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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

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der Seele vorgeht; sollte die Seele einfach klar em¬
pfinden, und man wollte ihre Empfindung steigern, so
würde dadurch ihre geistige Wirkung verloren gehen. --

Der größte Meister in der Poesie ist gewiß der, der
die einfachsten äußeren Formen bedarf um das innerlich
Empfangne zu gebären, ja dem die Formen sich zugleich
mit erzeugen im Gefühl innerer Übereinstimmung.

Wie gesagt wende nichts auf mich an von dem
was ich hier sage, Du könntest sonst in einen Irr¬
thum verfallen. Ob zwar ich grad durch mein In¬
neres dies so habe verstehen lernen. Ich mußte selbst
oft die Kargheit der Bilder, in die ich meine poeti¬
schen Stimmungen auffaßte, anerkennen, ich dachte mir
manchmal daß ja dicht nebenan, üppigere Formen,
schönere Gewande bereit liegen, auch daß ich leicht einen
bedeutenderen Stoff zur Hand habe, nur war er nicht als
erste Stimmung in der Seele entstanden, und so hab ich
es immer zurückgewiesen, und hab mich an das gehalten
was am wenigsten abschweift von dem was in mir
wirklich Regung war; daher kam es auch daß ich
wagte sie drucken zu lassen, sie hatten jenen Werth für
mich, jenen heiligen der geprägten Wahrheit, alle kleine
Fragmente sind mir in diesem Sinn Gedicht. Du wirst
wohl auch dies einfache Phänomen in Dir erfahren

der Seele vorgeht; ſollte die Seele einfach klar em¬
pfinden, und man wollte ihre Empfindung ſteigern, ſo
würde dadurch ihre geiſtige Wirkung verloren gehen. —

Der größte Meiſter in der Poeſie iſt gewiß der, der
die einfachſten äußeren Formen bedarf um das innerlich
Empfangne zu gebären, ja dem die Formen ſich zugleich
mit erzeugen im Gefühl innerer Übereinſtimmung.

Wie geſagt wende nichts auf mich an von dem
was ich hier ſage, Du könnteſt ſonſt in einen Irr¬
thum verfallen. Ob zwar ich grad durch mein In¬
neres dies ſo habe verſtehen lernen. Ich mußte ſelbſt
oft die Kargheit der Bilder, in die ich meine poeti¬
ſchen Stimmungen auffaßte, anerkennen, ich dachte mir
manchmal daß ja dicht nebenan, üppigere Formen,
ſchönere Gewande bereit liegen, auch daß ich leicht einen
bedeutenderen Stoff zur Hand habe, nur war er nicht als
erſte Stimmung in der Seele entſtanden, und ſo hab ich
es immer zurückgewieſen, und hab mich an das gehalten
was am wenigſten abſchweift von dem was in mir
wirklich Regung war; daher kam es auch daß ich
wagte ſie drucken zu laſſen, ſie hatten jenen Werth für
mich, jenen heiligen der geprägten Wahrheit, alle kleine
Fragmente ſind mir in dieſem Sinn Gedicht. Du wirſt
wohl auch dies einfache Phänomen in Dir erfahren

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[135/0149] der Seele vorgeht; ſollte die Seele einfach klar em¬ pfinden, und man wollte ihre Empfindung ſteigern, ſo würde dadurch ihre geiſtige Wirkung verloren gehen. — Der größte Meiſter in der Poeſie iſt gewiß der, der die einfachſten äußeren Formen bedarf um das innerlich Empfangne zu gebären, ja dem die Formen ſich zugleich mit erzeugen im Gefühl innerer Übereinſtimmung. Wie geſagt wende nichts auf mich an von dem was ich hier ſage, Du könnteſt ſonſt in einen Irr¬ thum verfallen. Ob zwar ich grad durch mein In¬ neres dies ſo habe verſtehen lernen. Ich mußte ſelbſt oft die Kargheit der Bilder, in die ich meine poeti¬ ſchen Stimmungen auffaßte, anerkennen, ich dachte mir manchmal daß ja dicht nebenan, üppigere Formen, ſchönere Gewande bereit liegen, auch daß ich leicht einen bedeutenderen Stoff zur Hand habe, nur war er nicht als erſte Stimmung in der Seele entſtanden, und ſo hab ich es immer zurückgewieſen, und hab mich an das gehalten was am wenigſten abſchweift von dem was in mir wirklich Regung war; daher kam es auch daß ich wagte ſie drucken zu laſſen, ſie hatten jenen Werth für mich, jenen heiligen der geprägten Wahrheit, alle kleine Fragmente ſind mir in dieſem Sinn Gedicht. Du wirſt wohl auch dies einfache Phänomen in Dir erfahren

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/149>, abgerufen am 22.11.2024.