aber das thun diese seine
leute nicht/ sie seyn Geistliche/ sie vergiessen
[Spaltenumbruch] kein blut/ sie waschen mit Pilato die hände/
sondern sie übergeben ihn nur der weltlichen
Obrigkeit/ die müssen ihre nachrichter seyn/ als-
dann ist es schon ein ausgemachtes werck/ zum
scheiderhauffen zu/ zum feuer zu/ ohn eintzige
gnade/ wovon die am 15. bl. erwehnte Marty-
rer-bücher und Limburgs hist. de inquis. weit-
läufftiger und eigentlicher handeln. Und die-
ses geschicht von denen auff dem Münst. und
Oßnabr. friedens-tractaten genennten Catho-
lischen. Bey denen aber daselbst genennten
Evangelischen/ und unter denen den Lutheri-
schen/ gehet es dem schein nach etwas gelinder
daher/ weil ihren so bloß genennten Geistlichen
eine so grosse macht zwar eben nicht zugestan-
den/ jedoch von ihnen selbst/ so viel sie immer
können und vermögen/ eigenthätig genommen
und gebrauchet wird/ und damit kommt es
mehrentheils erstlich auff die cantzeln oder pre-
digstühle/ da wissen sie wol/ daß sie auch der
gründlichsten und billichsten wiedersprache
nicht zu gewarten haben/ sie sagen gleich/ was
sie wollen/ es sey wahr oder unwahr/ helffe
nur alles/ was da helffen kan. Nachdem nun
der meiste theil der zuhörer von solche leuten alles
auff guten credit und glauben annehmen/ oder
um nicht verdächtig zu werden/ annehmen und
bey leibe nicht dagegen mucken müssen/ so folgt
bißweilen auch die feder und öffters noch
scheinbarer drauff/ als dann ist die sache gantz
klar/ und ist brav gesagt und gethan. Hier-
nächst kommt das blind gemachte volck und
schreyet das crucifige! crucifige! weg mit
diesen leuten/ es seyn nur unruhmacher/ u. d. g.
Da muß die Obrigkeit dran/ sie betrüben kein
wasser nicht/ die Obrigkeit ist so dann eine
säugamme und beschützerin der kirchen/ sie ist
denn gut gnug ihren willen und begehren/ als
ihre diener/ auszuführen/ da gehet es denn: Er
ist in der religion verdächtig/ ein ketzer/ er
muß von seinem dienst/ von seinem amt/ aus
der stadt/ aus dem lande hinaus. Gleich wie
sie aber in der tödtung des leibes etwas behut-
samer als die Papisten/ so seyn sie hingegen
in beraubung und schändung eines ehrlichen
namens und andern beschimpffungen desto
hefftiger/ welches doch ein bürgerlicher tod/
und also wenig besser ist/ als von den Papisten
betrieben wird/ weil fama & vita pari passu
ambulant.
d. i. das leben und einehrlicher
name halten gleichen fuß.
Jst aber die
Obrigkeit verständiger/ und will die sache selbst
untersuchen/ da heist es: wäre dieser nicht ein
Enthusiast/ Chiliast/ Schwenckfelder/
Weygelianer/ Pietist/
und mit einem wort/
das alle diese eckel-namen in sich verschlungen
hält: ein Quacker/ wir würden nicht von
ihm reden/ noch ihn anzeigen. Wird aber
solchen falsch scheinenden angebern/ wie billich/
nicht getrauet/ sondern man will das werck
etwas genauer ansehen/ alsdenn gehet das ge-
schrey recht an: wird dieser oder jener nicht
weggeschafft/ so bistu kein freund des Münster-
und Oßnabrüggischen friedenschlusses. So ist es
denn gethan/ und ihr wille muß geschehen. Daß
dieses dergestalt von Lutherischen/ so wol un-
ter ihnen selbsten/ als auch gegen andere ge-
schehe/ können unter vielen die geschichte in der
vortrefflichen stadt Hamburg ein unverwerff-
liches gezeugniß abgeben.

Num.
A. K. H. Vierter Theil. C

von denen ketzer-geſchichten.
[Spaltenumbruch] entweder gantz und gar nicht/ oder
ſchwerlich begreiffen werden.
