würdest mich bedauern daß ich den Genius unter dieser Gestalt sollte wieder erkennen müssen. Nein er ist es nicht. Die ganze Welt ist eben Philisterthum, so haben sie nicht eher geruht bis sie auch das Wissen dahin ge¬ zerrt haben. Wär es frei behandelt mit Genie, dann wär sein Beginnen kindlich, nicht aberwitzig mit lauter Gebot und Verbot die sich nicht legitimiren: das darfst Du nicht, das mußt Du -- warum? -- weils die Re¬ gel ist. -- Nun aber! -- ich fühls das soll mich nicht abhalten, und ich werde thun nach Kräften, und das andre wird der Gott meinen mangelnden Kräften zu gut halten, und auch mußt Du etwas auf einen be¬ stimmten Naturtrieb rechnen, der mich mit Gewalt zu andern Gedanken reizt, einen Vortheil hab ich davon, meine großen Anlagen werden jetzt sehr in Zweifel ge¬ zogen oder vielmehr mir gänzlich abgeläugnet, und meine Genialität gilt für Hoffart, und mein Charakter für einen Schußbartel, dem man alle Dummheiten zutrauen kann ohne ihm eine zum Vorwurf machen zu können. Da fühl ich mich sehr bequem in meiner Haut und es ist mir noch einmal so behaglich unter den Menschen; -- niemand denkt zwar dran daß ich nie Prätension an jene hohe Eigenschaften machte, von denen man er¬ wartete daß sie aus dem Ei kriechen würden, und daß
würdeſt mich bedauern daß ich den Genius unter dieſer Geſtalt ſollte wieder erkennen müſſen. Nein er iſt es nicht. Die ganze Welt iſt eben Philiſterthum, ſo haben ſie nicht eher geruht bis ſie auch das Wiſſen dahin ge¬ zerrt haben. Wär es frei behandelt mit Genie, dann wär ſein Beginnen kindlich, nicht aberwitzig mit lauter Gebot und Verbot die ſich nicht legitimiren: das darfſt Du nicht, das mußt Du — warum? — weils die Re¬ gel iſt. — Nun aber! — ich fühls das ſoll mich nicht abhalten, und ich werde thun nach Kräften, und das andre wird der Gott meinen mangelnden Kräften zu gut halten, und auch mußt Du etwas auf einen be¬ ſtimmten Naturtrieb rechnen, der mich mit Gewalt zu andern Gedanken reizt, einen Vortheil hab ich davon, meine großen Anlagen werden jetzt ſehr in Zweifel ge¬ zogen oder vielmehr mir gänzlich abgeläugnet, und meine Genialität gilt für Hoffart, und mein Charakter für einen Schußbartel, dem man alle Dummheiten zutrauen kann ohne ihm eine zum Vorwurf machen zu können. Da fühl ich mich ſehr bequem in meiner Haut und es iſt mir noch einmal ſo behaglich unter den Menſchen; — niemand denkt zwar dran daß ich nie Prätenſion an jene hohe Eigenſchaften machte, von denen man er¬ wartete daß ſie aus dem Ei kriechen würden, und daß
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würdeſt mich bedauern daß ich den Genius unter dieſer
Geſtalt ſollte wieder erkennen müſſen. Nein er iſt es
nicht. Die ganze Welt iſt eben Philiſterthum, ſo haben
ſie nicht eher geruht bis ſie auch das Wiſſen dahin ge¬
zerrt haben. Wär es frei behandelt mit Genie, dann
wär ſein Beginnen kindlich, nicht aberwitzig mit lauter
Gebot und Verbot die ſich nicht legitimiren: das darfſt
Du nicht, das mußt Du — warum? — weils die Re¬
gel iſt. — Nun aber! — ich fühls das ſoll mich nicht
abhalten, und ich werde thun nach Kräften, und das
andre wird der Gott meinen mangelnden Kräften zu
gut halten, und auch mußt Du etwas auf einen be¬
ſtimmten Naturtrieb rechnen, der mich mit Gewalt zu
andern Gedanken reizt, einen Vortheil hab ich davon,
meine großen Anlagen werden jetzt ſehr in Zweifel ge¬
zogen oder vielmehr mir gänzlich abgeläugnet, und meine
Genialität gilt für Hoffart, und mein Charakter für
einen Schußbartel, dem man alle Dummheiten zutrauen
kann ohne ihm eine zum Vorwurf machen zu können.
Da fühl ich mich ſehr bequem in meiner Haut und es
iſt mir noch einmal ſo behaglich unter den Menſchen;
— niemand denkt zwar dran daß ich nie Prätenſion
an jene hohe Eigenſchaften machte, von denen man er¬
wartete daß ſie aus dem Ei kriechen würden, und daß
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/218>, abgerufen am 25.11.2024.
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