Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.Th. III. C. XXVII. Von denen gesichten Annä Vetterin. [Spaltenumbruch]
JahrMDC. biß MDCC.zu machen; freuet euch meiner alle; die bißher ge- ängstet worden sind von den feinden/ den fal- schen Lehrern des Pabstthums/ ich will eure er- lösung seyn; so spricht der HErr HErr/ alle ge- fangene seelen sollen erlöset werden. Jch bin hier die wahrheit zu bekennen. Drittens sahe ich im gesichte/ wie mein mann als schloßwächter bey dem Fürsten Albrecht Ernst auff dem thurn stund auszuschreyen/ und der Printz war einig mit seinem vater; und ich sahe/ daß sich mein mann vollgesoffen und taumelte; da sprach der Printz zu dem alten Fürsten/ wir wollen sie ab- schaffen/ sie bleiben nicht bey uns; ich aber sprach ich wolle bey ihnen bleiben; da antworteten sie/ sie hätten mich nicht gedinget/ sondern den mann; muste ich also samt dem vollen mann fort aus dem schloß; ich machte endlich eine sup- plication, auff daß der mann wieder angenom- men würde und an seinen dienst käme/ und machte mir der mann grosse sorgen und jammer/ biß ich ihn wieder zu gnaden brachte/ um seiner trunckenheit willen; also bin ich um des Luthe- rischen abtrünnigen volcks willen/ welches mein mann abbildet/ samt ihne vom Vater und Sohn aus dem himmel gestossen gewesen/ und muste 27. wochen in des teuffels ketten liegen/ und bitten und flehen/ biß ich sie wieder zu gnaden brachte. Uber eben dieses hatte ich auch dieses gesicht: Jch hörete in der stadt die armesün- ders glocken leuten/ der marckt war voller men- schen/ und man führte den armen sünder die stadt herab mit blossem haupt/ und will den stab über ihn brechen/ daß er gerichtet werde; da kam ich/ und der arme sünder erbarmete mich/ und ich fiel auff meine knie und sprach: Ach HErr/ erbarme dich des armen sünders/ vergieb ihm seine sünden/ und nimm ihn wieder zu gna- den an. Ach du HERR JESUS CHristus/ in das elend sind wir wieder gera- then/ wir haben uns in das gröste verderben gestürtzt; wie unsere stamm-eltern auch ge- than haben/ da du sie in den Paradiß-garten gesetzt/ wo sie eine grosse herrlichkeit gehabt hät- ten; aber die schlang hat Eva betrogen/ daß sie von dem verbotenen baum gessen/ und sind in die gröste ungnade gefallen/ und ist dein zorn noch nicht ausgelöschet; wir müssen noch alle des zeitlichen todes sterben; wiewol du aber/ hertzlieber JEsus/ zur fülle deiner zeit bist auff die welt geboren wie ein anderer mensch/ und barmhertzigkeit den armen sündern erzeiget hast/ und hast dir eine kirche und lob bereit auff erden/ und den menschen deine zukunfft verkündigen las- sen/ und ein end der welt/ und hast zu wachen befohlen/ daß man sich solte fürsehen für den wölffen/ die in schaafskleidern kommen werden/ inwendig aber reissende wölffe sind; nun ist die gantze Christenheit voller wölfe und falscher Leh- rer worden durch einblasen der schlange des teuf- fels; daßdas blinde Pabstthum zu einem schwar- tzen verdammten drachen worden/ das der teuf- fel alles überzogen und