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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

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ideale Gesundheit in ihm daß man immer mehr von
seinen reinen Worten trinken möcht. Ach Du schreibst
ich soll Dir recht viel von ihm erzählen. Wärst Du
doch selbst hier! -- Vorgestern fiel mirs ein wie die
Abendröthe schon dem Dunkel wich und das reine kalte
Blau durch die Fenster herein leuchtete daß es unend¬
lich schön sein müßte wenn wir Drei zusammensäßen
und sprächen so in die Nacht hinein. Alles Große
spricht er so heiter aus, alles ist so einfach, so noth¬
wendig, als sei das Leben reiner geistig durchgebildet
in ihm. Und das ist es auch. -- Ich gab ihm Deinen
Brief und sagte ihm er solle es mir auslegen warum
ich mich nicht besinnen kann; und was es ist daß ich
mich nicht in die gewohnte Stätte sichern Vertrauens
hineinfinde in diesem Brief, als sei die Pforte zu Dei¬
nem Herzen nebelverhüllt. Aber wie er wegging war
ich schon viel heiterer geworden, und am Tag vorher
war ich auf dem Thurm gewesen, aber die Sterne sag¬
ten mir nichts, ich besann mich nur da oben auf meine
frühere Kindheit, auf meinen Vater, wie ich dem so
schmerzstillend war. Wie die Mutter gestorben war
und keiner sich zu ihm wagte, Abends in den langen
Saal wo er im Dunkel allein saß vor dem Bild der
Mutter, und die Laternen von der Straße warfen zer¬

ideale Geſundheit in ihm daß man immer mehr von
ſeinen reinen Worten trinken möcht. Ach Du ſchreibſt
ich ſoll Dir recht viel von ihm erzählen. Wärſt Du
doch ſelbſt hier! — Vorgeſtern fiel mirs ein wie die
Abendröthe ſchon dem Dunkel wich und das reine kalte
Blau durch die Fenſter herein leuchtete daß es unend¬
lich ſchön ſein müßte wenn wir Drei zuſammenſäßen
und ſprächen ſo in die Nacht hinein. Alles Große
ſpricht er ſo heiter aus, alles iſt ſo einfach, ſo noth¬
wendig, als ſei das Leben reiner geiſtig durchgebildet
in ihm. Und das iſt es auch. — Ich gab ihm Deinen
Brief und ſagte ihm er ſolle es mir auslegen warum
ich mich nicht beſinnen kann; und was es iſt daß ich
mich nicht in die gewohnte Stätte ſichern Vertrauens
hineinfinde in dieſem Brief, als ſei die Pforte zu Dei¬
nem Herzen nebelverhüllt. Aber wie er wegging war
ich ſchon viel heiterer geworden, und am Tag vorher
war ich auf dem Thurm geweſen, aber die Sterne ſag¬
ten mir nichts, ich beſann mich nur da oben auf meine
frühere Kindheit, auf meinen Vater, wie ich dem ſo
ſchmerzſtillend war. Wie die Mutter geſtorben war
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[282/0296] ideale Geſundheit in ihm daß man immer mehr von ſeinen reinen Worten trinken möcht. Ach Du ſchreibſt ich ſoll Dir recht viel von ihm erzählen. Wärſt Du doch ſelbſt hier! — Vorgeſtern fiel mirs ein wie die Abendröthe ſchon dem Dunkel wich und das reine kalte Blau durch die Fenſter herein leuchtete daß es unend¬ lich ſchön ſein müßte wenn wir Drei zuſammenſäßen und ſprächen ſo in die Nacht hinein. Alles Große ſpricht er ſo heiter aus, alles iſt ſo einfach, ſo noth¬ wendig, als ſei das Leben reiner geiſtig durchgebildet in ihm. Und das iſt es auch. — Ich gab ihm Deinen Brief und ſagte ihm er ſolle es mir auslegen warum ich mich nicht beſinnen kann; und was es iſt daß ich mich nicht in die gewohnte Stätte ſichern Vertrauens hineinfinde in dieſem Brief, als ſei die Pforte zu Dei¬ nem Herzen nebelverhüllt. Aber wie er wegging war ich ſchon viel heiterer geworden, und am Tag vorher war ich auf dem Thurm geweſen, aber die Sterne ſag¬ ten mir nichts, ich beſann mich nur da oben auf meine frühere Kindheit, auf meinen Vater, wie ich dem ſo ſchmerzſtillend war. Wie die Mutter geſtorben war und keiner ſich zu ihm wagte, Abends in den langen Saal wo er im Dunkel allein ſaß vor dem Bild der Mutter, und die Laternen von der Straße warfen zer¬

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/296>, abgerufen am 23.11.2024.