den sie doch auf eine Kunst vorbereitet, sie haben eine Anschauung von Gedanken oder Gefühlen die durch Kunstform eine höhere sittliche Würde erlangen, oder behaupten, und dies ist der Beginn daß der ganze Mensch sich da hinübertrage; es ist nicht zu verachten das im unmündigen sich der Trieb zum Licht regt. -- Und darum mein ich daß kein Gedicht ohne einen Werth sei.
Gewiß jedes Gefühl, so einfach oder auch einfältig es geachtet werden könnte, so ist der Trieb es sittlich zu verklären nicht zu verwerfen, und manchen Gedich¬ ten die keinen Ruf haben, habe ich doch zuweilen die Empfindung einer unzweifelhaften höheren Wahrheit oder Streben dahin angemerkt, -- und es ist auch ge¬ wiß so. Die Künstler oder Dichter lernen und suchen wohl mühsam ihren Weg, aber wie man sie begreifen und nachempfinden soll, das lernt keiner, -- nehme es doch nur so, daß alles Streben ob es stocke ob es fließe, den Vorrang habe vor dem Nichtstreben. -- Gute Nacht für heut kann ich nicht mehr sagen; nicht alles ist mir gleich deutlich in Deinem Brief, Du sagst mir wohl über manches noch mehr, oder dasselbe noch einmal. -- Der Ton in der Sprache thut auch viel zum Verstehen, wären wir beisammen, würde sich leichter und vielseiti¬ ger ergeben was wir wollen und meinen, und auf den
den ſie doch auf eine Kunſt vorbereitet, ſie haben eine Anſchauung von Gedanken oder Gefühlen die durch Kunſtform eine höhere ſittliche Würde erlangen, oder behaupten, und dies iſt der Beginn daß der ganze Menſch ſich da hinübertrage; es iſt nicht zu verachten das im unmündigen ſich der Trieb zum Licht regt. — Und darum mein ich daß kein Gedicht ohne einen Werth ſei.
Gewiß jedes Gefühl, ſo einfach oder auch einfältig es geachtet werden könnte, ſo iſt der Trieb es ſittlich zu verklären nicht zu verwerfen, und manchen Gedich¬ ten die keinen Ruf haben, habe ich doch zuweilen die Empfindung einer unzweifelhaften höheren Wahrheit oder Streben dahin angemerkt, — und es iſt auch ge¬ wiß ſo. Die Künſtler oder Dichter lernen und ſuchen wohl mühſam ihren Weg, aber wie man ſie begreifen und nachempfinden ſoll, das lernt keiner, — nehme es doch nur ſo, daß alles Streben ob es ſtocke ob es fließe, den Vorrang habe vor dem Nichtſtreben. — Gute Nacht für heut kann ich nicht mehr ſagen; nicht alles iſt mir gleich deutlich in Deinem Brief, Du ſagſt mir wohl über manches noch mehr, oder daſſelbe noch einmal. — Der Ton in der Sprache thut auch viel zum Verſtehen, wären wir beiſammen, würde ſich leichter und vielſeiti¬ ger ergeben was wir wollen und meinen, und auf den
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den ſie doch auf eine Kunſt vorbereitet, ſie haben eine
Anſchauung von Gedanken oder Gefühlen die durch
Kunſtform eine höhere ſittliche Würde erlangen, oder
behaupten, und dies iſt der Beginn daß der ganze
Menſch ſich da hinübertrage; es iſt nicht zu verachten
das im unmündigen ſich der Trieb zum Licht regt. — Und
darum mein ich daß kein Gedicht ohne einen Werth ſei.
Gewiß jedes Gefühl, ſo einfach oder auch einfältig
es geachtet werden könnte, ſo iſt der Trieb es ſittlich
zu verklären nicht zu verwerfen, und manchen Gedich¬
ten die keinen Ruf haben, habe ich doch zuweilen die
Empfindung einer unzweifelhaften höheren Wahrheit
oder Streben dahin angemerkt, — und es iſt auch ge¬
wiß ſo. Die Künſtler oder Dichter lernen und ſuchen
wohl mühſam ihren Weg, aber wie man ſie begreifen
und nachempfinden ſoll, das lernt keiner, — nehme es
doch nur ſo, daß alles Streben ob es ſtocke ob es fließe,
den Vorrang habe vor dem Nichtſtreben. — Gute Nacht
für heut kann ich nicht mehr ſagen; nicht alles iſt mir
gleich deutlich in Deinem Brief, Du ſagſt mir wohl
über manches noch mehr, oder daſſelbe noch einmal. —
Der Ton in der Sprache thut auch viel zum Verſtehen,
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/25>, abgerufen am 22.11.2024.
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