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Arnold, Gottfried: Erklärung/ Vom gemeinen Secten-wesen/ Kirchen- und Abendmahl-gehen. Leipzig, 1700.

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niger andacht/ beystimmung und reue gebracht hatten/ welches frey-
lich auch an ihm selbst GOttes- und nicht eines menschen werck ist: Son-
dern sie würden auch/ als selbst neugebohrne und in CHristo JEsu gestal-
tete menschen durch das inwendig eingepflantzte lebendige wort (Jacob. I.
21.) wircklich andere kinder mit schmertzen ausgebohren und zum
neuen leben des geistes mächtiglich erwecket haben. Angesehen jene er ste
bewegung
noch lange nicht eine wahre erneuerung des Heiligen Gei-
stes
seyn möchte/ als welche offte sehr unbeständig ist/ oder wol hernach in
doppelte boßheit ausschlägt/ auch (wo ein ungeübter führer darauff be-
ruhet) gemeiniglich in heucheley/ nachäffung/ wort-gepräng und gros-
sen jammer verkehret wird/ nachdem der natürliche mensch so gleich nach
seiner ersten überzeugung erstlich ein ziemlich grober heuchler zu werden pfle-
get/ ehe er nach langer zucht ein wahrer Christe wird.

7. Gleichwie nun aber das gantze Christenthum nach seinem wesen
innerlich und geistlich ist/ und bey dessen auffrichtung durchs lehramt
alles zur herwiederbringung des innern bildes GOttes arbeiten sol-
te: Also würde in allen und jeden nichts als JEsus CHristus der hoch-
gelobte Sohn GOttes und zwar der gantze CHristus (wie er sich in
den hertzen offenbahren will) der einige wesendliche grund/ anfang/ mit-
tel und ende gehöret/ gesühlet und erkandt werden. Jn betrachtung/ die-
ses ewige alleinige wort des vaters in den seelen erwecket/ eingepflantzet/
formiret oder gestaltet und ausgebohren werden müste: Damit es nach
und nach/ durch alle stuffen und alter/ in dem gantzen Proceß des le-
bens/ leidens/ sterbens und aufferstehens JEsu
vor dem vater als
ein vollkommen mann in ihm dem haupte dargestellet werde/ wie dis
die summa der gantzen H. Schrifft/ und des Christenthums ist und blei-
bet.

8. Folglich würden sich wahre Apostel JEsu CHristinicht auffhal-
ten mit menschen-lehren/ neben- und stück-wercken/ vernunfft-
schlüssen
oder aus der vernunfft und schrifft zusammen gemengten for-
m
en. Vielweniger mit gesetzlichem/ ängstlichem treiben der er gewissen
zu bloß äusserlichen guten wercken fromm seyn/
wie es aus natürli-
chen kräfften ja sehr hoch getrieben und gebracht werden mag/ und doch we-
der zur Evangelischen gnad und krafft/ noch zu CHristo und also
zur wahren gerechtigkeit und ruhe führet/ sondern nur als ein sauerteig
der heucheley den gantzen teig verderbet.

9. Dagegen würden sie mit Paulo überall und allen CHristum in
denen hertzen zum grund anweisen/ ausser ihm nichts vor sich selbst wissen/

geschwei-
L 3

niger andacht/ beyſtimmung und reue gebracht hatten/ welches frey-
lich auch an ihm ſelbſt GOttes- und nicht eines menſchen werck iſt: Son-
dern ſie wuͤrden auch/ als ſelbſt neugebohrne und in CHriſto JEſu geſtal-
tete menſchen durch das inwendig eingepflantzte lebendige wort (Jacob. I.
21.) wircklich andere kinder mit ſchmertzen ausgebohren und zum
neuen leben des geiſtes maͤchtiglich erwecket haben. Angeſehen jene er ſte
bewegung
noch lange nicht eine wahre erneuerung des Heiligen Gei-
ſtes
ſeyn moͤchte/ als welche offte ſehr unbeſtaͤndig iſt/ oder wol hernach in
doppelte boßheit ausſchlaͤgt/ auch (wo ein ungeuͤbter fuͤhrer darauff be-
ruhet) gemeiniglich in heucheley/ nachaͤffung/ wort-gepraͤng und groſ-
ſen jammer verkehret wird/ nachdem der natuͤrliche menſch ſo gleich nach
ſeiner erſten uͤberzeugung erſtlich ein ziemlich grober heuchler zu werden pfle-
get/ ehe er nach langer zucht ein wahrer Chriſte wird.

7. Gleichwie nun aber das gantze Chriſtenthum nach ſeinem weſen
innerlich und geiſtlich iſt/ und bey deſſen auffrichtung durchs lehramt
alles zur herwiederbringung des innern bildes GOttes arbeiten ſol-
te: Alſo wuͤrde in allen und jeden nichts als JEſus CHriſtus der hoch-
gelobte Sohn GOttes und zwar der gantze CHriſtus (wie er ſich in
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bens/ leidens/ ſterbens und aufferſtehens JEſu
vor dem vater als
ein vollkommen mann in ihm dem haupte dargeſtellet werde/ wie dis
die ſumma der gantzen H. Schrifft/ und des Chriſtenthums iſt und blei-
bet.

