die Gewalt kommt alles an, sie wirft alle Kritik zu Bo¬ den und thut das ihre. Was liegt dann dran ob es so gebaut sei wie es die angenommne Kunstverfassung nicht verletze? -- Gewalt schafft höhere Gesetze die kei¬ ner vielleicht früher ahnte oder auszusprechen vermochte; höhere Gesetze stoßen allemal die alten um, und -- wir sind doch noch nicht am End! -- Wenn doch der Spielplatz wo sich die Kräfte jetzt nach hergebrach¬ ten Grundsätzen üben, freigegeben wäre um der Na¬ tur leichter zu machen ihre Gesetze zu wandlen. Ich will nicht daß Du auf meine Produkte in der Poesie anwendest was ich hier sage; ich habe mich auch zusam¬ mengenommen und gehorchen lernen; und es war gut, denn es sammelte meinen Stoff in meinem Geist, der mir vielleicht als Inhalt nicht genügt haben würde, wenn mir die Form die ich der Anmuth zu verweben strebte, nicht den Werth dazu geliehen hätte; ich glaube daß nichts wesentlicher in der Poesie sei, als daß ihr Keim aus dem Inneren entspringe; ein Funke aus der Natur des Geistes sich erzeugend ist Begeistrung, sei es aus welchem tiefen Grund der Gefühle es wolle, sei er auch noch so gering scheinend. Das Wichtige an der Poesie ist, was an der Rede es auch ist, nemlich die wahrhaftige unmittelbare Empfindung die wirklich in
die Gewalt kommt alles an, ſie wirft alle Kritik zu Bo¬ den und thut das ihre. Was liegt dann dran ob es ſo gebaut ſei wie es die angenommne Kunſtverfaſſung nicht verletze? — Gewalt ſchafft höhere Geſetze die kei¬ ner vielleicht früher ahnte oder auszuſprechen vermochte; höhere Geſetze ſtoßen allemal die alten um, und — wir ſind doch noch nicht am End! — Wenn doch der Spielplatz wo ſich die Kräfte jetzt nach hergebrach¬ ten Grundſätzen üben, freigegeben wäre um der Na¬ tur leichter zu machen ihre Geſetze zu wandlen. Ich will nicht daß Du auf meine Produkte in der Poeſie anwendeſt was ich hier ſage; ich habe mich auch zuſam¬ mengenommen und gehorchen lernen; und es war gut, denn es ſammelte meinen Stoff in meinem Geiſt, der mir vielleicht als Inhalt nicht genügt haben würde, wenn mir die Form die ich der Anmuth zu verweben ſtrebte, nicht den Werth dazu geliehen hätte; ich glaube daß nichts weſentlicher in der Poeſie ſei, als daß ihr Keim aus dem Inneren entſpringe; ein Funke aus der Natur des Geiſtes ſich erzeugend iſt Begeiſtrung, ſei es aus welchem tiefen Grund der Gefühle es wolle, ſei er auch noch ſo gering ſcheinend. Das Wichtige an der Poeſie iſt, was an der Rede es auch iſt, nemlich die wahrhaftige unmittelbare Empfindung die wirklich in
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die Gewalt kommt alles an, ſie wirft alle Kritik zu Bo¬
den und thut das ihre. Was liegt dann dran ob es
ſo gebaut ſei wie es die angenommne Kunſtverfaſſung
nicht verletze? — Gewalt ſchafft höhere Geſetze die kei¬
ner vielleicht früher ahnte oder auszuſprechen vermochte;
höhere Geſetze ſtoßen allemal die alten um, und — wir
ſind doch noch nicht am End! — Wenn doch der
Spielplatz wo ſich die Kräfte jetzt nach hergebrach¬
ten Grundſätzen üben, freigegeben wäre um der Na¬
tur leichter zu machen ihre Geſetze zu wandlen. Ich
will nicht daß Du auf meine Produkte in der Poeſie
anwendeſt was ich hier ſage; ich habe mich auch zuſam¬
mengenommen und gehorchen lernen; und es war gut,
denn es ſammelte meinen Stoff in meinem Geiſt, der
mir vielleicht als Inhalt nicht genügt haben würde,
wenn mir die Form die ich der Anmuth zu verweben
ſtrebte, nicht den Werth dazu geliehen hätte; ich glaube
daß nichts weſentlicher in der Poeſie ſei, als daß ihr
Keim aus dem Inneren entſpringe; ein Funke aus der
Natur des Geiſtes ſich erzeugend iſt Begeiſtrung, ſei
es aus welchem tiefen Grund der Gefühle es wolle,
ſei er auch noch ſo gering ſcheinend. Das Wichtige an
der Poeſie iſt, was an der Rede es auch iſt, nemlich die
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/148>, abgerufen am 22.11.2024.
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