verführet/ in seste fessel verstrickt und verknüpfft/ daß sie sich nicht mehr heraus können wickeln/ und müssen ins ewige höl- lische feuer geworffen werden/ da heulen und zähnklappern seyn wird; wehe/ wehe dem schwartzen drachen/ der die lehre verderbet/ lügen für die wahrheit eingeführt/ den tod für das le- ben/ die finsterniß für das licht; und du/ gerech- ter GOtt/ hast dir noch ein kleines häufflein übrig behalten/ einen ochsen/ der auff der schönen [Spaltenumbruch] weyde heute gegraset hat/ den du in deinem schutzJahr MDC. biß MDCC. erhalten hast biß hieher/ aber der ochs sich nicht unschuldig zehlen kan/ die Evangelischen Chri- sten sind auch im grund allerley lastern ergeben; darum hastu sie aus dem himmelreich geschafft/ und hältest dein gericht über uns/ und wir sind in den sünden gefangen/ und ausgespeyt aus deinem Göttlichen mund; wie aber du gerechter GOtt mich deine magd hast neugeboren/ und mich ge- heiliget/ erfüllet mit dem geist deines worts und zeugniß/ für die Evangelischen Christen zu ruffen und |zu beten tag und nacht; dieweil du zwey wehstäbe in deine händen hast/ Türck und Pabst/ und mich als einen sanfft-stab brauchest/ zu trost dem ochsen/ der auff der weyde gegangen ist/ des Luthers volck/ so bete ich zu dir; O du aller- liebster JEsus/ vergib uns unsere schwere sünden und übertretung/ sey uns gnädig/ erbarme dich über die schäfflein deiner heerde; denn die schlan- ge hat uns abermal betrogen und von deinen geboten und rechten abgeführet; wir erkennen und bekennen/ daß wir uns für dir versündiget haben/ und sind gottloß und abtrünnig worden/ und sind gelauffen von der erlösung zur gefäng- niß/ von dem licht in die finsterniß/ vom le- ben zumtod/ von der gnade zur ungnade/ vom guten zum bösen; unsere unerkannte sünden sind immer für deinen augen; wir scheuen und schämen unsere augen zu dir/ O gerechter Gott/ auffzuheben/ denn du bist heilig/ daß du das bö- se nicht sehen kanst; Ach HErr JEsus/ geh hin zu deinem himmlischen vatter/ und versöhne uns noch länger bey ihm/ wie du biß daher gethan hast/ und nimm uns wieder zu gnaden an; schreibe uns wiederum in das buch des lebens/ daraus du uns getilget; denn wir sind deiner hände werck/ du hast uns gemacht/ und nicht wir selbst; gedencke/ daß wir erd und staub sind; in der hölle danckt man dir nicht/ so sagt auch der staub dein lob nicht. Ach HErr JEsus/ erbarme dich doch wie- der über uns; es glaubets doch niemand/ daß du so sehr zürnest/ und wer fürchtet sich für deiner ungnade über uns? HErr/ deine magd weinet/ deine magd flohet/ deine magd seufftzet/ deine magd betet; tag und nacht trage ich sorge für die/ so du mir gegeben hast; denn sie sind alle in den grossen schuld-thurn geworffen; du gerechter richter Christus Jesus/ das kerbholtz hastu gantz vollgeschnitten von unsern sünde/ da ist keine be- zahlung/ keine rechnung noch ersetzung der gros- sen schuld; denn das volck ist toll und voll wor- den/ in ihrer hurerey. So/ und auff dergleichen art betete ich für das volck; denn ich