len die Blumen erschließt, saugt der nicht ihren Duft? -- ists Begeistrung nicht, wenn vor der Geistessonne die Wol¬ ken sich theilen und sie strahlt die Knospe der Seele an? -- Ei darum duften eben die Blumen nicht, grade wenn die Sonne auf ihnen liegt, weil sie dann mit ih¬ ren Strahlenlippen alles selbst trinkt. Nach einem Ge¬ witter da duftet alles. -- Dann kommt sie eilig und wirft sich über sie her, und bald trinkt sie alle Kelche aus, wo denn der Duft nur in ihren Strahl übergeht; -- und wenn sie scheidet, dann duftet ihr alles noch nach, und der Duft zieht nach über die Berge; denn wenn man bei Sonnenuntergang auf einem Berg steht, da fühlt man den Balsam aus den Thälern heraufsteigen, der Sonne nach; -- das ist am Mittag in der heißen Zeit nicht, weil da die Sonne bis hinuntersteigt, und alles allein trinkt; so ist es zwischen beiden wie zwischen Lie¬ benden, -- so können wir auch nicht an ihrer Seligkeit zweifeln. -- Nun ist noch die Erde und das Wasser, die nähren noch die Pflanze, diese hält sie in ihrem Schooß, und jenes kommt zu den Wurzeln gedrungen, und fällt vom Himmel herab auf sie; sie verwandlen ihre feinsten Nahrungskräfte, das Heilige ihrer Natur in eine spre¬ chende Erscheinung. -- Sind vielleicht Blüthen und Kräuter Worte? -- Sprache, in der die Gefühle, der
len die Blumen erſchließt, ſaugt der nicht ihren Duft? — iſts Begeiſtrung nicht, wenn vor der Geiſtesſonne die Wol¬ ken ſich theilen und ſie ſtrahlt die Knoſpe der Seele an? — Ei darum duften eben die Blumen nicht, grade wenn die Sonne auf ihnen liegt, weil ſie dann mit ih¬ ren Strahlenlippen alles ſelbſt trinkt. Nach einem Ge¬ witter da duftet alles. — Dann kommt ſie eilig und wirft ſich über ſie her, und bald trinkt ſie alle Kelche aus, wo denn der Duft nur in ihren Strahl übergeht; — und wenn ſie ſcheidet, dann duftet ihr alles noch nach, und der Duft zieht nach über die Berge; denn wenn man bei Sonnenuntergang auf einem Berg ſteht, da fühlt man den Balſam aus den Thälern heraufſteigen, der Sonne nach; — das iſt am Mittag in der heißen Zeit nicht, weil da die Sonne bis hinunterſteigt, und alles allein trinkt; ſo iſt es zwiſchen beiden wie zwiſchen Lie¬ benden, — ſo können wir auch nicht an ihrer Seligkeit zweifeln. — Nun iſt noch die Erde und das Waſſer, die nähren noch die Pflanze, dieſe hält ſie in ihrem Schooß, und jenes kommt zu den Wurzeln gedrungen, und fällt vom Himmel herab auf ſie; ſie verwandlen ihre feinſten Nahrungskräfte, das Heilige ihrer Natur in eine ſpre¬ chende Erſcheinung. — Sind vielleicht Blüthen und Kräuter Worte? — Sprache, in der die Gefühle, der
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len die Blumen erſchließt, ſaugt der nicht ihren Duft? —
iſts Begeiſtrung nicht, wenn vor der Geiſtesſonne die Wol¬
ken ſich theilen und ſie ſtrahlt die Knoſpe der Seele
an? — Ei darum duften eben die Blumen nicht, grade
wenn die Sonne auf ihnen liegt, weil ſie dann mit ih¬
ren Strahlenlippen alles ſelbſt trinkt. Nach einem Ge¬
witter da duftet alles. — Dann kommt ſie eilig und
wirft ſich über ſie her, und bald trinkt ſie alle Kelche
aus, wo denn der Duft nur in ihren Strahl übergeht; —
und wenn ſie ſcheidet, dann duftet ihr alles noch nach,
und der Duft zieht nach über die Berge; denn wenn
man bei Sonnenuntergang auf einem Berg ſteht, da
fühlt man den Balſam aus den Thälern heraufſteigen,
der Sonne nach; — das iſt am Mittag in der heißen Zeit
nicht, weil da die Sonne bis hinunterſteigt, und alles
allein trinkt; ſo iſt es zwiſchen beiden wie zwiſchen Lie¬
benden, — ſo können wir auch nicht an ihrer Seligkeit
zweifeln. — Nun iſt noch die Erde und das Waſſer, die
nähren noch die Pflanze, dieſe hält ſie in ihrem Schooß,
und jenes kommt zu den Wurzeln gedrungen, und fällt
vom Himmel herab auf ſie; ſie verwandlen ihre feinſten
Nahrungskräfte, das Heilige ihrer Natur in eine ſpre¬
chende Erſcheinung. — Sind vielleicht Blüthen und
Kräuter Worte? — Sprache, in der die Gefühle, der
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/199>, abgerufen am 23.11.2024.
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