Da nun
dieſer alte und vortreffliche Lehrer hierinnen
nicht koͤnnen zu recht kommen/ was gewißheit
und nutz iſt denn von denen unterſchiedlichen
heutigen ketzer-beſchreibern unter denen Papi-
ſtiſchen und Lutheriſchen und andern zu ver-
muthen/ die nicht allein in dieſen ihren ſchriff-
ten einander ſelbſt zuketzern/ ſondern auch
wegen anderer in ermangelung der erfahren-
heit/ lebens-mittel/ buͤcher/ verſtands und be-
hoͤrigen urtheils ein erbaͤrmliches zuſammen ge-
ſtoppeltes/ und bey vielen ein boͤß und luͤgen-
hafftes papagaͤyen-werck machen/ woruͤber ſie
denn auch offters elendiglich durch die hechel ge-
zogen werden/ doch iſt es manchem gnug/ weñ
er nur in ſeinem kirch-ſpiel/ wie ſie reden/ ſeinen
zuhoͤrern/ welches oͤffters nur ein ſtaͤdtgen oder
dorff voll einfaͤltiger und unwiſſender buͤrger
oder bauren iſt/ ſo etwas neues und ſeltzames
von unbekanten leuten und lehren/ die ſie ſelb-
ſten nicht geſehen noch verſtehen/ vorbringen/
und es ſo/ wie es ihm ſelbſt auff das abſcheulich-
ſte behaget/ vorſtellen/ und denn auch wieder-
um ſelbſten auff gleiche weiſe darnieder ſchmeiſ-
ſen und alſo mit ihm ſelbſt fechten koͤnnen/
denn hat man ſich als einen tapffern rittersmañ
erwieſen. Allein ob dadurch ein Chriſtlich le-
ben erwecket/ und die armen menſchen gebeſſert
und zum erkaͤntnis GOttes und JEſu CHri-
ſti/ woran doch allein die ſeligkeit hanget/ ge-
bracht werden/ moͤgen die zuſehen und verant-
worten/ die ſolche unbehoͤrliche dinge thun.

Hauptſaͤchlich und im grund erſcheinet auch
die richtigkeit der ketzermacherey aus ihren pro-
ceſſ
en oder verfahrungen und manieren/ ſo ſie
gebrauchen/ denn keine von allen 3. R. R. re-
ligionen koͤnnen einen ſolchen ſichtbaren rich-
ter/ noch auch einen Actorem oder beſchuldiger
ausfinden/ um die andere/ wie auch ihnen ge-
ſchicht/ zu verketzern/ daß ſolche von dem be-
ſchuldigten theile nicht koͤnten verworffen wer-
den. Alſo daß gaͤntzlich das Forum compe-
tens
d. i. das behoͤrliche gericht hierzu noth-
wendig unter ihnen ermangeln muß. Und ſo
es unter ihnen ermangelt/ ſolte denn eine eintzi-
ge dieſer 3. religionen gegen andere beſſer zu ſeyn
nur koͤnnen gedacht/ zugeſchweigen/ gehal-
ten werden? Nichts deſtoweniger wird bey al-
len 3. die ketzermachung trefflich getrieben/ aber
wie? Bey denen Papiſten/ allwo von den
groͤſſeſten und maͤchtigſten weltherren unter
ihnen denen ſo genanten und geachteten geiſt-
lichen/ nemlich und eigentlich dem Pabſt/ die-
ſes recht eigenthuͤmlich zugeſtanden wird/
welcher Inquiſitores hæreticæ pravitatis d. i.
unterſucher oder ausforſcher der ketzeri-
ſchenunartigkeit
nebſt andern beyſitzern und
bedienten verordnet/ wenn nun jemand/ es ſey
aus was urſache es wolle/ recht oder unrecht/
in verdacht kommt/ der muß mit oder ohne ge-
waltthaͤtigkeit fuͤr ſolchem gericht erſcheinen/
und offtmals ſein eigner beſchuldiger werden/
da doch die gemeine rechte ſagen: Nemo tene-
tur propriam turpitudinem allegare.
d. i. Nie-
mand iſt gehalten ſeine eigene ſchande
anzuweiſen.