sahe im ge- sicht einen wirth in seine stube hinein treten/ der hatte ein kerbholtz/ das war gantz voll angeschnit- ten/ und um den tisch und banck sassen und la- gen lauter vollgesoffene männer/ ein theil schlieffen/ ein theil wachten/ und der wirth fo- derte die zech an sie; und ob sie sich gleich entschul- digten/ sie hätten nichts/ trang er doch auf die be- zahlung/ oder sie solten ins gefängniß geworffen werden; und die männer hatten weder hut noch röcke noch schuhe an ihren füssen; da erbarmeten mich die armeleute/ und bat den wirth/ ich wolle für sie bezahlen/ er solte nur gedult mit ihnen haben; da gab er sich zu frieden. Der wirth ist JEsus CHristus/ die gäste das Lutherische volck/ meine fürbitt jetzt beschriebenes gebet! Endlich sahe ich die stadt als ein grosses schwan- geres weib/ deren zeit herbeykommen/ daß sie ge- bären solt/ und ihre ammenweiber sassen alle um A. K. H. Dritter Theil. M m 2
Th. III. C. XXVII. Von denen geſichten Annaͤ Vetterin. [Spaltenumbruch]
JahrMDC. biß MDCC.zu machen; freuet euch meiner alle; die bißher ge- aͤngſtet worden ſind von den feinden/ den fal- ſchen Lehrern des Pabſtthums/ ich will eure er- loͤſung ſeyn; ſo ſpricht der HErr HErr/ alle ge- fangene ſeelen ſollen erloͤſet werden. Jch bin hier die wahrheit zu bekennen. Drittens ſahe ich im geſichte/ wie mein mann als ſchloßwaͤchter bey dem Fuͤrſten Albrecht Ernſt auff dem thurn ſtund auszuſchreyen/ und der Printz war einig mit ſeinem vater; und ich ſahe/ daß ſich mein mann vollgeſoffen und taumelte; da ſprach der Printz zu dem alten Fuͤrſten/ wir wollen ſie ab- ſchaffen/ ſie bleiben nicht bey uns; ich aber ſprach ich wolle bey ihnen bleiben; da antworteten ſie/ ſie haͤtten mich nicht gedinget/ ſondern den mann; muſte ich alſo ſamt dem vollen mann fort aus dem ſchloß; ich machte endlich eine ſup- plication, auff daß der mann wieder angenom- men wuͤrde und an ſeinen dienſt kaͤme/ und machte mir der mañ groſſe ſorgen und jammer/ biß ich ihn wieder zu gnaden brachte/ um ſeiner trunckenheit willen; alſo bin ich um des Luthe- riſchen abtꝛuͤnnigen volcks willen/ welches mein mañ abbildet/ ſamt ihnē vom Vater und Sohn aus dem himmel geſtoſſen geweſen/ und muſte 27. wochen in des teuffels ketten liegen/ und bitten und flehen/ biß ich ſie wieder zu gnaden brachte. Uber eben dieſes hatte ich auch dieſes geſicht: Jch hoͤrete in der ſtadt die armeſuͤn- ders glocken leuten/ der marckt war voller men- ſchen/ und man fuͤhrte den armen ſuͤnder die ſtadt herab mit bloſſem haupt/ und will den ſtab uͤber ihn brechen/ daß er gerichtet werde; da kam ich/ und der arme ſuͤnder erbarmete mich/ und ich fiel auff meine knie und ſprach: Ach HErꝛ/ erbarme dich des armen ſuͤnders/ vergieb ihm ſeine ſuͤnden/ und nim̃ ihn wieder zu gna- den an. Ach du HERR JESUS CHriſtus/ in das elend ſind wir wieder gera- then/ wir haben uns in das groͤſte verderben geſtuͤrtzt; wie unſere ſtamm-eltern auch ge- than haben/ da du ſie in den Paradiß-garten geſetzt/ wo ſie eine groſſe herꝛlichkeit gehabt