Gelübde auferlegte? hab ich nicht mir und Dir zuge¬ sagt, ich wolle mich streng den Bedingungen einer Kunst unterwerfen? hab ich nicht immer und immer aufs Neue wieder alles Begonnene verfaselt? -- und was konntest Du mit mir endlich anfangen? ich gestand Dir immer alles zu, ja ich sagte mir täglich Deine wahren, Deine tiefen Begriffe vor, über die Anstrengung des Geistes in sich zu erzeugen was noch ungeboren ist in ihm. Einmal sagtest Du: "Ich begreife aus dem Sehnen des Geistes sich der Künste und Wissenschaften zu bemächtigen, daß die fruchtbare Erde nach dem Samen sich sehnt den sie zu nähren vermag." Und Du sagtest zu mir: "Deine ewige Unruh, Dein Schweifen und Jagen nach allem was im Geist erwachsen könnt, selbst Dein Widerspruch dagegen beweist daß Dein Geist fruchtbar ist für Alles." Und wolltest ich sollte nur das eine Opfer bringen und eine Zeit mich Einem ganz unterwerfen, dann werde sich zu Allem Platz und Reife bilden. Und sagtest: "was ist denn Zeit wenn sie nicht ewiges Bilden der Kräfte ist? -- Und ist eben die Mühe des Erwerbens nicht auch sein höchster Ertrag? -- und keine Anstrengung ist umsonst, denn am End ist jede Anstrengung die höchste Übung des Erzeugens, und wer seinen Geist mit Anstrengun¬ gen nährt der muß zum Erschaffen, zum Wiedererzeu¬
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Gelübde auferlegte? hab ich nicht mir und Dir zuge¬ ſagt, ich wolle mich ſtreng den Bedingungen einer Kunſt unterwerfen? hab ich nicht immer und immer aufs Neue wieder alles Begonnene verfaſelt? — und was konnteſt Du mit mir endlich anfangen? ich geſtand Dir immer alles zu, ja ich ſagte mir täglich Deine wahren, Deine tiefen Begriffe vor, über die Anſtrengung des Geiſtes in ſich zu erzeugen was noch ungeboren iſt in ihm. Einmal ſagteſt Du: „Ich begreife aus dem Sehnen des Geiſtes ſich der Künſte und Wiſſenſchaften zu bemächtigen, daß die fruchtbare Erde nach dem Samen ſich ſehnt den ſie zu nähren vermag.“ Und Du ſagteſt zu mir: „Deine ewige Unruh, Dein Schweifen und Jagen nach allem was im Geiſt erwachſen könnt, ſelbſt Dein Widerſpruch dagegen beweiſt daß Dein Geiſt fruchtbar iſt für Alles.“ Und wollteſt ich ſollte nur das eine Opfer bringen und eine Zeit mich Einem ganz unterwerfen, dann werde ſich zu Allem Platz und Reife bilden. Und ſagteſt: „was iſt denn Zeit wenn ſie nicht ewiges Bilden der Kräfte iſt? — Und iſt eben die Mühe des Erwerbens nicht auch ſein höchſter Ertrag? — und keine Anſtrengung iſt umſonſt, denn am End iſt jede Anſtrengung die höchſte Übung des Erzeugens, und wer ſeinen Geiſt mit Anſtrengun¬ gen nährt der muß zum Erſchaffen, zum Wiedererzeu¬
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Gelübde auferlegte? hab ich nicht mir und Dir zuge¬
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unterwerfen? hab ich nicht immer und immer aufs Neue
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Du mit mir endlich anfangen? ich geſtand Dir immer
alles zu, ja ich ſagte mir täglich Deine wahren, Deine
tiefen Begriffe vor, über die Anſtrengung des Geiſtes in
ſich zu erzeugen was noch ungeboren iſt in ihm. Einmal
ſagteſt Du: „Ich begreife aus dem Sehnen des Geiſtes
ſich der Künſte und Wiſſenſchaften zu bemächtigen, daß
die fruchtbare Erde nach dem Samen ſich ſehnt den ſie zu
nähren vermag.“ Und Du ſagteſt zu mir: „Deine ewige
Unruh, Dein Schweifen und Jagen nach allem was im
Geiſt erwachſen könnt, ſelbſt Dein Widerſpruch dagegen
beweiſt daß Dein Geiſt fruchtbar iſt für Alles.“ Und
wollteſt ich ſollte nur das eine Opfer bringen und eine
Zeit mich Einem ganz unterwerfen, dann werde ſich zu
Allem Platz und Reife bilden. Und ſagteſt: „was iſt
denn Zeit wenn ſie nicht ewiges Bilden der Kräfte iſt? —
Und iſt eben die Mühe des Erwerbens nicht auch ſein
höchſter Ertrag? — und keine Anſtrengung iſt umſonſt,
denn am End iſt jede Anſtrengung die höchſte Übung
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gen nährt der muß zum Erſchaffen, zum Wiedererzeu¬
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/281>, abgerufen am 24.11.2024.
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