Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.Th. III. C. XXVII. Von denen gesichten Annä Vetterin. [Spaltenumbruch]
JahrMDC. biß MDCC.schlugen und bunden ihn mit stricken/ und woll- ten ihm geld abnöthigen; weil er aber nichts hatte/ gab einer von den räubern selbst 2. Thl. für meinen vater denen andern räubern/ die sei- ne gesellen gewesen/ auff daß er ihn nur bey dem leben behielte; diß geschah zu Bubenheim an der Altmühl im Onoldsbacherland/ eine meile ausserhalb Weissenburg; weil nun mein vater so sehr gemartert und erschreckt war/ führte ihn meine mutter nach Weissenburg und läst ihm da zu ader; der bader aber ließ ihm so viel blut heraus/ daß er schwach ward und am dritten tag starb zu Weissenburg. Meine mutter hatte nun 4. kleine kinder/ und war kein bissen brod zu bekommen; da verkauffte sie von des va- ters schmidezeug/ und machte ihr geld/ reisete nach Eichstädt/ und kauffte brod/ und trugs nach Weissenburg zu verkauffen/ und ge- wann daran so viel/ daß sie 4. kinder erhalten kunt. Da sie sich einsmahls wieder auf diese reise schicken wolte/ und uns kindern zuvor ei- nen brey zu essen geben wolte/ setzte sie mein brüderlein auf den heerd neben das feuer/ weil es das kleineste kind; und ich stunde vor dem heerd/ die hitze aber mochte dem kind zu starck werden; es stunde auf/ und hielt sich an den pfannenstiel/ und die pfanne fiel mir mit der siedenden milch auf meinen lincken arm/ und verbrandte mich schrecklich; wie ich das zeichen noch habe/ heut zu tage am hals und am hertz trage/ und bekam mit verwunderung ei- nen kurtzen arm davon; daher ich mich des nähens beflissen von jugend auf/ weil ich kei- ner schweren arbeit vorstehen kunte. Es wur- de auch der mutter ihr geld im Eichstätter- wald alles abgenommen/ da muste sie wegen grosser armuth mit vier kleine kindern ins elend hinaus/ und zog bey die dreyßig meilen weg in das Länd l ob der Enß/ blieb auch drey jahr mit uns in der fremde/ woselbst mir auch das brüderlein starb/ welches der Pfaff nicht in den kirchhoff wolte legen lassen; aber mein hauswirth erbat es/ daß man es in den Got- tesacker begrub zu Güntzkirchen an der Straß. Nach dem nun die Catholischen sahen/ daß ihr Land voller Schwaben anlieffe/ haben sie ih- ren unterthanen verboten/ keinen Schwaben mehr zu behalten/ er werde denn Catholisch/ bey fünff gülden straffe; da zog meine mutter wieder heraus ins Land. Es war aber die theurung noch immer da/ riß auch eine pest an unterschiedlichen orten ein/ daher sich meine mutter mit uns kümmerlich behalff; sie fing endlich wieder etwas an/ daß sie geld ge- winnen möchte uns zu erhalten; sie kauffte den leuten die betten ab/ auf welchen jemand gestorben war/ welche die leute um ein gerin- ges weggaben/ ja gar über die stadtmauren wurffen; diese betten trug sie viel meilen hin- weg/ und verkauffte sie. Endlich verheyrathe- te sich meine mutter wieder mit einem becken zu Wedelsheim/ einem dorff bey Weissenburg; diß dorff wurde hernach von den Schweden geplündert/ und kamen meine eltern um alles; ich war aus furcht neben vielen andern in den kirchhof gesperret; als es aber schiene/ es wol- ten die Soldaten da einbrechen/ und ein jeder flohe/ kroch ich durch ein enges loch durch die mauer hinaus/ und zwar gantz nackend/ wegen enge des lochs/ und ließ mir meine kleider nachwerffen; allein ich war kaum ein wenig [Spaltenumbruch] weg/ so ersahe mich ein Reuter/ und jagte michJahr MDC. biß MDCC. lange herum/ und nahm mir mein kleid/ so ich ü- ber dem arm trug. Die übrige zeit/ nach dem ich zu