haͤt- ten; aber die ſchlang hat Eva betrogen/ daß ſie von dem verbotenen baum geſſen/ und ſind in die groͤſte ungnade gefallen/ und iſt dein zorn noch nicht ausgeloͤſchet; wir muͤſſen noch alle des zeitlichen todes ſterben; wiewol du aber/ hertzlieber JEſus/ zur fuͤlle deiner zeit biſt auff die welt geboren wie ein anderer menſch/ und barmhertzigkeit den armen ſuͤndern erzeiget haſt/ und haſt dir eine kirche und lob bereit auff erden/ uñ den menſchen deine zukunfft verkuͤndigen laſ- ſen/ und ein end der welt/ und haſt zu wachen befohlen/ daß man ſich ſolte fuͤrſehen fuͤr den woͤlffen/ die in ſchaafskleidern kommen werden/ inwendig aber reiſſende woͤlffe ſind; nun iſt die gantze Chriſtenheit voller woͤlfe und falſcher Leh- rer worden durch einblaſen der ſchlange des teuf- fels; daßdas blinde Pabſtthum zu einem ſchwaꝛ- tzen verdammten drachen worden/ das der teuf- fel alles uͤberzogen und verfuͤhret/ in ſeſte feſſel verſtrickt und verknuͤpfft/ daß ſie ſich nicht mehr heꝛaus koͤñen wickeln/ und muͤſſen ins ewige hoͤl- liſche feuer geworffen werden/ da heulen und zaͤhnklappern ſeyn wird; wehe/ wehe dem ſchwartzen drachen/ der die lehre verderbet/ luͤgen fuͤr die wahrheit eingefuͤhrt/ den tod fuͤr das le- ben/ die finſterniß fuͤr das licht; und du/ gerech- ter GOtt/ haſt dir noch ein kleines haͤufflein uͤbrig behalten/ einen ochſen/ der auff der ſchoͤnen [Spaltenumbruch] weyde heute gegraſet hat/ den du in deinem ſchutzJahr MDC. biß MDCC. erhalten haſt biß hieher/ aber der ochs ſich nicht unſchuldig zehlen kan/ die Evangeliſchen Chri- ſten ſind auch im grund allerley laſtern ergeben; darum haſtu ſie aus dem him̃elreich geſchafft/ uñ haͤlteſt dein gericht uͤber uns/ und wir ſind in den ſuͤnden gefangen/ und ausgeſpeyt aus deinem Goͤttlichen mund; wie aber du gerechter GOtt mich deine magd haſt neugeboren/ und mich ge- heiliget/ erfuͤllet mit dem geiſt deines worts und zeugniß/ fuͤꝛ die Evangeliſchen Chriſten zu ruffen und |zu beten tag und nacht; dieweil du zwey wehſtaͤbe in deinē haͤnden haſt/ Tuͤrck uñ Pabſt/ und mich als einen ſanfft-ſtab braucheſt/ zu troſt dem ochſen/ der auff der weyde gegangen iſt/ des Luthers volck/ ſo bete ich zu dir; O du aller- liebſter JEſus/ vergib uns unſere ſchwere ſuͤnden und uͤbertretung/ ſey uns gnaͤdig/ erbarme dich uͤber die ſchaͤfflein deiner heerde; denn die ſchlan- ge hat uns abermal betrogen und von deinen geboten und rechten abgefuͤhret; wir erkennen und bekennen/ daß wir uns fuͤr dir verſuͤndiget haben/ und ſind gottloß und abtruͤnnig worden/ und ſind gelauffen von der erloͤſung zur gefaͤng- niß/ von dem licht in die finſterniß/ vom le- ben zumtod/ von der gnade zur ungnade/ vom guten zum boͤſen; unſere unerkannte ſuͤnden ſind immer fuͤr deinen augen; wir ſcheuen und ſchaͤmen unſere augen zu dir/ O gerechter Gott/ auffzuheben/ denn du biſt heilig/ daß du das boͤ- ſe nicht ſehen kanſt; Ach HErr JEſus/ geh hin zu deinem himmliſchen vatter/ und verſoͤhne uns noch laͤnger bey ihm/ wie du biß daher gethan haſt/ und nim̃ uns