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Arnold, Gottfried: Erklärung/ Vom gemeinen Secten-wesen/ Kirchen- und Abendmahl-gehen. Leipzig, 1700.

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und lassen sich nicht alle leute nach einem masse messen. Bey dem einen
kan die enthaltung vom Sacrament aus einem bösen/ bey dem andern aus
einem guten grunde kommen/ und wer das nicht recht zu prüffen weiß/ der
kan durch unweises verfahren einer seelen mehr schaden als nutzen anrich-
ten/ davon die schuld hernach auff ihn fällt/ daß er sich unterstehen will/
worzuer doch nicht tüchtig ist. Es kan auch offt geschehen/ daß derjeni-
ge/ der als ein wegweiser einen andern führen will/ in Göttlichen dingen
weniger verstand und erfahrung/ als derjenige/ der sich als ein irrender
von ihm soll führen lassen/ daher denn auff seiten des führers offt grosse
schwachheit unterlaufft/ die er aber nicht eher erkennen mag/ biß ihm GOtt
die augen öffnet. Nicht schreibe ich solches/ als wenn ich mich damit einer so
grossen weißheit rühmen wolte/ sondern ich schreibe es nur deßwegen/ daß ich
von der schwierigkeit solcher fälle meine meynung ausdrucken und meinen
sinnrecht erklären möge/ wie ich wünschete/ daß bey dergleichen fällen/
deren sich zu dieser zeit nicht wenig hie und da eräugnen zur abwendung vie-
les Unheils von allen denen/ die sich seelen-hirten nennen/ möchte verfahren
werden/ zweiffele auch gar nicht/ daß E. Wohl-Ehrw. mir hierinn ihren
beyfall geben werden. Jch meines wenigen orths bin in erwegung dessen/
da ich wol erkenne/ was auch mir selbst in diesem stücke fehle/ öffters also
gedemüthiget worden/ daßich scheu getragen/ auch nur in gedancken mich
der tüchtigkeit eines öffentlichen hirten-ammts anzumassen/ ehe ich von
GOtt mit solcher darzu bedürfftigen weißheit begabet wäre/ davon es
heisset/ daß sie alles sehe und durch alle geister gehe/ wie verständig/
lauter und scharff sie sind/ Sap. VII. 23. welche Göttliche gabe der weißheit
zu solchem amte eines rechten seelen-hirten gewiß von nöthen/ und unter de-
nen donis administrantibus nicht die geringste/ aber gewiß gar seltzam ist.

Diese 3. angeführte haupt-puncte nun sind es gewesen/ die bißher vor
vielen andern mein gemüthe auff das hefftigste bekümmert/ und mir vieles
seuffzen ausgepresset haben. Daß ich es aber nicht bey der blossen beküm-
merniß und seuffzen habe bewenden/ sondern mich gar der öffentlichen kirch-
versammlung und communion bißher zuentziehen mich dadurch bewegen
lassen/ ist aus folgenden motiven geschehen.

(1.) Weil es einem rechtschaffenem Christen oblieget/ sich keiner
fremden sünden theilhafftig zu machen. Jndem nun solches verkehrtes we-
sen eine grosse verunehrung des heiligen namens GOttes/ ein offenbahrer
mißbrauch des H. Abendmahls und eine schändung der Evangelischen
kirchen ist/ so habe ich zwar keinen theil an der sünde selbst/ gleichwol aber/
weil der hauffe der sich Evangelisch nennenden maul - Christen noch darzu

in den

und laſſen ſich nicht alle leute nach einem maſſe meſſen. Bey dem einen
kan die enthaltung vom Sacrament aus einem boͤſen/ bey dem andern aus
einem guten grunde kommen/ und wer das nicht recht zu pruͤffen weiß/ der
kan durch unweiſes verfahren einer ſeelen mehr ſchaden als nutzen anrich-
ten/ davon die ſchuld hernach auff ihn faͤllt/ daß er ſich unterſtehen will/
worzuer doch nicht tuͤchtig iſt. Es kan auch offt geſchehen/ daß derjeni-
ge/ der als ein wegweiſer einen andern fuͤhren will/ in Goͤttlichen dingen
weniger verſtand und erfahrung/ als derjenige/ der ſich als ein irrender
von ihm ſoll fuͤhren laſſen/ daher denn auff ſeiten des fuͤhrers offt groſſe
ſchwachheit unterlaufft/ die er aber nicht eher erkennen mag/ biß ihm GOtt
die augen oͤffnet. Nicht ſchreibe ich ſolches/ als wenn ich mich damit einer ſo
gꝛoſſen weißheit ruͤhmen wolte/ ſondeꝛn ich ſchꝛeibe es nur deßwegen/ daß ich
von der ſchwierigkeit ſolcher faͤlle meine meynung ausdrucken und meinen
ſinnrecht erklaͤren moͤge/ wie ich wuͤnſchete/ daß bey dergleichen faͤllen/
deren ſich zu dieſer zeit nicht wenig hie und da eraͤugnen zur abwendung vie-
les Unheils von allen denen/ die ſich ſeelen-hirten nennen/ moͤchte verfahren
werden/ zweiffele auch gar nicht/ daß E. Wohl-Ehrw. mir hierinn ihren
beyfall geben werden. Jch meines wenigen orths bin in erwegung deſſen/
da ich wol erkenne/ was auch mir ſelbſt in dieſem ſtuͤcke fehle/ oͤffters alſo
gedemuͤthiget worden/ daßich ſcheu getragen/ auch nur in gedancken mich
der tuͤchtigkeit eines oͤffentlichen hirten-ammts anzumaſſen/ ehe ich von
GOtt mit ſolcher darzu beduͤrfftigen weißheit begabet waͤre/ davon es
heiſſet/ daß ſie alles ſehe und durch alle geiſter gehe/ wie verſtaͤndig/
lauter und ſcharff ſie ſind/ Sap. VII. 23. welche Goͤttliche gabe der weißheit
zu ſolchem amte eines rechten ſeelen-hirten gewiß von noͤthen/ und unter de-
nen donis adminiſtrantibus nicht die geringſte/ aber gewiß gar ſeltzam iſt.

Dieſe 3. angefuͤhrte haupt-puncte nun ſind es geweſen/ die bißher vor
vielen andern mein gemuͤthe auff das hefftigſte bekuͤmmert/ und mir vieles
ſeuffzen ausgepreſſet haben. Daß ich es aber nicht bey der bloſſen bekuͤm-
merniß und ſeuffzen habe bewenden/ ſondern mich gar der oͤffentlichen kirch-
verſammlung und communion bißher zuentziehen mich dadurch bewegen
laſſen/ iſt aus folgenden motiven geſchehen.

(1.) Weil es einem rechtſchaffenem Chriſten oblieget/ ſich keiner
fremden ſuͤnden theilhafftig zu machen. Jndem nun ſolches verkehrtes we-
ſen eine groſſe verunehrung des heiligen namens GOttes/ ein offenbahrer
mißbrauch des H. Abendmahls und eine ſchaͤndung der Evangeliſchen
kirchen iſt/ ſo habe ich zwar keinen theil an der ſuͤnde ſelbſt/ gleichwol aber/
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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Erklärung/ Vom gemeinen Secten-wesen/ Kirchen- und Abendmahl-gehen. Leipzig, 1700, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_cyprian_1700/64>, abgerufen am 26.04.2024.