Weissenburg vorher das nähen gelernet/ brachte ich zu Onoldsbach zu biß in das zwan- tzigste jahr meines alters; ich war ein fröliches und freyes mägdlein/ und den leuten lieb/ such- te ruhm in der nähekunst bey den menschen/ war frisch wie ein junger hirsch/ gerne um spiel- leute/ liebte ehrliche täntze/ und behielte darinnen vor andern mägden den preiß; ein jeder wolte mit der Weissenburgerin tantzen. Es ist mir aus dem himmel kund worden/ daß es GOt- tes wille gewest/ daß ich habe hieher kommen müssen/ und habe mich mit einem mäurer ver- heyrathet; und wie ich hernach gehöret/ haben wohl zehen andere auf meinen mann gewar- tet/ da er ist mein liebster worden; Er solte mich wieder fahren lassen/ allein ich habe ihm verbleiben müssen/ und habe eine ehrliche hoch- zeit gehalten/ mit lustigkeit/ und habe mit dem stürmischen und fluchenden mann zehen jahr gehauset/ und immer mit ihm ums ewige ge- stritten; habe keine furcht GOTTes bey ihm spüren können/ daß er nach dem himmel ge- trachtet hätte; war ein irrdischer weltmann/ und ich wolte immer nach dem himmel trach- ten/ und dachte/ er solte seyn wie ich; aber er wolte mir nicht folgen/ und wurde mir mein leben recht sauer mit ihm. Je länger ich mit ihm hauste/ je säurer er mirs machte/ biß die zehen jahr herum kamen/ in welcher zeit ich mit ihm erzeugt sieben kinder/ drey knaben und vier töchter; und sind noch bey dem leben zwey söhne und zwey töchter/ so lang Gott will. Jm 30sten jahr meines alters wurde ich kranck/ fünff wochen lang/ und muste gantz an meinem fleisch absterben; wobey ich anfänglich ver- dacht hatte auf eine nachbarm/ welche der zau- berey verdächtig war/ und öffters sagte/ daß sie die leute krumm und lahm machen könte/ mich auch offt wegen meines fleißigen kirchen- gehens verspottet und gefragt/ ob denn noch et- liche bilder in der kirchen wären/ denen ich die köpffe noch nicht abgebissen; allein es äusserte sich bald/ was die ursach meines abschwin- dens am leibe war; ich solte nemlich ein gantz anderer mensch werden/ leiblich und geistlich er- neuert. Jn dieser meiner kranckheit kam mein mann einsten sehr früh aus dem schloß/ und leg- te sich zu mir/ und zwang mich seines willens zu seyn/ und ich wurde zu einer tochter schwan- ger wider meinen willen und begierde/ denn ich war schwach und kranck. Diese tochter hat- te keine seligkeit bey GOTT/ so gar war des vaters saamen in den sünden verderbt/ daß daher offenbar ist der mensch der sünden und das kind des verderbens. Sie wurde zwar getaufft/ aber nicht geschrie- ben in das buch des lebens. Da ich zehn tag mit diesem kind schwanger gieng/ wurde ich in den himmel verzuckt/ und sahe unbeschreibliche freude. O freude! O herrligkeit! O ewigkeit! O schönheit! Und der sohn GOttes war ein feuriges und brennen des lamm/ und sassen um das lamm herum viel Priester mit güldenen kro- nen auff den häuptern/ und hatten weisse kleider an; keine zunge kan es aussprechen/ kein sinn fas- sen/ kein ohr hat es gehöret. O daß ich aller welt zungen hätte/ GOtt damit zu loben und seine ewigkeit zu preisen; und da ich solche herrligkeit sahe/ A. K. H. Dritter Theil. M m
Th. III. C. XXVII. Von denen geſichten Annaͤ Vetterin. [Spaltenumbruch]