wieder zu gnaden an; ſchreibe uns wiedeꝛum in das buch des lebens/ daꝛaus du uns getilget; deñ wir ſind deiner haͤnde werck/ du haſt uns gemacht/ und nicht wir ſelbſt; gedencke/ daß wir erd und ſtaub ſind; in der hoͤlle danckt man dir nicht/ ſo ſagt auch der ſtaub dein lob nicht. Ach HErꝛ JEſus/ erbarme dich doch wie- der uͤber uns; es glaubets doch niemand/ daß du ſo ſehr zuͤrneſt/ und wer fuͤrchtet ſich fuͤr deiner ungnade uͤber uns? HErꝛ/ deine magd weinet/ deine magd flohet/ deine magd ſeufftzet/ deine magd betet; tag und nacht trage ich ſorge fuͤr die/ ſo du mir gegeben haſt; denn ſie ſind alle in den groſſen ſchuld-thurn geworffen; du gerechter richter Chriſtus Jeſus/ das kerbholtz haſtu gantz vollgeſchnitten von unſern ſuͤndē/ da iſt keine be- zahlung/ keine rechnung noch erſetzung der groſ- ſen ſchuld; denn das volck iſt toll und voll wor- den/ in ihrer hurerey. So/ und auff dergleichen art betete ich fuͤr das volck; denn ich ſahe im ge- ſicht einen wirth in ſeine ſtube hinein treten/ der hatte ein keꝛbholtz/ das waꝛ gantz voll angeſchnit- ten/ und um den tiſch und banck ſaſſen und la- gen lauter vollgeſoffene maͤnner/ ein theil ſchlieffen/ ein theil wachten/ und der wirth fo- derte die zech an ſie; und ob ſie ſich gleich entſchul- digten/ ſie haͤtten nichts/ trang er doch auf die be- zahlung/ oder ſie ſolten ins gefaͤngniß gewoꝛffen werden; und die maͤnner hatten weder hut noch roͤcke noch ſchuhe an ihren fuͤſſen; da erbarmeten mich die armëleute/ und bat den wirth/ ich wolle fuͤr ſie bezahlen/ er ſolte nur gedult mit ihnen haben; da gab er ſich zu frieden. Der wirth iſt JEſus CHriſtus/ die gaͤſte das Lutheriſche volck/ meine fuͤrbitt jetzt beſchriebenes gebet! Endlich ſahe ich die ſtadt als ein groſſes ſchwan- geres weib/ deren zeit herbeykommen/ daß ſie ge- baͤren ſolt/ und ihre ammenweiber ſaſſen alle um A. K. H. Dritter Theil. M m 2
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Th. III. C. XXVII. Von denen geſichten Annaͤ Vetterin.
zu machen; freuet euch meiner alle; die bißher ge-
aͤngſtet worden ſind von den feinden/ den fal-
ſchen Lehrern des Pabſtthums/ ich will eure er-
loͤſung ſeyn; ſo ſpricht der HErr HErr/ alle ge-
fangene ſeelen ſollen erloͤſet werden. Jch bin hier
die wahrheit zu bekennen. Drittens ſahe ich
im geſichte/ wie mein mann als ſchloßwaͤchter
bey dem Fuͤrſten Albrecht Ernſt auff dem thurn
ſtund auszuſchreyen/ und der Printz war einig
mit ſeinem vater; und ich ſahe/ daß ſich mein
mann vollgeſoffen und taumelte; da ſprach
der Printz zu dem alten Fuͤrſten/ wir wollen ſie ab-
ſchaffen/ ſie bleiben nicht bey uns; ich aber ſprach
ich wolle bey ihnen bleiben; da antworteten ſie/
ſie haͤtten mich nicht gedinget/ ſondern den
mann; muſte ich alſo ſamt dem vollen mann
fort aus dem ſchloß; ich machte endlich eine ſup-
plication, auff daß der mann wieder angenom-
men wuͤrde und an ſeinen dienſt kaͤme/ und
machte mir der mañ groſſe ſorgen und jammer/
biß ich ihn wieder zu gnaden brachte/ um ſeiner
trunckenheit willen; alſo bin ich um des Luthe-
