immer höher und höher hinauf unzählige, und alle wink¬ ten so weit mein Auge reicht, und so ists mit jedem Tag mehr daß ich mich an sie wenden muß, und was Traum war muß mit der Wirklichkeit vermählt werden, wenn ich mir durchhelfen soll. So ists wenn der Keim durchbricht, da genügt nicht mehr Wasser und Luft und Erde, da ist kein Wahrscheinliches mehr, kein Unwahrscheinliches, da ist kein Rath, kein Beweisthum mehr gültig. --
Glaube ist Aberglaube, -- aber Geist ist Glaube. -- Da könnte einer fragen, was mein Vertrauen in die Sterne ist, wenn nicht Glaube, und also Aberglaube? zwischen den Sternen und mir ist nur der Geist, ich fühls, alle sind Spiegel des Geistes der aus meiner Brust steigt, sie fangen ihn auf und strahlen ihn zurück; was Du denkst das einzig ist die Wahrheit, sagen sie, klemme nicht Deine Flügel ein, fliege so hoch und so weit Dich Deine Flügel tragen, ihre Kraft zu proben ist nicht Sünde; wie der Kolumbus dahinfuhr auf ufer¬ losem Meer, so fürchte Du nicht die Ufer aus dem Aug zu verlieren an denen Menschenwitz gelandet und furcht¬ sam sich dran festklammert; nicht umsonst ist Gott über¬ all, so darf der Menschengeist auch überall sein; denn
immer höher und höher hinauf unzählige, und alle wink¬ ten ſo weit mein Auge reicht, und ſo iſts mit jedem Tag mehr daß ich mich an ſie wenden muß, und was Traum war muß mit der Wirklichkeit vermählt werden, wenn ich mir durchhelfen ſoll. So iſts wenn der Keim durchbricht, da genügt nicht mehr Waſſer und Luft und Erde, da iſt kein Wahrſcheinliches mehr, kein Unwahrſcheinliches, da iſt kein Rath, kein Beweisthum mehr gültig. —
Glaube iſt Aberglaube, — aber Geiſt iſt Glaube. — Da könnte einer fragen, was mein Vertrauen in die Sterne iſt, wenn nicht Glaube, und alſo Aberglaube? zwiſchen den Sternen und mir iſt nur der Geiſt, ich fühls, alle ſind Spiegel des Geiſtes der aus meiner Bruſt ſteigt, ſie fangen ihn auf und ſtrahlen ihn zurück; was Du denkſt das einzig iſt die Wahrheit, ſagen ſie, klemme nicht Deine Flügel ein, fliege ſo hoch und ſo weit Dich Deine Flügel tragen, ihre Kraft zu proben iſt nicht Sünde; wie der Kolumbus dahinfuhr auf ufer¬ loſem Meer, ſo fürchte Du nicht die Ufer aus dem Aug zu verlieren an denen Menſchenwitz gelandet und furcht¬ ſam ſich dran feſtklammert; nicht umſonſt iſt Gott über¬ all, ſo darf der Menſchengeiſt auch überall ſein; denn
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immer höher und höher hinauf unzählige, und alle wink¬
ten ſo weit mein Auge reicht, und ſo iſts mit jedem
Tag mehr daß ich mich an ſie wenden muß, und
was Traum war muß mit der Wirklichkeit vermählt
werden, wenn ich mir durchhelfen ſoll. So iſts wenn
der Keim durchbricht, da genügt nicht mehr Waſſer und
Luft und Erde, da iſt kein Wahrſcheinliches mehr, kein
Unwahrſcheinliches, da iſt kein Rath, kein Beweisthum
mehr gültig. —
Glaube iſt Aberglaube, — aber Geiſt iſt Glaube.
— Da könnte einer fragen, was mein Vertrauen in die
Sterne iſt, wenn nicht Glaube, und alſo Aberglaube?
zwiſchen den Sternen und mir iſt nur der Geiſt, ich
fühls, alle ſind Spiegel des Geiſtes der aus meiner
Bruſt ſteigt, ſie fangen ihn auf und ſtrahlen ihn zurück;
was Du denkſt das einzig iſt die Wahrheit, ſagen ſie,
klemme nicht Deine Flügel ein, fliege ſo hoch und ſo
weit Dich Deine Flügel tragen, ihre Kraft zu proben
iſt nicht Sünde; wie der Kolumbus dahinfuhr auf ufer¬
loſem Meer, ſo fürchte Du nicht die Ufer aus dem Aug
zu verlieren an denen Menſchenwitz gelandet und furcht¬
ſam ſich dran feſtklammert; nicht umſonſt iſt Gott über¬
all, ſo darf der Menſchengeiſt auch überall ſein; denn
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/174>, abgerufen am 25.11.2024.
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