JahrMDC. biß MDCC.ſchlugen und bunden ihn mit ſtricken/ und woll- ten ihm geld abnoͤthigen; weil er aber nichts hatte/ gab einer von den raͤubern ſelbſt 2. Thl. fuͤr meinen vater denen andern raͤubern/ die ſei- ne geſellen geweſen/ auff daß er ihn nur bey dem leben behielte; diß geſchah zu Bubenheim an der Altmuͤhl im Onoldsbacherland/ eine meile auſſerhalb Weiſſenburg; weil nun mein vater ſo ſehr gemartert und erſchreckt war/ fuͤhrte ihn meine mutter nach Weiſſenburg und laͤſt ihm da zu ader; der bader aber ließ ihm ſo viel blut heraus/ daß er ſchwach ward und am dritten tag ſtarb zu Weiſſenburg. Meine mutter hatte nun 4. kleine kinder/ und war kein biſſen brod zu bekommen; da verkauffte ſie von des va- ters ſchmidezeug/ und machte ihr geld/ reiſete nach Eichſtaͤdt/ und kauffte brod/ und trugs nach Weiſſenburg zu verkauffen/ und ge- wann daran ſo viel/ daß ſie 4. kinder erhalten kunt. Da ſie ſich einsmahls wieder auf dieſe reiſe ſchicken wolte/ und uns kindern zuvor ei- nen brey zu eſſen geben wolte/ ſetzte ſie mein bruͤderlein auf den heerd neben das feuer/ weil es das kleineſte kind; und ich ſtunde vor dem heerd/ die hitze aber mochte dem kind zu ſtarck werden; es ſtunde auf/ und hielt ſich an den pfannenſtiel/ und die pfanne fiel mir mit der ſiedenden milch auf meinen lincken arm/ und verbrandte mich ſchrecklich; wie ich das zeichen noch habe/ heut zu tage am hals und am hertz trage/ und bekam mit verwunderung ei- nen kurtzen arm davon; daher ich mich des naͤhens befliſſen von jugend auf/ weil ich kei- ner ſchweren arbeit vorſtehen kunte. Es wur- de auch der mutter ihr geld im Eichſtaͤtter- wald alles abgenommen/ da muſte ſie wegen groſſer armuth mit vier kleinē kindern ins elend hinaus/ und zog bey die dreyßig meilen weg in das Laͤnd l ob der Enß/ blieb auch drey jahr mit uns in der fremde/ woſelbſt mir auch das bruͤderlein ſtarb/ welches der Pfaff nicht in den kirchhoff wolte legen laſſen; aber mein hauswirth erbat es/ daß man es in den Got- tesacker begrub zu Guͤntzkirchen an der Straß. Nach dem nun die Catholiſchen ſahen/ daß ihr Land voller Schwaben anlieffe/ haben ſie ih- ren unterthanen verboten/ keinen Schwaben mehr zu behalten/ er werde denn Catholiſch/ bey fuͤnff guͤlden ſtraffe; da zog meine mutter wieder heraus ins Land. Es war aber die theurung noch immer da/ riß auch eine peſt an unterſchiedlichen orten ein/ daher ſich meine mutter mit uns kuͤmmerlich behalff; ſie fing endlich wieder etwas an/ daß ſie geld ge- winnen moͤchte uns zu erhalten; ſie kauffte den leuten die betten ab/ auf welchen jemand geſtoꝛben war/ welche die leute um ein gerin- ges weggaben/ ja gar uͤber die ſtadtmauren wurffen; dieſe betten trug ſie viel meilen hin- weg/ und verkauffte ſie. Endlich verheyrathe- te ſich meine mutter wieder mit einem becken zu Wedelsheim/ einem dorff bey Weiſſenburg; diß dorff wurde hernach von den Schweden gepluͤndert/ und kamen meine eltern um alles; ich war aus furcht neben vielen andern in den kirchhof geſperret; als es aber ſchiene/ es wol- ten die Soldaten da einbrechen/ und ein jeder flohe/ kroch ich durch ein enges loch durch die mauer hinaus/ und zwar gantz nackend/ wegen enge des lochs/ und ließ mir meine kleider nachwerffen; allein ich war kaum ein wenig [Spaltenumbruch] weg/ ſo erſahe mich ein Reuter/ und jagte michJahr MDC. biß MDCC. lange herum/ und nahm mir mein kleid/ ſo ich uͤ- ber dem arm trug. Die uͤbrige zeit/ nach dem ich zu Weiſſenburg vorher das naͤhen gelernet/ brachte ich zu Onoldsbach zu biß in das zwan- tzigſte jahr meines alters; ich war ein froͤliches und freyes maͤgdlein/ und den leuten lieb/ ſuch- te ruhm in der naͤhekunſt bey den menſchen/ war friſch wie ein junger hirſch/ gerne um ſpiel- leute/ liebte ehrliche taͤntze/ und behielte dariñen vor andern maͤgden den preiß; ein jeder wolte mit der Weiſſenburgerin tantzen. Es iſt mir aus dem himmel kund worden/ daß es GOt- tes wille geweſt/ daß ich habe hieher kommen muͤſſen/ und habe mich mit einem maͤurer ver- heyrathet; und wie ich hernach gehoͤret/ haben wohl zehen andere auf meinen mann gewar- tet/ da er iſt mein liebſter worden; Er ſolte mich wieder fahren laſſen/ allein ich habe ihm verbleiben muͤſſen/ und habe eine ehrliche hoch- zeit gehalten/ mit luſtigkeit/ und habe mit dem ſtuͤrmiſchen und fluchenden mann zehen jahr gehauſet/ und immer mit ihm ums ewige ge- ſtritten; habe keine furcht GOTTes bey ihm ſpuͤren koͤnnen/ daß er nach dem himmel ge- trachtet haͤtte; war ein irrdiſcher weltmann/ und ich wolte immer nach dem himmel trach- ten/ und dachte/ er ſolte ſeyn wie ich; aber er wolte mir nicht folgen/ und wurde mir mein leben recht ſauer mit ihm. Je laͤnger ich mit ihm hauſte/ je ſaͤurer er mirs machte/ biß die zehen jahr herum kamen/ in welcher zeit ich mit ihm erzeugt ſieben kinder/ drey knaben und vier toͤchter; und ſind noch bey dem leben zwey ſoͤhne und zwey toͤchter/ ſo lang Gott will. Jm 30ſten jahr meines alters wurde ich kranck/ fuͤnff wochen lang/ und muſte gantz an meinem fleiſch abſterben; wobey ich anfaͤnglich ver- dacht hatte auf eine nachbarm/ welche der zau- berey verdaͤchtig war/ und oͤffters ſagte/ daß ſie die leute krumm und lahm machen koͤnte/ mich auch offt wegen meines fleißigen kirchen- gehens verſpottet uñ gefragt/ ob denn noch et- liche bilder in der kirchen waͤren/ denen ich die koͤpffe noch nicht abgebiſſen; allein es aͤuſſerte ſich bald/ was die urſach meines abſchwin- dens am leibe war; ich ſolte nemlich ein gantz anderer menſch werden/ leiblich und geiſtlich er- neuert. Jn dieſer meiner kranckheit kam mein mañ einſten ſehr fruͤh aus dem ſchloß/ und leg- te ſich zu mir/ und zwang mich ſeines willens zu ſeyn/ und ich wurde zu einer tochter ſchwan- ger wider meinen willen und begierde/ denn ich war ſchwach und kranck. Dieſe tochter hat- te keine ſeligkeit bey GOTT/ ſo gar war des vaters ſaamen in den ſuͤnden verderbt/ daß daher offenbar iſt der menſch der ſuͤnden und das kind des verderbens. Sie wurde zwar getaufft/ aber nicht geſchrie- ben in das buch des lebens. Da ich zehn tag mit dieſem kind ſchwanger gieng/ wurde ich in den himmel verzuckt/ und ſahe unbeſchreibliche freude. O freude! O herꝛligkeit! O ewigkeit! O ſchoͤnheit! Und der ſohn GOttes war ein feuriges und brennen des lam̃/ und ſaſſen um das lam̃ herum viel Prieſter mit guͤldenen kro- nen auff den haͤuptern/ und hatten weiſſe kleider an; keine zunge kan es ausſprechen/ kein ſinn faſ- ſen/ kein ohr hat es gehoͤret. O daß ich aller welt zungen haͤtte/ GOtt damit zu loben und ſeine ewigkeit zu preiſen; und da ich ſolche herꝛligkeit ſahe/ A. K. H. Dritter Theil. M m
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0285" n="273"/><fw place="top" type="header">Th. <hi rendition="#aq">III.</hi> C. <hi rendition="#aq">XXVII.</hi> Von denen geſichten Annaͤ Vetterin.</fw><lb/><cb/><note place="left">Jahr<lb/><hi rendition="#aq">MDC.</hi><lb/> biß<lb/><hi rendition="#aq">MDCC.</hi></note>ſchlugen und bunden ihn mit ſtricken/ und woll-<lb/> ten ihm geld abnoͤthigen; weil er aber nichts<lb/> hatte/ gab einer von den raͤubern ſelbſt 2. Thl.