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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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täten entgegengestellt, man schämt sich vor ihnen keiner
bösen Regung, vor Andern hütet man sich wohl, da
versteckt man die böse Natur, aber vor Kindern nicht,
man denkt sie begreifens noch nicht, man sollte doch lie¬
ber auf ihre Reinheit bauen, die das Böse nicht gewahr
wird, oder auf ihre Großmuth, sie verzeihen viel und
rechnen es einem nicht an. Deswegen sind sie aber
nicht witzlos und untüchtig für den höchsten Begriff.
Aber die Menschen sind über sich selber so dumm, sie
glauben in ihrem schmäligen Unrecht noch an ihre
eigne Weisheit wie an einen Ölgötzen, dem sie Opfer
bringen aller Art, nur die eigne Bosheit erwischen sie
nicht bei den Ohren, um sie einmal zu schlachten. Der
knospenvolle Lebenstrieb wird nichts geachtet, der soll
nicht aufgehen, aus dem die Natur, hervor ans Licht sich
drängen will; da wird ein Netz gestrickt wo jede Ma¬
sche ein Vorurtheil ist, -- keinen Gedanken aus freier Luft
greifen und dem vertrauen, -- alles aus Philisterthum
beweisen und erfordern, das ist die Lebensstraße die ih¬
nen gepflastert wird, und wo statt der lebendigen Na¬
tur lauter verkehrte Grundsätze und Gewohnheiten es
umstricken. Der Voigt sagte, ihm sei das Lachen und
Weinen nah gewesen beim Examen in der Musterschule,
wo der Molitor mit so großem Eifer die Judenkinder

täten entgegengeſtellt, man ſchämt ſich vor ihnen keiner
böſen Regung, vor Andern hütet man ſich wohl, da
verſteckt man die böſe Natur, aber vor Kindern nicht,
man denkt ſie begreifens noch nicht, man ſollte doch lie¬
ber auf ihre Reinheit bauen, die das Böſe nicht gewahr
wird, oder auf ihre Großmuth, ſie verzeihen viel und
rechnen es einem nicht an. Deswegen ſind ſie aber
nicht witzlos und untüchtig für den höchſten Begriff.
Aber die Menſchen ſind über ſich ſelber ſo dumm, ſie
glauben in ihrem ſchmäligen Unrecht noch an ihre
eigne Weisheit wie an einen Ölgötzen, dem ſie Opfer
bringen aller Art, nur die eigne Bosheit erwiſchen ſie
nicht bei den Ohren, um ſie einmal zu ſchlachten. Der
knospenvolle Lebenstrieb wird nichts geachtet, der ſoll
nicht aufgehen, aus dem die Natur, hervor ans Licht ſich
drängen will; da wird ein Netz geſtrickt wo jede Ma¬
ſche ein Vorurtheil iſt, — keinen Gedanken aus freier Luft
greifen und dem vertrauen, — alles aus Philiſterthum
beweiſen und erfordern, das iſt die Lebensſtraße die ih¬
nen gepflaſtert wird, und wo ſtatt der lebendigen Na¬
tur lauter verkehrte Grundſätze und Gewohnheiten es
umſtricken. Der Voigt ſagte, ihm ſei das Lachen und
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[69/0085] täten entgegengeſtellt, man ſchämt ſich vor ihnen keiner böſen Regung, vor Andern hütet man ſich wohl, da verſteckt man die böſe Natur, aber vor Kindern nicht, man denkt ſie begreifens noch nicht, man ſollte doch lie¬ ber auf ihre Reinheit bauen, die das Böſe nicht gewahr wird, oder auf ihre Großmuth, ſie verzeihen viel und rechnen es einem nicht an. Deswegen ſind ſie aber nicht witzlos und untüchtig für den höchſten Begriff. Aber die Menſchen ſind über ſich ſelber ſo dumm, ſie glauben in ihrem ſchmäligen Unrecht noch an ihre eigne Weisheit wie an einen Ölgötzen, dem ſie Opfer bringen aller Art, nur die eigne Bosheit erwiſchen ſie nicht bei den Ohren, um ſie einmal zu ſchlachten. Der knospenvolle Lebenstrieb wird nichts geachtet, der ſoll nicht aufgehen, aus dem die Natur, hervor ans Licht ſich drängen will; da wird ein Netz geſtrickt wo jede Ma¬ ſche ein Vorurtheil iſt, — keinen Gedanken aus freier Luft greifen und dem vertrauen, — alles aus Philiſterthum beweiſen und erfordern, das iſt die Lebensſtraße die ih¬ nen gepflaſtert wird, und wo ſtatt der lebendigen Na¬ tur lauter verkehrte Grundſätze und Gewohnheiten es umſtricken. Der Voigt ſagte, ihm ſei das Lachen und Weinen nah geweſen beim Examen in der Muſterſchule, wo der Molitor mit ſo großem Eifer die Judenkinder

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/85>, abgerufen am 25.11.2024.