riſchen abtꝛuͤnnigen volcks willen/ welches mein
mañ abbildet/ ſamt ihnē vom Vater und Sohn
aus dem himmel geſtoſſen geweſen/ und muſte
27. wochen in des teuffels ketten liegen/ und
bitten und flehen/ biß ich ſie wieder zu gnaden
brachte. Uber eben dieſes hatte ich auch dieſes
geſicht: Jch hoͤrete in der ſtadt die armeſuͤn-
ders glocken leuten/ der marckt war voller men-
ſchen/ und man fuͤhrte den armen ſuͤnder die
ſtadt herab mit bloſſem haupt/ und will den ſtab
uͤber ihn brechen/ daß er gerichtet werde; da kam
ich/ und der arme ſuͤnder erbarmete mich/ und
ich fiel auff meine knie und ſprach: Ach HErꝛ/
erbarme dich des armen ſuͤnders/ vergieb
ihm ſeine ſuͤnden/ und nim̃ ihn wieder zu gna-
den an. Ach du HERR JESUS
CHriſtus/ in das elend ſind wir wieder gera-
then/ wir haben uns in das groͤſte verderben
geſtuͤrtzt; wie unſere ſtamm-eltern auch ge-
than haben/ da du ſie in den Paradiß-garten
geſetzt/ wo ſie eine groſſe herꝛlichkeit gehabt haͤt-
ten; aber die ſchlang hat Eva betrogen/ daß ſie
von dem verbotenen baum geſſen/ und ſind in
die groͤſte ungnade gefallen/ und iſt dein zorn
noch nicht ausgeloͤſchet; wir muͤſſen noch alle
des zeitlichen todes ſterben; wiewol du aber/
hertzlieber JEſus/ zur fuͤlle deiner zeit biſt auff
die welt geboren wie ein anderer menſch/ und
barmhertzigkeit den armen ſuͤndern erzeiget haſt/
und haſt dir eine kirche und lob bereit auff erden/
uñ den menſchen deine zukunfft verkuͤndigen laſ-
ſen/ und ein end der welt/ und haſt zu wachen
befohlen/ daß man ſich ſolte fuͤrſehen fuͤr den
woͤlffen/ die in ſchaafskleidern kommen werden/
inwendig aber reiſſende woͤlffe ſind; nun iſt die
gantze Chriſtenheit voller woͤlfe und falſcher Leh-
rer worden durch einblaſen der ſchlange des teuf-
fels; daßdas blinde Pabſtthum zu einem ſchwaꝛ-
tzen verdammten drachen worden/ das der teuf-
fel alles uͤberzogen und verfuͤhret/ in ſeſte feſſel
verſtrickt und verknuͤpfft/ daß ſie ſich nicht mehr
heꝛaus koͤñen wickeln/ und muͤſſen ins ewige hoͤl-
liſche feuer geworffen werden/ da heulen und
zaͤhnklappern ſeyn wird; wehe/ wehe dem
ſchwartzen drachen/ der die lehre verderbet/ luͤgen
fuͤr die wahrheit eingefuͤhrt/ den tod fuͤr das le-
ben/ die finſterniß fuͤr das licht; und du/ gerech-
ter GOtt/ haſt dir noch ein kleines haͤufflein
uͤbrig behalten/ einen ochſen/ der auff der ſchoͤnen
weyde heute gegraſet hat/ den du in deinem ſchutz
erhalten haſt biß hieher/ aber der ochs ſich nicht
unſchuldig zehlen kan/ die Evangeliſchen Chri-
ſten ſind auch im grund allerley laſtern ergeben;
darum haſtu ſie aus dem him̃elreich geſchafft/ uñ
haͤlteſt dein gericht uͤber uns/ und wir ſind in den
ſuͤnden gefangen/ und ausgeſpeyt aus deinem
Goͤttlichen mund; wie aber du gerechter GOtt
mich deine magd haſt neugeboren/ und mich ge-
heiliget/ erfuͤllet mit dem geiſt deines worts und
zeugniß/ fuͤꝛ die Evangeliſchen Chriſten zu ruffen
und |zu beten tag und nacht; dieweil du zwey
wehſtaͤbe in deinē haͤnden haſt/ Tuͤrck uñ Pabſt/
und mich als einen ſanfft-ſtab braucheſt/ zu troſt