<lb/> fuͤr meinen vater denen andern raͤubern/ die ſei-<lb/> ne geſellen geweſen/ auff daß er ihn nur bey dem<lb/> leben behielte; diß geſchah zu Bubenheim an<lb/> der Altmuͤhl im Onoldsbacherland/ eine meile<lb/> auſſerhalb Weiſſenburg; weil nun mein vater<lb/> ſo ſehr gemartert und erſchreckt war/ fuͤhrte ihn<lb/> meine mutter nach Weiſſenburg und laͤſt ihm<lb/> da zu ader; der bader aber ließ ihm ſo viel blut<lb/> heraus/ daß er ſchwach ward und am dritten<lb/> tag ſtarb zu Weiſſenburg. Meine mutter hatte<lb/> nun 4. kleine kinder/ und war kein biſſen brod<lb/> zu bekommen; da verkauffte ſie von des va-<lb/> ters ſchmidezeug/ und machte ihr geld/ reiſete<lb/> nach Eichſtaͤdt/ und kauffte brod/ und trugs<lb/> nach Weiſſenburg zu verkauffen/ und ge-<lb/> wann daran ſo viel/ daß ſie 4. kinder erhalten<lb/> kunt. Da ſie ſich einsmahls wieder auf dieſe<lb/> reiſe ſchicken wolte/ und uns kindern zuvor ei-<lb/> nen brey zu eſſen geben wolte/ ſetzte ſie mein<lb/> bruͤderlein auf den heerd neben das feuer/ weil<lb/> es das kleineſte kind; und ich ſtunde vor dem<lb/> heerd/ die hitze aber mochte dem kind zu ſtarck<lb/> werden; es ſtunde auf/ und hielt ſich an den<lb/> pfannenſtiel/ und die pfanne fiel mir mit der<lb/> ſiedenden milch auf meinen lincken arm/ und<lb/> verbrandte mich ſchrecklich; wie ich das zeichen<lb/> noch habe/ heut zu tage am hals und am<lb/> hertz trage/ und bekam mit verwunderung ei-<lb/> nen kurtzen arm davon; daher ich mich des<lb/> naͤhens befliſſen von jugend auf/ weil ich kei-<lb/> ner ſchweren arbeit vorſtehen kunte. Es wur-<lb/> de auch der mutter ihr geld im Eichſtaͤtter-<lb/> wald alles abgenommen/ da muſte ſie wegen<lb/> groſſer armuth mit vier kleinē kindern ins elend<lb/> hinaus/ und zog bey die dreyßig meilen weg<lb/> in das Laͤnd l ob der Enß/ blieb auch drey jahr<lb/> mit uns in der fremde/ woſelbſt mir auch das<lb/> bruͤderlein ſtarb/ welches der Pfaff nicht in<lb/> den kirchhoff wolte legen laſſen; aber mein<lb/> hauswirth erbat es/ daß man es in den Got-<lb/> tesacker begrub zu Guͤntzkirchen an der Straß.<lb/> Nach dem nun die Catholiſchen ſahen/ daß ihr<lb/> Land voller Schwaben anlieffe/ haben ſie ih-<lb/> ren unterthanen verboten/ keinen Schwaben<lb/> mehr zu behalten/ er werde denn Catholiſch/<lb/> bey fuͤnff guͤlden ſtraffe; da zog meine mutter<lb/> wieder heraus ins Land. Es war aber die<lb/> theurung noch immer da/ riß auch eine<lb/> peſt an unterſchiedlichen orten ein/ daher ſich<lb/> meine mutter mit uns kuͤmmerlich behalff; ſie<lb/> fing endlich wieder etwas an/ daß ſie geld ge-<lb/> winnen moͤchte uns zu erhalten; ſie kauffte<lb/> den leuten die betten ab/ auf welchen jemand<lb/> geſtoꝛben war/ welche die leute um ein gerin-<lb/> ges weggaben/ ja gar uͤber die ſtadtmauren<lb/> wurffen; dieſe betten trug ſie viel meilen hin-<lb/> weg/ und verkauffte ſie. Endlich verheyrathe-<lb/> te ſich meine mutter wieder mit einem becken<lb/> zu Wedelsheim/ einem dorff bey Weiſſenburg;<lb/> diß dorff wurde hernach von den Schweden<lb/> gepluͤndert/ und kamen meine eltern um alles;<lb/> ich war aus furcht neben vielen andern in den<lb/> kirchhof geſperret; als es aber ſchiene/ es wol-<lb/> ten die Soldaten da einbrechen/ und ein jeder<lb/> flohe/ kroch ich durch ein enges loch durch die<lb/> mauer hinaus/ und zwar gantz nackend/ wegen<lb/> enge des lochs/ und ließ mir meine kleider<lb/> nachwerffen; allein ich war kaum ein wenig<lb/><cb/> weg/ ſo erſahe mich ein Reuter/ und jagte mich<note place="right">Jahr<lb/><hi rendition="#aq">MDC.</hi><lb/> biß<lb/><hi rendition="#aq">MDCC.