Wird er nun/ wie es ins ge-
mein geſchicht/ einketzer erklaͤret/ ſo iſt ihm
der tod gewiß gnug. Aber das thun dieſe ſeine
leute nicht/ ſie ſeyn Geiſtliche/ ſie vergieſſen
[Spaltenumbruch] kein blut/ ſie waſchen mit Pilato die haͤnde/
ſondern ſie uͤbergeben ihn nur der weltlichen
Obrigkeit/ die muͤſſen ihre nachrichter ſeyn/ als-
dann iſt es ſchon ein ausgemachtes werck/ zum
ſcheiderhauffen zu/ zum feuer zu/ ohn eintzige
gnade/ wovon die am 15. bl. erwehnte Marty-
rer-buͤcher und Limburgs hiſt. de inquiſ. weit-
laͤufftiger und eigentlicher handeln. Und die-
ſes geſchicht von denen auff dem Muͤnſt. und
Oßnabr. friedens-tractaten genennten Catho-
liſchen. Bey denen aber daſelbſt genennten
Evangeliſchen/ und unter denen den Lutheri-
ſchen/ gehet es dem ſchein nach etwas gelinder
daher/ weil ihren ſo bloß genennten Geiſtlichen
eine ſo groſſe macht zwar eben nicht zugeſtan-
den/ jedoch von ihnen ſelbſt/ ſo viel ſie immer
koͤnnen und vermoͤgen/ eigenthaͤtig genommen
und gebrauchet wird/ und damit kommt es
mehrentheils erſtlich auff die cantzeln oder pre-
digſtuͤhle/ da wiſſen ſie wol/ daß ſie auch der
gruͤndlichſten und billichſten wiederſprache
nicht zu gewarten haben/ ſie ſagen gleich/ was
ſie wollen/ es ſey wahr oder unwahr/ helffe
nur alles/ was da helffen kan. Nachdem nun
der meiſte theil der zuhoͤꝛer von ſolchē leuten alles
auff guten credit und glauben annehmen/ oder
um nicht verdaͤchtig zu werden/ annehmen und
bey leibe nicht dagegen mucken muͤſſen/ ſo folgt
bißweilen auch die feder und oͤffters noch
ſcheinbarer drauff/ als dann iſt die ſache gantz
klar/ und iſt brav geſagt und gethan. Hier-
naͤchſt kommt das blind gemachte volck und
ſchreyet das crucifige! crucifige! weg mit
dieſen leuten/ es ſeyn nur unruhmacher/ u. d. g.
Da muß die Obrigkeit dran/ ſie betruͤben kein
waſſer nicht/ die Obrigkeit iſt ſo dann eine
ſaͤugamme und beſchuͤtzerin der kirchen/ ſie iſt
denn gut gnug ihren willen und begehren/ als
ihre diener/ auszufuͤhren/ da gehet es denn: Er
iſt in der religion verdaͤchtig/ ein ketzer/ er
muß von ſeinem dienſt/ von ſeinem amt/ aus
der ſtadt/ aus dem lande hinaus. Gleich wie
ſie aber in der toͤdtung des leibes etwas behut-
ſamer als die Papiſten/ ſo ſeyn ſie hingegen
in beraubung und ſchaͤndung eines ehrlichen
namens und andern beſchimpffungen deſto
hefftiger/ welches doch ein buͤrgerlicher tod/
und alſo wenig beſſer iſt/ als von den Papiſten
betrieben wird/ weil fama & vita pari paſſu
ambulant.
d. i. das leben und einehrlicher
name halten gleichen fuß.
Jſt aber die
Obrigkeit verſtaͤndiger/ und will die ſache ſelbſt
unterſuchen/ da heiſt es: waͤre dieſer nicht ein
Enthuſiaſt/ Chiliaſt/ Schwenckfelder/
Weygelianer/ Pietiſt/
und mit einem wort/
das alle dieſe eckel-namen in ſich verſchlungen
haͤlt: ein Quacker/ wir wuͤrden nicht von
ihm reden/ noch ihn anzeigen. Wird aber
ſolchen falſch ſcheinenden angebeꝛn/ wie billich/
nicht getrauet/ ſondern man will das werck
etwas genauer anſehen/ alsdenn gehet das ge-
ſchrey recht an: wird dieſer oder jener nicht
weggeſchafft/ ſo biſtu kein freund des Muͤnſter-
uñ Oßnabꝛuͤggiſchen friedenſchluſſes. So iſt es
denn gethan/ und ihr wille muß geſchehen. Daß
dieſes dergeſtalt von Lutheriſchen/ ſo wol un-
ter ihnen ſelbſten/ als auch gegen andere ge-
ſchehe/ koͤnnen unter vielen die geſchichte in der
vortrefflichen ſtadt Hamburg ein unverwerff-
liches gezeugniß abgeben.

Num.