dem ochſen/ der auff der weyde gegangen iſt/ des
Luthers volck/ ſo bete ich zu dir; O du aller-
liebſter JEſus/ vergib uns unſere ſchwere ſuͤnden
und uͤbertretung/ ſey uns gnaͤdig/ erbarme dich
uͤber die ſchaͤfflein deiner heerde; denn die ſchlan-
ge hat uns abermal betrogen und von deinen
geboten und rechten abgefuͤhret; wir erkennen
und bekennen/ daß wir uns fuͤr dir verſuͤndiget
haben/ und ſind gottloß und abtruͤnnig worden/
und ſind gelauffen von der erloͤſung zur gefaͤng-
niß/ von dem licht in die finſterniß/ vom le-
ben zumtod/ von der gnade zur ungnade/ vom
guten zum boͤſen; unſere unerkannte ſuͤnden
ſind immer fuͤr deinen augen; wir ſcheuen und
ſchaͤmen unſere augen zu dir/ O gerechter Gott/
auffzuheben/ denn du biſt heilig/ daß du das boͤ-
ſe nicht ſehen kanſt; Ach HErr JEſus/ geh hin
zu deinem himmliſchen vatter/ und verſoͤhne uns
noch laͤnger bey ihm/ wie du biß daher gethan
haſt/ und nim̃ uns wieder zu gnaden an; ſchreibe
uns wiedeꝛum in das buch des lebens/ daꝛaus du
uns getilget; deñ wir ſind deiner haͤnde werck/ du
haſt uns gemacht/ und nicht wir ſelbſt; gedencke/
daß wir erd und ſtaub ſind; in der hoͤlle danckt
man dir nicht/ ſo ſagt auch der ſtaub dein lob
nicht. Ach HErꝛ JEſus/ erbarme dich doch wie-
der uͤber uns; es glaubets doch niemand/ daß du
ſo ſehr zuͤrneſt/ und wer fuͤrchtet ſich fuͤr deiner
ungnade uͤber uns? HErꝛ/ deine magd weinet/
deine magd flohet/ deine magd ſeufftzet/ deine
magd betet; tag und nacht trage ich ſorge fuͤr
die/ ſo du mir gegeben haſt; denn ſie ſind alle in
den groſſen ſchuld-thurn geworffen; du gerechter
richter Chriſtus Jeſus/ das kerbholtz haſtu gantz
vollgeſchnitten von unſern ſuͤndē/ da iſt keine be-
zahlung/ keine rechnung noch erſetzung der groſ-
ſen ſchuld; denn das volck iſt toll und voll wor-
den/ in ihrer hurerey. So/ und auff dergleichen
art betete ich fuͤr das volck; denn ich ſahe im ge-
ſicht einen wirth in ſeine ſtube hinein treten/ der
hatte ein keꝛbholtz/ das waꝛ gantz voll angeſchnit-
ten/ und um den tiſch und banck ſaſſen und la-
gen lauter vollgeſoffene maͤnner/ ein theil
ſchlieffen/ ein theil wachten/ und der wirth fo-
derte die zech an ſie; und ob ſie ſich gleich entſchul-
digten/ ſie haͤtten nichts/ trang er doch auf die be-
zahlung/ oder ſie ſolten ins gefaͤngniß gewoꝛffen
werden; und die maͤnner hatten weder hut noch
roͤcke noch ſchuhe an ihren fuͤſſen; da erbarmeten
mich die armëleute/ und bat den wirth/ ich wolle
fuͤr ſie bezahlen/ er ſolte nur gedult mit ihnen
haben; da gab er ſich zu frieden. Der wirth iſt
JEſus CHriſtus/ die gaͤſte das Lutheriſche
volck/ meine fuͤrbitt jetzt beſchriebenes gebet!
Endlich ſahe ich die ſtadt als ein groſſes ſchwan-
geres weib/ deren zeit herbeykommen/ daß ſie ge-
baͤren ſolt/ und ihre ammenweiber ſaſſen alle
um
Jahr
MDC.
biß
MDCC.
Jahr
MDC.
biß
MDCC.
A. K. H. Dritter Theil. M m 2
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Zitationshilfe: | Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/287>, abgerufen am 16.07.2024. |