</hi></note><lb/> lange herum/ und nahm mir mein kleid/ ſo ich uͤ-<lb/> ber dem arm trug. Die uͤbrige zeit/ nach dem ich<lb/> zu Weiſſenburg vorher das naͤhen gelernet/<lb/> brachte ich zu Onoldsbach zu biß in das zwan-<lb/> tzigſte jahr meines alters; ich war ein froͤliches<lb/> und freyes maͤgdlein/ und den leuten lieb/ ſuch-<lb/> te ruhm in der naͤhekunſt bey den menſchen/<lb/> war friſch wie ein junger hirſch/ gerne um ſpiel-<lb/> leute/ liebte ehrliche taͤntze/ und behielte dariñen<lb/> vor andern maͤgden den preiß; ein jeder wolte<lb/> mit der Weiſſenburgerin tantzen. Es iſt mir<lb/> aus dem himmel kund worden/ daß es GOt-<lb/> tes wille geweſt/ daß ich habe hieher kommen<lb/> muͤſſen/ und habe mich mit einem maͤurer ver-<lb/> heyrathet; und wie ich hernach gehoͤret/ haben<lb/> wohl zehen andere auf meinen mann gewar-<lb/> tet/ da er iſt mein liebſter worden; Er ſolte<lb/> mich wieder fahren laſſen/ allein ich habe ihm<lb/> verbleiben muͤſſen/ und habe eine ehrliche hoch-<lb/> zeit gehalten/ mit luſtigkeit/ und habe mit dem<lb/> ſtuͤrmiſchen und fluchenden mann zehen jahr<lb/> gehauſet/ und immer mit ihm ums ewige ge-<lb/> ſtritten; habe keine furcht GOTTes bey ihm<lb/> ſpuͤren koͤnnen/ daß er nach dem himmel ge-<lb/> trachtet haͤtte; war ein irrdiſcher weltmann/<lb/> und ich wolte immer nach dem himmel trach-<lb/> ten/ und dachte/ er ſolte ſeyn wie ich; aber er<lb/> wolte mir nicht folgen/ und wurde mir mein<lb/> leben recht ſauer mit ihm. Je laͤnger ich mit ihm<lb/> hauſte/ je ſaͤurer er mirs machte/ biß die zehen<lb/> jahr herum kamen/ in welcher zeit ich mit ihm<lb/> erzeugt ſieben kinder/ drey knaben und vier<lb/> toͤchter; und ſind noch bey dem leben zwey<lb/> ſoͤhne und zwey toͤchter/ ſo lang Gott will. Jm<lb/> 30ſten jahr meines alters wurde ich kranck/<lb/> fuͤnff wochen lang/ und muſte gantz an meinem<lb/> fleiſch abſterben; wobey ich anfaͤnglich ver-<lb/> dacht hatte auf eine nachbarm/ welche der zau-<lb/> berey verdaͤchtig war/ und oͤffters ſagte/ daß<lb/> ſie die leute krumm und lahm machen koͤnte/<lb/> mich auch offt wegen meines fleißigen kirchen-<lb/> gehens verſpottet uñ gefragt/ ob denn noch et-<lb/> liche bilder in der kirchen waͤren/ denen ich die<lb/> koͤpffe noch nicht abgebiſſen; allein es aͤuſſerte<lb/> ſich bald/ was die urſach meines abſchwin-<lb/> dens am leibe war; ich ſolte nemlich ein gantz<lb/> anderer menſch werden/ leiblich und geiſtlich er-<lb/> neuert. Jn dieſer meiner kranckheit kam mein<lb/> mañ einſten ſehr fruͤh aus dem ſchloß/ und leg-<lb/> te ſich zu mir/ und zwang mich ſeines willens<lb/> zu ſeyn/ und ich wurde zu einer tochter ſchwan-<lb/> ger wider meinen willen und begierde/ denn<lb/> ich war ſchwach und kranck. Dieſe tochter hat-<lb/> te keine ſeligkeit bey GOTT/ ſo gar war des<lb/> vaters ſaamen in den ſuͤnden verderbt/<lb/> daß daher offenbar iſt der menſch der<lb/> ſuͤnden und das kind des verderbens. Sie<lb/> wurde zwar getaufft/ aber nicht geſchrie-<lb/> ben in das buch des lebens. Da ich zehn tag mit<lb/> dieſem kind ſchwanger gieng/ wurde ich in den<lb/> himmel verzuckt/ und ſahe unbeſchreibliche<lb/> freude. O freude! O herꝛligkeit! O ewigkeit!<lb/> O ſchoͤnheit! Und der ſohn GOttes war ein<lb/> feuriges und brennen des lam̃/ und ſaſſen um<lb/> das lam̃ herum viel Prieſter mit guͤldenen kro-<lb/> nen auff den haͤuptern/ und hatten weiſſe kleider<lb/> an; keine zunge kan es ausſprechen/ kein ſinn faſ-<lb/> ſen/ kein ohr hat es gehoͤret. O daß ich aller welt<lb/> zungen haͤtte/ GOtt damit zu loben und ſeine<lb/> ewigkeit zu preiſen; und da ich ſolche herꝛligkeit<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">A. K. H. Dritter Theil.</hi> M m</fw><fw place="bottom" type="catch">ſahe/</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [273/0285]
Th. III. C. XXVII. Von denen geſichten Annaͤ Vetterin.
