Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

immer höher und höher hinauf unzählige, und alle wink¬
ten so weit mein Auge reicht, und so ists mit jedem
Tag mehr daß ich mich an sie wenden muß, und
was Traum war muß mit der Wirklichkeit vermählt
werden, wenn ich mir durchhelfen soll. So ists wenn
der Keim durchbricht, da genügt nicht mehr Wasser und
Luft und Erde, da ist kein Wahrscheinliches mehr, kein
Unwahrscheinliches, da ist kein Rath, kein Beweisthum
mehr gültig. --

Glaube ist Aberglaube, -- aber Geist ist Glaube.
-- Da könnte einer fragen, was mein Vertrauen in die
Sterne ist, wenn nicht Glaube, und also Aberglaube?
zwischen den Sternen und mir ist nur der Geist, ich
fühls, alle sind Spiegel des Geistes der aus meiner
Brust steigt, sie fangen ihn auf und strahlen ihn zurück;
was Du denkst das einzig ist die Wahrheit, sagen sie,
klemme nicht Deine Flügel ein, fliege so hoch und so
weit Dich Deine Flügel tragen, ihre Kraft zu proben
ist nicht Sünde; wie der Kolumbus dahinfuhr auf ufer¬
losem Meer, so fürchte Du nicht die Ufer aus dem Aug
zu verlieren an denen Menschenwitz gelandet und furcht¬
sam sich dran festklammert; nicht umsonst ist Gott über¬
all, so darf der Menschengeist auch überall sein; denn

immer höher und höher hinauf unzählige, und alle wink¬
ten ſo weit mein Auge reicht, und ſo iſts mit jedem
Tag mehr daß ich mich an ſie wenden muß, und
was Traum war muß mit der Wirklichkeit vermählt
werden, wenn ich mir durchhelfen ſoll. So iſts wenn
der Keim durchbricht, da genügt nicht mehr Waſſer und
Luft und Erde, da iſt kein Wahrſcheinliches mehr, kein
Unwahrſcheinliches, da iſt kein Rath, kein Beweisthum
mehr gültig. —

Glaube iſt Aberglaube, — aber Geiſt iſt Glaube.
— Da könnte einer fragen, was mein Vertrauen in die
Sterne iſt, wenn nicht Glaube, und alſo Aberglaube?
zwiſchen den Sternen und mir iſt nur der Geiſt, ich
fühls, alle ſind Spiegel des Geiſtes der aus meiner
Bruſt ſteigt, ſie fangen ihn auf und ſtrahlen ihn zurück;
was Du denkſt das einzig iſt die Wahrheit, ſagen ſie,
klemme nicht Deine Flügel ein, fliege ſo hoch und ſo
weit Dich Deine Flügel tragen, ihre Kraft zu proben
iſt nicht Sünde; wie der Kolumbus dahinfuhr auf ufer¬
loſem Meer, ſo fürchte Du nicht die Ufer aus dem Aug
zu verlieren an denen Menſchenwitz gelandet und furcht¬
ſam ſich dran feſtklammert; nicht umſonſt iſt Gott über¬
all, ſo darf der Menſchengeiſt auch überall ſein; denn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0174" n="160"/>
immer höher und höher hinauf unzählige, und alle wink¬<lb/>
ten &#x017F;o weit mein Auge reicht, und &#x017F;o i&#x017F;ts mit jedem<lb/>
Tag mehr daß ich mich an &#x017F;ie wenden muß, und<lb/>
was Traum war muß mit der Wirklichkeit vermählt<lb/>
werden, wenn ich mir durchhelfen &#x017F;oll. So i&#x017F;ts wenn<lb/>
der Keim durchbricht, da genügt nicht mehr Wa&#x017F;&#x017F;er und<lb/>
Luft und Erde, da i&#x017F;t kein Wahr&#x017F;cheinliches mehr, kein<lb/>
Unwahr&#x017F;cheinliches, da i&#x017F;t kein Rath, kein Beweisthum<lb/>
mehr gültig. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Glaube i&#x017F;t Aberglaube, &#x2014; aber Gei&#x017F;t i&#x017F;t Glaube.<lb/>
&#x2014; Da könnte einer fragen, was mein Vertrauen in die<lb/>
Sterne i&#x017F;t, wenn nicht Glaube, und al&#x017F;o Aberglaube?<lb/>
zwi&#x017F;chen den Sternen und mir i&#x017F;t nur der Gei&#x017F;t, ich<lb/>
fühls, alle &#x017F;ind Spiegel des Gei&#x017F;tes der aus meiner<lb/>
Bru&#x017F;t &#x017F;teigt, &#x017F;ie fangen ihn auf und &#x017F;trahlen ihn zurück;<lb/>
was Du denk&#x017F;t das einzig i&#x017F;t die Wahrheit, &#x017F;agen &#x017F;ie,<lb/>
klemme nicht Deine Flügel ein, fliege &#x017F;o hoch und &#x017F;o<lb/>
weit Dich Deine Flügel tragen, ihre Kraft zu proben<lb/>
i&#x017F;t nicht Sünde; wie der Kolumbus dahinfuhr auf ufer¬<lb/>
lo&#x017F;em Meer, &#x017F;o fürchte Du nicht die Ufer aus dem Aug<lb/>
zu verlieren an denen Men&#x017F;chenwitz gelandet und furcht¬<lb/>
&#x017F;am &#x017F;ich dran fe&#x017F;tklammert; nicht um&#x017F;on&#x017F;t i&#x017F;t Gott über¬<lb/>
all, &#x017F;o darf der Men&#x017F;chengei&#x017F;t auch überall &#x017F;ein; denn<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[160/0174] immer höher und höher hinauf unzählige, und alle wink¬ ten ſo weit mein Auge reicht, und ſo iſts mit jedem Tag mehr daß ich mich an ſie wenden muß, und was Traum war muß mit der Wirklichkeit vermählt werden, wenn ich mir durchhelfen ſoll. So iſts wenn der Keim durchbricht, da genügt nicht mehr Waſſer und Luft und Erde, da iſt kein Wahrſcheinliches mehr, kein Unwahrſcheinliches, da iſt kein Rath, kein Beweisthum mehr gültig. — Glaube iſt Aberglaube, — aber Geiſt iſt Glaube. — Da könnte einer fragen, was mein Vertrauen in die Sterne iſt, wenn nicht Glaube, und alſo Aberglaube? zwiſchen den Sternen und mir iſt nur der Geiſt, ich fühls, alle ſind Spiegel des Geiſtes der aus meiner Bruſt ſteigt, ſie fangen ihn auf und ſtrahlen ihn zurück; was Du denkſt das einzig iſt die Wahrheit, ſagen ſie, klemme nicht Deine Flügel ein, fliege ſo hoch und ſo weit Dich Deine Flügel tragen, ihre Kraft zu proben iſt nicht Sünde; wie der Kolumbus dahinfuhr auf ufer¬ loſem Meer, ſo fürchte Du nicht die Ufer aus dem Aug zu verlieren an denen Menſchenwitz gelandet und furcht¬ ſam ſich dran feſtklammert; nicht umſonſt iſt Gott über¬ all, ſo darf der Menſchengeiſt auch überall ſein; denn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/174
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/174>, abgerufen am 25.11.2024.