den Winter nicht hin, man kann sich nicht lang amü¬ siren mit den Albernheiten die der Kreis von Menschen ausgehen läßt der sich die gebildete Welt nennt und sonst keine Grundlage. Eine hat der Andern dicht neben mir in ihr Halsband gebissen um zu sehen ob es wahr sei daß ihre Perlen echt wären, und hat sich sehr geärgert, daß sie nicht entzwei gin¬ gen, und so ärgert sich alles über alles was echt ist, und so konnt ich doch nichts besseres und christliche¬ res thun als lieber einschlafen, ich habs auch dem Primas gesagt wie er mich geneckt hat; es sei um Ärgerniß zu vermeiden denn ich sei echt, und es kommt mir ordentlich herabwürdigend vor mich unter ihnen herum zu treiben. -- Hier bin ich glücklich durch die Freiheit in der freien Natur herum zu schwärmen in deren, Mitte ich wohne. Des Einsiedlers Klause in tie¬ fer Wildniß, kann nicht mehr mitten ihr im Schooß lie¬ gen als ich, ja ich darf mich selbst als einen Theil von ihr empfinden, was mich nicht beschämt wie die Gesellschaft, daß ich ihres Gleichen bin, aber mich freudig und selbst¬ fühlend macht daß sie so gut gegen mich ist vor andern. Wenn ich aus dem Fenster im Schlafzimmer so grad auf den winterlich grünen Berg steigen kann, und dann hinunter und hinauf, auf alten gefährlichen Mauern
den Winter nicht hin, man kann ſich nicht lang amü¬ ſiren mit den Albernheiten die der Kreis von Menſchen ausgehen läßt der ſich die gebildete Welt nennt und ſonſt keine Grundlage. Eine hat der Andern dicht neben mir in ihr Halsband gebiſſen um zu ſehen ob es wahr ſei daß ihre Perlen echt wären, und hat ſich ſehr geärgert, daß ſie nicht entzwei gin¬ gen, und ſo ärgert ſich alles über alles was echt iſt, und ſo konnt ich doch nichts beſſeres und chriſtliche¬ res thun als lieber einſchlafen, ich habs auch dem Primas geſagt wie er mich geneckt hat; es ſei um Ärgerniß zu vermeiden denn ich ſei echt, und es kommt mir ordentlich herabwürdigend vor mich unter ihnen herum zu treiben. — Hier bin ich glücklich durch die Freiheit in der freien Natur herum zu ſchwärmen in deren, Mitte ich wohne. Des Einſiedlers Klauſe in tie¬ fer Wildniß, kann nicht mehr mitten ihr im Schooß lie¬ gen als ich, ja ich darf mich ſelbſt als einen Theil von ihr empfinden, was mich nicht beſchämt wie die Geſellſchaft, daß ich ihres Gleichen bin, aber mich freudig und ſelbſt¬ fühlend macht daß ſie ſo gut gegen mich iſt vor andern. Wenn ich aus dem Fenſter im Schlafzimmer ſo grad auf den winterlich grünen Berg ſteigen kann, und dann hinunter und hinauf, auf alten gefährlichen Mauern
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den Winter nicht hin, man kann ſich nicht lang amü¬
ſiren mit den Albernheiten die der Kreis von Menſchen
ausgehen läßt der ſich die gebildete Welt nennt und
ſonſt keine Grundlage. Eine hat der Andern dicht
neben mir in ihr Halsband gebiſſen um zu ſehen
ob es wahr ſei daß ihre Perlen echt wären, und
hat ſich ſehr geärgert, daß ſie nicht entzwei gin¬
gen, und ſo ärgert ſich alles über alles was echt iſt,
und ſo konnt ich doch nichts beſſeres und chriſtliche¬
res thun als lieber einſchlafen, ich habs auch dem
Primas geſagt wie er mich geneckt hat; es ſei um
Ärgerniß zu vermeiden denn ich ſei echt, und es kommt
mir ordentlich herabwürdigend vor mich unter ihnen
herum zu treiben. — Hier bin ich glücklich durch die
Freiheit in der freien Natur herum zu ſchwärmen in
deren, Mitte ich wohne. Des Einſiedlers Klauſe in tie¬
fer Wildniß, kann nicht mehr mitten ihr im Schooß lie¬
gen als ich, ja ich darf mich ſelbſt als einen Theil von ihr
empfinden, was mich nicht beſchämt wie die Geſellſchaft,
daß ich ihres Gleichen bin, aber mich freudig und ſelbſt¬
fühlend macht daß ſie ſo gut gegen mich iſt vor andern.
Wenn ich aus dem Fenſter im Schlafzimmer ſo grad
auf den winterlich grünen Berg ſteigen kann, und dann
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/94>, abgerufen am 24.11.2024.
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