ſchlugen und bunden ihn mit ſtricken/ und woll-
ten ihm geld abnoͤthigen; weil er aber nichts
hatte/ gab einer von den raͤubern ſelbſt 2. Thl.
fuͤr meinen vater denen andern raͤubern/ die ſei-
ne geſellen geweſen/ auff daß er ihn nur bey dem
leben behielte; diß geſchah zu Bubenheim an
der Altmuͤhl im Onoldsbacherland/ eine meile
auſſerhalb Weiſſenburg; weil nun mein vater
ſo ſehr gemartert und erſchreckt war/ fuͤhrte ihn
meine mutter nach Weiſſenburg und laͤſt ihm
da zu ader; der bader aber ließ ihm ſo viel blut
heraus/ daß er ſchwach ward und am dritten
tag ſtarb zu Weiſſenburg. Meine mutter hatte
nun 4. kleine kinder/ und war kein biſſen brod
zu bekommen; da verkauffte ſie von des va-
ters ſchmidezeug/ und machte ihr geld/ reiſete
nach Eichſtaͤdt/ und kauffte brod/ und trugs
nach Weiſſenburg zu verkauffen/ und ge-
wann daran ſo viel/ daß ſie 4. kinder erhalten
kunt. Da ſie ſich einsmahls wieder auf dieſe
reiſe ſchicken wolte/ und uns kindern zuvor ei-
nen brey zu eſſen geben wolte/ ſetzte ſie mein
bruͤderlein auf den heerd neben das feuer/ weil
es das kleineſte kind; und ich ſtunde vor dem
heerd/ die hitze aber mochte dem kind zu ſtarck
werden; es ſtunde auf/ und hielt ſich an den
pfannenſtiel/ und die pfanne fiel mir mit der
ſiedenden milch auf meinen lincken arm/ und
verbrandte mich ſchrecklich; wie ich das zeichen
noch habe/ heut zu tage am hals und am
hertz trage/ und bekam mit verwunderung ei-
nen kurtzen arm davon; daher ich mich des
naͤhens befliſſen von jugend auf/ weil ich kei-
ner ſchweren arbeit vorſtehen kunte. Es wur-
de auch der mutter ihr geld im Eichſtaͤtter-
wald alles abgenommen/ da muſte ſie wegen
groſſer armuth mit vier kleinē kindern ins elend
hinaus/ und zog bey die dreyßig meilen weg
in das Laͤnd l ob der Enß/ blieb auch drey jahr
mit uns in der fremde/ woſelbſt mir auch das
bruͤderlein ſtarb/ welches der Pfaff nicht in
den kirchhoff wolte legen laſſen; aber mein
hauswirth erbat es/ daß man es in den Got-
tesacker begrub zu Guͤntzkirchen an der Straß.
Nach dem nun die Catholiſchen ſahen/ daß ihr
Land voller Schwaben anlieffe/ haben ſie ih-
ren unterthanen verboten/ keinen Schwaben
mehr zu behalten/ er werde denn Catholiſch/
bey fuͤnff guͤlden ſtraffe; da zog meine mutter
wieder heraus ins Land. Es war aber die
theurung noch immer da/ riß auch eine
peſt an unterſchiedlichen orten ein/ daher ſich
meine mutter mit uns kuͤmmerlich behalff; ſie
fing endlich wieder etwas an/ daß ſie geld ge-
winnen moͤchte uns zu erhalten; ſie kauffte
den leuten die betten ab/ auf welchen jemand
geſtoꝛben war/ welche die leute um ein gerin-
ges weggaben/ ja gar uͤber die ſtadtmauren
wurffen; dieſe betten trug ſie viel meilen hin-
weg/ und verkauffte ſie. Endlich verheyrathe-
te ſich meine mutter wieder mit einem becken
zu Wedelsheim/ einem dorff bey Weiſſenburg;
diß dorff wurde hernach von den Schweden
gepluͤndert/ und kamen meine eltern um alles;
ich war aus furcht neben vielen andern in den
kirchhof geſperret; als es aber ſchiene/ es wol-
ten die Soldaten da einbrechen/ und ein jeder
flohe/ kroch ich durch ein enges loch durch die
mauer hinaus/ und zwar gantz nackend/ wegen
enge des lochs/ und ließ mir meine kleider
nachwerffen; allein ich war kaum ein wenig
weg/ ſo erſahe mich ein Reuter/ und jagte mich
lange herum/ und nahm mir mein kleid/ ſo ich uͤ-
ber dem arm trug. Die uͤbrige zeit/ nach dem ich