8. Folglich wuͤrden ſich wahre Apoſtel JEſu CHriſtinicht auffhal-
ten mit menſchen-lehren/ neben- und ſtuͤck-wercken/ vernunfft-
ſchluͤſſen
oder aus der vernunfft und ſchrifft zuſammen gemengten for-
m
en. Vielweniger mit geſetzlichem/ aͤngſtlichem treiben der er gewiſſen
zu bloß aͤuſſerlichen guten wercken fromm ſeyn/
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chen kraͤfften ja ſehr hoch getrieben und gebracht werden mag/ und doch we-
der zur Evangeliſchen gnad und krafft/ noch zu CHriſto und alſo
zur wahren gerechtigkeit und ruhe fuͤhret/ ſondern nur als ein ſauerteig
der heucheley den gantzen teig verderbet.

9. Dagegen wuͤrden ſie mit Paulo uͤberall und allen CHriſtum in
denen hertzen zum grund anweiſen/ auſſer ihm nichts vor ſich ſelbſt wiſſen/

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[85/0086] niger andacht/ beyſtimmung und reue gebracht hatten/ welches frey- lich auch an ihm ſelbſt GOttes- und nicht eines menſchen werck iſt: Son- dern ſie wuͤrden auch/ als ſelbſt neugebohrne und in CHriſto JEſu geſtal- tete menſchen durch das inwendig eingepflantzte lebendige wort (Jacob. I. 21.) wircklich andere kinder mit ſchmertzen ausgebohren und zum neuen leben des geiſtes maͤchtiglich erwecket haben. Angeſehen jene er ſte bewegung noch lange nicht eine wahre erneuerung des Heiligen Gei- ſtes ſeyn moͤchte/ als welche offte ſehr unbeſtaͤndig iſt/ oder wol hernach in doppelte boßheit ausſchlaͤgt/ auch (wo ein ungeuͤbter fuͤhrer darauff be- ruhet) gemeiniglich in heucheley/ nachaͤffung/ wort-gepraͤng und groſ- ſen jammer verkehret wird/ nachdem der natuͤrliche menſch ſo gleich nach ſeiner erſten uͤberzeugung erſtlich ein ziemlich grober heuchler zu werden pfle- get/ ehe er nach langer zucht ein wahrer Chriſte wird. 7. Gleichwie nun aber das gantze Chriſtenthum nach ſeinem weſen innerlich und geiſtlich iſt/ und bey deſſen auffrichtung durchs lehramt alles zur herwiederbringung des innern bildes GOttes arbeiten ſol- te: Alſo wuͤrde in allen und jeden nichts als JEſus CHriſtus der hoch- gelobte Sohn GOttes und zwar der gantze CHriſtus (wie er ſich in den hertzen offenbahren will) der einige weſendliche grund/ anfang/ mit- tel und ende gehoͤret/ geſuͤhlet und erkandt werden. Jn betrachtung/ die- ſes ewige alleinige wort des vaters in den ſeelen erwecket/ eingepflantzet/ formiret oder geſtaltet und ausgebohren werden muͤſte: Damit es nach und nach/ durch alle ſtuffen und alter/ in dem gantzen Proceß des le- bens/ leidens/ ſterbens und aufferſtehens JEſu vor dem vater als ein vollkommen mann in ihm dem haupte dargeſtellet werde/ wie dis die ſumma der gantzen H. Schrifft/ und des Chriſtenthums iſt und blei- bet. 8. Folglich wuͤrden ſich wahre Apoſtel JEſu CHriſtinicht auffhal- ten mit menſchen-lehren/ neben- und ſtuͤck-wercken/ vernunfft- ſchluͤſſen oder aus der vernunfft und ſchrifft zuſammen gemengten for- men. Vielweniger mit geſetzlichem/ aͤngſtlichem treiben der er gewiſſen zu bloß aͤuſſerlichen guten wercken fromm ſeyn/ wie es aus natuͤrli- chen kraͤfften ja ſehr hoch getrieben und gebracht werden mag/ und doch we- der zur Evangeliſchen gnad und krafft/ noch zu CHriſto und alſo zur wahren gerechtigkeit und ruhe fuͤhret/ ſondern nur als ein ſauerteig der heucheley den gantzen teig verderbet. 9. Dagegen wuͤrden ſie mit Paulo uͤberall und allen CHriſtum in denen hertzen zum grund anweiſen/ auſſer ihm nichts vor ſich ſelbſt wiſſen/ geſchwei- L 3

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Erklärung/ Vom gemeinen Secten-wesen/ Kirchen- und Abendmahl-gehen. Leipzig, 1700, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_cyprian_1700/86>, abgerufen am 25.04.2024.