A. K. H. Vierter Theil. C
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[17/0313] von denen ketzer-geſchichten. entweder gantz und gar nicht/ oder ſchwerlich begreiffen werden. Da nun dieſer alte und vortreffliche Lehrer hierinnen nicht koͤnnen zu recht kommen/ was gewißheit und nutz iſt denn von denen unterſchiedlichen heutigen ketzer-beſchreibern unter denen Papi- ſtiſchen und Lutheriſchen und andern zu ver- muthen/ die nicht allein in dieſen ihren ſchriff- ten einander ſelbſt zuketzern/ ſondern auch wegen anderer in ermangelung der erfahren- heit/ lebens-mittel/ buͤcher/ verſtands und be- hoͤrigen urtheils ein erbaͤrmliches zuſammen ge- ſtoppeltes/ und bey vielen ein boͤß und luͤgen- hafftes papagaͤyen-werck machen/ woruͤber ſie denn auch offters elendiglich durch die hechel ge- zogen werden/ doch iſt es manchem gnug/ weñ er nur in ſeinem kirch-ſpiel/ wie ſie reden/ ſeinen zuhoͤrern/ welches oͤffters nur ein ſtaͤdtgen oder dorff voll einfaͤltiger und unwiſſender buͤrger oder bauren iſt/ ſo etwas neues und ſeltzames von unbekanten leuten und lehren/ die ſie ſelb- ſten nicht geſehen noch verſtehen/ vorbringen/ und es ſo/ wie es ihm ſelbſt auff das abſcheulich- ſte behaget/ vorſtellen/ und denn auch wieder- um ſelbſten auff gleiche weiſe darnieder ſchmeiſ- ſen und alſo mit ihm ſelbſt fechten koͤnnen/ denn hat man ſich als einen tapffern rittersmañ erwieſen. Allein ob dadurch ein Chriſtlich le- ben erwecket/ und die armen menſchen gebeſſert und zum erkaͤntnis GOttes und JEſu CHri- ſti/ woran doch allein die ſeligkeit hanget/ ge- bracht werden/ moͤgen die zuſehen und verant- worten/ die ſolche unbehoͤrliche dinge thun. Hauptſaͤchlich und im grund erſcheinet auch die richtigkeit der ketzermacherey aus ihren pro- ceſſen oder verfahrungen und manieren/ ſo ſie gebrauchen/ denn keine von allen 3. R. R. re- ligionen koͤnnen einen ſolchen ſichtbaren rich- ter/ noch auch einen Actorem oder beſchuldiger ausfinden/ um die andere/ wie auch ihnen ge- ſchicht/ zu verketzern/ daß ſolche von dem be- ſchuldigten theile nicht koͤnten verworffen wer- den. Alſo daß gaͤntzlich das Forum compe- tens d. i. das behoͤrliche gericht hierzu noth- wendig unter ihnen ermangeln muß. Und ſo es unter ihnen ermangelt/ ſolte denn eine eintzi- ge dieſer 3. religionen gegen andere beſſer zu ſeyn nur koͤnnen gedacht/ zugeſchweigen/ gehal- ten werden? Nichts deſtoweniger wird bey al- len 3. die ketzermachung trefflich getrieben/ aber wie? Bey denen Papiſten/ allwo von den groͤſſeſten und maͤchtigſten weltherren unter ihnen denen ſo genanten und geachteten geiſt- lichen/ nemlich und eigentlich dem Pabſt/ die- ſes recht eigenthuͤmlich zugeſtanden wird/ welcher Inquiſitores hæreticæ pravitatis d. i. unterſucher oder ausforſcher der ketzeri- ſchenunartigkeit nebſt andern beyſitzern und bedienten verordnet/ wenn nun jemand/ es ſey aus was urſache es wolle/ recht oder unrecht/ in verdacht kommt/ der muß mit oder ohne ge- waltthaͤtigkeit fuͤr ſolchem gericht erſcheinen/ und offtmals ſein eigner beſchuldiger werden/ da doch die gemeine rechte ſagen: Nemo tene- tur propriam turpitudinem allegare. d. i. Nie- mand iſt gehalten ſeine eigene ſchande anzuweiſen. Wird er nun/ wie es ins ge- mein geſchicht/ einketzer erklaͤret/ ſo iſt ihm der tod gewiß gnug. Aber das thun dieſe ſeine leute nicht/ ſie ſeyn