zu Weiſſenburg vorher das naͤhen gelernet/
brachte ich zu Onoldsbach zu biß in das zwan-
tzigſte jahr meines alters; ich war ein froͤliches
und freyes maͤgdlein/ und den leuten lieb/ ſuch-
te ruhm in der naͤhekunſt bey den menſchen/
war friſch wie ein junger hirſch/ gerne um ſpiel-
leute/ liebte ehrliche taͤntze/ und behielte dariñen
vor andern maͤgden den preiß; ein jeder wolte
mit der Weiſſenburgerin tantzen. Es iſt mir
aus dem himmel kund worden/ daß es GOt-
tes wille geweſt/ daß ich habe hieher kommen
muͤſſen/ und habe mich mit einem maͤurer ver-
heyrathet; und wie ich hernach gehoͤret/ haben
wohl zehen andere auf meinen mann gewar-
tet/ da er iſt mein liebſter worden; Er ſolte
mich wieder fahren laſſen/ allein ich habe ihm
verbleiben muͤſſen/ und habe eine ehrliche hoch-
zeit gehalten/ mit luſtigkeit/ und habe mit dem
ſtuͤrmiſchen und fluchenden mann zehen jahr
gehauſet/ und immer mit ihm ums ewige ge-
ſtritten; habe keine furcht GOTTes bey ihm
ſpuͤren koͤnnen/ daß er nach dem himmel ge-
trachtet haͤtte; war ein irrdiſcher weltmann/
und ich wolte immer nach dem himmel trach-
ten/ und dachte/ er ſolte ſeyn wie ich; aber er
wolte mir nicht folgen/ und wurde mir mein
leben recht ſauer mit ihm. Je laͤnger ich mit ihm
hauſte/ je ſaͤurer er mirs machte/ biß die zehen
jahr herum kamen/ in welcher zeit ich mit ihm
erzeugt ſieben kinder/ drey knaben und vier
toͤchter; und ſind noch bey dem leben zwey
ſoͤhne und zwey toͤchter/ ſo lang Gott will. Jm
30ſten jahr meines alters wurde ich kranck/
fuͤnff wochen lang/ und muſte gantz an meinem
fleiſch abſterben; wobey ich anfaͤnglich ver-
dacht hatte auf eine nachbarm/ welche der zau-
berey verdaͤchtig war/ und oͤffters ſagte/ daß
ſie die leute krumm und lahm machen koͤnte/
mich auch offt wegen meines fleißigen kirchen-
gehens verſpottet uñ gefragt/ ob denn noch et-
liche bilder in der kirchen waͤren/ denen ich die
koͤpffe noch nicht abgebiſſen; allein es aͤuſſerte
ſich bald/ was die urſach meines abſchwin-
dens am leibe war; ich ſolte nemlich ein gantz
anderer menſch werden/ leiblich und geiſtlich er-
neuert. Jn dieſer meiner kranckheit kam mein
mañ einſten ſehr fruͤh aus dem ſchloß/ und leg-
te ſich zu mir/ und zwang mich ſeines willens
zu ſeyn/ und ich wurde zu einer tochter ſchwan-
ger wider meinen willen und begierde/ denn
ich war ſchwach und kranck. Dieſe tochter hat-
te keine ſeligkeit bey GOTT/ ſo gar war des
vaters ſaamen in den ſuͤnden verderbt/
daß daher offenbar iſt der menſch der
ſuͤnden und das kind des verderbens. Sie
wurde zwar getaufft/ aber nicht geſchrie-
ben in das buch des lebens. Da ich zehn tag mit
dieſem kind ſchwanger gieng/ wurde ich in den
himmel verzuckt/ und ſahe unbeſchreibliche
freude. O freude! O herꝛligkeit! O ewigkeit!
O ſchoͤnheit! Und der ſohn GOttes war ein
feuriges und brennen des lam̃/ und ſaſſen um
das lam̃ herum viel Prieſter mit guͤldenen kro-
nen auff den haͤuptern/ und hatten weiſſe kleider
an; keine zunge kan es ausſprechen/ kein ſinn faſ-
ſen/ kein ohr hat es gehoͤret. O daß ich aller welt
zungen haͤtte/ GOtt damit zu loben und ſeine
ewigkeit zu preiſen; und da ich ſolche herꝛligkeit
ſahe/
Jahr
MDC.
biß
MDCC.
Jahr
MDC.
biß
MDCC.
A. K. H. Dritter Theil. M m
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/285 |
Zitationshilfe: | Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/285>, abgerufen am 16.07.2024. |