Geiſtliche/ ſie vergieſſen kein blut/ ſie waſchen mit Pilato die haͤnde/ ſondern ſie uͤbergeben ihn nur der weltlichen Obrigkeit/ die muͤſſen ihre nachrichter ſeyn/ als- dann iſt es ſchon ein ausgemachtes werck/ zum ſcheiderhauffen zu/ zum feuer zu/ ohn eintzige gnade/ wovon die am 15. bl. erwehnte Marty- rer-buͤcher und Limburgs hiſt. de inquiſ. weit- laͤufftiger und eigentlicher handeln. Und die- ſes geſchicht von denen auff dem Muͤnſt. und Oßnabr. friedens-tractaten genennten Catho- liſchen. Bey denen aber daſelbſt genennten Evangeliſchen/ und unter denen den Lutheri- ſchen/ gehet es dem ſchein nach etwas gelinder daher/ weil ihren ſo bloß genennten Geiſtlichen eine ſo groſſe macht zwar eben nicht zugeſtan- den/ jedoch von ihnen ſelbſt/ ſo viel ſie immer koͤnnen und vermoͤgen/ eigenthaͤtig genommen und gebrauchet wird/ und damit kommt es mehrentheils erſtlich auff die cantzeln oder pre- digſtuͤhle/ da wiſſen ſie wol/ daß ſie auch der gruͤndlichſten und billichſten wiederſprache nicht zu gewarten haben/ ſie ſagen gleich/ was ſie wollen/ es ſey wahr oder unwahr/ helffe nur alles/ was da helffen kan. Nachdem nun der meiſte theil der zuhoͤꝛer von ſolchē leuten alles auff guten credit und glauben annehmen/ oder um nicht verdaͤchtig zu werden/ annehmen und bey leibe nicht dagegen mucken muͤſſen/ ſo folgt bißweilen auch die feder und oͤffters noch ſcheinbarer drauff/ als dann iſt die ſache gantz klar/ und iſt brav geſagt und gethan. Hier- naͤchſt kommt das blind gemachte volck und ſchreyet das crucifige! crucifige! weg mit dieſen leuten/ es ſeyn nur unruhmacher/ u. d. g. Da muß die Obrigkeit dran/ ſie betruͤben kein waſſer nicht/ die Obrigkeit iſt ſo dann eine ſaͤugamme und beſchuͤtzerin der kirchen/ ſie iſt denn gut gnug ihren willen und begehren/ als ihre diener/ auszufuͤhren/ da gehet es denn: Er iſt in der religion verdaͤchtig/ ein ketzer/ er muß von ſeinem dienſt/ von ſeinem amt/ aus der ſtadt/ aus dem lande hinaus. Gleich wie ſie aber in der toͤdtung des leibes etwas behut- ſamer als die Papiſten/ ſo ſeyn ſie hingegen in beraubung und ſchaͤndung eines ehrlichen namens und andern beſchimpffungen deſto hefftiger/ welches doch ein buͤrgerlicher tod/ und alſo wenig beſſer iſt/ als von den Papiſten betrieben wird/ weil fama & vita pari paſſu ambulant. d. i. das leben und einehrlicher name halten gleichen fuß. Jſt aber die Obrigkeit verſtaͤndiger/ und will die ſache ſelbſt unterſuchen/ da heiſt es: waͤre dieſer nicht ein Enthuſiaſt/ Chiliaſt/ Schwenckfelder/ Weygelianer/ Pietiſt/ und mit einem wort/ das alle dieſe eckel-namen in ſich verſchlungen haͤlt: ein Quacker/ wir wuͤrden nicht von ihm reden/ noch ihn anzeigen. Wird aber ſolchen falſch ſcheinenden angebeꝛn/ wie billich/ nicht getrauet/ ſondern man will das werck etwas genauer anſehen/ alsdenn gehet das ge- ſchrey recht an: wird dieſer oder jener nicht weggeſchafft/ ſo biſtu kein freund des Muͤnſter- uñ Oßnabꝛuͤggiſchen friedenſchluſſes. So iſt es denn gethan/ und ihr wille muß geſchehen. Daß dieſes dergeſtalt von Lutheriſchen/ ſo wol un- ter ihnen ſelbſten/ als auch gegen andere ge- ſchehe/ koͤnnen unter vielen die geſchichte in der vortrefflichen ſtadt Hamburg ein unverwerff- liches gezeugniß abgeben. Num. A. K. H. Vierter Theil. C

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/313>, abgerufen am 27.04.2024.